Zur Geschichte der englischen Volkswirthschaftslehre aus dem III. Bande der Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften - Roscher, Wilhelm - kostenlos E-Book

Zur Geschichte der englischen Volkswirthschaftslehre aus dem III. Bande der Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften E-Book

Wilhelm, Roscher

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The Project Gutenberg EBook of Zur Geschichte der englischenVolkswirthschaftslehre, by Wilhelm RoscherThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Zur Geschichte der englischen Volkswirthschaftslehre       aus dem III. Bande der Abhandlungen der Königlich              Sächsischen Gesellschaft der WissenschaftenAuthor: Wilhelm RoscherRelease Date: October 9, 2014 [EBook #47081]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ZUR GESCHICHTE DER ENGLISCHEN VOLKSWIRTHSCHAFTSLEHRE ***Produced by Peter Becker, Heiko Evermann and the OnlineDistributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (Thisbook was produced from scanned images of public domainmaterial from the Google Print project.)

ZUR GESCHICHTEDER ENGLISCHEN VOLKSWIRTHSCHAFTSLEHRE

VON

WILHELM ROSCHER.

Aus dem III. Bande der Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften.

LEIPZIG

WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.

1851.

ZUR GESCHICHTE

DER

ENGLISCHEN VOLKSWIRTHSCHAFTSLEHRE

IM

SECHZEHNTEN UND SIEBZEHNTEN JAHRHUNDERT.

VON

W. ROSCHER.

Einleitung

Ihr eigentlich goldenes Zeitalter scheint die volkswirthschaftliche Literatur der Engländer zwischen 1742 und 1823 gehabt zu haben, d. h. von dem ersten Erscheinen der Hume'schen Essays an bis auf den Tod von David Ricardo. Hume, Adam Smith, Malthus und Ricardo sind die Chorführer dieser Periode, die Häupter der englischen Schule der Nationalökonomie. Und ich wüsste unter den Neueren kein Volk, keine Zeit, die in irgend einer Kunst oder Wissenschaft eine relativ vollkommenere Schule besessen hätten. — Jene vier grossen Engländer stehen im innigsten geistigen Zusammenhange unter einander; jeder von ihnen hat den Faden der Untersuchung fast genau da aufgenommen, wo ihn die Vorgänger hatten liegen lassen. Zugleich aber hat jeder auch durch neue, umfassende, ganz eigenthümliche Urbarungen das Feld der Wissenschaft erweitert; und nicht bloss dem Umfange nach, sondern ebenso sehr durch Vertiefung und Verschärfung der Methode selber. — Diese Schule ist im höchsten Grade universal: noch heute gilt insbesondere Adam Smith bei der Mehrzahl für den Gründer der wissenschaftlichen Nationalökonomie überhaupt, englische Schule und Theorie überhaupt für gleichbedeutend; wie sie denn allerdings gerade in den allgemeinsten, abstractesten Lehren ihre vornehmliche Stärke hat. Zugleich aber ist sie im höchsten Grade national: jene Männer sind durch und durch Engländer, mit Leib und Seele; ihre Grundsätze, ihre Beispiele wurzeln gänzlich in der Politik und Geschichte ihres Volkes, sind insgemein auf dessen Gesichtskreis beschränkt. Diesen Gesichtskreis übrigens haben sie mit bewunderungswürdigem Erfolge zu umfassen und zu beherrschen gesucht: sie haben die englische Philologie und Geschichtsschreibung, die englische Geographie und Naturforschung vortrefflich für ihre Zwecke ausgebeutet. Von allem dem, was die Engländer neuerdings auf dem Gebiete des abstractern, systematischern Denkens geleistet haben, ist ihre Nationalökonomie ziemlich anerkannter Massen das Vollkommenste. Daher die grosse Popularität dieser Wissenschaft in England, für die sich Alles, vom Premierminister an bis zum Fabrikarbeiter herab, auf das Lebhafteste interessiert. Ueberhaupt kann man sagen, dass die klassischen Volkswirthschaftslehrer von England sehr gut jene gerade Mittelstrasse eingehalten haben zwischen Speculation und Erfahrung, Theorie und Praxis, Allgemeinem und Besonderem, Originalität und Studium, welche von jeher die besten Schulen in ihrer besten Zeit zu charakterisieren pflegt.

