Zeitsprung – Die Trilogie (Sammelband) - Rose-Lise Bonin - E-Book
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Zeitsprung – Die Trilogie (Sammelband) E-Book

Rose-Lise Bonin

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Beschreibung

Drei Bücher in einem: Entdecke die fesselnde Zeitreise-Romantasy-Trilogie mit den Enemies to Lovers Rhapsody & Shane!

Gib niemals auf. Vertraue niemandem. Lerne zu unterscheiden... Reise mit Rhapsody in die Zukunft und rette das Universum!

Auf der Flucht vor ihrer schrecklichen Adoptivfamilie landet die sechzehnjährige Rhapsody plötzlich im Jahr 2597. Dort erfährt sie: Sie ist ein Mondmensch, beherrscht das Zeitreisen und kommt ursprünglich aus der Zukunft! Rhapsody ist also nicht zufällig im sechsundzwanzigsten Jahrhundert gelandet … Auf der Suche nach ihrer Vergangenheit wird sie von den Truppen des grausamen Herrschers Yiero verfolgt, der zu allem bereit ist, um Rhapsody in seine Hände zu kriegen. Ihr einziger Verbündeter: der unverschämt gut aussehende Mondmensch Shane, dessen Blicke wortwörtlich töten können. Als der unvermeidliche Kampf bevorsteht, muss Rhapsody sich entscheiden: Kann sie die Vergangenheit überwinden, um die Zukunft zu retten?


Tauche ein in die Welt der Fantasy & Science-Fiction-Trilogie Zeitsprung! Vereint in einem Sammelband erwartet dich eine Young Adult Fantasy-Reihe, die dich nicht mehr loslässt - inklusive der bis jetzt unveröffentlichten, exklusiven Kurzgeschichte Happy Birthday!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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ZEITSPRUNG
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
ZEITSPRUNG II
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
ZEITSPRUNG III
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
HAPPY BIRTHDAY
An die Lesenden
Weitere Bücher
Danksagung

 

Rose-Lise Bonin

Zeitsprung – Die Trilogie

(Sammelband)

Mit Bonus-Kurzgeschichte

 

 

Impressum

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

 

1. Auflage, 2023

© 2023 Rose-Lise Bonin

RLB Autorin

Hackenängerstr. 22, 85221 Dachau

www.rlb-autorin.de

[email protected]

 

Hinweis: Die Autorin hat die Zeitsprung-Trilogie im Alter von elf bis siebzehn Jahren verfasst. Um die Authentizität zu bewahren, wurden nur erforderliche inhaltliche und stilistische Änderungen vorgenommen. Die Handlung bleibt davon unberührt.

Lektorat & Korrektorat: SMU Verlag

Coverdesign: NH Buchdesign (www.nh-buchdesign.com) unter der Verwendung von Grafiken von Shutterstock

 

 

 

Als Deutsch-Französin 1997 an der Côte d’Azur geboren, entdeckte Rose-Lise Bonin mit elf Jahren die Liebe zum Geschichtenerfinden. Ihr Debüt als Romanautorin machte sie mit der Young Adult Fantasy-Trilogie Zeitsprung, die ihre Leidenschaft für außergewöhnliche Charaktere entfachte. Diese Faszination entwickelte sich während ihres Studiums weiter: Den International Master of Arts in Amerikanistik schloss sie mit ihrer Arbeit zur Diversity im Superheldengenre ab. Im Herbst 2022 erschien dann mit Perfect – Spüre die Angst ihr eigene Superheldengeschichte. Der New Adult Fantasy-Roman wurde 2023 für den tolino media Newcomerpreis nominiert und erreichte die Top 10. Wenn Rose-Lise keine Bücher schreibt, ist sie als crossmediale Texterin in der Medienbranche tätig – von Artikel bis TV-Serie ist alles vertreten. Ihr größter Traum: Ihre Leser:innen mit Geschichten über besondere Menschen zu inspirieren.

 

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Zur Entstehung der Zeitsprung-Trilogie

 

Inspiriert von dem legendären Song Bohemian Rhapsody der Rockband Queen habe ich mit elf Jahren angefangen, Zeitsprung zu schreiben. Binnen zwei Jahren verfasste ich den ersten Teil der Trilogie, der 2011 erstveröffentlicht wurde. Somit hielt ich mit dreizehn Jahren meinen ersten Roman in den Händen!

Auch Zeitsprung II und Zeitsprung III habe ich neben Schule und Studium geschrieben. Mit siebzehn Jahren erschien der letzte Teil der Trilogie. Ich bin stolz, euch nun mein Debütwerk in einer besonderen Ausgabe als Sammelband vorzustellen.

2022 bin ich erneut in das Universum von Rhapsody und Shane getaucht – das Ergebnis erwartet euch in der exklusiven Kurzgeschichte Happy Birthday!

Jetzt wünsche ich euch: Viel Spaß in der Zukunft!

ZEITSPRUNG

 

 

Gib niemals auf.

Kapitel 1

»Du Bastard, du nimmst mir nicht meine Kinder weg!«, schrie meine Mutter.

»Ach ja? Und wenn ich sie dir gar nicht wegnehmen werde, sondern sie einfach mit mir kommen?«, zischte mein Vater.

Das Geschrei meiner Eltern, die sich jeden Morgen gegen sieben Uhr stritten, war mein täglicher Wecker.

Ich stand auf und öffnete die Rollläden, die mich von der Außenwelt trennten. Es regnete wieder, wie so oft. Dieses Wetter passte gut zu meinem Leben.

Ich holte meinen Rucksack, der schon bereitstand, meine Jeans und dazu ein weißes T-Shirt, wie immer.

Noch im Halbschlaf versunken, tastete ich mich an der Wand entlang, um zum Badezimmer zu gelangen, bis meine Hand etwas berührte, das keine Wand war.

Ich öffnete vorsichtig meine Augen.

»Hallo??? Geht es dir noch gut, mich einfach so zu begrapschen?«, schrie meine Schwester Jossy auf. Ich hatte ihr versehentlich an die Brust gefasst, als sie aus ihrem Zimmer kam. Sie war ein Gothic Girl mit schwarzen Haaren, weißem Make-up und dunklen Augen. Sie trug genau dieselben Klamotten wie gestern und ich vermutete, dass sie gerade erst nach Hause gekommen war.

Aha, deswegen der Streit meiner Eltern.

»Hast du schon wieder die ganze Nacht durchgemacht?«, fragte ich sie traurig.

Mittlerweile war ich hellwach. Sie hatte diesen Blick, der mir Sorgen machte. Es war ein Blick, als ob sie etwas Beängstigendes gesehen hätte.

»Ja … und, eifersüchtig?«, fragte sie.

Sie schaute mich von oben herab an. Sie war etwas größer als ich, auch wenn sie erst vierzehn war und ich fast siebzehn.

»Nein, ganz sicher nicht, aber was ist mit der Schule, verdammt?«, zischte ich sie an.

»Ach, halt doch die Klappe, Alien«, blaffte sie zurück, ging an mir vorbei und schubste mich dabei an die Wand. Wie nett.

Ich ging ins Badezimmer und schloss ab. Ich unterdrückte einen Schrei, als ich mein Spiegelbild sah. Seit Wochen hatte ich versucht, das zu vermeiden.

Meine gelben Augen strahlten wie die Sonne und ich musste fast weinen, als ich mich so sah. Meine violetten, strubbeligen Haare reichten mir fast bis zum Bauchnabel. Ich hatte schon so oft versucht, sie zu färben, aber nichts funktionierte.

Sie blieben einfach violett.

Wie viel Zeit und Kraft hatte ich schon damit verschwendet, mein Aussehen zu ändern? Wie viel Zeit hatte ich wohl mit Tränen vergeudet, weil ich von den Anderen gehänselt und gehasst wurde? Ich wollte es gar nicht erst wissen.

Ich zog mich schnell an und kämmte rasch meine Haare. Make-up brauchte ich nicht, ich sah verrückt genug aus und außerdem mochte ich es nicht.

Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, so eine blasse, reine Haut zu haben, ohne einen einzigen Pickel oder Mitesser. Aber das war eigentlich ein Beweis für mein »Alien-Sein«, wie meine lieben Feinde das nannten.

Ich nahm meinen Rucksack und ging aus dem Badezimmer.

Diesmal rannte ich voll gegen Lucas, meinen fünfzehnjährigen Stiefbruder. Er war der einzige Sohn meines Vaters, der zwar nicht mein leiblicher Vater war, aber den ich schon von klein auf als solchen ansah. Weil Lucas von uns allen das einzige, biologische Kind von Dad war, fühlte er sich immer viel cooler als die anderen.

Für mich war er aber einfach nur ein Loser.

Er trug Jeans, die ihm fast bis zu seinen Knien heruntergerutscht waren. Sicher würde er gleich nur noch in seiner Unterhose dastehen. Darüber trug er ein rotes Fußballshirt unserer Schule. Lächerlich, er spielt noch nicht mal Fußball.

Ich wusste, dass er rauchte und ab und zu Drogen nahm, doch das war mir mittlerweile egal. Ich hatte ihn oft genug gewarnt.

»Yo, Sista pass‘ halt mal auf …«, lallte er und ich roch, dass er Alkohol getrunken hatte. Er schwankte ein wenig und seine Augen sahen verdreht ins Leere. Ich musste ihn an den Schultern festhalten, damit er nicht umfiel.

