Zur unmöglichen Aussicht - Gustav Ernst - E-Book

Zur unmöglichen Aussicht E-Book

Gustav Ernst

4,8

Beschreibung

ZWEI MÄNNER IM KAFFEEHAUS - RASANT, KOMISCH UND LEBENSECHT Kagraner geht leidenschaftlich gern ins Kaffeehaus und genießt seinen Mokka - wenn er nicht gerade mit seiner Ehefrau im Clinch liegt, denn dann bevorzugt er Cognac. Redselig ist er allemal, da kommt ihm der stille Herr im Stammcafé sehr gelegen. UNHEIMLICHE PARALLELEN Dieser wird zum geduldigen Zuhörer und bald lassen ihn die Episoden des skurrilen Monomanen nicht mehr los: Was hat sich Kagraner da nur für eine Frau ausgesucht? Und was hat es mit dem vermissten Freund auf sich, was mit der ominösen Aktentasche? Parallelen zu seinem eigenen Leben tauchen auf und die Fragen verdichten sich. Da ist Kagraner von einem Tag auf den anderen verschwunden. DER DIALOG DER GESCHLECHTER MIT BESTECHENDEM WITZ GESTALTET Unterhaltsam und humorvoll zeigt Gustav Ernst, wie reich an Missverständnissen der Dialog zwischen Mann und Frau sein kann und wie alltäglich die Entfremdung. In seiner lakonischen Sprache fängt Ernst den Leser mit wenigen Strichen ein und verwickelt ihn in das Geschehen - rasant, komisch und lebensecht!

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Gustav Ernst

Zur unmöglichen Aussicht

Roman

Kagraner stieß eines Tages, ich saß auf der Terrasse des Cafés in der Sonne und las Zeitung, im Vorübergehen versehentlich gegen meinen Tisch. Er entschuldigte sich, beteuerte seine Unschuld, er habe nur dem Kellner, der ein volles Tablett zwischen den Stühlen balancierte, ausweichen wollen, als er plötzlich innehielt und sagte: Verzeihung, mein Herr, Ihre Aktentasche. Was ist mit ihr?, fragte ich und betrachtete meine Aktentasche. Es ist die gleiche, die mein Freund hatte, sagte er. Ihr Freund, sagte ich, hat er sie denn nicht mehr? Ich weiß es nicht, sagte Kagraner, erlauben Sie mir, dass ich mich kurz setze? Aber ich bitte Sie, sagte ich und rückte ihm den Stuhl zurecht. Sie müssen wissen, sagte er, ich habe meinen Freund aus den Augen verloren. Seit Jahren kein Lebenszeichen von ihm. Nichts, was ich mit meinem Freund irgendwie hätte in Verbindung bringen können. Und jetzt das. Darf ich mir die Tasche genauer ansehen? Sie meinen, es ist seine Tasche?, fragte ich. Nein, nein, sagte Kagraner, ich bitte Sie, das wäre doch ein merkwürdiger Zufall. Aber interessieren würde mich schon, und ich bitte Sie, mich nicht misszuverstehen, ich möchte Ihnen auf keinen Fall zu nahe treten, sagte er, aber wenn Sie mir die Frage gestatten: Wo haben Sie die Tasche her?