Heutzutage sind die Verhältnisse in vieler Hinsicht anders geworden. Nicht, als ob es in England gegenwärtig fehlte an tüchtigen Nationalökonomen. Die Namen Senior, MacCulloch, Torrens, Tooke, Loyd, Porter u. A. wird kein Sachkundiger anders, als mit Hochachtung aussprechen. Ebenso wenig aber können sie den früheren grossen Meistern zur Seite gestellt werden. Sie haben die vorhandenen Methoden vielfach genauer, detaillierter angewandt, aber nicht eigentlich verbessert, oder neue hinzu erfunden; sie haben das Material der Wissenschaft vielfach bereichert, jedoch immer nur auf den schon bekannten Gebieten, also ohne wahrhaft universaler zu werden; sie haben die Widersprüche der früheren Systeme vielfach ausgeglichen, ohne jedoch diese Ausgleichung selbst wieder zum Systeme zu erheben. Es ist der Unterschied blosser wackerer Gelehrten, deren Resultate man immer dankbar annimmt, und grosser schöpferischer Genien, die selbst in ihren Irrthümern unendlich viel Belehrendes haben. Wie wenige, für die Wissenschaft bedeutende Probleme sind in England seit dem Schweigen von Ricardo und Malthus zur Sprache gebracht, die nicht schon von den älteren, klassischen Meistern behandelt wären! Allerdings hat die Popularität der volkswirthschaftlichen Untersuchungen dort immer zugenommen; ja, sie ist noch jetzt in fortwährendem Steigen begriffen. Nationalökonomische Irrthümer, wie sie Pitt geläufig waren, könnten einen heutigen englischen Minister um seinen Ruf bringen. Wer aber die Geschichte anderer Schulen in irgend einem Fache studiert hat, dem wird es nicht entgangen sein, dass fast überall die grösste Extensität einer Kunst oder Wissenschaft ihre grösste Ausbreitung und Beliebtheit beim Publicum nach der Periode ihrer grössten Intensität, also nach der Schöpfung ihrer klassischen Meisterwerke einzutreten pflegt[1]. — Zwar hat neuerdings John Stuart Mill einen Versuch gemacht, den abgeschlossenen Kreis der englischen Nationalökonomie bedeutend zu erweitern, indem er nicht bloss eine Menge praktischer Fragen hereinzog, welche die abstracte Theorie bisher verschmähet hatte, sondern auch durch das Studium continentaler Verhältnisse eine Menge von britischen Nationalvorurtheilen beseitigte. Er selbst charakterisiert sein System dadurch, dass es die Volkswirthschaftslehre auf die sociale Philosophie anwende. Eine solche Socialphilosophie, die im Sinne der aristotelischen Politik und mit den Hülfsmitteln unserer Gegenwart die wirthschaftlichen Verhältnisse der ganzen Menschheit zu verarbeiten suchte, würde ohne Zweifel eins der grössten wissenschaftlichen Bedürfnisse befriedigen. In dieser Ausdehnung ist aber die Aufgabe von Mill gar nicht gefasst worden; es wären auch weder seine geschichtlichen Vorstudien, noch sein ethischer Gesichtskreis für einen solchen Zweck umfassend genug. So dass auch durch Mill die gegenwärtige britische Nationalökonomie den Charakter eines silbernen Zeitalters nicht verloren hat.

Die nachfolgenden Untersuchungen haben den Zweck, über die wenig bekannte Periode der englischen Volkswirthschaftslehre, welche dem goldenen Zeitalter vorangeht, Licht zu verbreiten. Ich werde in dieser Abhandlung nur bis zum Anfange des 18. Jahrhunderts kommen; eine spätere soll dann, so Gott will, die weiteren Fortschritte bis auf Hume und Adam Smith erörtern. Den anspruchslosen Titel »Zur Geschichte« habe ich desshalb vorgezogen, weil es zu sehr an Vorarbeiten fehlt[2], und auch die Quellenschriften auf unseren deutschen Bibliotheken viel zu selten gefunden werden, als dass ich eine erschöpfende Vollständigkeit garantieren könnte. Etwas Bedeutendes wird mir aber doch schwerlich entgangen sein.

I.Der Socialismus im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts.

Im eigentlichen Mittelalter haben es die Engländer ebenso wenig, wie irgend ein anderes neueres Volk, zu einem Systeme der Staatswissenschaft bringen können. Offenbar aus demselben Grunde, wesshalb auch die Griechen erst seit Perikles dazu gekommen sind. Grosse Thaten zu verrichten, schöne Kunstwerke zu erschaffen, vermag schon die Jugend; um aber systematisch darüber zu reflectieren, wird eine Reife des Geistes erfordert, welche sich bei Völkern, wie bei Individuen, erst im spätern Leben ausbildet. Und zwar sind regelmässig die Systeme der Volkswirthschaft noch jünger, als die der s. g. höhern Politik; gerade so, wie die Naturforschung weit früher die Bewegung der Himmelskörper, als die einfachen Vorgänge des Kochens, Düngens u. s. w. ergründet hat.

An die Spitze der englischen Volkswirthschaftslehre stellen wir die Utopia des THOMAS MORUS[3]. Wer das spätere Leben des Verfassers kennt, seine grausamen Ketzerverfolgungen, seinen Märtyrertod für die katholische Kirche (1534), der wird erstaunt sein, in dieser frühern Schrift einen Gedankenkreis zu finden, welcher einerseits an die gelehrten Indifferentisten und Skeptiker gränzt, wie Erasmus, andererseits an die Bauernkriege und Wiedertäufer jener Periode. Morus selber drückt sich über das Verhältniss seiner Person zum Inhalte seiner Schrift mit Vorsicht aus. Der grösste Theil derselben ist einem, angeblich aus Utopia zurückgekehrten Reisenden, Raphael Hythlodeus in den Mund gelegt. Selbst dieser versichert mitunter, dass er die Einrichtungen der Utopier nicht sowohl vertheidigen, als beschreiben wolle (p. 141). Und Morus behält sich ausdrücklich vor, dass er keineswegs mit Allem einverstanden sei (p. 202 und öfter). Gleichwohl ist nicht zu bezweifeln, dass sein Ideal in der Utopia wirklich vorliegt. Wie derselbe Mann durch oberflächliche Betrachtung menschlichen Elends zum Socialisten werden, hernach aber durch lebendige Erfahrung der hiermit verbundenen Thorheiten, Frevel und Unmöglichkeiten[4] zu leidenschaftlicher Anhänglichkeit an das Bestehende zurückkehren kann, das wird gerade unsere Zeit wohl nachzuempfinden wissen.