Unser Flur war schmal und klein, wie unsere ganze miese Wohnung.

Ich hatte wirklich keine Lust, dass mein betrunkener Bruder auf mich fiel.

Ich schubste ihn von mir weg und er stürzte sich ins Bad. Ich hörte, wie er sich erbrach und dann schrecklich hustete. Wie immer.

Also ging ich weiter bis zum Wohnzimmer, wo mein Vater schwer atmend auf der Couch saß.

»Hey, Dad«, begrüßte ich ihn und schmiss mich auf die gemütlichste Couch der Welt.

»Guten Morgen, Liebling«, antwortete er und atmete hörbar tief ein.

»Reg dich nicht so über Mum auf, das wird schon wieder …«, tröstete ich ihn, auch wenn ich wusste, dass es eine Lüge war.

»Ach … lass mich doch in Ruhe«, grummelte er und schubste meinen Arm weg, während ich versuchte, ihn zu umarmen.

An diesem Morgen fand wohl jeder Spaß daran, mich herum zu schubsen.

Ich stand seufzend auf und ging in die Küche.

Vor der Küche ließ ich meinen Rucksack einfach fallen, gleichzeitig kam mir Mum mit einem gestressten Gesichtsausdruck entgegen. Sie trug bereits ihren Mantel und griff nun nach ihrer Handtasche.

Sie schien es sehr eilig zu haben. Sie war Krankenschwester und arbeitete ausschließlich für den Chefarzt des Krankenhauses, mit dem sie auch mal eine Affäre hatte, nein, immer noch hat.

»Oh, Schatz! Ich muss gehen, ich bin spät dran … ok … ciaochen!«, rief sie und rannte zur Tür hinaus.

Wow, toller Morgen.

Aber das war ich ja gewohnt.

Ich hatte noch eine Viertelstunde Zeit, also ging ich in die Küche und schenkte mir einen Kaffee ein.

Ich konnte einfach nicht mehr so weiterleben. Klar liebte ich meine Familie, aber die letzten Monate, oder eher Jahre, oder fast mein ganzes Leben, verabscheute ich sie. Ich glaubte, ich hasste sie.

Jossy und Lucas waren der reinste Horror. Meine Eltern waren egoistisch und selbstsüchtig und interessierten sich für keines ihrer Kinder.

Meine letzte Hoffnung war eigentlich nur mein jüngster Bruder Tommy: Er war dreizehn Jahre alt und für mich der liebste Mensch und mein einziger Freund. Eigentlich hieß er Thomasen, aber alle nannten ihn schon immer Tommy.

Plötzlich gab es einen unglaublichen Krach.

Vermutlich hatte Jossy, tollpatschig wie sie ist, etwas herunterfallen lassen. Doch es schien ihr völlig egal zu sein, sie kam in die Küche und begann zu frühstücken. Sie hatte sich umgezogen und trug einen langen schwarzen Rock, rundum mit Ketten besetzt, der viele Löcher hatte. Dazu ein Tank Top mit einem weißen Totenkopf und falschen Blutflecken. Darüber trug sie noch ein »Jäckchen«, das mit spitzen Zacken und falschen Messerklingen dekoriert war. Sie hatte ihre kurzen schwarzen Haare in zwei Rattenschwänze verwandelt und sie trug schwarzen Lippenstift, auch wenn er nicht zu ihrer rosa Zahnspange passte. Das sah so was von verrückt aus.

»Und … wer bringt dich zur Schule?«, fragte sie zuckersüß und ich wusste, dass sie mich eigentlich nur dazu bringen wollte, ihr selbst diese Frage zu stellen.

»Der Busfahrer – und wer bringt dich hin?«

Ich spielte das Spiel mit. Sie machte eine Grimasse, die echt doof aussah, als ich »Busfahrer« sagte.

»Alex Guariona fährt mich. Der Neue aus deiner Klasse. Ich habe mich diese Nacht etwas mit ihm amüsiert …«, platzte es aus ihr heraus. Sie lächelte und sah aus wie ein Zombie. Ein hässlicher Zombie, um ihre Pickel nicht zu vergessen.

»Ich wusste nicht, dass Vollidioten jetzt Zombies daten, aber es erscheint mir langsam logisch«, antwortete ich mit einem falschen Lächeln. Sie rollte ihre Augen und schnaufte. Und da hörte ich schon ein kräftiges, lautes Brummen von draußen.

»Du tust mir echt leid … na ja, ciao Single!«, zwitscherte sie und rannte aus der Küche.

Ich seufzte. Mein Leben war miserabel.

Schon hörte ich Schimpfwörter und einen kurzen Schrei.

Lucas. Flüche und Schreie waren seine Sprache. Im Gegensatz zu Jossy trägt er goldene, fast dunkelblonde Haare und hat eher braune, langweilige Augen. Sie erinnerten mich an Abwaschwasser.

»Wer ist dieser Mistkerl, der gerade Jossy zur Schule fährt?«, zischte er wütend und ich sah, wie er eine Zigarettenpackung fest in der Hand hielt. Er merkte, wie ich drauf starrte.

»Lucas, du hattest gesagt, du würdest aufhören«, sagte ich.

»Die schmeiß ich draußen in den Müll … wer ist dieser Vollidiot?«

»Alex … was weiß ich … irgendwas mit Gua oder so. Aber wehe, ich sehe dich noch einmal mit den Dingern«, warnte ich ihn und zeigte auf die Schachtel.

Er hob seine Augenbrauen und lächelte hässlich mit seinen stinkenden, braun-gelben Zähnen.

»Was willst du machen, Alien? Mich verpfeifen? Mum und Dad wär‘ das ja egal … und soweit ich weiß, hast du auch mal geraucht, nicht wahr?«, schoss er sofort zurück.

Er hatte recht, deshalb schwieg ich. Ich hatte einmal geraucht, vor zwei Jahren, als ich vollkommen fertig mit der Welt gewesen war und mir einfach nur gewünscht hatte, dass alles anders wäre. Ich habe aber nur ein paar Tage geraucht, es hat mir sowieso nicht geschmeckt. Aber Lucas rauchte jetzt schon seit einem Jahr und kam dadurch auch an Drogen. Ohne dass ich es gemerkt hatte, war er rausgegangen.

Alles war ruhig und für einen Moment wurde nicht auf mir herumgehackt. Das war ein befreiendes Gefühl.

Aber ich freute mich, als ich die schlurfenden, müden Schritte von Tommy hörte, der sich der Küche näherte. Endlich jemand, dem ich nicht vollkommen egal war.

Auf jeden Fall dachte ich das.

»Hey …«, murmelte Tommy und setzte sich an den Esstisch. Seine hellblonden Haare standen wie immer leicht nach oben ab. Er schmiss seinen Rucksack auf meinen Fuß. Ich rollte die Augen und seufzte, ohne ein Kommentar abzugeben. »Kann ich bitte Müsli haben?«

»Es gibt keins mehr«, antwortete ich.

Er seufzte und rieb sich die Augen. Mühevoll stand er auf und schleppte sich bis zum Kühlschrank.

»Och nee …«, jammerte er, als er hineinschaute und ihn die pure Leere begrüßte.

»Dir auch guten Morgen. Ja, mir geht es wunderbar, danke für deine Nachfrage«, sagte ich. Eigentlich hatte ich eine liebevolle und nette Begrüßung von ihm erwartet, aber nein.

»Es tut mir leid, aber ich kann nicht mehr. Rhapsody, ich kann hier nicht mehr weiterleben«, murmelte er und setzte sich neben mich.

»Was meinst du?«

»Bist du blind? Diese Familie ist der reinste Wahnsinn! Wir müssen … ich kann jetzt nicht mit dir darüber reden. Dad könnte jeden Augenblick hereinkommen.«

»Was müssen wir ...?«, fragte ich hoffnungsvoll.

»Schon so spät! Wir werden den Bus verpassen!«, wechselte er schnell das Thema und stand auf. Ich hielt ihn von hinten an seinem grauen, langweiligen Polo fest.

»Nicht so schnell …«, warnte ich ihn und zog ihn zurück. Es fehlten nur noch wenige Zentimeter, bis er genauso groß wie ich war. Und das, obwohl er erst dreizehn war.

In dieser Familie schien ich prinzipiell kleiner und unwichtiger als alle anderen zu sein.

»Lass uns später darüber reden, bitte«, flüsterte er. Er schaute mich mit seinen wunderschönen, himmelblauen Augen an. Sie hatten fast etwas Übernatürliches an sich.

Ich konnte nicht anders, als ihn loszulassen.

Er ging aus dem Zimmer und ich hörte nur noch meinen ungleichmäßigen, unruhigen Atem.

*

Tränen fielen vom Himmel. Ich schaute aus dem Fenster heraus dem Regen zu, der immer stärker wurde. Die Bäume beugten sich im Wind. Heute Morgen war es sehr stürmisch. Es war Hurrikansaison, das heißt heftige Stürme, Tornados, das Übliche eben.

Der Weg zur Schule war bequem – die Fahrt dauerte nur eine Viertelstunde – und der Bus hielt direkt vor der Schule.

Tommy ging seit Beginn des Schuljahres auch in die St. Gloria High School. Eigentlich fuhren wir immer zusammen, aber heute war er früher aufgebrochen, um noch einen Freund abzuholen.

Ich stand vor unserem Gefängnis und schaute es traurig an.

