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Alltagspraktische Handlungsoptionen trotz Dauerkrisenmodus entwickeln – und damit die Selbstwirksamkeit und die Produktivität steigern
Menschen (nicht nur) in Unternehmen sind zunehmend mit Dystopien konfrontiert. Diese wirken sich auf die Stimmung und vor allem die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden und Führungskräfte aus. Das Prinzip Hoffnung hilft zwar, trotz kritischer Lage positiver in die Zukunft zu blicken und ist als Erwartungshaltung hinsichtlich der eigenen Zukunft auch in der Forschung als „Schlüssel für ein besseres Leben“ gut belegt. Aber Hoffnung allein macht uns noch nicht handlungsfähig, wenn es darum geht, Zukunft aktiv zu gestalten.
Zuversicht verstehen die Autorinnen als Kompetenz, mit klarem Blick auf die Realität und trotz der Herausforderungen Handlungsoptionen zu entwickeln, die dann im Ergebnis Veränderung zum Positiven ermöglichen. Der Unterschied zwischen „Ich hoffe, dass alles gut geht“ zu „Ich habe alles getan, dass es gut gehen wird“ beschreibt die für das Buch vorgenommene Unterscheidung der Begriffe.
In der Forschung basiert Zuversicht auf den Unterkonstrukten „Hoffnung“, „Optimismus“, „Selbstwirksamkeit“ und „Resilienz“. Diese Begriffe werden, insbesondere in punkto Resilienz, im Buch zueinander in Beziehung gesetzt, um eine integrierte Perspektive zu ermöglichen.
Das Buch unterstützt Führungskräfte, Unternehmer sowie Changemanagerinnen darin, alltagspraktische Handlungsoptionen trotz Dauerkrisenmodus zu entwickeln, hierüber Selbstwirksamkeitserleben und in der Folge Produktivität zu steigern und nicht zuletzt auch darin, Transformationsvorhaben positiv zu beeinflussen.
Die im Buch dargestellten Cases stellen eine praktische, unmittelbar übertragbare Navigationsunterstützung für Führungskräfte, Unternehmen und Teams dar.
Vera Starker, Wirtschaftspsychologin, MBA in systemischer Organisationsentwicklung, Autorin von diversen Sach- und Fachbüchern zum Thema Changemanagement und New Work, ist Mitgründerin und CEO des Berliner Think Tanks Next Work Innovation, der zur Neuen Arbeit im digitalen Zeitalter forscht, coacht und berät. Dr. Katharina Roos begleitet Unternehmen in Transformationsprozessen. Sie ist systemischer Coach, Wirtschaftsmediatorin und engagiert sich ehrenamtlich als Bürgerrätin für die Demokratie.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Wie gelingt zuversichtliche Führung? Warum steuern zuversichtliche Unternehmensleitungen ihre Organisationen erfolgreicher durch multidimensionale Krisen? Dieses Buch bietet viele inspirierende und konkrete Antworten auf diese Fragen. Es unterstützt Management und Führungskräfte dabei, alltagstaugliche Handlungsoptionen zu entwickeln, um das Selbstwirksamkeitserleben und die Produktivität aller Beteiligten zu steigern und nicht zuletzt ihre Unternehmen erfolgreich zu transformieren.