Wie die Geschichte lehrt, so haben socialistische oder communistische Theorien einen breitern und tiefern Anklang nur da gefunden, wo folgende zwei Bedingungen zusammentrafen: erstens ein schroffer Unterschied von Reich und Arm, wodurch einerseits Hochmuth und Menschenverachtung, andererseits Hoffnungslosigkeit und Neid auf einen ungewöhnlichen Grad gesteigert wurden, zumal wenn gleichzeitig eine hoch entwickelte Arbeitstheilung den Zusammenhang zwischen Verdienst und Lohn für Laien verdunkelt hatte: sodann eine Verwirrung und Abstumpfung des öffentlichen Rechtsgefühls in Folge bedeutender, wohl gar entgegengesetzter Revolutionen. So ist es heutzutage; so war es im Zeitalter des sinkenden Griechenthums; in den letzten anderthalb Jahrhunderten vor Christus; so auch im Anfange der neuern Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. — Diess ist die Zeit, wo die grosse Minenproduction von Amerika nebst anderen verwandten Vorgängen ihren Einfluss auf die europäischen Preisverhältnisse ausübte. Jedes Sinken aber der Circulationsmittel, so nützlich es den Gewerbsunternehmern ist, pflegt die niederen Klassen hart zu drücken, weil diese den Preis ihrer Arbeit nur sehr allmählig, und zwar nur durch vermindertes Angebot, d. h. Auswanderung oder Aussterben, entsprechend zu erhöhen vermögen. Nach Kornpreisen berechnet, stand der englische Tagelohn um 1495 zwei- bis dreimal so hoch, als hundert Jahre später. Diess ist ferner die Zeit, wo in so vielen Ländern das alte patriarchalische System des Ackerbaues mit dem neuen speculativen vertauscht wurde: ein Uebergang, der sich namentlich in England durch Einführung der Feldgraswirthschaft statt des Dreifeldersystems, durch Legung zahlloser Bauerhöfe und Bildung grosser Zeitpachten vollzogen hat. Hier wäre nun offenbar das Natürlichste gewesen, die auf solche Art überflüssig gewordenen Feldarbeiter im Gewerbfleisse unterzubringen. Allein die Finanzwirthschaft des 16. Jahrhunderts, welche grösstentheils auf Staatsmonopolien beruhete, und damit natürlich die Gewerbe furchtbar drückte, machte diess unmöglich. Dazu kam die Aufhebung der Klöster, wodurch gleichfalls die unmittelbare Armennoth sehr gesteigert werden musste. Am deutlichsten spricht sich diese ganze Lage der Dinge in den zahlreichen Gesetzen aus, die seit dem 27. Regierungsjahre Heinrichs VIII. zur Unterstützung der Armen, Errichtung von Arbeitshäusern u. s. w. gegeben wurden, und die in den letzten Jahren der Elisabeth endlich zu der berühmten Armenacte führten. Es sollen in der spätern Zeit der Elisabeth wohl 3–400 kräftige Vagabunden in jeder Grafschaft existiert haben, die von Raub und Diebstahl lebten, in Banden, bis 60 Mann stark, auftraten, und selbst der Obrigkeit zu imponieren wussten[5]. — Was nun andererseits die Stimmung des Volkes inmitten dieser Drangsale betrifft, so gedenke man des Bauernkrieges, der Wiedertäufer, des niederländischen Aufstandes, der Reformation und Gegenreformation, zumal in England, der Thronstreitigkeiten unter Elisabeth, der Verfassungskämpfe unter den ersten Stuarts, endlich der Revolution und Republik. Es war unter Cromwell eine sehr weit verbreitete Ansicht, dass Niemand seinem Grundherrn ferner Pacht schuldig sei. So wenig standen die politischen und kirchlichen Ansichten der Levellers vereinzelt da.