Das Schulgebäude war nicht sehr hoch und sah schon von außen nicht gerade einladend aus. Das »R« und das »L« von »Gloria« waren kaum lesbar und »School« hing vollkommen schief nach unten.

Noch nicht einmal das konnten sie reparieren.

Eigentlich hätte unsere Schule während der Sommerferien renoviert werden sollen und müsste jetzt schön und einladend aussehen, aber sie hatten kein Geld, also gab es keine Reparaturen.

Ich machte einen Schritt auf meinen Albtraum zu, als ich merkte, dass ich noch gute zehn Minuten bis zum Unterrichtsbeginn hatte.

Als ich reinkam, war es am schlimmsten. Überall liefen Menschen herum. Streber, Vollidioten, Nervensägen, Nullchecker … sie waren einfach überall.

Ich hasste Menschenmassen. Und vor allem solche, die mich hassten und ignorierten.

Die würden mich garantiert nicht vermissen, falls ich irgendwann einmal verschwinden würde. Ich beachtete sie nicht, denn ihre Worte waren für mich wie Wind, der durch das eine Fenster hineinblies und durch das andere wieder verschwand.

Ich atmete tief ein und aus und kämpfte mich durch, um zu meinem Schließfach zu gelangen.

»Hey, Alien! Wo bist du heute aufgewacht? Auf dem Mars?!«, rief eine unbekannte, männliche Stimme hinter mir, aber ich ignorierte sie. Ich wollte weder Streit noch irgendeine Prügelei, das hatte ich beides oft genug erlebt, also antwortete ich nicht.

Ich öffnete mein Schließfach, holte schnell meine Sachen heraus und stopfte meine Jacke und meinen Schirm hinein. Als ich abschloss und mich umdrehte, sah ich Lola, »Queen« der Schule und auch Königin meiner Feinde. Sie kam geradewegs auf mich zu.

Und das war unsere Geschichte: Wir waren einmal beste Freunde, doch als sie unbedingt in einen richtigen »Girlsclub« wollte, musste sie eine Mutprobe bestehen, nämlich jemanden zu blamieren … und man kann sich denken, wer blamiert wurde. Und zwar vor der ganzen Schule. Kurz danach blamierte ich sie und seitdem hassen und streiten wir uns.

Ehrlich gesagt, fand ich das alles ziemlich lächerlich und nervtötend, aber ich hatte keine andere Wahl. Sie würde meine Zurückhaltung ausnutzen.

»Wie kommt es eigentlich, dass die Marsmännchen dich immer noch nicht abgeholt haben?«, blaffte sie mich an.

Sie war mehrere Zentimeter größer als ich, aber wahrscheinlich nur, weil sie hässliche, pinkfarbene High Heels trug. Sie hatte außerdem einen zartrosafarbenen Pullover und einen grau karierten Minirock an. Hinter ihr standen ihre zwei Sklavinnen, Amanda und Sonia. Sie hingen nur mit ihr rum, weil sie cool war.

Na ja, wenn »cool sein« bedeutete, teuflisch böse zu sein.

»Wahrscheinlich, weil sie Angst haben, deinen Virus zu bekommen«, schoss ich zurück. Sie runzelte ihre Stirn.

»Was hat das mit mir zu tun? Und was für ein Virus?«, fragte sie und drehte sich nervös zu ihren Freundinnen um.

Sie hatte vielleicht schöne blonde Haare und tolle blaue Augen, aber ihr Gehirn war nicht größer als eine Erbse.

»Du scharwenzelst ja andauernd um mich herum und sie haben große Angst um mich, denn sie wollen schließlich nicht, dass ich mich mit deiner Dummheit anstecke und ihnen das weitergebe«, erklärte ich ihr. Es klingelte. »Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest? Ich habe Unterricht!«

Sie starrte mich fassungslos an und wahrscheinlich brauchte ihr hohles Hirn ein bisschen Zeit, bevor sie meine Beleidigung verstand.

Als ich in das Klassenzimmer kam, hörte ich wie so oft ein paar »Buhs«, doch dann trat der Lehrer herein und alles wurde still. Und so lebte ich, jeden Tag aufs Neue, mein verdammtes Leben.

*

Irgendwann am Nachmittag in der vorletzten Stunde passierte es dann wieder mal. Etwas, dass ich schon öfter erlebt hatte, aber ich mir wahrscheinlich einbildete. Manchmal hatte ich Hoffnung und wünschte mir verzweifelt, dass es keine Einbildung wäre.

Das Ganze war ehrlich gesagt zu merkwürdig, um wahr zu sein.

Das Wetter wurde schlimmer und schlimmer und es war richtig stürmisch draußen. Vielleicht war ein Tornado im Anmarsch, also durften wir nicht raus.

Ich saß in Geschichte und wir nahmen irgendetwas über die Französische Revolution durch, als, anstatt der langweiligen Klasse, ein völlig anderes Bild vor meinen Augen auftauchte.

Ich befand mich in einem Auto, ganz sicher, weil ich das Lenkrad links neben mir sah. Das Auto fuhr auf der großen Hauptstraße unserer kleinen Stadt.

Ich wusste nicht, wo es hinwollte oder woher es kam, aber es war windig draußen und man sah auf einmal im Rückspiegel viele, gewaltige Blitze, die näher und näher kamen. Von weitem sah ich am Ufer riesige Wellen schlagen.

Das Auto fuhr weiter und immer schneller, als ich bemerkte, dass zwei kleine Babys hinten schliefen und ich auf dem Beifahrersitz saß. Die Frau, die das Auto fuhr, war ängstlich, und ich vermutete, sie war neu hier in der Stadt, weil sie sich nicht mit Stürmen auskannte. Sie hätte sich und die Kinder schon längst in Sicherheit bringen sollen, statt mit dem alten Ford quer durch Smallon zu fahren.

Und da bog sie in die Straße meiner Schule ein.

Die Rückspiegel brachen ab und flogen davon und die Babys fingen an zu schreien. Sie schaute andauernd nach hinten und konzentrierte sich nicht mehr auf die Straße, sie schlingerte über die ganze Fahrbahn.

Da sah ich, wie der Wind die Wurzeln eines riesengroßen Baumes, der bestimmt schon 100 Jahre alt war, brutal aus der Erde herausriss.

Diesen Sturm würde er nicht überleben, aber das war nicht das Problem. Ich vermutete, dass das Auto es auch nicht überleben würde.

»Hey! Stopp! Der Baum! Passen Sie auf!«, schrie ich panisch, ohne zu wissen, was ich machen sollte.

Sie hörte mich nicht, ich schien für sie gar nicht zu existieren. Wir näherten uns dem Baum, der sich mehr und mehr Richtung Straße bewegte. Gleich würde es einen schrecklichen Unfall geben.

»Hey!«, schrie ich noch lauter und fasste ihre Schultern an, um sie zu stoppen, aber ich sah noch nicht einmal meine Hände.

Ihre Hände lagen nicht mehr auf dem Lenkrad, sondern auf den Wangen ihrer Kinder. Wir waren nur noch zwanzig Meter von dem fallenden Baum entfernt.

»Neeeeeeeeeeeeeeeeeeeein!!!«, schrie ich und fiel in Dunkelheit und Schwärze.

*

Ich blinzelte und sah plötzlich wieder die Klasse und meinen Geschichtslehrer vor mir.

Nachdem was ich erlebt hatte, stockte mir der Atem und ich musste erst mal wieder nach Luft schnappen, während ich aus dem Fenster starrte.

Es ist nur eine doofe Einbildung gewesen, redete ich mir selbst ein, aber es half eigentlich nicht weiter.

Genauso etwas war mir schon am 11. September 2001 passiert, als die zwei Türme in New York von Terroristen zerstört wurden.

Ich hatte es gesehen. Ich hatte gesehen, als ich zu Hause beim Abendessen saß, wie die Flugzeuge in die zwei Türme flogen und diese einstürzten. Aber es war zu lange her. Vielleicht hatte ich nur einen Schock bekommen, als ich die Bilder im Fernsehen gesehen hatte und mir aus lauter Verzweiflung und Einsamkeit eingebildet, ich hätte es vorhergesehen.

Als ich wieder aus dem Fenster sah, tauchte am Ende der Straße das Auto auf. Es schlingerte, genauso, wie ich es kurz zuvor gesehen hatte.

»Miss Lossen, sehen Sie denn etwas Interessantes da draußen, was mit Rousseau oder der Revolution zu tun hat?«, holte mich plötzlich der Geschichtslehrer aus meiner Trance.

»Der Baum … er wird gleich auf das Auto fallen!«, schrie ich verzweifelt und stand auf.

Er sah unbeeindruckt aus.

»Er wird nicht auf das Auto fallen können, er ist sehr stabil und steinalt. Glaubst du wirklich, er gibt so schnell auf?«, fragte er mich, blöd lächelnd und über seine Glatze reibend. Wie konnte man jetzt plötzlich nur an Bäume denken und nicht an die Menschen, die gleich sterben würden.

»Verdammt! Ich weiß es!«, schrie ich wütend und rannte aus dem Klassenzimmer.

Ich konnte nicht zulassen, dass sie sterben. Ich war außer mir. Ich hörte Gelächter und die schnellen Schritte des Lehrers hinter mir.

»Ich schicke dich zur Direktorin, junge Dame, letzte Chance!«, zischte er ungeduldig und ich rannte so schnell wie möglich zur Tür.