Die Geschichte vom guten Zuhörer

Wo ist Ihre Tasche?, fragte Kagraner, als er einige Wochen später auf der Terrasse des Cafés plötzlich wieder vor mir stand. Sie werden sie doch nicht einfach entsorgt haben? Nein, nein, sagte ich und schob die Pläne und Kostenvoranschläge, die ich vor mir auf dem Tisch ausgebreitet hatte, zusammen, sie ist zu Hause. Aber bitte, sagte ich, nehmen Sie doch Platz, und wies auf die Bank gegenüber. Danke, sagte Kagraner, sehr freundlich. Denn sehen Sie, sagte er, mein Freund, der die gleiche Tasche hatte wie Sie, zumindest bin ich weitgehend davon überzeugt, sagte er, weswegen ich Sie auch kürzlich belästigt habe, war nicht wirklich mein Freund, auch wenn wir eine gewisse Zeit gemeinsam im Ausland verbracht hatten. Nein?, sagte ich. Nein, sagte Kagraner, leider. Aber er besaß eine Eigenschaft, eine höchst seltene Eigenschaft!, die ihn über unseren kurzen gemeinsamen Auslandsaufenthalt hinaus fast zu meinem Freund hätte machen können. Und die wäre?, fragte ich. Wie meinen Sie?, sagte Kagraner. Die Eigenschaft, sagte ich, die ihn fast zu Ihrem Freund hätte machen können, worin bestand die? Ich konnte mich stundenlang mit ihm unterhalten, sagte Kagraner, ohne dass mir auch nur eine Minute langweilig geworden wäre. Das gibt es?, fragte ich. Gab es, sagte Kagraner, was ich sehr bedaure. Denn er war nicht nur witzig und voll überraschender Wendungen im Gespräch. Und er sprach nicht nur über sich, denn natürlich sprach er auch über sich und durchaus nicht ungern, sagte Kagraner, aber das immer offen und knapp und auf das Wesentliche und auch für mich Interessante beschränkt. Sondern er konnte vor allem eines, und das war die herausragende Eigenschaft!, eine Eigenschaft, die ich weder vor ihm noch nach ihm je auch nur in Bruchstücken, falls man das so sagen kann, angetroffen hätte! Er konnte zuhören. Und Sie können sich nicht vorstellen, sagte Kagraner, was für ein außerordentliches Vergnügen es bereitet, jemanden zu erleben, der zuhören kann. Bei dem man in jedem Moment die Gewissheit hat, der hört wirklich zu! Das ist einmalig, sagte Kagraner, wirklich einmalig! Sie können ihm die persönlichsten Dinge erzählen. Sie haben sogar das Gefühl, was ihn wirklich interessiert, das sind Ihre persönlichsten Dinge. Sie fühlen sich sofort verstanden. Sie spüren Verbindlichkeit, Wärme, Anteilnahme. Er gibt keine Ratschläge, Ratschläge nie!, nie Ratschläge!, rief Kagraner aus, aber er stellt die richtigen Fragen, sodass Sie allein durch diese Fragen Ihre persönlichen Angelegenheiten in einem neuen und klareren Licht sehen. Ihnen fallen Dinge auf, die Ihnen bisher nicht aufgefallen sind. Und das freut ihn. Das bringt er auch zum Ausdruck, dass ihn das freut. Alle Bedenken, jemand anderen könne das nie und nimmer interessieren, was Sie zu erzählen haben, hat ja auch bisher niemanden interessiert!, sagte Kagraner, sind im Gespräch mit ihm wie weggeblasen. Er möchte immer mehr wissen, immer genauer erfahren, was Ihr Problem ist. Aber nicht aus Neugier, sagte Kagraner, das merken Sie sofort, nicht aus Neugier!, nie aus Neugier!, sondern aus wirklichem Interesse an der Sache. Verstehen Sie? Sie haben das Gefühl, frei von der Leber weg sprechen zu können. Sie können Dinge eingestehen, benennen, die Sie niemandem sonst gegenüber, auch sich selbst gegenüber nicht!, eingestehen und benennen würden. Die einzugestehen und zu benennen Sie auch noch nie Anlass gehabt haben. Und Sie haben auch nicht den Eindruck, und das ist überaus bemerkenswert!, sagte Kagraner, etwas einzugestehen. Sie sagen es einfach. Alles erscheint im Gespräch mit ihm vollkommen selbstverständlich. Tatsächlich?, sagte ich. Sie glauben mir nicht?, fragte Kagraner. Das verstehe ich gut, dass Sie mir nicht glauben, sagte er, ich würde Ihnen wahrscheinlich auch nicht glauben. Ich würde selbst mir nicht glauben, sagte Kagraner, wenn ich nicht genau wüsste, dass diese Person existiert hat, dass ich sie gekannt habe. Ein Sozialhelfer?, fragte ich. Sozialhelfer?, sagte Kagraner. Wieso Sozialhelfer? Überhaupt kein Sozialhelfer! Auch kein Psychologe oder Mediator. Also ein Wunder, sagte ich, ein Heiliger. Beinahe, sagte Kagraner und lachte. Aber das Interessante ist, sagte er, und das ist wirklich interessant, dass die Nähe, die in diesen Gesprächen hergestellt wurde, kaum war das Gespräch weg, auch weg war. Weg?, sagte ich. Und wie weg!, sagte Kagraner. Was meinen Sie mit weg?, fragte ich. Weg, sagte Kagraner, einfach weg. Es gab keine Anrufe, keine weiteren Treffen. Wo man doch glauben könnte, die Dinge, die man besprochen hat, würden zumindest einen Anruf nach sich ziehen, eine Nachfrage, wie das oder jenes ausgegangen sei. Nichts. Gar nichts. Kein Bedürfnis, mit mir in Verbindung zu treten. Nicht, weil er sich vor den Gesprächen mit mir gefürchtet hätte, sagte Kagraner. Ich denke, es gab keinen Grund, sich vor einem Gespräch mit mir zu fürchten. Aber jedes Mal, wenn wir uns trafen, sagte Kagraner, und nach unserem gemeinsamen Auslandsaufenthalt trafen wir uns immer nur zufällig, war er überaus erfreut, und jede Menge Wärme und Anteilnahme kam auf, und stundenlang konnten wir an einer Ecke stehen oder stundenlang in einem Café sitzen und reden, als wären wir die besten Freunde. Was er ja nicht hätte tun müssen, sagte Kagraner, stundenlang mit mir irgendwo stehen oder sitzen. Er hätte auch freundlich grüßen und an mir vorübergehen können. Das wäre doch durchaus ein Verhalten im Rahmen der Normalität gewesen. Aber nein!, sagte Kagraner, er ging nicht vorüber! Und ich hatte nicht den Eindruck, aus schlechtem Gewissen. Aber Freunde im engeren Sinne, sagte Kagraner, sind wir trotzdem nicht geworden. Und dennoch hatte ich Lust, ja, das Bedürfnis!, sagte Kagraner, das will ich nicht leugnen, hätte ich auch damals nicht leugnen können, ihn öfter zu treffen, ihn immer wieder zu treffen, ihn kontinuierlicher zu treffen. Aber er nicht, sagte Kagraner, er hatte das Bedürfnis nicht. Mich gab es für ihn nicht, wenn ich nicht da war. Nur wenn ich da war, sagte Kagraner, dann gab es mich. Dann hatte er immer viel Zeit für mich.

