Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der Leser erfährt in dreizehn teils witzigen, teils mysteriösen Kurzgeschichten zum Beispiel wieviel Humor die Künstliche Intelligenz KI besitzt. Auch die Antwort auf die wichtigste Frage der Menschheit, die schon immer brennend interessierte, wird verraten. Außerdem wird über einen geheimnisvollen Anhang zur Bibel aufgeklärt, sowie Hintergründe erleuchtet über nervende Telefonansagen im Stile von: Dann wählen sie die Eins...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 60
Veröffentlichungsjahr: 2024
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
REINER NAWROT
ZIEMLICH KURZE
KURZGESCHICHTEN
Epubli-Verlag Berlin
Impressum
Titel: Ziemlich kurze Kurzgeschichten
Autor: Reiner Nawrot
Coverbild: Reiner Nawrot
published by epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright © 2024 Reiner Nawrot
Neunuhrzwanzig
Pech gehabt
Der große Tag
Künstliche Intelligenz
Dann wählen sie die Eins
Medikamente
Bibel-Anhang
Die Hex’ muss brennen
Herr Ürzu und die Steuerschulden
Fünf Minuten Schrecken
Wodka-Airlines
Bullentransport
Die Antwort des Saturn
Fachübergreifend hatten sich zum ersten Mal Wissenschaftler aller Richtungen zu einem Kongress versammelt, um zu versuchen, in enger Zusammenarbeit bisher ungelöste Probleme der Wissenschaft zu lösen. Physiker und Chemiker, Biologen und Astrophysiker, Atomexperten sowie eine religiöse Ethik-Kommission und noch aller-hand Nischenforscher hatten sich im großen Kuppelsaal versammelt. Jeder einzelne hatte sich verpflichtet, unvoreingenommen den Konkurrenten und Mitgliedern anderer Bereiche zuzuhören, deren Erkenntnisse ernsthaft zu prüfen und anzuerkennen, auch wenn die eigenen Ergebnisse dadurch eventuell revidiert werden müssten. Alle hofften so, die schon lange gesuchte Weltformel zu finden, die alles erklären würde.
Leider waren aber auch nach dem dritten Tag noch keinerlei greifbare Ergebnisse zu erkennen. Erst zu Beginn des vierten Tages kam es zu einem denkwürdigen Ereignis. Gerade hatten sich wieder alle Teilnehmer nach dem Frühstück im Plenum versammelt, als ein glitzerndes Licht den Saal erfüllte. Anweisungen an den Hausmeister, er möge doch die Beleuchtung dimmen, blieben erfolglos, weil der behauptete, überhaupt kein Licht eingeschaltet zu haben. Das grelle Licht schien von irgendwo oben aus der Kuppel zu kommen. Als sich unter den Wissenschaftlern langsam Nervosität ausbreitete, ertönte eine tiefe, Ruheausstrahlende Stimme, die aber nicht aus den Lautsprechern kam, zumal auch niemand am Rednerpult stand. Verwundert die einen, verängstigt die anderen, lauschten sie mehr oder weniger fasziniert dieser mysteriösen Stimme aus dem Nichts.
„Fürchtet euch nicht… ich bins.“, begann sie, stellte sich dann aber auch nicht weiter vor. In der etwa zweiminütigen Rede versprach sie, den Anwesenden zu helfen und ihnen eine Frage, egal aus welchem Bereich, restlos und umfassend zu beantworten. Alle Anwesenden müssten sich allerdings auf diese eine Frage einigen können und hätten dazu vierundzwanzig Stunden Zeit. Das helle Licht verlosch und ließ die mit großen Augen dasitzenden Wissenschaftler zurück. Sekundenlang herrschte Stille, dann begann ein hektisches Geschnatter. Viele glaubten an einen makabren Scherz, andere begriffen das Angebot als Chance, während sich die religiösen Teilnehmer pausenlos bekreuzigten. Erst gegen Abend waren alle bereit, das Angebot als ernsthaft zu akzeptieren. Allerdings ging nun der Streit darüber los auf welche Frage man sich einigen sollte. Die direkte Frage nach der Weltformel war vielen zu abstrakt. Sie fürchteten, Teile davon immer noch nicht verstehen zu können. Andere schlugen vor, eine detailliertere Frage, etwa zur endgültigen Überwindung von Hungersnöten oder der Vermeidung von Kriegen zu stellen. So wurde die ganze Nacht in Arbeitsgruppen und Diskutierzirkeln darüber beraten, welche Frage denn wohl die wichtigste für die gesamte Menschheit sein könnte. Gegen Morgen, es dämmert schon, schien sich die Mehrheit tatsächlich auf eine Frage geeinigt zu haben, und zwar: Die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Der Vorsitzende wurde schließlich damit beauftragt, diese Frage vorzutragen. Übermüdet und abgekämpft erwarteten nun alle das Licht. Und tatsächlich blitzte das auch nach genau vierundzwanzig Stunden wieder auf. Wie schon am Tag zuvor wurde der Saal in gleißende Helligkeit getaucht und ließ die Mitglieder atemlos verharren. Immer noch etwas ungläubig sahen sie sich um, um vielleicht jetzt den mysteriösen Besitzer der Stimme zu entdecken. Sekunden verstrichen lautlos, bevor die Stimme wieder ertönte.