»Miss Lossen!«, schrie er weit hinter mir, aber da war ich schon draußen.

Es war eiskalt und ich musste mich festhalten, um nicht wegzufliegen. Genau in diesem Moment sah ich, wie der riesige, majestätische Baum auf das Auto fiel und es zermalmte.

»Nein …«, murmelte ich perplex.

Ich spürte einen Arm, der mich hereinzog, und dann sah ich in das Gesicht des wütenden Lehrers.

»Bist du verrückt …?«, sagte er, aber der Rest seiner Frage blieb ihm im Hals stecken, als er nach draußen sah. Er schaute das Auto an. Als seine Brille wegfliegen wollte, hielt er sie gerade noch fest und rückte sie zurecht. Seine Augen weiteten sich, als er das Nummernschild sah.

Er ließ mich los und kämpfte sich gegen den Wind zum Auto hin. Tränen flossen über unsere Wangen.

»Mr. Holysom, kommen Sie, sonst werden wir beide sterben!«, sagte ich und ging einige Schritte vor, um ihn hereinzuzerren.

»Die Geister sollen mich holen, wenn sie mich haben wollen … ich ergebe mich«, murmelte er, das Auto terrorisiert und geschockt fixierend. Ich war fast angekommen, ich krabbelte auf allen vieren zu ihm und zog ihn an seinem Bein, was sehr schwer war.

Ich spürte, wie meine Füße abhoben.

Bevor meine Beine in die Luft gerissen wurden, kamen uns mehrere Lehrer zu Hilfe und zogen uns beide in wenigen Sekunden wieder herein. In der Halle erwarteten uns schon die Direktorin und die halbe Klasse. Mein Geschichtslehrer brach zusammen und schrie. Dann schloss er die Augen und atmete tief ein und aus. Andere Lehrer waren um ihn herum.

»Ruft den Rettungsdient. Und bringt ihn in das Lehrerzimmer, er muss sich beruhigen«, sagte unsere Direktorin kalt und schaute mich dann an.

Eine Hand nahm meine und als ich mich umdrehte, sah ich Tommy, der mich ängstlich und traurig anstarrte. Ich legte einen Arm um ihn und meinen Kopf an seine Schulter.

»Der Sturm wird langsam ruhiger. Wenn er auf Stufe 3 ist, dann schicke ich die Kinder nach Hause«, fügte sie hinzu. »Rhapsody Lossen, du kommst mit mir mit.«

Dann stellte ich mich dem Feind.

Als wir im Büro ankamen, setzte ich mich hin und sie schaute mich ernst an.

Sie war jung, um die 30 Jahre alt, und ihre hellen, blonden Locken ruhten auf ihren Schultern. Sie hatte braune Augen und ein herzförmiges Gesicht. Ihre Lippen waren dünn und ihre Nase spitz, aber etwas breit. Sie war eigentlich genauso groß wie ich, nur etwas pummeliger und schwanger, so wie ich es jetzt sehen konnte und auch gehört hatte.

»Also. Einige deiner Mitschüler haben gesagt, du hättest kurz vor dem Unfall geschrien, dass du es gewusst hättest. Wusstest du, dass es Mr. Holysoms Familie war?«, befragte sie mich.

»Ich bin immer noch Miss Losson für Sie«, zischte ich.

Damit provozierte ich sie natürlich, aber mir war meine Strafe oder Sonstiges egal.

»Gut, Miss Losson, Sie werden am Freitag für ihre Frechheit, die sie mir gerade hier geliefert haben, zwei Stunden nachsitzen.« Ich stand auf, ohne dass sie mir erlaubt hatte, zu gehen. »Wussten Sie etwas über diesen Vorfall von vorhin oder lügen die Kameraden?«, rief die Direktorin hinterher.

Ich schaute nach links durch das große Fenster.

»Der Sturm ist jetzt auf Stufe 3. Auf Wiedersehen, Frau Zellotiks und die besten Wünsche«, verabschiedete ich mich mit einem Blick auf ihren Bauch. Ich wollte gerade die Türklinke herunterdrücken, als einer der jüngeren Lehrer hereinkam und bestätigte, dass der Sturm die Stufe 3 erreicht hatte.

»Ich lasse das jetzt mal durchgehen«, antwortete Mrs. Zellotiks und warnte mich mit ihrem Blick. »Die Schüler können jetzt gehen.«

Ich verließ so schnell wie möglich die giftige Atmosphäre in diesem Raum. Da begrüßte mich schon Tommy.

»Hey, nachsitzen?«, fragte er hyperaktiv und seine Augen waren groß: Er hatte Kaffee getrunken.

»Nein. Wir gehen nach Hause und dann sagst du mir endlich was los ist, ja?«, fragte ich. Er nickte.

Ich musste auf andere Gedanken kommen.

Die Rückfahrt ging sehr schnell vorbei. Es war noch ziemlich windig, aber es gab keinen Regen und kein Gewitter mehr, es zog in Richtung Norden.

Als wir nach Hause kamen, hatte ich das Gefühl, dass alles genauso war wie heute Morgen: Die Kaffeetassen standen immer noch auf dem Tisch und Dad saß immer noch auf der Couch.

»Wer ist da? Mum?«, rief Jossy und sie klang so, als ob sie gerade bei etwas ertappt worden wäre.

Ich wollte gar nicht wissen, was sie machte.

»Nein, ich bin’s«, antwortete ich und hob die Post auf, die vor unserer Tür lag.

»Dad, alles ok?«, fragte Tommy, der sich auf die Couch warf.

»Heirate niemals, mein Junge«, sagte mein Vater irgendwie abwesend. Ich hob meine Augenbrauen.

»Dad, ich glaube, das heißt eher, betrüge niemals«, meinte Tommy und das gab Dad den Rest.

Die vielen Streitereien kamen nämlich daher, dass Dad eine Affäre mit seiner Sekretärin gehabt hatte. Mum hatte es vor ein paar Monaten erfahren, nachdem es Lucas aus Versehen verraten hatte. Wir hatten alle davon gewusst. Genauso wie wir alle wussten, dass sie auch eine Affäre hatte. Jossy hatte sie vor ein paar Wochen mit einem fremden Mann im Bett erwischt. Na ja, die traurige Geschichte meiner Eltern. Was für eine tolle Familie.

Tommy stand auf und schaute mich genervt und unglücklich an. Und dann rannte er in sein Zimmer und knallte die Tür zu. Zwischen uns war das ein Zeichen, das heißen sollte, »Komm mit«.

Ich seufzte und ging los.

»Schatz? Wie war die Schule?«, fragte Dad plötzlich lächelnd. Ich erinnerte mich nicht mehr, wann er das letzte Mal gelächelt hatte.

»Super. Ich habe viele Hausaufgaben«, log ich.

»Dann mach dich an die Arbeit, nächste Woche ist doch dein Abschluss, nicht?«, fragte er nach und ich runzelte die Stirn.

Gut, er hatte ein ziemlich schlechtes Zeitgefühl.

»Nein, nächstes Jahr«, antwortete ich. Sein Lächeln verging und ich sah, dass er enttäuscht war. Früher war er mal der Normalste hier in der Familie gewesen und hatte sich als Einziger um mich gekümmert, aber das war Jahre her. Wir schwiegen einen Moment lang, bis ich noch ein Türknallen hörte. Ich musste jetzt zu Tommy.

Also ging ich weg und fühlte mich plötzlich mies, nicht mit Dad zu reden, aber er redete ja auch nie mit mir.

Ich ging geradeaus in Tommys Zimmer.

Seine Wände waren eigentlich weiß, aber wie alle normalen Teenager es machten, mit Postern voll geklebt. Von irgendwelchen Leuten, die ich noch nie gesehen oder gehört hatte. Sein Bett war klein und nicht gemacht, sein ganzes Zimmer war das reinste Chaos. Tommy saß an seinem Schreibtisch, auf irgendetwas, das aussah wie ein Stuhl, mit Klamotten überhäuft.

»Tommy, räum halt mal auf«, zischte ich und ließ meine Tasche auf den Boden fallen.

»Ich glaube, unser Versteck ist weg, das heißt wir müssen hier reden«, meinte Tommy. Er befand sich mitten im Stimmbruch, was eigentlich ganz witzig klang.

Unser »Versteck« war ein altes, brüchiges Baumhaus gewesen, das mal irgendwelche Kinder gebaut hatten. Dort konnte man ein kleines Feuer anzünden und es war eigentlich ganz gemütlich, aber ich vermutete, dass der Sturm es zu Kleinholz verarbeitet hatte.

»Also … was wolltest du vorhin mit mir besprechen?«, fragte ich und dachte, es ginge um irgendwelche Hausaufgaben. Doch Tommy sah ernst aus.

»Ich habe einen Plan«, sagte er ruhig mit tiefer Stimme. Seine blauen Augen sahen nicht mehr süß und glänzend aus, sondern böse und mysteriös. Ah, er machte wieder einen auf Mafia.

»Und wie lautet dein Plan?«, fragte ich neugierig.

»Wir hauen ab.«

»Was?«

Ich war perplex. Wenn er das meinte, was ich dachte, dann war es okay, aber wenn er das meinte, wo vor ich mich fürchtete – aber tief in meinem Inneren vielleicht doch wollte –, dann wäre das … unglaublich verrückt.