Eigentlich hätte ich diesen Herrn, der mich an jenem sonnigen Nachmittag so unvermittelt angesprochen hatte, gern mit scharfen Worten zurechtgewiesen. Denn seit Stunden brütete ich schon, jede Menge Kaffee trinkend und ohne mich vom Fleck zu bewegen, über Kostenvoranschlägen und Berechnungen die Erneuerung meines Dachstuhls betreffend, die sich aber für mich als unüberschaubar und letztlich als zu kompliziert erwiesen. Die Zahlen gerieten mir durcheinander und ich hatte kaum noch Lust, mich weiter damit zu beschäftigen. Aber in Anbetracht des angekündigten, eine Weile anhaltenden Schönwetters mussten die Arbeiten in Auftrag gegeben werden, und zwar unverzüglich.

In dieser Phase sprach er mich an, ohne jede Rücksicht auf den prekären Zustand, in dem ich mich befand, den er, so meine Überzeugung, hätte erkennen müssen. Noch dazu mit Erwähnung einer Tasche, die ich in diesem Moment mit den vor mir liegenden Unterlagen über Größen und Farben von Dachziegeln und über die Tragfähigkeit von Dachbalken in keinerlei Zusammenhang bringen konnte. Erst beim zweiten Hinschauen hatte ich den Eindruck, den Herrn irgendwo schon gesehen zu haben. Und beim dritten Mal fiel mir ein, woher ich ihn kannte. Und von ­welcher Tasche er sprach.

Nichtsdestotrotz war ich fest entschlossen, mit dem Hinweis, ein wichtiger Termin stünde an und ich könne leider nicht bleiben, das Café zu verlassen und in einem anderen meine Arbeit fortzusetzen. Nicht ohne den Herrn, während ich meine Papiere ordnete, zu bitten, doch inzwischen Platz zu nehmen. Aber die Geschichte über seinen vermissten Freund, die er daraufhin ohne Umschweife, beinahe in Form einer Überrumpelung, zu erzählen begann, ohne sich weiter um mich zu kümmern, und die Art, wie er sie erzählte, fand ich dann doch bemerkenswert. Sodass ich sitzen blieb, meine Berechnungen, die gute Gelegenheit nützend, sein ließ und mir die Geschichte anhörte.

Woraufhin es mich auf dem Heimweg wurmte, nicht, meine dringenden Planungsarbeiten vernachlässigt zu haben, sondern Kagraner, wie er sich mir gegenüber mit Namen vorgestellt hatte, nicht gleich das Angebot gemacht zu haben, ihm die Tasche zu schenken. Ich hatte nicht wirklich mehr Verwendung für sie. Dass ich sie damals, bei unserem ersten Treffen, dabeihatte, war Zufall. Als ich sie aber dann, daheim angekommen, aus dem Schrank nehmen wollte, um sie für Kagraner bereitzulegen, kam es mir doch etwas unpassend und aufdringlich vor, ihm ein derartiges Geschenk zu machen. Ich kannte Kagraner ja kaum. Auch die Anteilnahme an seiner Geschichte und am Verlust seines Freundes, von der ein solches Geschenk wohl unweigerlich zeugen würde, erschien mir in diesem Moment etwas übertrieben, wenn nicht gar peinlich. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt, dachte ich und beschloss, die Tasche bis dahin pfleglich zu behandeln, um sie ihm dann in jenem guten Zustand, in dem er sie gesehen hatte, überreichen zu können.

