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Der Roman beginnt in den Wäldern des Nordens und führt zu den sonnendurchglühten Ufern des Nils. Die märchenhaft-geheimnisvolle Handlung erzählt von Abenteuern in der Wüste und im Mittelmeer und vom Aufstieg eines Nilbarkenführers zum Kapudan-Pascha, zum Großadmiral des Sultans. I. Der schwarze Kapitän II. Das Geheimnis der Gitana. Fortsetzung zu "Zepter und Hammer": "Die Juweleninsel" (Band 46).
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Seitenzahl: 718
Veröffentlichungsjahr: 2011
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KARL MAY’s
GESAMMELTE WERKE
BAND 45
ZEPTER UND HAMMER
ROMAN
VON
KARL MAY
Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid
© 1953 Karl-May-Verlag
ISBN 978-3-7802-1545-1
Weit von den Bergen herab stieg der dichte Wald. Einer seiner Ausläufer erstreckte sich sogar bis in die Nähe von Fürstenberg, der Hauptstadt des Herzogtums Norland, hernieder. Eine tief in diese Fortsetzung einschneidende Umpfahlung schloss ein Wildgehege ab, das zu betreten jedermann, außer den Forstbeamten, verboten war. Dennoch befanden sich eines Morgens innerhalb der Umzäunung Menschen, deren Kleidung man es leicht ansehen konnte, dass sie weder zu den Forstleuten noch zu sonst irgendwelchen Zutrittsberechtigten zählten. Zwischen zwei hohen Eichen, die wohl an die tausend Jahre alt sein mochten und ihre stammesdicken Äste weit in die Luft hinausreckten, stand ein altersschwacher, vierrädriger Karren. Der Gaul, der ihn gezogen hatte, weidete im hohen Gras, dessen saftige Stängel zwischen Moos und allerlei Grün hervorragten. Am Stamm des einen Baumes loderte ein hohes Feuer, an dem, über zwei Astgabeln gelegt, ein Rehrücken gebraten wurde. Ein kaum zehnjähriger Junge drehte ihn mit einer Miene, die ebenso viel Sachverständnis wie Behagen ausdrückte. Er war nur halb bekleidet, ebenso auch die anderen Personen, die um das Feuer saßen oder lagen, um der Zubereitung des leckeren Bratens zuzuschauen. Sie alle zeigten die unverkennbaren Züge der Zigeuner, schienen jedoch trotz ihres mehr als anspruchslosen Äußeren nicht jenen umherschweifenden Horden anzugehören, die Raub und Diebstahl als ihr eigentliches und einträglichstes Geschäft betreiben. Auf dem Wagen saß in alte Betten eingehüllt – gewiss ein sehr ungewöhnlicher Aufwand bei einer fahrenden Zigeunerbande – eine uralt scheinende Frau, jedenfalls die Vajdzina1. Bald warf sie einen Blick auf den Knaben, bald musterte sie die immer dunkler werdende Farbe des Rehrückens, wobei sie aus einem kurzen Pfeifenstummel den Rauch eines Krauts zog, dessen Duft feinste Kenner bewundert hätten.
Bei der Stille, die ringsum herrschte, waren ferne Laute zu vernehmen, die als gedämpfter Schall eines Gesprächs durch die Büsche drangen. Sie rührten von zwei Personen her, die sich von der Gesellschaft zurückgezogen hatten und sich einige hundert Schritte vom Wagen entfernt miteinander unterhielten.
Die eine von ihnen war ein Mädchen. Sie mochte siebzehn Jahre zählen und war in jeder Hinsicht eine vollendete Schönheit. In halb nachlässiger, halb stolzer Haltung saß sie im Moos. Ihre Kleidung war bei weitem besser und vollständiger als die der andren; es war ersichtlich, dass darauf große Sorgfalt verwendet wurde.