»Dieses Buch greift aus unterschiedlichen Perspektiven die Frage auf, wie in herausfordernden Zeiten zuversichtliche Führung gelingen kann. Die Autorinnen leisten einen wichtigen Beitrag, damit notwendige Transformationsprozesse in unserer Wirtschaft gelingen können.«
Sebastian Bayer, Geschäftsführer dm
»Wenn es eine Haltung gibt, die Führungskräften wie Organisationen durch die vielen aktuellen Krisen und schmerzhaften Anpassungen leiten kann, dann ist es diese: Zuversicht. Doch wie erreicht man sie, ohne zu verzagen oder – ebenso gefährlich – in naiven, unglaubwürdigen Optimismus zu verfallen? Dieses Buch gibt Antworten darauf – konkret, hilfreich, verständlich.«
Patricia Döhle, brand eins
»Das vorliegende Buch zeigt Führungskräften Schritt für Schritt, wie sie Zuversicht weitergeben, dabei das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden gewinnen und dadurch deren Leistung und Zufriedenheit gleichermaßen steigern – ein wertvoller Leitfaden, der hoffentlich großen Anklang findet!«
Reinhard Schneider, Geschäftsführer Werner & Mertz
»Nachhaltig führen mit Zuversicht – ein inspirierender Leitfaden für alle, die Wandel aktiv gestalten wollen.«
Prof. Dr. Pia Popal, Professorin für Management sozial-ökologischer Transformation, Hochschule München
»Immer weniger junge Menschen streben an, Führungskraft zu werden. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Führungskräfte exponentiell. Wir können nicht über Wasser laufen, aber wir sollten persönlich Spaß an der Entwicklung von Menschen und Themen haben. Echte Zuversicht ist dafür unabdingbar – und wem diese, wie mir, nicht auf natürliche Art als unerschütterliche Grundausstattung gegeben ist, findet in diesem Buch wertvolle Erkenntnisse und Fragestellungen für die Arbeit mit und an sich selbst.«
Frank Kohler, CEO der Sparda Bank Berlin
»Wenn wir uns den Dystopien ergeben, werden wir sie nicht finden, die wirksamen Lösungen. Zuversicht ist der Schlüssel, um handlungsfähig zu bleiben. Und dieses Buch zeigt auf, wie das in Unternehmen gelingen kann. Sehr lesenswert!«
Matthias Lars Schneider, CEO Rossberg Verlag
»Wenn es eine Haltung gibt, die Führungskräfte wie Organisationen durch die vielen aktuellen Krisen und schmerzhaften Anpassungen leiten kann, dann ist es diese: Zuversicht. Doch wie erreicht man sie, ohne zu verzagen oder – ebenso gefährlich – in naiven, unglaubwürdigen Optimismus zu verfallen? Dieses Buch gibt Antworten darauf – konkret, hilfreich, verständlich. Das ist teilweise sehr unterhaltsam. Man lernt viel über sich, erkennt Situationen wieder, muss schmunzeln. Aber es ist auch anstrengend. Denn wie immer bei diesen großartigen Autorinnen: Sie behaupten nichts und belegen alles. Mit eigenen Studien oder anderen wissenschaftlichen Quellen. Das dauert. Und überzeugt. Deswegen ist mein Rat: Durchhalten! Bis zu den sehr nützlichen Case Studies am Ende, aus denen man unmittelbar persönliche Todos ableiten kann. Meine Stimmungslage danach? Was denken Sie wohl?«
Patricia Döhle, brand eins
Vera Starker, ist Wirtschaftspsychologin und Gründerin des Berliner Think Tanks Next Work Innovation, der zur Neuen Arbeit forscht und berät. Die Transformationsexpertin entwickelte u.a. das The-Focused-Company-Modell zur Einführung von konzentriertem Arbeiten in Unternehmen und hat mit einem Forschungsteam die erste wissenschaftliche Tagebuchstudie zu Konzentration und Produktivität in der Wissensarbeit in deutschen Unternehmen durchgeführt. Als erfolgreiche Autorin veröffentlicht Vera Starker Bücher und hält Vorträge zur Transformation der Arbeitswelt. Zudem beteiligt sie sich publizistisch an Debatten zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, u.a. in brand eins, Harvard Business Manager oder dem Manager Magazin. www.nextworkinnovation.com
Dr. Katharina Roos ist Expertin für Organisationsdiagnostik, promovierte Pädagogin, systemischer Coach, Mediatorin und führende Expertin für datengetriebene Organisationsentwicklung und kollaborative Mitarbeiterbefragungen. Schon sehr früh hat sie sich auf das Thema Befragungen spezialisiert, hierzu geforscht und als Führungskraft und Prokuristin in Unternehmensberatungen anspruchsvolle Befragungsprojekte begleitet. Als Unternehmerin und Geschäftsführerin der Netzwert Partner GmbH entwickelt sie innovative Beteiligungsprozesse für die Arbeitswelt der Zukunft. www.netzwertpartner.de
Die neue Führungskraft Wie Führung in unsicheren Zeiten gelingt
von VERA STARKER und KATHARINA ROOS
Wie kann in einem Zeitgeist, in dem Vertrauen generell zur Mangelware geworden ist, Zuversicht entstehen und gefördert werden, sodass sie als begründet und damit als belastbar empfunden wird?