Denn am Ende wünschte er sich, zu meiner Überraschung, mich hier öfter zu sehen. Auch er liebe Kaffeehausbesuche, vor allem Sommerterrassen, und sei einer ruhigen Stunde mit Kaffee und einem angenehmen Gesprächspartner nicht abgeneigt, inmitten der Hektik seines Berufslebens. Natürlich unverbindlich, sagte er, je nachdem, wie unsere Zeit es erlaube, denn er sehe, und dabei zeigte er auf meine Unterlagen, dass ich viel zu tun hätte, und auch er sei viel unterwegs und seine Zeit knapp bemessen. Was mir nach anfänglichem Zögern und der Befürchtung, mich auf etwas einzulassen, aus dem ich vielleicht schwer wieder herauskäme, durchaus verlockend erschien. Denn nach dem Tod meiner Frau, der mich immer noch beschäftigte, und während der mitunter enervierenden Reparatur- und Erneuerungsarbeiten am Haus, die sicher noch enervierender werden würden, könnte mir, so meine Überlegung, etwas Unterhaltung und Abwechslung nur guttun. Kagraner und seine Geschichten schienen mir dafür durchaus geeignet.

Die Geschichte vom Koffer

Was mir heute passiert ist, sagte Kagraner, reichte mir mit großer Geste die Hand und setzte sich, entbehrt nicht einer gewissen Lächerlichkeit. Einerseits. Andererseits aber ... Apropos, sagte er, darf ich Sie zum Essen einladen? Oh, sagte ich, ein besonderer Anlass? Ich bin gerade mit dem Leben davongekommen, sagte er und lachte schallend. Mit dem Leben davongekommen?, sagte ich. Das klingt ja sehr dramatisch! Was ist geschehen? Sie müssen wissen, sagte er, ich komme direkt vom Bahnhof. Sie waren auf Reisen?, fragte ich. Auf Reisen ist übertrieben, sagte Kagraner, ich war in Sankt Pölten. Geschäftlich?, fragte ich. Teils teils, sagte er. Jedenfalls, auf der Höhe von Neulengbach, der Zug war ziemlich voll, bat eine Dame mir gegenüber eine andere, ihren Koffer vom Nebensitz zu nehmen, um sich setzen zu können. Es sei nicht ihr Koffer, sagte die Dame, sie wisse auch nicht, wem er gehöre. Sie sei selbst erst zugestiegen und habe den Koffer hier vorgefunden. Und wie sich herausstellte, sagte Kagraner, gehörte der Koffer auch sonst niemandem von den Fahrgästen rundum. Keiner wusste, wem er gehören könnte, seit wann er hier liege und wer zuerst hier gesessen sei. Ich half der Dame also, den Koffer ins Gepäcknetz zu legen, sagte Kagraner, und war fest entschlossen, meinen durch die Koffergeschichte unterbrochenen Schlaf fortzusetzen. Es gelang mir aber nicht, sagte Kagraner. Denn plötzlich dachte ich, ich hätte den Koffer nicht anrühren sollen, vielleicht ist es eine Bombe. Eine Bombe?, sagte ich. Ja, sagte Kagraner, eine Bombe!, und vielleicht hat mein Berühren und Hochheben den Mechanismus ausgelöst! Nicht dass ich Angst verspürt hätte, sagte Kagraner. Ich habe überhaupt keine Angst verspürt. Ich dachte nur, es wäre in diesem Fall vielleicht angebracht, Angst zu verspüren. Ich sollte die Möglichkeit, dass in diesem Koffer eine Bombe steckt, nicht einfach von der Hand weisen. Zugleich dachte ich, lächerlich, wer sollte einen Zug zwischen Wien und Sankt Pölten in die Luft sprengen wollen, voll mit Pendlern. Andererseits dachte ich, in Madrid sind auch Züge mit Pendlern in die Luft gesprengt worden. Trotzdem verspürte ich nicht die mindeste Angst, sagte Kagraner. Weil ich dachte, und das ganz automatisch, sagte Kagraner, Terrorakte sind für gewöhnlich weit weg von mir, ich sehe sie im Fernsehen, und die Leichen sehe ich auch immer nur dort, in einer Umgebung, die ich nicht kenne, die nicht meine ist. Hier, in meiner Umgebung, kommt diese Art von Leichen ja nie vor, kann gar nicht vorkommen, dachte ich in diesem Moment, sagte Kagraner, oder besser, ich dachte es nicht wirklich, es war für mich einfach so, verstehen Sie, sagte er. Dann dachte ich aber, und das dachte ich wirklich, sagte er, das dürften sich die Leute in der Londoner U-Bahn womöglich auch gedacht haben. Einerseits dachte ich also, sagte Kagraner, vollkommen unmöglich, dass dort oben eine Bombe liegt, hier ist noch nie eine gelegen. Andererseits dachte ich, was ist, wenn das trotzdem eine Bombe ist, die dort liegt? Auf Flughäfen heißt es ja auch immer, sagte Kagraner, bitte achten Sie auf herrenloses Gut, auf ein Gepäckstück, das herumsteht und niemandem zu gehören scheint. Ich selbst habe ja einmal, sagte er, ein Gepäckstück bei der überstürzten Weiterfahrt mit dem Taxi vor dem Flughafenausgang stehen lassen. Was, wie ich nachher erfuhr, sagte er, postwendend den Einsatz der Antiterroreinheit ausgelöst habe. Mein Gepäckstück, ein Nylonsack mit Zeitungen und angebrochenen Keksschachteln, sei sorgfältig umzingelt worden, die Umgebung