„Nun, für welche Frage habt ihr euch entschieden?“
Während sich der Vorsitzende noch würdevoll erhob um die Frage zu formulieren, wandte sich ein Teilnehmer in der ersten Reihe, zwar flüsternd aber wohl doch etwas zu laut, an seinen Nachbarn: „Wie spät ist es eigentlich?“
„Neunuhrzwanzig…“, antwortete die Stimme und das Licht erlosch.
* * * *
Gerade passierte die Leiche auf dem Weg von der Dachterrasse hinab das zwölfte Stockwerk, allerdings kopfüber von außen an der Fassade entlang. Das heißt, bislang war es noch keine echte Leiche. Obwohl das fallende Etwas im Register des Universums schon als Leiche geführt wurde. Allerdings hatte sie, die männliche Noch-nicht-ganz-Leiche, ja noch die gesamten zwölf Stockwerke Zeit sich etwas einfallen zu lassen, um in letzter Sekunde das drohende Leichendasein doch noch abzuwenden. Noch waren alle Funktionen verfügbar und sie konnte denken. Aber was denkt man schon so im freien Fall von einem Hochhaus. Fatalerweise waren auch noch alle Zellen höchst erregt von dem unschönen Gespräch eben gerade. Und so drehten sich noch alle Gedanken um die widerwärtigen Beleidigungen und Drohungen, die sein Gesprächspartner da oben auf dem Dach gerade gegen ihn vorgebracht hatte.
Die Denk-Abteilung der auf Talfahrt befindlichen Fast-Leiche unterschätzte deshalb die brisante Situation auch völlig und stufte sie als Immer-der-Reihe-nach ein. Vielmehr kreisten die Gedanken gerade umso wichtige Aspekte wie etwa: Hoffentlich hatte die Hose beim Schubs über die Dachkante keinen Riss erhalten, oder auch: Beim nächsten Mal zieh ich einen Kittel an.
Wenn sie auch nur ansatzweise geahnt hätte, dass der Streit so ausgehen würde hätte sie wohl wirklich etwas anderes angezogen. Denn die mit ihrem schicken hellen Trenchcoat und einer dunklen Hose mit abgesteppten Seitentaschen bekleidete Fast-Leiche hatte sich beim Gerangel auch noch einen großen hässlichen Fleck in Brusthöhe zugezogen. Ob der wohl wieder raus ging?
Dummerweise ließ ihr Autopilot, der wohl nun doch langsam etwas ahnte, gerade im Hintergrund als Unterprogramm noch einmal ihr Leben im Schnelldurchgang ablaufen. Verwundert darüber, was das nun wieder bedeuten sollte, verplemperte der Trenchcoatbekleidete allerdings weitere Zeit, die er für konstruktivere Gedanken durchaus hätte gebrauchen können. Weiter half das natürlich auch nicht, denn mit diesem unproduktiven Herumgewundere waren weitere vier Stockwerke vergeudet und es blieben nur noch acht übrig, bis eine Lösung gefunden werden musste, wenn der schicke Trenchcoat nicht vollständig versaut werden sollte. Als das vom Gehirn jetzt richtig in den Vordergrund gerückt wurde, fasste die Fast-Leiche voller Wut einen Entschluss. „Die Reinigung zahlt er mir jedenfalls.“
Gemeint war damit natürlich die Person, die ihr oben auf dem Hochhaus den Schubs gegeben hatte und nun immer noch über die Dachkante gelehnt, dem trudelnden Flug interessiert hinterher sah.
Kurz beim Denken unterbrochen wurde der Stürzende auf Höhe der sechsten Etage, wo gerade eine ältliche Blondine aus dem Fenster sah. Einen kurzen Augenblick überlegte er ob er grüßen sollte, verwarf das aber gleich wieder, weil er längst vorbei und schon im vierten Stockwerk angekommen war. Nur kurz wunderte er sich über die seltsame Gardine am Fenster, als seine innere Stimme nun aber doch ziemlich drängend forderte, Panik aufkommen zu lassen, da er schon die Schrift auf der Werbetafel des gegenüberliegenden Geschäfts ohne Brille entziffern konnte. Allerdings drehten sich seine Gedanken immer noch um die Person auf dem Dach.
„Und nur weil er glaubt ich hätte den Koffer mit dem Geld, braucht man sich doch nicht so aufzureeee…“