Grundsätzlich sollten hier drei Aspekte einer Herausforderung erfüllt werden:
Wie weit klappt’s?Kann man das wollen?Will ich das?Der erste beschreibt die Machbarkeit und Plausibilität von Strategien und Plänen als Grundvoraussetzung. Sie liegt möglichst keinem naiven Wunschdenken zugrunde, VIsondern wird durch Wissen und gute Recherche erarbeitet und hat über die Meinung Einzelner hinaus Gültigkeit. Die nächste Frage zielt auf gemeinsam empfundene Werte ab, die ein Bewusstsein erzeugen, dass es moralisch richtig ist, etwas Bestimmtes zu tun. Um Menschen aber wirklich motivieren zu können, bedarf es der dritten, der emotionalen Komponente: die Einsicht, dass die Umsetzung dieser ethisch guten Sache einen selbst den persönlichen Zielen näherbringt und deshalb als spontan erstrebenswert erscheint.
Wenn man all dies zusammenbringt – dann entsteht Zuversicht. Das Machbare wird mit dem Wünschenswerten so verknüpft, dass ein Vertrauen erwächst und ein legitimer Optimismus. Irgendwann entsteht ein Begeisterungspotenzial, das auf andere übertragbar ist, wie eine gut begründete Vorfreude.
Ich persönlich habe beispielsweise die Zuversicht, dass ökologisches Engagement von Unternehmen auch dann noch wirtschaftlichen Erfolg bringt, wenn der Zeitgeist gerade in die diametral andere Richtung pendelt. Bei uns hat sich die Überzeugung gebildet, dass sich gerade in opportunistisch krisenhaften Zeiten eine Sehnsucht nach einem wieder vertrauenswürdigeren Umfeld bildet. Und dieser vertrauensvollere Umgang miteinander führt unweigerlich zurück auf Themenfelder, die dem Gemeinwohl dienen – wie in unserem Fall dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.
Als uns die große Chance der Bedeutung des Begriffs »Zuversicht« bewusst wurde, haben wir ein eigenes Format ins Leben gerufen: In Podiumsdiskussionen kommen Menschen zu Wort, die aktuelle Herausforderungen ihrer Zeit nicht nur treffend beschreiben und interpretieren, sondern auch mit machbaren und wünschenswerten Lösungswegen Mut machen. Nicht ohne Grund lautet der Name dieses Formats: »Die Zuversichtlichen«.
Das vorliegende Buch zeigt Führungskräften Schritt für Schritt, wie sie Zuversicht weitergeben, dabei das Vertrauen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen und dadurch deren Leistung und Zufriedenheit gleichermaßen steigern – ein wertvoller Leitfaden, der hoffentlich großen Anklang findet!
Reinhard Schneider
Inhaber Werner & Mertz
werner-mertz.de
diezuversichtlichen.de
Zuversicht – das Multitalent in der Krise
Teil I Warum wir im Unternehmen Zuversicht brauchen
1 Was Krisen in unserem Gehirn auslösen können und was sie mit Führung machen
2 Zoom in die Unternehmen
3 Zoom auf die Führungsebene
Teil II Zuversicht als Kraft in der Führung
1 Was ist eigentlich Zuversicht?
2 Zuversicht als Produktivitätsfaktor
3 Das Prinzip der Aufmerksamkeitsfokussierung
4 Führung, wenn alle in Krisenstimmung sind
5 Zuversicht in der Arbeitsgestaltung
VIIITeil III Zuversicht in der Unternehmensführung und Transformation
1 Zuversichtliche Unternehmensführung in der Krise
2 Die Prozessgestaltung
3 Drama oder Vision – Ziele in der Transformation
4 Erfolgreiche Navigation durch datenbasiertes Arbeiten
5 Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen
Teil IV Zuversicht in Beratungssituationen
1 Ziel- und Auftragsklärung in der Beratung
2 Zuversichtliche Beratung ist allparteilich
3 Eigener Umgang mit Krise und Komplexität in der Beraterrolle
4 Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen in Beratungsprozessen
Teil V Der praktische Fall
1 Zuversicht in der Selbstführung
2 Zuversicht in der Führungsbeziehung
3 Zuversicht in Teams
4 Zuversicht auf Unternehmensebene
5 Zuversicht in Change und Transformation
6 Zuversicht in der Beratung
Teil VI Kurze Selbsttests zu Stressbalance und Resilienz
Literaturverzeichnis
Anmerkungen
Seit der Aufklärung wissen wir, dass die Zukunft gestaltbar ist. Damals haben Menschen das Ursache-Wirkungs-Prinzip verstanden und daraus abgeleitet, dass wir Einfluss auf die Zukunft nehmen können. Denn so wie die Gegenwart das Produkt dessen ist, wie Menschen in der Vergangenheit sich die Zukunft vorgestellt und an dieser gearbeitet haben, so können wir Zukunft gestalten.