weiträumig abgesperrt, und voll adjustiert hätten sich Bombenexperten vorsichtig meinen Zeitungen und den angebrochenen Keksschachteln genähert. Und der Koffer?, fragte ich. Der war nicht schwer, als ich ihn hochhob und ins Gepäcknetz legte, sagte Kagraner. Eine leichte Bombe. Plastiksprengstoff, dachte ich. Nein, kein Plastiksprengstoff. Flüssigsprengstoff. Egal, dachte ich, sagte Kagraner, ob leicht oder schwer, er würde sicher ausreichen, uns in die Luft zu sprengen. Ich verfiel in einen absurden Zustand, sagte Kagraner, eine Art panische Todesangst lähmte mich. Und zugleich dachte ich: Ich muss diesen Koffer loswerden, augenblicklich! Aber wie, sagte Kagraner, ohne hysterisch zu werden, ohne Aufsehen zu erregen, ohne mich der Lächerlichkeit preiszugeben? Ich könnte dem Schaffner sagen, überlegte ich fieberhaft, sagte Kagraner, obwohl fieberhaft das falsche Wort ist, denn ich hatte ja kein Fieber, aber man sagt fieberhaft, wenn man rasend schnell in Panik oder in Panik rasend schnell meint, oder?, sagte Kagraner. Ja, sicher, sagte ich etwas ungeduldig, aber was, was wollten Sie dem Schaffner sagen? Ihn bitten, den Koffer mitzunehmen, sagte Kagraner, ehe ihn jemand anderer, jemand Unbefugter an sich nehmen würde. Was mir plausibel erschien, sagte Kagraner, oder erscheint Ihnen das nicht plausibel? Doch, doch, sagte ich. Ich sah also den Gang hinunter, den Gang hinauf, sagte Kagraner. Kein Schaffner. Ich geriet immer mehr in Panik. Das vollkommen Unwahrscheinliche schien mir plötzlich sehr wahrscheinlich, sagte Kagraner, nämlich, dass ich mit diesen Leuten, die hier um mich herumsaßen, schliefen, in Zeitschriften blätterten, telefonierten, im nächsten Augenblick in die Luft fliegen würde. Wir kannten uns nicht, hatten uns noch nie gesehen, hatten nichts Gemeinsames, außer, sagte Kagraner, dass wir hier gemeinsam im Zug saßen. Aber ein Gemeinsames hätten wir dann doch, dachte ich, sagte Kagraner, nämlich, gemeinsam durch die Luft zu fliegen. Und ich stellte mir vor, sagte er, und es war eine sehr lebhafte Vorstellung, wie unsere Körper, die sich noch nie berührt hatten, die nebeneinander und hintereinander saßen, ständig darauf bedacht, sich nicht zu berühren, in Stücke gerissen würden und durch die Luft fliegen und sich plötzlich in der Luft berühren. Plötzlich, sagte Kagraner, zum ersten Mal in ihrem und in meinem Leben und zum letzten Mal würden sie als Fleisch- und Knochenstücke in der Luft aufeinanderstoßen, aneinander vorbei und durcheinander sausen, sich mischen, um schließlich nebeneinander und übereinander, fremdes Fleisch auf fremdem Fleisch, unter den Trümmern des Waggons überraschend doch noch gemeinsam und im Frieden vereint zu liegen zu kommen. Schaurig, sagte ich, diese Vorstellung! Halb so schlimm, sagte Kagraner, oh, da kommt das Essen! Schaut gut aus, sagte er mit Blick auf den Rostbraten und die geröstete Leber, ehe er sich zu mir vorbeugte und sagte: Ich wage es ja kaum einzugestehen, und es würde mich auch nicht wundern, sagte er, wenn Sie mich für vollkommen verkorkst hielten, aber es hat mir zunehmend Lust bereitet, ja, es hat mir Lust bereitet!, sagte Kagraner, ob Sie es glauben oder nicht, mir dieses Herumfliegen meiner Körperteile noch plastischer, noch bunter, noch detaillierter auszumalen! Nein!, sagte ich etwas erschrocken. Keine Angst, sagte Kagraner lachend, ich werde Sie damit nicht weiter behelligen. Ich bitte darum, sagte ich. Ich hatte ja meinen Spaß, sagte er wieder lachend. Und, sagte er, wie ist die Leber? Wissen Sie, sagte er, Leber könnte ich jederzeit essen, geröstet, mit viel Zwiebel, oder glaciert oder, von mir besonders bevorzugt, gebacken, mit Petersilienkartoffeln und grünem Salat! Überhaupt Innereien! Die meine Frau beispielsweise überhaupt nicht mag. Mögen Sie Nierndln? Wie bitte?, sagte ich. Ob Sie geröstete Nierndln mögen?, sagte er. Oh, sehr gern!, sagte ich. Die hatte ich heut in Sankt Pölten, sagte Kagraner, da kenne ich ein Restaurant, ein Spitzenrestaurant!, ganz nahe beim Diözesanbauamt, kennen Sie das Diözesanbauamt? ... Verzeihen Sie bitte, sagte ich. Ja?, sagte er. Wie ist denn die Geschichte eigentlich ausgegangen?, fragte ich. Geschichte? Welche Geschichte? Oh, Sie meinen, die im Zug? Ganz einfach, sagte Kagraner und schnitt seinen Rostbraten in der Mitte durch. Als der Mann seinen Koffer holte, den er vergessen hatte, war ich nicht wirklich erleichtert. Sie waren nicht erleichtert, sagte ich, nach all diesen grauenhaften Vorstellungen? Nein, sagte Kagraner, ich hatte ja keine Sekunde lang daran gezweifelt, dass die Geschichte so ausgehen würde.