»Wir hauen ab! Freitag ist die große Party und alle Bewohner der Insel kommen auf den Hauptplatz von Smallon. Keiner wird uns also sehen, es wäre die perfekte Gelegenheit!«, erklärte mir Tommy aufgeregt.

»Spinnst du? Wir können doch nicht einfach so verschwinden? Wo willst du denn hin? Wir haben kein Boot, kein Auto … oder sonst irgendwelche Möglichkeiten!«, schrie ich.

»Shhh! Sei leise, sonst hören doch die anderen alles!«, warnte er mich flüsternd.

»Tommy …«, murmelte ich außer Atem und ließ mich auf sein stinkendes Bett fallen.

»Am Freitagnachmittag kommt ein Schiff mit Touristen an, die bei der Feier dabei sein werden. Es ist die perfekte Gelegenheit, uns an Bord zu schleichen!«

»Was? Und jetzt auch noch blinde Passagiere werden? Hast du sie noch alle?«, zischte ich leise.

»Glaubst du wirklich, der 500. Geburtstag von Smallon kommt oft in deinem Leben vor?«

Da hatte Tommy recht. Es wäre wirklich die einzige Möglichkeit von hier abzuhauen, ungefährlich und ohne gesehen zu werden.

Ich hörte Schreien und vermutete, Mum war nach Hause gekommen, weil kurz danach Schimpfwörter durch die Luft flogen.

»Du spinnst«, murmelte ich kopfschüttelnd, schnappte mir meinen Rucksack und ging hinaus.

»Rhapsody, warte!«, rief Tommy mir hinterher, aber ich knallte die Tür zu. Dann passierte etwas, was ich so gerne vermieden hätte.

Wäre ich bloß in Tommys Zimmer geblieben.

Gegenüber diesem befand sich eine schwarze Zimmertür, genau die gleiche wie meine, nur, dass Lucas dort eigentlich schlief. In Gedanken vertieft, stürmte ich in das Zimmer.

Ich würde diesen Anblick bestimmt mein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen können.

Jossy lag auf Lucas, in Unterwäsche.

In Unterwäsche!

Genauso wie Lucas. Sie küssten sich leidenschaftlich und als ich sie so sah, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Jossy fiel sofort vom Bett, als die beiden mich bemerkten, und Lucas schrie vor Schreck.

Ich spürte einen warmen Hauch neben mir und verstand, dass sie gar nicht Angst vor mir hatten.

Neben mir stand Mum, fassungslos, mit geöffnetem Mund.

Sie schubste mich weg und ging in das Zimmer hinein. Die Tür knallte sie heftig und laut hinter ihr zu, doch ihr Geschrei war unüberhörbar.

Ich musste doch nochmal über das Abhauen nachdenken. Schnell ging ich in mein Zimmer und warf mich auf mein Bett.

Was würde ich verlieren, wenn ich es machen würde? Wie sollte ich das alles durchziehen? Würde ich Mum und Dad vermissen?

Würde ich je zurückkommen und mich entschuldigen können? Könnte ich vielleicht ein besseres Leben führen?

Würden sich Möglichkeiten eröffnen, die sich hier vielleicht nie ergeben könnten? Und das Wichtigste war … wie würde es dann weitergehen?

Die Zukunft war unvorhersehbar.

Kapitel 2

Gegen sieben Uhr abends war ich fertig mit den Hausaufgaben und dem Lernen. Ich hatte mich eigentlich nicht wirklich konzentrieren können.

Ich musste immerzu über Tommys Idee, abzuhauen, nachdenken und es schossen mir immer wieder Bilder von Jossy und Lucas in Unterwäsche auf seinem Bett durch den Kopf. Ich wusste gar nicht, warum mir das nicht früher aufgefallen war. Es war klar und deutlich gewesen, dass sie ineinander verliebt waren: Das Händchenhalten, immer zusammen irgendwo hingehen, die Eifersüchteleien, wenn der eine mal mit jemand anderem zusammen war und so weiter …

Auch wenn sie gar nicht miteinander verwandt waren, fühlte es sich trotzdem so … falsch an.

Es war einfach absurd und eine meiner Fragen wurde dadurch definitiv beantwortet: Nein, ich glaube nicht, dass ich irgendjemanden vermissen würde.

Ich hatte noch ein wenig Musik gehört, lag auf meinem Bett und las, als Mum mich zum Essen rief.

Lucas saß neben Jossy, still und leise, genauso wie Jossy, die ausnahmsweise mal kein Make-up trug und wirklich potthässlich aussah.

Dad sah aus, als hätte er getrunken und nahm bläuliche Tabletten, die ich noch nie gesehen hatte. Er hatte eine Glatze und war 52 Jahre alt. Es gab noch ein paar Haare an den Seiten und hinten am Nacken, Straßenköterblond, mit grauen Strähnen vermischt. Seine Augen waren dunkelgrün, so wie Entenkot. Er hatte einen dicken Bauch und ein fleckiges, ekliges weißes T-Shirt an.

Mum war jetzt 49 Jahre alt und ihre braunen Haare, die glatt auf ihren Schultern ruhten, waren so wie Dads Haare mit grauen Strähnen vermischt. Mum trug eine Nickelbrille und ihre Augen waren schokobraun, was eigentlich gut zusammenpasste. Sie trug eine Jeans und ein verwaschenes, hellblaues T-Shirt mit »Happy Days« in Weiß darauf geschrieben. Wie passend.

Ihre Figur ähnelte eigentlich die eines Pferdes. Das war gemein, aber es war nun mal die Wahrheit. Ihr Hinterteil war sehr nach hinten gestreckt, der Oberkörper nach vorne und ihr Rücken ganz gerade.

Tommy saß neben mir: Er aß schnell, den Kopf fast im Teller liegend. Es gab Rindfleisch mit Kartoffeln, was bis auf die Kartoffeln, für mich tabu war. Ich rührte kein einziges Mal, auch nur mit der Gabel das Fleisch an.

»Rhapsody, iss was du auf dem Teller hast«, sagte Dad streng und lallte ein wenig dabei.

»Ich bin Vegetarierin, ich bekomme das nicht herunter«, antwortete ich, in seine ekligen Augen schauend.

»Ach, wirklich? Seit wann? Nur so, damit derjenige, der hier die Einkäufe erledigt, auch mal informiert ist«, rief er jetzt, rot vor Wut.

»Seit fünf Jahren«, sagte ich ruhig.

Tommy prustete los und Fleisch- und Kartoffelstückchen flogen aus seinem Mund.

»Thomasen! Geh sofort auf dein Zimmer und wage es nicht herauszukommen!«, schrie Dad, immer noch halbwegs lallend, während er vom Stuhl hochschoss. Mum hatte den gleichen Reflex.

»Du schreist meine Kinder nicht an!«, unterbrach sie ihn.

»Deine Kinder? Ich habe sie großgezogen und ernährt!«, schrie er meine Mutter an. Tommy war schon längst auf halbem Wege zu seinem Zimmer und ich stand gerade auf, als meine Mutter uns zurückrief.

»In zehn Minuten ist Familientreffen, wehe es fehlt jemand!«, schrie sie. Jossy und Lucas standen auf, gingen Hand in Hand zu der Couch und setzten sich still hin. Tommy verschwand in sein Zimmer und ich blieb neben Dad sitzen.

Es war furchtbar und qualvoll hier in dieser Stille mit meiner verrückten und durchgeknallten Familie zusammen zu sein. Nach zehn Minuten stand Dad auf und warf sich auf die Couch zwischen Jossy und Lucas. Er gab ihnen ein Zeichen, aufzustehen.

Soweit ich mich erinnerte, war unser letztes Familientreffen etwa zehn Jahre her, als Mum und Dad uns ihre Verlobung angekündigt hatten. Obwohl: War es nicht doch erst drei Monate her, als sie bekannt gaben, sich bald trennen zu wollen?

Mum kam dazu und Tommy schmiss sich schwungvoll auf die Couch, sodass er weder auf Mum noch auf Dad fiel, die seit langem zum ersten Mal wieder nebeneinandersaßen.

»Jossy, ich glaube du musst uns etwas sagen«, meinte meine Mutter. Ich wollte, ehrlich gesagt, gar nicht mehr dabei sein.

»Ähm … nein, nicht wirklich. Ich habe keine Dummheit gemacht …«, widersprach Jossy unsicher.

Oh, jetzt fiel es mir wieder ein: Unser letztes Familientreffen hatte vor einem Monat stattgefunden, als Jossy zu lange ausgeblieben war.

»Doch, das hast du. Sag es«, zischte Mum und ich hatte sie noch nie so sauer erlebt.

Jossy schüttelte den Kopf, Tränen flossen über ihr Gesicht. Lucas hielt immer noch ihre Hand fest, unternahm aber nichts.

»Soll ich es sagen? Sag es!«, schrie Mum.

»Ich bin schwanger … und …«, murmelte Jossy tränenüberströmt.

Mein Mund klappte auf und Tommy drehte sich zu mir um, mit dem »Wirst du das vermissen, wenn wir weg sind«-Blick.

»Das ist nicht alles«, fügte Mum hinzu. Jossy hob ihren Kopf an, und ich wollte jetzt auf keinen Fall das Falsche hören.

»Josephine Miranda Losson, wirst du wohl die Wahrheit ausspucken, sonst sag ich es, ich schwöre es!«, schrie meine Mum.

Meine Arme umarmten automatisch meine Knie, die eng an meinen Körper gepresst waren.