Dafür hilft es, sich vor Augen zu führen, dass unser Gestaltungsspielraum in der Regel größer ist, als wir oftmals annehmen. Und dass wir eine klare Vorstellung von der Zukunft brauchen!
Doch um Gestaltungskraft zu entfalten, benötigen wir Zuversicht. Sie ist der XGlaube an die Möglichkeit des Wandels und an die eigene Fähigkeit, Einfluss zu nehmen. In Zeiten von Unsicherheit und Herausforderungen ist es die Zuversicht, die uns antreibt, neue Wege zu gehen und kreative Lösungen zu finden. Jeder von uns kann Teil dieser Gestaltung sein – mit Mut, Ideen und dem festen Glauben, dass Veränderung möglich ist.
Führungskräfte legen den Nährboden, auf dem Zuversicht in die Gestaltbarkeit der eigenen Zukunft gelingen kann, sodass sich Kreativität in den Teams entfalten kann und neue Ideen sowie Lösungen gedeihen können. Mitarbeitende und Führungskräfte erleben so gleichermaßen das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Deshalb haben Führungskräfte in herausfordernden Zeiten eine besondere Verantwortung.
Dieses Buch greift aus vielen unterschiedlichen Perspektiven die Frage auf, wie in herausfordernden Zeiten zuversichtliche Führung gelingen kann. Vera Starker und Katharina Roos leisten einen wichtigen Beitrag, damit notwendige Transformationsprozesse in unserer Wirtschaft gelingen können.
Sebastian Bayer,
Geschäftsführung dm-drogerie markt GmbH + Co. KG
Wir befinden uns unzweifelhaft in herausfordernden Zeiten, was vielen Menschen aufs Gemüt zu schlagen scheint. Wie steht es um Ihre Stimmung oder die in Ihrem Team oder sogar in Ihrem Unternehmen? Die Studie »In ungewissen Zeiten: Zuversicht und die veränderte Rolle von Führung im Unternehmenskontext«1 zeigt jedenfalls, dass eine allgemeine Krisenstimmung mittlerweile in den Unternehmen und im Arbeitsalltag der Menschen angekommen ist – selbst in Unternehmen, die (noch) gar nicht von einer Krise betroffen sind. Dabei wurde die eigene Sicherheit, was den Arbeitsplatz betrifft, sowohl von den Führungskräften als auch den Mitarbeitenden als umso niedriger bewertet, je stärker die Krisenstimmung der Befragten war, und zwar unabhängig 2von der Situation ihres Unternehmens. Da ist es nicht verwunderlich, wenn auch Unternehmen mit schlechter Stimmung zu kämpfen haben.
Aber trifft uns diese Entwicklung wirklich gänzlich unvorbereitet? Im Unternehmens- und Führungskontext wird schon lange über die Akronyme VUCA und BANI diskutiert. Sie erinnern sich? Volatil, ungewiss, komplex und ambiguitär bzw. brüchig, ängstlich, non-linear und unvorhersehbar. Sie standen und stehen für eine zukünftige Welt voller multidimensionaler Herausforderungen. Und nun stecken wir offensichtlich mittendrin in VUCA und müssen in dieser neuen Welt agieren, ohne den Überblick – und die Zuversicht – zu verlieren.
Ob die Überlegungen der vergangenen zehn Jahre uns angemessen darauf vorbereitet haben, kompetent mit diesen Phänomenen umzugehen, müssen wir leider mit einem entschiedenen Jein beantworten. Theoretisch ist viel Wissen in den Organisationen aufgebaut worden, es wurden unzählige Bücher zu diesen Themen geschrieben, und Beratungen bauten ihr Portfolio entsprechend auf. Allerdings gingen die Unternehmen das Thema – wie so oft in Deutschland – sehr methodisch an. Es wurden viele agile Prozesse implementiert, aber wenig agile Organisationen geschaffen.