Die Geschichte vom Urlaub

Denn haben Sie eine Vorstellung, sagte Kagraner, wie meine Urlaube im Gesäuse vor noch nicht allzu langer Zeit ausgesehen haben? Sicher erfreulich, sagte ich, mit gutem Essen, mit Blick auf die Rottenmanner Tauern oder auf die Hochtorgruppe ... Haben Sie Kinder?, fragte er. Nein, sagte ich, bedaure. Dann wissen Sie auch nicht, was das heißt: kein Urlaub!, sagte Kagraner. Kein Urlaub?, sagte ich, wieso kein Urlaub? Genau, sagte er. Denn aufgestanden bin ich um sechs, sagte er. Während ich den einen wickle, macht die andere in die Windel. Während ich die andere wickle, macht der eine in die Windel, sodass ich ihn nochmals wickle. Er stößt sie um, sie schreit. Sie zieht ihm den Lutscher aus dem Mund, er schreit. Er beißt sie in den Oberarm, sie schreit. Sie nimmt ihm die Flasche weg und kriecht unter den Tisch, er schreit. Er schlägt ihr mit seinem Plastikauto auf den Kopf, ich schreie. Meine Frau steht auf um sieben, ich falle ins Bett bis neun. Dann sind wir beide auf und machen Frühstück. Während wir den einen daran hindern, die Tischdecke herunterzureißen, reißt die andere die Wäsche aus dem Regal. Während wir der einen die Zündhölzer wegnehmen, von denen sie die Köpfe herunterbeißt, fällt der andere vom Sessel. Der eine wird nach dem Bad angezogen, die andere zieht sich meine Unterhose über den Kopf. Die andere wird angezogen, der eine holt sich das Thermometer von der Wand. Die eine brüllt im Auto, weil sie Autofahren nicht mag, der andere schreit nach der Wasserflasche, weil er Durst hat. Ich suche nach dem Lutscher im Fond, während meine Frau sagt, jetzt gib ihm doch endlich den Lutscher. Als wir den Berg hinauffahren, sagt meine Frau, der Brandgeruch kommt vom Motor. Als wir hinunterfahren, sage ich, der Brandgeruch kommt von draußen. Ich sage, es sind die Bremsbelege, sie sagt, es ist die Kupplung. Sie sagt, der Wagen zieht nicht, merkst du das nicht? Ich sage, fahren wir zur Tankstelle Öl nachschauen. Wir gehen also an dem einen Tag von der Werkstatt zu Fuß nach Hause, mit dem Sohn im Kinderwagen, mit der Tochter im Traggestell am Rücken, und am nächsten Tag zur Werkstatt zurück, ebenfalls zu Fuß, diesmal mit der Tochter im Kinderwagen und dem Sohn auf den Schultern. Im Wirtshaus schläft die Tochter im Kinderwagen, der Sohn kriecht die Treppe hinauf. Ich renne hinter ihm her, meine Frau geht aufs Klo. Ich geh aufs Klo, meine Frau rennt hinter ihm her. Die Tochter schreit auf der Heimfahrt, weil sie Saft trinken möchte. Der Sohn schreit, als sie trinkt, weil es seine Flasche ist. Sie schreit, weil sie leer ist. Er schreit, weil sie leer ist. Ich koche abends das Essen, während meine Frau die Kleine füttert und den Großen davon abhält, den Apfelsaft in meine Schuhe zu schütten. Meine Frau geht mit den beiden ins Zimmer fernsehen, ich gehe in die Küche aufwaschen. Meine Frau sagt, die beiden schlafen nicht, aber ihr sei speiübel. Während ich das Aufwaschen unterbreche und die Tochter von den Steckdosen fernhalte, drückt der Sohn die Knöpfe der Fernbedienung. Während ich dem Sohn die Fernbedienung wegnehme, kriecht die Tochter in den offenen Kasten. Während die Tochter endlich schläft, nehme ich den Sohn und gehe ins Badezimmer, wo meine Frau im Finstern vor der Muschel hockt und kotzt. Der Sohn schreit: Auto, Auto!, meine Frau schreit: Kein Licht, das tut mir in den Augen weh! Ich hole ihr mit dem Sohn unterm Arm ein neues Kopfwehpulver aus der Küche, weil sie das eine ausgekotzt hat, sie legt sich ins Bett und sagt, ihr ist kalt. Ich gebe der Tochter den Lutscher, damit sie weiterschläft, meine Frau schreit: Ich muss wieder kotzen!, und rennt ins Badezimmer. Der Sohn braucht dringend einen Apfelsaft zum Trinken, ich muss dringend aufs Klo. Ich sage, ich muss dringend, und meine Frau sagt, ich kotze. Ich gehe in die Küche den Apfelsaft holen, da schreit die Tochter nach dem Lutscher. Ich gebe der Tochter den Lutscher mit der einen Hand, dem Sohn den Apfelsaft mit der andern. Er schläft endlich, und ich will endlich aufs Klo. Ich will aufstehen, da greift er im Schlaf nach mir und lässt nicht mehr los. Ich schlafe ein, da kommt meine Frau aus dem Badezimmer und sagt: Mir geht es besser. Ich sage: Sehr schön, es ist ein Uhr, und gehe endlich aufs Klo. Ich bin auf dem Klo, da schreit die Tochter und will ihr Fläschchen. Ich mache in der Küche das Fläschchen warm, komme ins Zimmer, und alle schlafen. Und das nennen Sie Urlaub?, sagte Kagraner. Verstehe, sagte ich, und wie ist eigentlich das Wetter so im Gesäuse?