Mum war jetzt aufgestanden und baute sich vor Jossy auf.

»Lucas … ist der Vater«, beendete Jossy ihren Satz.

»Was?«, sagte Dad.

»Wir lieben uns … wir sind keine Geschwister, also ist es doch ok? Und … er ist toll, perfekt … ich liebe ihn einfach …«, jammerte Jossy.

»Es ist wahr«, fügte Lucas endlich hinzu.

Ich sah Tommy an und da wussten wir beide, was wir am Freitagabend machen würden.

Während Jossy und Lucas weiter mit Mum und Dad diskutierten, standen wir auf und gingen in mein Zimmer. Wir fielen sowieso niemandem auf.

»Gut, ich bin dabei«, kündigte ich Tommy an.

Er lächelte.

»Fang heute schon an zu packen, die nächsten zwei Tage werden sehr schnell vorbeigehen«, riet er mir.

»Du benimmst dich wie ein Erwachsener, obwohl ich älter bin … was soll das?«, meinte ich aus Spaß.

Wir lachten beide.

Es war alles so verrückt, die ganze Sache mit Jossy und Lucas, dass sie jetzt sogar von ihm schwanger war, mit vierzehn … und Mum und Dad mit ihren ewigen Streitereien. Ich war ihnen allen egal und sie wurden für mich auch immer unwichtiger. Abzuhauen war eine gute Entscheidung. Wir würden das schaffen, ganz sicher.

*

Die zwei Tage gingen tatsächlich wie im Fluge vorbei und jetzt stand ich hier, vor meinem Rucksack, bereit, mit Tommy abzuhauen.

Ich nahm nicht viel mit, ich hatte auch nicht viel. Ein paar T-Shirts, Pullis und Unterwäsche reichten locker. Und dann natürlich mein ganzes Taschengeld. Smallon hatte Euros. Ich hatte insgesamt 456,78 Euro und Tommy, der sparsamer gewesen war, 657,34 Euro.

Zusammen könnten wir vielleicht eine Zeit lang überleben, wenn wir es schafften, einen günstigen Unterschlupf zu finden.

Es war halb sieben Uhr abends.

Mum und Dad waren schon zum Fest gegangen, natürlich getrennt und zu verschiedenen Uhrzeiten, und Jossy war beim Arzt. Lucas hatte Dad zum Fest begleitet und würde Jossy in einer halben Stunde mit dem Bus abholen. Ihr Frauenarzt befand sich am anderen Ende der Stadt, also würden sie sicher nicht hierher zurückkommen.

Tommy war schon mit seinem Rucksack im Wohnzimmer und wartete auf mich, bis ich mir sicher war, dass ich nichts vergessen hatte.

Mein Schrank war zwar noch halb voll, aber es gab nichts mehr Wichtiges darin. Auch so hatte ich nicht viele Sachen, die mir etwas bedeuteten. Mein kleines Reich ähnelte mehr einem billigen Schrotthotelzimmer. Ich atmete tief durch und lächelte.

Ich freute mich auf die Zukunft.

Also verließ ich mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir zu und ging zufrieden lächelnd zu Tommy. Er lehnte an der Couch, den Rucksack auf seinem Rücken.

»Bereit?«, fragte er sicherheitshalber nach. Ich dachte nach.

Mein Leben lief wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Ich sah mich selbst mit meinen verrückten Haaren und meinen gelben Augen und alles, was ich je erlebt hatte.

»Und wie«, antwortete ich sofort und ging zur Tür.

Im Buch meines Lebens würde sich ein neues Kapitel offenbaren.

Wir gingen hinaus. Es war schon relativ dunkel, keine einzige Lampe brannte und keine Menschenseele war zu sehen. Wir konnten unmöglich den Bus nehmen, das würde Jimmy merken (ich kannte die Namen aller Busfahrer, es gab sechs verschiedene hier in der Umgebung) und wenn die Polizei uns suchen würde, wäre das ein Hinweis. Wir wussten, wo der Pier war und wo die großen Schiffe anlegten. Es war zu Fuß eine Viertelstunde von hier entfernt.

Tommy war in seiner zweistündigen Mittagspause hingefahren, um nachzukontrollieren, ob das Schiff da war. Und so war es tatsächlich auch.

Zusammen schlichen wir langsam die Straße entlang, ganz in schwarz gekleidet und ich kam mir fast wie in einem Actionfilm vor.

Die Menschen, die vorbeifuhren, bemerkten uns nicht. Wie auch: Jedes Mal, wenn ein Auto vorbeifuhr, versteckten wir uns in den Büschen oder hinter den Bäumen. Endlich, nach 20 Minuten, kamen wir genervt am Pier an. Wir waren so perplex, dass wir am liebsten geweint hätten.

Es war kein Schiff zu sehen. Kein großes Schiff, das nach England zurückfahren, uns von dieser Insel trennen und mich als Passagier in meine Zukunft bringen würde.

»Das … das kann nicht wahr sein … es war doch vorhin noch da!«, murmelte Tommy.

»Oh nein …«, flüsterte ich und ich spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten.

Wir hatten verloren. Wir würden nie hier wegkommen, gefangen auf dieser abgelegenen Insel.

»Entschuldigen Sie mich, Miss …«, fragte eine strenge Männerstimme hinter mir.

Die Tränen versiegten, Tommy und ich wirbelten herum. Ein dunkelhäutiger Mann, sehr dick, in einer Polizeiuniform mit schwarzer Kappe stand vor uns. Wir durften keine Angst zeigen.

»Falls Sie auf das Kreuzfahrtschiff zurück möchten, muss ich Sie leider enttäuschen. Es hat ein technisches Problem. Sie werden erst morgen Nachmittag wieder zurück an Bord gehen können. Es tut mir leid, aber es gibt hier noch viele freie Hotelzimmer …«, schlug er vor. Mein Leben verwandelte sich gerade in Kleinholz.

»Nein danke, Officer. Gute Nacht, wir finden schon etwas«, unterbrach Tommy ihn und er ging tatsächlich, ohne Verdacht zu schöpfen, langsam weg.

»Gute Nacht«, sagte er und verschwand in die Nacht.

»Was machen wir jetzt?«, fragte Tommy mich panisch.

»Warum fragst du mich das? Das war dein Plan!«

»Ich konnte doch nicht ahnen, dass er platzt!«

»Dann hauen wir eben morgen ab!«, zischte ich.

»Am helllichten Tage, wenn alle vom Fest nach Hause gehen und uns sehen können? Keine gute Idee.«

»Ach ja? Hast du etwa eine bessere?«, fragte ich ihn herausfordernd.

»Ja. Man glaubt die Insel ist winzig, aber eigentlich ist sie riesig, wenn man bedenkt, dass auf der anderen Seite viele Wälder und Bauernhöfe sind, wo wir uns für eine Weile verstecken könnten«, erklärte er mir.

»Und du weißt, wie man da hinkommt?!«, sagte ich ironisch und misstrauisch. Er holte Luft, sagte dann aber doch nichts.

Ich lachte falsch und ging weg.

Mein Leben war ruiniert.

Genau in dem Moment klingelte mein Handy, das ich für Notfälle eingepackt hatte.

Jossy rief von zu Hause an.

Jetzt war mein Ende vorprogrammiert. Jossy war zu Hause. Sie hatte bestimmt wieder nach Geld gesucht und vermutlich entdeckt, dass unsere Schränke halb leer waren.

Sicher kapierte sogar sie, dass wir abgehauen waren.

»Was ist denn? Bitte geh nicht …«, rief Tommy mir hinterher. Er stand im Nullkommanichts neben mir und schaute auf das Display des alten Handys, das vibrierte.

»Wir müssen auf die andere Seite der Insel«, entschied ich. Ich nahm den Anruf nicht an und wirbelte wütend herum.

Da fand ich, was ich suchte. Der Officer stand nicht weit von mir entfernt und sprach mit anderen Leuten, um ihnen zu erklären, warum das Schiff nicht da war.

Ich näherte mich und achtete nicht auf Tommys Warnungen.

»Officer?«, fragte ich zuckersüß, als ich vor ihm stand. Die Leute waren kurz davor weggegangen.

»Ja? Wollen Sie doch einen Tipp für ein gutes Hotel haben?«, fragte er freundlich nach. Ich schüttelte meinen Kopf und tat mein Bestes, dass mir kein falscher Kommentar rausrutschte.

»Nein, danke. Meine Cousine lebt auf der anderen Seite der Insel. Wissen Sie vielleicht, wie ich da hinkomme?«, log ich.

Seine Gesichtszüge wurden nachdenklich.

»Hmmm … mit einem sehr gut ausgerüsteten Jeep oder einem Bus. Aber der fährt nur einmal pro Woche und das ist am Montag«, antwortete er. Ich seufzte enttäuscht. »Tut mir leid, ich würde Ihnen sehr gerne weiterhelfen wollen, aber …« Er hob seine Schultern.

Ich nickte.

»Es ist schon ok, Danke schön. Gute Nacht«, verabschiedete ich mich und plötzlich starrte er mir verängstigt in die Augen.

»Haben Sie … gelbe Augen?«, fragte er mich perplex.

Ich seufzte nochmals tief.

»Das ist nur das Zwielicht, Officer«, antwortete ich. »Gute Nacht.«

Ich wirbelte herum und ging zu Tommy.

»Warten Sie!«, rief der Officer plötzlich, nachdem ich ein paar Schritte gegangen war.