Die ersten Anfänge dieser Bewegung, welche fast anderthalb Jahrhunderte lang Westeuropa durchzitterte, bilden die Grundlage zum Verständnisse des Morus'schen Werkes. Wie in allen socialistischen Systemen, so ist auch hier der kritische Theil verhältnissmässig am wahrsten. — Vor Allem klagt Morus über die gewaltige Zahl der Faullenzer im Staate, wogegen die Fleissigen, obschon sie jene doch ernähren müssen, fast verschwänden. Er rechnet dazu die Geistlichen, Edelleute, ganz besonders auch die Gefolge der letzteren, die Mehrzahl der Weiber, die Bettler u. s. w. Und selbst die Arbeiter werden grösstentheils mit ganz unnützen Dingen beschäftigt, bloss um für Geld die Eitelkeit der Reichen zu befriedigen (p. 39 ff. 99). Den kostspieligen Soldheeren will More nicht einmal militärischen Nutzen zugestehen (p. 40). Wollten Alle fleissig sein, und nur wahrhaft nützliche Geschäfte treiben, so brauchte sich Niemand sehr anzustrengen; während jetzt die wenigen wahren Arbeiter schlimmer als das Vieh genährt und überhetzt werden, zumal wenn man ihre Aussichtslosigkeit für Alter, Krankheitsfälle u. s. w. mitbedenkt (p. 96. 197). Ebenso unzufrieden ist Morus mit der gegenwärtigen Art der Consumtion; er eifert gegen die Wein-, Bier- und Hurenhäuser, gegen Würfel, Karten und andere Hazardspiele (p. 46. 95). Jedes Streben, äusserlich vor Anderen hervorzuragen, ist ihm eine strafbare Thorheit; wesshalb er z. B. das nützliche Eisen höher achtet, als das seltene Gold (p. 117), und den Vorzug der feinen Wollzeuge vor den groben damit lächerlich macht, dass ja auch die besseren vorher nur von Schafen getragen worden (p. 131 fg.). Besonders eifert er gegen die fiscalischen Plusmachereien, die seiner Zeit üblich waren: so z. B. Münzveränderungen, Steuerforderungen wegen bloss scheinbarer Kriegsgefahr, Geldstrafen wegen Uebertretung längst verschollener Gesetze u. s. w. (p. 65); oder gar die extreme Regaltheorie des 16. Jahrhunderts, wonach alles Gut des Volkes dem Fürsten gehören sollte (p. 68). Die oben erwähnten agronomischen Veränderungen[6] betrachtet er in einem so ungünstigen Lichte, dass er die Schafe reissende Bestien nennt, welche Menschen fressen, und Land wie Stadt verwüsten (p. 42)[7]. Mit vorzüglicher Energie werden am Schlusse des ganzen Werkes alle angeblichen Gräuel unserer Civilisation nochmals zusammengestellt (p. 197 ff.). Da heisst es geradezu, alle heutigen Staaten seien eigentlich nur Verschwörungen der Reichen, um unter der Maske des Gemeinwohls ihren Privatnutzen zu fördern. Der Arbeiter werde von der respublica während seiner kräftigen Jahre ausgebeutet; hernach aber, wenn er durch Alter und Krankheit gebeugt, völlig hülfsbedürftig geworden, mit dem schnödesten Undanke belohnt. All diess Elend jedoch, Diebstahl, Betrug und Raub, Streit, Mord und Aufruhr, Kummer, Sorgen, die Armuth sogar würden mit Abschaffung des Geldes von selbst wegfallen; sowie man ja schon gegenwärtig nach jeder Missernte sehen könne, dass die Hungersnoth lediglich eine Folge der, durch das Geld bewirkten, üblen Vertheilung des Kornvorrathes sei.

Die positiven Behauptungen und Heilvorschläge des Morus sind denen der neuesten Socialisten so ungemein ähnlich, dass sich schon hierin die leicht erschöpfte Unfruchtbarkeit des ganzen s. g. Socialismus erkennen lässt. Ich will nur das Wichtigste anführen. — Die utopische Lebensphilosophie ist ein vollständiger Eudämonismus. Alle Tugend besteht darin, der Natur gemäss zu leben; die Natur selbst aber gebietet uns, das Vergnügen (voluptatem, vitam iucundam) als den Zweck aller unserer Handlungen zu betrachten (p. 129). Dass dieses Vergnügen auf keine allzu rohe Art gefasst wird, versteht sich bei Thomas Morus von selbst. Hierzu kommt ein anderer Grundsatz: Niemand kann etwas gewinnen, was nicht ein Anderer verloren hat (p. 79). Wer diese beiden Principien zugiebt, wird nicht umhin können, das Privateigenthum zu verwerfen (p. 76). In Utopien herrscht daher Gütergemeinschaft und Arbeitsorganisation, so dass insbesondere die Behörden fast ausschliesslich damit beschäftigt sind, jeden Müssiggang zu verhüten (p. 96). Freilich ist jeder Stadt ein gewisser Landbezirk eigenthümlich zugewiesen (p. 86); und auch die einzelnen Familien bilden in mancher Hinsicht abgeschlossene Kreise. Indessen wird die Gleichmässigkeit der Bevölkerung durch Uebersiedelung aus einer Stadt und Familie, die zu voll geworden[8], in andere, zu leere fortwährend erhalten (p. 104). Ackerbau treiben Alle, indem sie periodisch mit einander abwechseln (p. 86); ausserdem beschäftigt sich Jeder noch mit einem Handwerke (p. 95). Man speist an gemeinschaftlichen Tafeln (p. 108 ff.); die Kleidung Aller ist auf das Genaueste uniform (p. 102). Nur mit obrigkeitlicher Genehmigung darf sich Jemand den Studien ausschliesslich widmen (p. 100); auch nur mit einem Passe auf Reisen gehen, wobei übrigens kein Gepäck mitgenommen wird, da Jedermann überall zu Hause ist (p. 113). Aller wechselseitige Mangel und Ueberfluss wird unter Leitung des Staates durch Geschenke ausgeglichen (p. 114). Das edle Metall, welches auf dem Wege des auswärtigen Handels in grosser Menge nach Utopien strömt, wird lediglich zu dem Zwecke aufbewahrt, um auswärtige Kriege damit zu führen; im Lande selbst behandelt man es mit der grössten Verachtung, so dass z. B. die Verbrecher goldene Ketten tragen, die kleinen Kinder mit Perlen und Edelsteinen spielen, die Nachtgeschirre von Gold und Silber gemacht werden (p. 115 ff.).