Die Geschichte von der Erbschaft

Stellen Sie sich vor, sagte Kagraner, als er meiner ansichtig wurde, schon von weitem. Es war der Tag, an dem die Baufirma angerufen hatte, um mir für die nächsten Stunden eine Materiallieferung anzukündigen, ob ich zu Hause sei, um sie in Empfang zu nehmen, was ich mit Bedauern verneinen musste, mit dem Hinweis, ich sei nicht in der Stadt, voraussichtlich auch die nächsten Tage nicht, was am anderen Ende der Leitung, so mein Eindruck, gehörigen Unmut hervorrief, mich aber nicht sonderlich beeindruckte. Stellen Sie sich vor, sagte Kagraner noch einmal, als er bei mir angekommen war, meine Schwiegermutter will mich enterben lassen. Lassen?, sagte ich, wieso lassen? Von wem? Von meiner Frau, sagte Kagraner. Wie, sagte ich, Ihre Frau soll Sie enterben? Richtig, sagte Kagraner. Denn es ist doch so, sagte er, dass meine Frau, wenn meine Schwiegermutter stirbt, der Vater ist schon lange tot, alles erbt, und dass, wenn meine Frau vor mir sterben sollte, ich alles erbe, und auch das, was sie von meiner Schwiegermutter geerbt hat. Das heißt, ich erbe ein Drittel und meine Kinder erben zwei Drittel. Ist das so?, sagte ich. Es ist so, sagte Kagraner, zumindest sagt das meine Schwiegermutter, und genau das will sie verhindern. Dass Sie ein Drittel erben?, fragte ich. Ja, sagte Kagraner, denn sie hat meine Frau aufgefordert, mir auch dieses Drittel zu verweigern. Aber wieso?, fragte ich. Haben Sie sich etwas zu Schulden kommen lassen? Ihre Schwiegermutter beleidigt? Nicht speziell, sagte Kagraner. Nicht speziell?, sagte ich, was heißt: nicht speziell? Nicht so, wie man sich allgemein vorstellt, dass man jemanden beleidigt, sagte Kagraner. Wie sonst?, fragte ich. Man könnte sagen, sagte Kagraner und bestellte einen Kaffee und einen Apfelstrudel, möchten Sie auch einen?, sagte er. Nein, danke, sagte ich. Man könnte also sagen, sagte er, die Beleidigung besteht darin, dass ich der Mann ihrer Tochter bin, dass aber diese Tatsache allein für meine Schwiegermutter nicht ausreicht, um mich als Mitglied der Familie anzuerkennen. Nein?, sagte ich. Nein, sagte Kagraner. Was sind Sie denn dann, sagte ich, als Schwiegersohn, wenn nicht ein Mitglied der Familie? Ein Eindringling, sagte Kagraner und stach in den Apfelstrudel, ein Dazugekommener, den meine Schwiegermutter nicht gebeten hat dazuzukommen, den sie vielmehr jahrelang versucht hat gemeinsam mit ihrem Mann mit allen Mitteln, und ich sage bewusst, mit allen Mitteln!, wieder hinauszubekommen, den sie aber nicht hinausbekommen hat, der also nur geduldet ist und als Geduldeter kein Recht hat, sagte Kagraner, über das Geduldetsein hinaus noch irgendetwas anderes zu beanspruchen. Aber es ist doch üblich, sagte ich. Üblich! Üblich!, sagte Kagraner, nicht für meine Schwiegermutter. Für meine Schwiegermutter ist da überhaupt nichts üblich. Einmal fremd, immer fremd. Ein merkwürdiger Brauch, sagte ich. Ja, sagte Kagraner, mit diesem Brauch lebe ich jetzt schon zwanzig Jahre. Grotesk, sagte ich. Der Brauch?, sagte Kagraner. Ja, sagte ich, aber vor allem, dass Sie schon zwanzig Jahre damit leben. Schön, dass Sie das sagen, sagte Kagraner. Und, sagte ich, was sagt Ihre Frau? Will sie Sie enterben? Soviel ich weiß, sagte Kagraner und unterbrach sich kurz. Der Apfelstrudel ist gut, sagte er, wollen Sie nicht doch einen? Ja, sagte ich, überredet. Sehr gut, sagte Kagraner, ich nehme auch noch einen, und bestellte zwei Apfelstrudel. Soviel ich also weiß, sagte er, und ich weiß natürlich nur das, was mir meine Frau zu erzählen bereit ist, hat sie sich strikt geweigert, mich zu enterben. Und, sagte ich, Sie glauben ihr? Worauf Kagraner plötzlich von etwas ganz ­anderem sprach.