Ich wusste nicht warum, aber ich hatte das irgendwie geahnt.

Ich drehte mich um.

»Ich könnte kurz meine Schwester anrufen. Sie ist gerade im Einkaufszentrum, wohnt aber auf der anderen Seite der Insel auf einem großen Bauernhof mitten in der Wildnis und könnte euch auf dem Nachhauseweg bei der Cousine absetzen«, schlug er vor. Ich spürte Tommys warmen Hauch neben mir. Ich lächelte zufrieden.

»Danke, vielen Dank, das wäre toll«, bedankte ich mich ausführlich.

Er wählte eine Nummer und sprach dann schnell in einer unbekannten Sprache. Er beendete das Gespräch mit einem Lachen, was sicher eine gute Nachricht war.

»Sie ist in weniger als 20 Minuten da, sie hat sich ein Neues gekauft«, kündigte er an und ich fragte mich was »ein Neues« war.

Ich vermutete, er hatte zu sich selbst gesprochen und ich wollte ja nicht neugierig oder unhöflich sein.

»Was denn?«, fragte Tommy, der nicht so gute Manieren besaß.

»Ein Flugzeug. Soll wohl schneller sein … tja …«, meinte er und jetzt klappte Tommys Mund auf. Er hasste Flugzeuge, hatte Höhenangst und wollte auf keinen Fall, niemals in seinem Leben, fliegen. Ich glaubte, jetzt wurde es dringend Zeit, dass er das mal ausprobierte.

Zehn Minuten standen wir draußen; es war kalt und stockdunkel und ein kleiner Wind wehte. Der Officer hatte ein wenig mit Tommy geredet, dass sein Sohn und er sicher gute Freunde werden könnten, wenn wir öfters vorbeikämen. Sie redeten unwichtiges Zeug, aber er war furchtbar nett.

Ich würde mich sicher immer an seine Freundlichkeit erinnern.

Plötzlich hörte ich ein Brummen. Und dann sah ich das kleine Flugzeug am dunklen Himmel, das geradewegs auf uns zuflog.

»Da ist sie ja!«, rief der Officer. Mittlerweile hatte ich erfahren, dass er Officer Chelton hieß.

Als das kleine, eher mickrige Flugzeug landete, stieg eine Frau heraus, relativ jung, um die 25 Jahre alt. Sie war überhaupt nicht dick, so wie ihr Bruder, sondern groß, bestimmt ein Meter achtzig, und sehr dünn. Sie trug eine einfache, schwarze Hose und ein rotes, mit rosa Blumen verziertes, langärmliges Shirt.

»Hey, Shane! Brüderchen, wie geht’s?«, rief sie erfreut.

Shane … eigentlich war das eher ein sexy und hotter Name und er passte überhaupt nicht zum Officer. Shane Chelton … das klang irgendwie falsch.

»Tja, Sandra, wie immer! Wie geht’s den Kindern?«, fragte Shane nach. Irgendwie war die Situation witzig, weil ich immer noch total geschockt war, dass er Shane hieß und Tommy immer noch total geschockt war, weil er gleich das erste Mal in ein Flugzeug einsteigen würde. Ich musste grinsen.

»Also, seid ihr bereit?«, unterbrach Sandra meine Gedanken und ich nickte. Als ich in Richtung Flugzeug ging, merkte ich nach einigen Schritten, dass Tommy immer noch verängstigt neben dem Officer stand.

Manchmal benahm er sich zwar wie ein cooler Teenager, aber manchmal auch wie ein dreijähriges Kind.

»Tommy! Du Weichei, komm jetzt!«, schrie ich und er starrte mich terrorisiert an. Er bewegte sich nicht vom Fleck.

»Entschuldigung, ich muss kurz meinen Bruder holen«, murmelte ich zu Sandra, die freundlich lächelte. Sie hatte dunkle Augen und ihre Haare waren kurz und kraus. Sie nickte. Ich ging wütend zurück und packte ihn fest an seinem Oberarm.

»Wenn du hierbleiben willst, bitte. Aber ich steige jetzt in dieses Flugzeug und verschwinde von hier. Ich werde nicht hier versauern, klar?«, zischte ich so leise wie möglich mit einem Lächeln, damit es so aussah, als ob ich ihn freundlich überreden würde, mitzukommen. Ich sah ihn heftig schlucken, sein Adamsapfel ging hoch und runter … und dann ging er los. Ich folgte ihm erleichtert.

Als wir zusammen am Flugzeug ankamen, fiel mir ein, dass der Officer eigentlich etwas für seine Hilfe bekommen müsse. Als Sandra gerade nicht hinsah und Tommy erklärte, dass nichts passieren würde, packte ich schnell einen Zehneuroschein aus und überlegte, ob das genug wäre. Mehr konnte ich nicht geben, wir mussten sparen. Also rannte ich so schnell wie möglich zum Officer und drückte es ihm in die Hand.

»Nein. Entschuldigung, aber das kann ich nicht annehmen«, sagte er ernst und versteckte seine Hände.

»Bitte Officer, Sie haben uns wirklich sehr geholfen … bitte …«, meinte ich.

»Nein. Keine Chance«, unterbrach er mich.

»Sie haben meine Zukunft verändert, Officer. Bitte«, versuchte ich es ein letztes Mal.

Er schüttelte seinen Kopf. Nichts zu machen.

Dankbar umarmte ich ihn stattdessen und rannte wieder zurück, ohne mich nochmal umzudrehen.

Gerade als ich zurückkam, war Sandra mit Tommy fertig und drehte sich mit einem Lächeln zu mir.

Sie erklärte mir, dass ich den Rucksack zwischen meinen Beinen abstellen und mich anschnallen sollte. Der Officer verabschiedete sich noch, während Sandra alles nachkontrollierte. Nach zehn Minuten war alles bereit und wir flogen los.

Es war irgendwie merkwürdig, abzuhauen. Ein Gefühl von Freiheit, vermischt mit schlechtem Gewissen, erfasste mich.

Tommy saß neben mir, den Kopf zwischen seinen Armen, die Augen bedeckt. Es war dunkel und dann fiel mir erst ein, dass es keine Cousine gab, die in der Wildnis wohnte und ich hatte keine Ahnung, wie ich das Sandra erklären sollte.

Ich schaute neugierig heraus und dachte, dass wir vielleicht von hier aus einen Bauernhof sehen könnten. Aber ich sah nur Palmen, Bäume und Nebel.

»Also … ähm … wie heißt ihr beiden denn? Du bist Tommy, das weiß ich schon, aber du bist …?«, unterbrach Sandra die Stille und riss mich aus meinen Gedanken.

Tommy schaute mich an. Wir hatten eigentlich ausgemacht, nicht unsere richtigen Namen zu verraten, wenn man uns fragte. Aber er hatte es schon gemacht, also musste ich auch damit rausrücken.

Außerdem sah Sandra vertrauenswürdig aus.

»Rhapsody«, beendete ich ihren Satz.

»Wow, ein schöner Name. Rhapsody. Daran könnte ich mich gewöhnen ...«, murmelte sie erfreut. »Und wo ist eure Farm?«, fragte sie. Tommy schaute mich mit riesigen Augen an.

Was machen wir jetzt?, formte er mit seinen Lippen.

Keine Ahnung, antwortete ich genauso zurück.

Ich schaute wieder aus dem Fenster und genau da sah ich eine alte, schwarze Farm. Perfekt.

»Da!«, rief ich.

Sie drehte sich kurz um und schaute aus ihrem Fenster, um die Farm anzusehen. Sie hob zweifelnd ihre Augenbrauen.

»Die alte Grusel-Farm?«, fragte sie skeptisch nach. Tommys Augen würden sicher gleich herausfallen, wenn er sie weiterhin so aufriss.

»Ähm … da wohnt unsere Cousine, das weiß ich ganz genau«, log ich.

»Ok. Wie ihr wollt«, sagte Sandra.

Wie konnte sie uns das so gut abkaufen? Sie machte eine Rechtskurve und wenige Minuten später landeten wir.

»Seid ihr sicher, dass es hier ist?«, fragte sie sicherheitshalber noch mal nach, bevor wir ausstiegen.

»Ja, wir kennen sie sehr gut. Nachts sieht das alles total verrottet aus und tagsüber wunderschön!«, meinte Tommy.

»Dann, auf Wiedersehen. Es war mir eine Freude, euch kennenzulernen«, verabschiedete sich Sandra ein bisschen verwirrt.

Wir nickten und verabschiedeten uns ebenfalls. Dann traten wir in die Nacht hinaus, die kühler war, als ich vermutet hatte. Das Flugzeug war im nächsten Augenblick verschwunden.

Und dann geschah das Gleiche wie vor zwei Tagen. Normalerweise passierte mir das nur einmal im Jahr oder so. Aber jetzt ging es schon wieder los. Ein Bild von schwarzen Panthern und weißen Großkatzen mit dickem Fell tauchte vor meinen Augen auf. Die hatte ich noch nie gesehen.

In diesem Bild nahm ich eine unbekannte, schwarze Silhouette neben Tommy wahr und diese stellte sich plötzlich vor ihn, als die bösen Katzen näherkamen. Es waren sicherlich ein Dutzend. Und wir waren nur zu zweit. Sie waren hungrig und kurvten um uns herum.