Ihr gegenüber stand ein junger Mann. Er hatte sich mit dem Rücken an einen Baum gelehnt und die Arme über der Brust verschlungen. Menschen, die gern unbewusst eine solche Stellung einnehmen, besitzen meist einen stark entwickelten Charakter. Seine hohe Gestalt ragte über Leute gewöhnlichen Schlages hinaus und musste sich mehr und mehr zu einer Achtung gebietenden Erscheinung herausbilden. Die dürftige Kleidung vermochte nicht, den kräftigen, ebenmäßigen Körperbau zu beeinträchtigen. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sich vielleicht über die Hautfarbe des jungen Mannes gewundert. Sie war weder weiß wie die der Kaukasier, noch hatte sie diejenige Bräune, die den Zigeuner kennzeichnet. Man hätte sie eher grau nennen können; grau, vermischt mit dem Braun, wie es durch Wind und Wetter und unter den Einwirkungen der Sonne hervorgerufen wird. Er trug kurze, weite Hosen, die sicher für andere Körperverhältnisse bestimmt waren; zwischen ihnen und der viel zu engen, mehrfach zerrissenen Jacke lugte ein fadenscheiniges Hemd hervor. Den Kopf bedeckte eine Mütze, die ihren Schirm verloren hatte. Die Füße waren nackt und aus den Ärmeln der Jacke blickte stellenweise ebenso nackt der muskelstarke Arm. Durch eines dieser Löcher zeigte sich in tiefem Schwarzrot eine seltsame Zeichnung, die mittels Tätowierung der eigentümlich gefärbten Haut eingeprägt war. Sie stellte ein Wappen vor, dessen einzelne Züge so ausgezogen und ausgedehnt erschienen, dass das Ganze einen gewissen Grad von Undeutlichkeit besaß. Man konnte wohl daraus schließen, dass die Tätowierung bereits vor längeren Jahren angebracht worden sei. Sein Haar war von tiefschwarzer Farbe; wenn man jedoch genauer hinsah, konnte man bemerken, dass es an den Wurzeln einen bedeutend lichteren Ton zeigte und die Haut unter ihm so rein und weiß war, wie man sie vorzugsweise bei blonden Leuten beobachtet. Das Gesicht hatte unbedingt ein nordisches Gepräge. Die ungewöhnlich hohe und breite Stirn, das offene, blaugraue Auge deuteten nicht auf eine indische oder ägyptische Abstammung hin. So kam es, dass der Jüngling in seinem gegenwärtigen Anzug einen beinahe befremdenden Eindruck machte, der noch unterstützt wurde durch die Ruhe und Sicherheit seiner Haltung und Bewegungen, wodurch er bedeutend abstach von dem rastlosen und unsteten Wesen, das den Zigeuner von jeher gekennzeichnet hat.
Trotz dieser äußeren Ruhe schien er sich in starker Erregung zu befinden. Seine Züge glänzten, sein Auge leuchtete. Der Blick schien in weite Ferne gerichtet zu sein und Gestalten zu schauen, deren Anblick dem gewöhnlichen Sterblichen versagt ist.
Das Gesicht der Zingara2 nahm den Ausdruck der Bewunderung an, als sie in anerkennendem Ton ausrief: „Katombo, dir ist ein Geist gegeben, der größer und mächtiger ist als die Gabe der Weissagung. Soll ich dir noch eine Aufgabe erteilen?“
„Tu es, Lilga!“, antwortete er.
„Weißt du, wo Bhowannie, die Göttin der Gitani3 wohnt?“
„Auf der Insel Nossindambo, die vom Volk der Christen Madagaskar genannt wird.“
„Richtig! Hoch droben im Ambohitsmene-Gebirge steht ihr Thron und tief unter den Bergen von Befour schläft sie des Tages, um erst beim Beginn des Abends zu erscheinen. Kannst du dir denken, wie sie aussieht? An stillen Abenden glänzt ihr Haupt in den Sternen und mit lieblichem Lächeln badet sie die schimmernden Füße in den wogenden Fluten des Meeres, bis der Tag erscheint, vor dessen Kuss sie nach Westen flieht. Kannst du das in der Sprache der Dichter beschreiben?“
Er nickte selbstbewusst.
„So bitte ich darum.“
„Nur wenn du dich meinem Kuss nicht entziehst, wie sie der Umarmung des Tages entflieht.“
Sie zögerte einen Augenblick mit der Antwort, dann erwiderte sie: „Du darfst mich küssen, Katombo! Jetzt aber beginne!“
Er blickte träumerisch vor sich hin, dann erhoben sich seine Arme und ohne Pause oder Unterbrechung strömten ihm die Verse von den Lippen:
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