Was mir dann doch, kaum hatte ich den Satz Und, Sie glauben ihr? ausgesprochen, etwas frech erschien. Auch dass Kagraner danach so auffällig abrupt das Thema gewechselt hatte, gab mir zu denken. Den ganzen Abend warf ich mir vor, mit dem Satz Und, Sie glauben ihr? eine Grenze überschritten zu haben, Kagraners Frau und somit Kagraner selbst auf unzulässige Weise nahe getreten zu sein. Wenn Kagraner die Glaubwürdigkeit seiner Frau nicht in Zweifel zog, dachte ich, wieso dann ich? Auch wenn es spaßig gemeint war. Und es war spaßig gemeint! Wobei ich gehofft hatte, so meine Erinnerung, dass Kagraner diesen Satz nicht in derselben Weise wie ich peinlich oder gar kompromittierend empfunden haben mochte. Mehrmals sagte ich mir den Satz laut vor, um zu prüfen, ob die Art, wie ich ihn gesagt hatte, eher weniger spaßig wirkt und dafür mehr beleidigend oder eher spaßig und kaum beleidigend oder nur spaßig und überhaupt nicht beleidigend. Was mir kein zufriedenstellendes Ergebnis bescherte und mich damals eher erschöpft und verärgert zu Bett gehen ließ. Und ich hätte sicher schwer einschlafen können und mich durch die Nacht gequält, wäre ich nicht noch einmal von der Baufirma angerufen worden, die mich nach mehreren Beteuerungen ihres Bedauerns, mich zu so später Stunde noch gestört zu haben, fragte, ob ich nicht doch morgen im Haus sein könnte oder zumindest jemand anderer an meiner statt, um die Lieferung zu empfangen, sie wüssten nicht, wohin damit. Was mich ziemlich in Rage versetzte. Aber mein schlechtes Gewissen Kagraner gegenüber war damit schlagartig verschwunden. Wonach ich auch bestens einschlief.

Am nächsten Morgen befiel mich aber dann doch eine Bangigkeit und ließ mich, während ich untätig in meiner Stadtwohnung herumsaß und dem Regen zusah, den ganzen Vormittag über nicht los: Bin ich wirklich zu weit gegangen? Würde Kagraner überhaupt noch kommen? Würde er mich zur Rede stellen?

Die Geschichte von den zwei Besuchen

Ich bin offenbar immer noch etwas verwirrt von diesem Arztbesuch, sagte Kagraner, nachdem er eine Weile zwischen den Tischen der Terrasse herumgeirrt war, ohne mich zu finden. Erst als ich aufstand und ihm winkte, sah er mich. Sie waren beim Arzt?, fragte ich. Leider, sagte Kagraner. Doch nichts Ernstes?, sagte ich. Nein, nein, sagte Kagraner, Vorsorgeuntersuchung. Aber dieser Arzt, ein junger Arzt, schaut mir in den Mund und sagt, nachdem ich ihm gestanden habe, gelegentlich eine Zigarre zu rauchen: Bei einer Zahnprothese müssen Sie aufpassen. Sie scheuert eine Stelle im Mund auf, wir nennen es weißes Fleisch