Als sie uns eingekreist hatten, versuchte Tommy aus lauter Panik zu fliehen. Leider schaffte er es nicht und stürzte stattdessen in die Klauen der gefährlichen Tiere. Das Bild verschwamm und jetzt sah ich wieder ein Stück der verbrannten, alten Farm in der Dunkelheit. Jetzt verstand ich, wieso Sandra von der »Grusel-Farm« gesprochen hatte.

Ich hörte ein Rascheln hinter mir und diesmal glaubte ich an das, was ich gerade gesehen hatte. Ich war misstrauisch. Diesmal würde ich reagieren.

»Wir müssen uns verstecken«, meinte ich leise.

»Warum?«, fragte Tommy und verstand nichts.

»Weil ich glaube, dass wir nicht allein sind. Und damit meine ich keine Menschen«, warnte ich ihn.

Wieder hatte ich Angst, dass seine Augen herausfallen könnten.

»Was?«, schrie er und ich schrie gleichzeitig, weil die erste große, weiße Katze vor uns auftauchte.

»Du Idiot!«, zischte ich.

»Oh mein Gott …«, murmelte er ängstlich.

»Geh langsam nach hinten, Tommy, und zeig keine Angst!«, befahl ich ihm und er befolgte es sofort.

Ich wollte schreien, schlagen, alles Mögliche machen, als ich etwas an meinem Bein spürte. Das Schlimme war, dass es sich um die feuchte Schnauze einer weiteren Großkatze handelte, die mit ihren scharfen, weißen Zähnen alles machen könnte, was sie wollte. Ich atmete tief. Und dann trat ich heftig gegen sie, ohne zu merken, dass hinter ihr drei andere standen. Jetzt schrie ich wirklich voller Panik.

Tommy hatte meine Hand geschnappt und rannte mit mir bis zu der alten Tür des mickrigen Hauses.

Ich hörte, wie die Katzen uns schnell verfolgten, und ich hatte Angst. Dann befanden wir uns plötzlich in einem dunklen Raum, wo das helle Mondlicht nur durch Schlitze hineinleuchtete. Ich sah weder Tommy noch irgendetwas anderes. Mein Herz blieb stehen.

»To…Tommy?«, stotterte ich außer Atem.

»Ja?«, fragte er und ich hörte ein Knirschen. Ich schaute vorsichtig um mich. »Hier unten«, fügte er hinzu und ich starrte auf den Boden, wo ich nur vage eine dunkle Silhouette sah.

»Ich hatte solche Angst …«, murmelte ich und nahm seine Hand, die eigentlich gar keine Hand war, sondern eine seltsame Form hatte und sich ledrig anfühlte. Ich schrie vor Schmerz, als mich etwas in die Hand biss und wegflog. Das Mondlicht enthüllte seine wahre Identität: eine Fledermaus.

»Oh nein …«, sagte ich perplex. Der Biss machte mir nichts aus.

Aber Fledermäuse sind nie alleine. Sie leben in Gruppen. Und wir störten sie gewaltig.

»Was ist?«, sagte Tommy und ich wirbelte herum, als ich seinen Hauch an meinem Nacken spürte. Und genau da hörte ich das wilde Kratzen an Tür und Wänden.

»Zuerst sind wir kurz davor, von Katzen verspeist zu werden und jetzt sind wir in einem Hotel für Fledermäuse!«, zischte ich. »Und du fragst, was los ist?«

»Die Katzen sind sicher in ein paar Minuten weg, keine Sorge«, behauptete er.

Ich entspannte mich kurz und suchte mir einen kleinen Platz auf dem Boden. Tommy umarmte mich. Doch aus den paar Minuten wurde eine unendliche lange Zeit und es wurde eisig. Auf jeden Fall kam es mir so vor. Wir schwiegen und lauschten den Geräuschen. Das wilde Knurren der Katzen, der heftige Regen, der wütend auf das Dach platschte und die Fledermäuse, die hin und her flogen.

»Wie viel Uhr ist es, Tommy?«, fragte ich nach einiger Zeit heiser, aber ich traute mich nicht, mich zu bewegen und meinen Rucksack aufzumachen, um etwas zu trinken.

»Fünf vor Zehn«, antwortete er und schluckte. Ok, dann waren wir also schon ungefähr zweieinhalb Stunden hier drinnen.

In der nächsten Sekunde vibrierte mein Handy in der Hosentasche und vorsichtig nahm ich es heraus. Mums Nummer war auf dem Bildschirm, ich drückte auf »ablehnen«.

»Mum?«, flüsterte Tommy und ich wusste, dass er weinte.

»Ja«, gab ich zu.

Das Gleiche passierte noch ein paar Mal, bis ich es einfach klingeln ließ. So ging noch einige Zeit vorüber, als plötzlich das Jaulen der nervigen Biester aufhörte. Durch die Schlitze schien es heller und heller, als ob Scheinwerfer hineinleuchten würden … und dann hörte ich die Sirene.

»Wir sind geliefert«, murmelte ich.

»Ja, das war’s«, meinte Tommy traurig. Wie konnte man uns so schnell finden?

»Rhapsody und Tommy Losson. Seid ihr da drinnen?«, fragte eine dunkle Männerstimme, die ich noch nie gehört hatte.

Wir antworteten nicht und als das Handy vibrierte, legte ich es auf den Boden und trat vorsichtig darauf.

Meine dicken Schuhe zerquetschten es völlig.

Tommy wollte seinen Mund aufmachen, um etwas zu sagen, aber da bekam ich eine Idee. Ich hielt ihm den Mund zu und gab ihm ein Zeichen, zu warten. Vielleicht würden sie denken, wir wären nicht hier.

Wer auch immer da draußen war, rief uns noch ein paar Mal und plötzlich hörte ich ein Krachen, ein Brummen und schließlich die Landung eines Flugzeuges. Zehn Minuten später war es stockdunkel. Kein Licht, keine Scheinwerfer. Stattdessen eine schwarze Gestalt, die in das Haus kam und uns anstarrte.

Kapitel 3

Sandra stand in der Mitte des dunklen Raumes vor uns und die Fledermäuse verwandelten sich zu Stein.

Wir standen schnell auf und gingen hinaus.

»Irgendwie klang eure Geschichte ziemlich an den Haaren herbeigezogen«, meinte sie und lächelte belustigt. Wir machten ein beschämtes Gesicht und nach drei Sekunden Stille lachten wir erleichtert.

»Einen Moment lang dachte ich sogar, ihr würdet falsche Namen sagen, aber scheinbar vertraut ihr mir und sagt die Wahrheit«, erklärte sie.

»Wie hat uns die Polizei nur so schnell gefunden?«, platzte ich ungeduldig mit meiner Frage heraus.

»Na ja, nachdem was ich weiß, sind sie zu Shane gegangen und haben ihn über euch ausgefragt. Er hat gesagt, ich hätte euch zu dem Bauernhof eurer Cousine gebracht … ach übrigens, ich habe eure Familie gesehen. Ich kann verstehen, dass ihr weggelaufen seid«, sagte sie und nickte.

Falls wir es schaffen würden, von dieser Insel zu verschwinden, dann würde mir Sandra sicher am meisten fehlen.

Wir liefen schnell durch den eiskalten Regen zum Flugzeug und Tommy zitterte, als er einstieg. Als wir drinnen saßen, schaltete Sandra die Heizung an und es wurde ziemlich gemütlich.

Sie erzählte uns, dass die Polizei sie angerufen und sie dann zugegeben hatte zu wissen, wo wir waren. Als sie sich jedoch daran erinnerte, dass wir ihr als Einzige vertraut hatten, flog sie sofort zur alten Farm und sagte der Polizei, sie hätte uns eigentlich auf die andere Seite der Insel gebracht, neben dem großen Pier, wo die Cousine anscheinend wohnen sollte. Wie Verrückte sind sie dann weggefahren und haben uns in Ruhe gelassen.

Dann kamen wir an. Ich sah schon von oben einen Bauernhof, der ungefähr fünf bis sechs Mal größer war als die verbrannte Farm, und wunderschöne, elegante Gestalten.

Es stellte sich heraus, dass es Pferde waren. Wir landeten schnell und ich sah das helle Licht eines großen Hauses vor mir.

»Na, kommt schon, worauf wartet ihr?«, sagte sie, als wir uns nicht bewegten. Eigentlich war das doch falsch. Mit ihr mitzukommen und sich bei ihr zu verstecken. Wir waren irgendwie nicht wirklich nett zu ihr gewesen und sie behandelte uns wie »Best friends forever«.

Tommy stieg zuerst aus, danach kam ich und wir gingen einen schmalen, steinigen Weg entlang bis zu ihrem Haus. Es regnete nur noch ein bisschen, aber ich wusste, dass ein großer, gewaltiger Sturm aufziehen würde. Als ob ich heute nicht schon genug erlebt hätte.

Wir gingen also in Sandras Haus, das wirklich sehr schön war. Der Flur war lang und am Ende war eine dunkelbraune Treppe, die in die erste Etage führte. Die Wände waren einladend hellrot und das erste Zimmer war das riesige Wohnzimmer mit drei gemütlichen Sofas und mehreren Sesseln. In der Ecke stand ein alter, großer Fernseher, aber der war unwichtig.

Ich erfreute mich am Anblick des Kamins, in dem schon ein warmes Feuer knisterte. Die Wände waren sonnengelb und die Decke war weiß.

Im Zimmer befanden sich Bücherregale und ich fühlte mich wie in einer kleinen Bibliothek.