Es ist ebenso bekannt, wie erklärbar, dass die Theoretiker der Gütergemeinschaft in der Regel auch für Weibergemeinschaft undEmancipation der Frauen geschwärmt haben. Denn Tisch und Bett, Haus und Ehe sind ja nur verschiedene Seiten eines und desselben Verhältnisses, des Familienlebens; daher die consequenten Gegner des Sondereigenthums kaum unterlassen können, auch die Sonderehe zu bekämpfen. Und was die Frauenemancipation betrifft, so wird der extreme Gleichheitssinn, welcher zur Gütergemeinschaft führt, auch die sociale Ungleichheit der beiden Geschlechter nicht anerkennen wollen. Mit den Wiedertäufern ist nun Morus auf diesem Gebiete nicht zusammenzustellen; jedoch fehlt es bei ihm durchaus nicht an allen Analogien. So lässt er die utopischen Frauen nicht bloss an dem wissenschaftlichen Unterrichte (p. 97), sondern auch an den militärischen Uebungen der Männer theilnehmen (p. 164); selbst das Priesteramt können alte und ehelose Frauen bekleiden (p. 187). Hinsichtlich der Ehe ist seine vornehmste Reform darauf gerichtet, dass Braut und Bräutigam, vor Knüpfung des unauflöslichen Bandes, im Beisein passender Zeugen einander nackend sehen (p. 150); ausserdem sollen auch Ehescheidungen auf eine, wenigstens für Katholiken bedenkliche, Art erleichtert werden (p. 152).

Charakteristisch sind endlich noch folgende Punkte: 1) Die grosse religiöse Toleranz des Morus, die zwar in damaliger Zeit bei klassisch gebildeten Männern nichts Seltenes war, alsbald aber so gründlich beseitigt wurde, dass z. B. 1613 in England Personen als Verleumder mit lebenslänglicher Kerkerstrafe belegt worden sind, weil sie behauptet, einzelne Geheimerathsmitglieder hätten ein Toleranzgesetz empfohlen. In Utopien dagegen herrscht die völligste Glaubensfreiheit, nicht allein des Friedens willen, sondern auch weil man sie eben der Religion und Wahrheit selber am zuträglichsten findet (p. 180). In den Tempeln wird eine kluge Neutralität beobachtet, namentlich Alles vermieden, was irgend einer Secte irgendwie anstössig sein könnte (p. 190). Ueberhaupt ist es hier Grundsatz, ja nicht leichtfertig über irgend eine Religion zu urtheilen (p. 185). Freilich schmeckt diess Alles etwas nach Indifferentismus, zumal wenn man bedenkt, wie gut der Idealstaat des Morus auch ohne Christenthum hat fertig werden können. Die Einführung des Christenthums scheint ihm ungefähr auf derselben Stufe zu stehen, wie die Einführung der griechischen Literatur[9], obschon er dem erstern seine Hinneigung zur Gütergemeinschaft nachrühmt (p. 177). Uebrigens bleibt die utopische Toleranz doch immer noch sehr hinter der heutigen zurück; denn Ansichten, welche die Unsterblichkeit der Seele, die Vergeltung nach dem Tode, die göttliche Vorsehung leugnen, gelten dort für unmenschlich, und machen unfähig zum Bürgerrechte (p. 180). — 2) Seine Milde gegen Verbrecher. Morus gehört zu den erklärtesten Gegnern der Todesstrafe, die er fast in allen Fällen durch Freiheitsstrafen, gezwungene Arbeit u. dergl. ersetzen will (p. 153). Namentlich scheint es ihm rechts- und bibelwidrig zu sein, wenn Diebe getödtet werden[10] (p. 49). Ja, es kommen Anklänge an die neuerdings beliebte Meinung vor, als wenn zur Verhütung von Verbrechen nicht sowohl die Verbrecher selbst, sondern vielmehr die bürgerliche Gesellschaft sich ändern müsste (p. 38 ff. 52). — 3) Im Allgemeinen sind die Utopier zwar äusserst friedfertig; sie verachten insbesondere den herkömmlichen Begriff soldatischer Ehre bis zu dem Grade, dass sie vorzugsweise durch Prämien auf die Ermordung oder Auslieferung der feindlichen Fürsten und Offiziere zu wirken suchen (p. 164 fg.). Dagegen schreiten sie, abgesehen von der Vertheidigung, in zwei Fällen ganz unbedenklich zum Kriege: erstens, um fremde Nationen von Tyrannenherrschaft zu befreien (quod humanitatis gratia faciunt: p. 161); sodann auch, um ihrer überschüssigen Population in minder bevölkerten Ländern, die gleichwohl ein friedliches Eingehen auf die utopische Verfassung verschmähen, ein Unterkommen zu verschaffen (p. 105).