Eine hohe Krisendichte ist der Lackmustest für all jene Organisationen, die neue Organisationsdesigns eingeführt haben, um beweglicher und resilienter zu werden.
Die aktuell besonders hohe Krisendichte ist nun der Lackmustest für all jene Organisationen, die Agilität, New Work oder andere neue Organisationsdesigns eingeführt haben, um beweglicher und resilienter zu werden – eben um der gestiegenen Komplexität erfolgreich begegnen zu können. Zudem sind die Folgen von VUCA mittlerweile so stark zu spüren, dass Agilität und Resilienz nicht länger nur eine Frage der Arbeitgeberattraktivität, sondern mindestens eine der künftigen Wettbewerbsfähigkeit sind – wenn nicht sogar eine des unternehmerischen Überlebens.
Paradoxerweise lassen sich ausgerechnet im Kontext der Krise wieder rückläufige Tendenzen in Richtung eines autoritären Führungsstils beobachten, eine Art Rückfall in die klassische hierarchisch-tayloristische Arbeitsgestaltung »Oben wird gedacht – unten wird gemacht«. Ganze 86 % der CEOs, die an der Studie über die Auswirkungen der allgemeinen Krisenstimmung auf Unternehmen teilgenommen haben, sehen autoritäre Führung als Mittel der Wahl, um die aktuellen Krisen zu bewältigen. Ein nach Jahren der Transformation von Arbeit in dieser Eindeutigkeit nicht zu erwartendes Ergebnis.
3Es zeigte sich jedoch in dieser Studie auch, dass die Zuversichtdas Multitalent schlechthin in der Krise ist. Der positive Einfluss einer grundsätzlich zuversichtlichen Haltung auf das Erleben von Sicherheit und Selbstwirksamkeit sowie auf zentrale Leistungsparameter trat in den Ergebnissen der Studie deutlich zutage. Also ist die Lösung in Sicht?
Aber wie funktionieren zuversichtliches Management und zuversichtliche Führung – erst recht in Krisenzeiten? Oder ist der Ruf nach Zuversicht vielleicht nur wieder ein neuer Trend? Und was genau ist Zuversicht eigentlich, vor allem in Abgrenzung zu Begriffen wie Optimismus, Hoffnung oder Resilienz?
Alle diese Fragen wollen wir im vorliegenden Buch beantworten. Es soll Führungskräfte, Unternehmer und Unternehmerinnen sowie Beraterinnen und Change-Manager stärken und ganz praktisch darin unterstützen, unter den Bedingungen multidimensionaler Krisen alltagstaugliche Handlungsoptionen zu entwickeln, hierüber auch das Selbstwirksamkeitserleben aller Beteiligten und in der Folge die Produktivität zu steigern – und nicht zuletzt auch Transformationsvorhaben erfolgreich umzusetzen.
»Die größte Gefahr in turbulenten Zeiten ist nicht die Turbulenz – es ist, mit der Logik von gestern zu handeln.« Peter Drucker, Managementvordenker
Die Situation für Unternehmen ist unbestritten sehr herausfordernd: Auf der einen Seite das neue Phänomen der Stapelkrisen, Kostendruck über Kapitalkosten, diverse Wachstumshemmnisse, wachsende Risiken infolge möglicher Umweltkatastrophen oder nationaler bzw. internationaler Konflikte – und auf der anderen Seite die dringend benötigte qualitative Transformation der alten Unternehmensstrukturen, eine Art Industriezeitalter-Inventur, damit die Unternehmen die großen Herausforderungen der Digitalisierung, der künstlichen Intelligenz und der grünen Transformation erfolgreich bewältigen können.
Aber was macht das alles mit den Führungskräften? Die bereits erwähnte Studie 8zur allgemeinen Krisenstimmung konnte zeigen, dass Führungskräfte diese stärker wahrnehmen als die Mitarbeitenden, was erst einmal nicht verwunderlich ist, auf die Dauer aber natürlich dazu führt, dass der bislang sowieso schon große Druck, den viele Führungskräfte erleben, im Kontext des verstärkten Krisenerlebens noch weiter steigt.