Wer mit der neuern socialistischen Literatur irgend vertraut ist, wird die Bedeutung dieser Ansichten würdigen können.

II.Die Preiserniedrigung der edlen Metalle[11].

Die Preiserniedrigung aller Circulationsmittel, welche in den meisten europäischen Ländern während des 16. Jahrhunderts vor sich gegangen ist, wird in der Regel als eine Folge der grossen amerikanischen Minenproduction betrachtet. Und die wichtigste Ursache ist diess allerdings; aber schwerlich die einzige. Das Sinken der Metallpreise nämlich war schon in einer Zeit bedeutend, als die amerikanischen Zuflüsse nachweislich noch lange nicht die Ausdehnung erreicht hatten, um eine solche Wirkung erklären zu können. Während insbesondere vor der Entdeckung Potosis (1545) fast gar kein amerikanisches Silber nach Europa strömte, war doch in Frankreich schon zwischen 1500 und 1530 der Preis des Silbers um etwa 50 Procent gesunken[12]; und die, bis 1522 geradezu ausschliessliche, Goldzufuhr aus Amerika hat gleichwohl den Preis des Goldes dem Silber gegenüber nicht bemerkbar verringert. Ein Hauptgrund des ganzen Vorganges wird vielmehr in den gleichzeitigen inneren Veränderungen der europäischen Volkswirthschaft liegen. Diese erwachte damals in den meisten Ländern aus dem Schlafe des Mittelalters. Das starre Volkskapital wurde gleichsam flüssig. Mit der wachsenden Rechtssicherheit wurde auch die Speculation rühriger, und beides zusammen trieb die Einzelnen wie die Staaten an, das mittelalterliche Schatzwesen aufzugeben. Während das Geld früher hauptsächlich als Werthdepositum gedient hatte, trat nun seine Umlaufsfähigkeit in den Vordergrund. Die zunehmende Arbeitstheilung machte den Umlauf immer schneller. Zugleich entfaltete der Credit sowohl seine productionsfördernde, wie seine geldersparende Kraft immer grossartiger. Auch die eigentlichen Geldsurrogate, wie z. B. Wechsel, wurden bedeutender[13]. So erklärt es sich denn, wesshalb in Italien, dem zuerst gereiften Lande der neuern Zeit, auch die Wohlfeilheit der edlen Metalle schon vor der Entdeckung Amerikas völlig entwickelt war. Hier sind die Waarenpreise zu Anfang des 16. Jahrhunderts fast gar nicht gestiegen; ja, man behauptet sogar, dass der Preis des Geldes um 1750 auf den italienischen Märkten wenig niedriger gewesen, als um 1450[14].

Hiermit hängt es nun auch zusammen, dass die grosse Preisrevolution verschiedene Länder zu sehr verschiedener Zeit ergriffen hat. In Frankreich z. B. und in Ober-Deutschland fing die Erschütterung bereits in den ersten Decennien des 16. Jahrhunderts an, war aber in den achtziger Jahren wieder zur Ruhe gelangt. In England dagegen, wo sie erst im dritten Decennium des 17. Jahrhunderts zur Ruhe kam, ist auch ihr Anfang ein ungleich späterer gewesen.