Was geschieht dadurch? Werfen wir einen kurzen und fachlich sehr komprimierten Blick in unser Gehirn. Wir verfügen über eine Art Alarmanlage im Kopf, zu der unter anderem die Amygdala gehört. Sie ist Teil des sogenannten Limbischen Systems und zuständig für unser Erleben von Stress und Angst. Beschreiben kann man die Amygdala als einen kleinen, mandelförmigen Komplex von Nervenzellen im unteren, evolutionsbiologisch älteren Bereich des Gehirninneren. Sie steuert – zusammen mit anderen Hirnregionen – unsere psychischen und körperlichen Reaktionen auf stress- und angstauslösende Situationen. Empfängt sie Signale, die höhere Aufmerksamkeit erfordern, zum Beispiel, wenn etwas neu oder gefährlich zu sein scheint, dann feuern ihre Nervenzellen Impulse ab, und wir werden wacher und aufmerksamer – was bemerkenswerterweise bereits geschieht, bevor wir die Gefahr bewusst erkennen. Ab einer bestimmten Schwelle der Nervenaktivität setzt die Amygdala eine Stressreaktion in Gang und aktiviert so eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion.
Nehmen wir Menschen also eine Krise wahr, schaltet sich dieses innere Alarmsystem ein, und wir wechseln den Verhaltensmodus, um dieser Gefahr zu begegnen. Wenn in dem Zimmer, in dem Sie gerade mit jemandem sitzen, ein Brand ausbräche, und Sie würden nun beginnen, mit Ihrem Gesprächspartner darüber zu diskutieren, was wohl der schnellste Fluchtweg sein könnte, wäre es aller Wahrscheinlichkeit nach um Sie beide geschehen. Wenn Sie allerdings sofort aufspringen und zur Tür rennen, können Sie sich aus der gefährlichen Situation retten. Daher hilft uns dieser Umschaltmechanismus ins Reaktive, in Sekundenschnelle mit Kampf oder mit Flucht zu reagieren. Und zu überleben.
Ebenso dient der Umstand, dass wir mehr Rezeptoren für Negatives in unseren grauen Zellen haben als für Positives, unserem Überleben. Dieses zu sichern, ist nämlich die Hauptaufgabe unseres Gehirns – wenn wir vor einem Säbelzahntiger stehen, ist es natürlich deutlich sinnvoller, sich für ihn zu interessieren und nicht für irgendeine schöne Blume am Wegesrand. Und Organismen, die sich bei akuter Gefahr blitzschnell an Extremsituationen anpassen können, sind eher in der Lage zu überleben. Daher haben sich im Verlauf der Evolution bei uns Mechanismen herausgebildet, die auf solche Situationen zugeschnitten sind und die man unter dem Begriff »Stressreaktionen« zusammenfasst.
Akuter Stress führt über die Freisetzung von Glukokortikoiden zu einer vermehrten Bereitstellung von Glukose, einem direkten Energielieferanten. Blutdruck und Puls steigen, die Durchblutung von Muskeln und Gehirn wird intensiviert, und zugleich werden Verdauung und Immunsystem gehemmt sowie alles, was mit Wachstum oder Fortpflanzung zu tun hat. Akuter Stress ist also 9eine biologisch sinnvolle Anpassung an eine Gefahrensituation – ein mächtiges Instrument, das uns allerdings in Form von chronischem Stress, wenn der kurzzeitige Alarm zu einem dauerhaften Zustand wird, massiv schadet und sich zu einer der wesentlichen Ursachen von Zivilisationskrankheiten entwickelt hat.
Im Notfallmodus schalten wir ins Reaktive und kennen nur noch Kampf oder Flucht.
Eine Stressreaktion versetzt also Körper und Geist in Alarmbereitschaft und führt zu drei möglichen Reaktionen: Kampf, Flucht oder – wenn beides nicht möglich ist – zu Erstarrung, auch »Fight, flight or freeze« genannt. Bei Frauen geht man mittlerweile sogar von vier möglichen Reaktionen aus. Neuere Forschungen von Sheldon Cohen und Thomas A. Wills in diesem Bereich haben nämlich ergeben, dass Frauen anscheinend noch eine weitere limbische Reaktion zur Verfügung steht: »tend and be friend«, was bedeutet, dass sie sich Schutz versprechenden Gruppen anschließen – auch um ihre Nachkommen vor Gefahren zu bewahren. Die Psychologin Shelley Taylor von der University of California formulierte diesen Begriff als mögliche weibliche Alternative zu »Fight or flight«: den Nachwuchs beschützen (tend) und Freundschaft anbieten (be friend).2 Ein im Übrigen sehr wichtiges Argument für gemischtgeschlechtliche Teams – vor allem in Krisenzeiten. Doch dazu später mehr.