Zu den frühesten und zugleich bekanntesten Klagen über diesen Vorgang sind einige Aeusserungen in den Predigten des berühmten HUGH LATIMER zu rechnen. Dieser ebenso fromme und gelehrte, wie populäre Bischof, dessen evangelische Opposition von Heinrich VIII. mit Absetzung und Gefängniss, von der katholischen Maria (1555) mit dem Scheiterhaufen gestraft wurde, hielt in der Zwischenzeit am Hoflager des minderjährigen Königs, Eduards VI., Predigten in der Paulskirche. In einer derselben (19. Januar 1548) zählt er die traurigen Folgen auf, womit die grosse, immer noch wachsende allgemeine Waarentheuerung das englische Volk bedrohe. An seiner eigenen Familie habe er Gelegenheit gehabt, diess zu beobachten. »Mein Vater war Pächter, ohne eigenen Grundbesitz; er hatte ein kleines Gut zu 3 bis 4 Pfund St. gepachtet, und bauete darauf so viel Getreide, um ein halbes Dutzend Menschen zu ernähren. Er hatte Weide für 100 Schafe, und meine Mutter melkte 30 Kühe. Er konnte ein Pferd halten, und dem Könige als gepanzerter Reitersmann dienen; ich selbst erinnere mich noch, ihm den Harnisch angeschnallt zu haben, als er zum Treffen von Blackheath (1497) gieng. Er verheirathete meine Schwestern, jede mit einer Aussteuer von 5 Pfund St. oder 20 Nobles, und erzog sie in Frömmigkeit und Gottesfurcht. Gegen arme Nachbaren übte er Gastfreundschaft, und gab stets Almosen. Alles diess leistete er bei seinem niedrigen Pachtschillinge. Jetzt aber zahlt er jährlich 16 Pfund St. Pacht, und ist ausser Stande, weder für seinen König, noch für sich, noch für seine Kinder etwas zu thun, noch den Armen einen Trunk zu geben.« An einer andern Stelle wird das Steigen der Grundrenten doch etwas niedriger gesetzt: »was für 20 oder 40 Pfund St. verpachtet wurde, kostet jetzt 50 oder 100 Pfund St. und mehr. Daher entsteht denn Hungersnoth für die Armen inmitten eines Ueberflusses von Früchten; alle Nahrungsmittel sind unnatürlich theuer, und wir werden bald für ein Schwein 1 Pfund St. zahlen müssen. Die ärztliche Behandlung des Landvolkes, die juristische Anwaltschaft für die Armen, die Waaren der Kaufleute, Alles ist zu theuer, wenn die Einnahmen der Grundbesitzer zu hoch sind.«[15] Als letzte Ursache des Uebels wird hier offenbar die Steigerung der Pachtschillinge angesehen, wobei der ehrwürdige Verfasser auf das Lebhafteste gegen die Inclosures, die Vermehrung der Schafweiden, den Getreidewucher u. dgl. m. eifert.

1500 - 1519    6S.7D.1532 - 15628S.31/2D.1573 - 1575  1Pfund15S.8D.1586 - 1599  2Pfund2S.4D.

Ich habe ferner aus den, von Eden mitgetheilten, Weizenpreisen[17] den Durchschnitt gezogen, und auf heutiges Geld reduciert; hiernach kämen alsdann auf die Jahre

1495 - 1504  10S.1505 - 151413S.  4D.1515 - 1526[18]18S.1D.1527 - 154220S.4D.1543 - 155217S.9D.1553 - 156014S.7D.1561 - 156917S.1572 - 158522S.4D.1586 - 159934S.4D.

Diese beiden, an sich ziemlich unsicheren, Angaben werden für unsern Zweck hinreichend corrigiert durch die Bestimmungen der englischen Korngesetze. Es ward nämlich die Ausfuhr des Getreides nur dann erlaubt, wenn die Kornpreise auf einen, nach der Ansicht des Gesetzgebers recht niedrigen, Stand gesunken wären. Und zwar wurde dieser Normalpreis festgesetzt für den Quarter Weizen

1554  auf  6S.  8D.15596S.8D.156310S.159320S.160426S.8D.[19]

Aus allen diesen Angaben erhellt wenigstens so viel, dass eine bedeutende Steigerung der Kornpreise erst unter Elisabeth eingetreten[20]. — Den scheinbaren Widerspruch zwischen solchen Thatsachen und den Aeusserungen des Bischofs Latimer glaube ich auf folgende Art lösen zu können. Die Theuerung der Kaufmannswaaren, der feineren Arbeitslöhne u. s. w. wird von der allgemeinen, schon damals begonnenen Preiserniedrigung der Circulationsmittel herrühren. Dass die Kornpreise hiervon nicht mit gesteigert wurden, schreibe ich den grossen Verbesserungen des englischen Ackerbaues zu, welche die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts charakterisieren, insbesondere auch seit der Secularisation der Klostergüter. Mit der hierin liegenden Verminderung der Productionskosten vermochte das Zunehmen der Bevölkerung nicht gleichen Schritt zu halten. Eine Steigerung der Grundrente, im streng Ricardo'schen Sinne des Worts, kann freilich die unmittelbare Folge hiervon nicht sein; gar wohl aber eine Steigerung der Pachtschillinge, in denen ja der Kapitalzins meistens eine so bedeutende Quote bildet. Die jener Zeit übliche Zusammenlegung vieler kleiner Farms in grosse, die Einführung der Koppelwirthschaft u. s. w.: alles diess musste in unzähligen Fällen eine für die kleinen Pächter sehr ungünstige Concurrenz veranlassen; um so mehr, als die weltlichen Besitzer der früheren Klosterländereien ihre Untergebenen überhaupt viel rücksichtsloser behandelten, als diese unterm Krummstabe gewohnt waren. Man denke nur an die furchtbaren Bauernkriege des Jahres 1549, welche hauptsächlich Wiederherstellung der Klöster und Beseitigung der Inclosures bezweckten. Noch 1597 kommt in Oxfordshire ein kleiner Aufruhr vor, um die Zäune einzureissen und den Kornbau wiederherzustellen; 1607 ein sehr bedeutender in den mittelländischen Grafschaften zu demselben Zwecke. Ein so steinalter Mann, wie des Bischofs Vater, konnte sich natürlich in die ganz veränderte Landwirthschaft der neuen Generation wenig finden, und musste dadurch verarmen. Diess lag um so näher, als seine Farm besonders auf Viehhaltung eingerichtet war, und die neuen Verbesserungen des Betriebes sich ganz vorzugsweise auf diesen Zweig geworfen hatten. Endlich muss man auch die Stimmung des Bischofs selbst berücksichtigen, der gleichfalls ein alter Mann, dazu Geistlicher war, und den Uebergang der Landwirthschaft aus dem alten feudal system in das neue commercial system mit ähnlichem Missbehagen ansehen mochte, wie mancher heutige Greis die Ausdehnung der Eisenbahnen. Alle Geistlichen waren damals in ihrem Einkommen geschmälert, und empfanden, wie jeder wirthschaftlich sinkende Stand, die vielen Münzverringerungen auf das Bitterste. — Sogar die speciell erwähnte Theuerung des Schweinefleisches lässt sich aus inneren Veränderungen der Waare selbst erklären. Das Schwein pflegt im Mittelalter jedes Volkes das gemeinste und wohlfeilste Hausthier zu sein, und dann auf den höheren Kulturstufen, wenn namentlich die Waldfläche sich verkleinert, in besonders hohem Grade theuerer zu werden. Hierzu kam nun im damaligen England noch die starke Verminderung der kleinen Pächter und ländlichen Cottagers, d. h. also derjenigen Klasse, welche zu jeder Zeit die Mehrzahl der Schweine zu halten und von den Abfällen ihrer kleinen Wirthschaft zu ernähren pflegt.

Als nun später die grosse Preisrevolution im vollen, unzweifelhaften Gange war, erschien eine geistvolle, welterfahrene Schrift, um die öffentliche Meinung darüber in Worte zu fassen und zu kritisieren: A compendious or briefe examination of certayne ordinary complaints of divers of our countrymen in these our days; which, although they are in some part unjust and frivolous, yet they are all by way of dialogues thoroughly debated and discussed. By W. S., gentleman. 4. London 1581. Als Verfasser wird insgemein WILLIAM STAFFORD genannt[21]. Das Werk ist in Form eines Gesprächs zwischen einem Landedelmanne, einem Doctor der Theologie, einem Pächter, einem Krämer und einem Mützenmacher geschrieben, um auf solche Art die wichtigsten Volksklassen zu repräsentieren[22]. Charakteristisch genug, dass die Klasse der vorzugsweise s. g. Arbeiter fehlt! — Ueber den Grad der beklagten Preisveränderung wird u. A. Folgendes bemerkt. Es koste jetzt, also 1581, 200 Pfund St., um ein ebenso gutes Haus zu halten, wie 16 Jahre früher für 200 Mark, d.i. 133 Pfund 6 S. 8 D. (fol. 5). Eine Mütze habe damals 13 D. gekostet, jetzt 2 S. 6 D.; ein Paar Schuhe damals 6 D., jetzt wenigstens 12 D.; ein Pferd zu beschlagen damals 6 D., jetzt 10 bis 12 D. (fol. 11). Vor 30 Jahren sei die beste Gans oder ein Spanferkel um 4 D. zu haben gewesen, jetzt nur um 12 D. Ein guter Kapaun habe damals 3 bis 4 D., ein Küchlein 1 D., eine Henne 2 D. gekostet; jetzt gelten sie das Doppelte oder Dreifache. Aehnliches Steigen der Hammel- und Ochsenpreise (fol. 14).

Die Klagen des Landedelmannes beziehen sich darauf, dass er nicht so im Stande sei, wie die meisten anderen Klassen, den Preis seiner Ländereien in gleichem Verhältniss zu dem Steigen der Waarenpreise höher zu treiben. Seine Renten seien zwar etwas bedeutender, als die seiner Vorfahren; die Kosten seines Haushaltes aber in viel höherem Grade. Als Ursache hiervon bezeichnet er mit Recht die in England herrschende Gewohnheit, die Pachtcontracte auf lange Zeiten, insbesondere auf mehrere Lebensläufe, abzuschliessen. Viele seiner Standesgenossen waren desshalb genöthigt, ihre Landsitze zu verlassen, und sich zu London, in der Nähe des Hofes ganz bescheiden einzumiethen: Männer, die ehedem gewohnt waren, bis 10 Gentlemen in ihrem Hause zu unterhalten, und ausserdem noch 20 bis 24 Personen täglich als Gäste zu bewirthen. Wer von ihnen das Landleben fortsetzen wollte, der musste die, durch Ablauf der Pacht heimgefallenen, Grundstücke selbst verwalten; auch wohl fremde Besitzungen noch dazu pachten, um sie mit Schafen oder sonstigem Vieh zu bewirthschaften. Alle übrigen Nahrungszweige seien dem Edelmanne ja so gut wie verboten. — Gegen diese Mitbetheiligung der Gutsherren an der Landwirthschaft hat nun der Pächter viel einzuwenden. Die Grundrenten seien hierdurch enorm gestiegen. Ganz besonders aber klagt er die vielen Einhegungen an[23]