Die Stressreaktionen werden über das vegetative Nervensystem und durch Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin oder Cortisol gesteuert, was zu reflexartigen Veränderungen in unserem Körper führt: Puls- und Blutdruckanstieg, Erhöhung der Atemfrequenz, gesteigerter Muskeltonus, Mobilisierung der Energiereserven und Reduktion der Schmerzempfindlichkeit. Die Folge ist ein Tunnelblick, sprich, die Wahrnehmung verengt sich und fokussiert auf die (vermeintliche) Gefahr. Das Gehirn verfällt in einen binären Entweder-oder-Denkmodus, und es können sich Katastrophendenken, Ohnmachtsgefühle und ein Gefühl des Ausgeliefertseins entwickeln (Was wird, wenn …?).
Wenn Ihnen das auch in der Führungsrolle nicht unbekannt ist, dann kennen Sie den daraus resultierenden Handlungsdruck, dem auch Ihr Gehirn mit großer Wahrscheinlichkeit über den Griff zu einfachen Lösungen begegnen möchte. Gleichzeitig könnten sich Tendenzen zu aggressivem Verhalten oder umgekehrt Vermeidungsstrategien entwickeln, weil Sie sich ohnmächtig fühlen.
Dass dieser Modus nicht zielführend ist – weder für Ihr eigenes Erleben noch für Ihr Team, Ihre Abteilung oder Ihren Bereich –, erklärt sich fast von selbst.
Allerdings führt gerade eben nicht alles, was logisch und einleuchtend ist dazu, dass wir uns danach richten. Die umfassenden Veränderungen unseres Umfelds, wie wir sie derzeit erleben, gab es in dieser Dichte noch nie, sodass es auch 10keine herkömmlichen Antworten aus dem Bereich der Führung geben kann. Sie müssen erst noch entwickelt werden. Und hier spielt Zuversicht – wie wir noch zeigen werden – eine sehr große Rolle. Rationale Einsicht führt eben nicht per se zu logischem Verhalten.
Rationale Einsicht führt eben nicht per se zu logischem Verhalten.
Nochmals zurück zum Notfallmodus: Die oben beschriebenen Reaktionen können nicht nur bei einer realen, sondern auch bei einer nicht realen, aber als solche erlebten Bedrohung eintreten. Hierzu ein einfaches Beispiel: Sie stehen beispielsweise kurz davor, zum ersten Mal einen Vortrag vor vielen Menschen zu halten. Wenn Sie nur daran denken, wird Ihnen schon mulmig. Kurz bevor Sie ans Rednerpult treten, steigert sich Ihre Angst noch einmal, und Sie merken, dass Ihre Hände feucht werden und sich Ihr Herzschlag beschleunigt. All diese körperlichen Reaktionen sind Teil der Stressreaktion, die Ihr Körper gerade durchläuft, um Ihr Überleben zu sichern, obwohl Ihr Leben gar nicht real bedroht wird. Doch die große Furcht, dass Sie während des Vortrags versagen könnten, genügt bereits, um bei Ihnen den Notfallmodus zu aktivieren. In einem deutschen Großkonzern wird daher der Aufzug, der zur Vorstandsetage führt, hinter vorgehaltener Hand auch »Schweißaufzug« genannt, weil die Führungskräfte auf dem Weg hinauf in die heiligen Hallen eine solche Angst haben, dass ihr Körper in den Notfallmodus wechselt.
Viele Befragte beantworten die Frage, ob auch in ihrem Unternehmen Krisenstimmung herrsche mit ja, obwohl ihre eigenen Organisationen gar nicht von einer Krise betroffen sind.
Dieser Mechanismus – dass also auch nicht reale, aber vorgestellte Gefahren schon ausreichen, um den Körper in den Stressmodus zu versetzen – lässt sich auch auf organisationaler Ebene beobachten. In der Studie über die Auswirkungen der allgemeinen Krisenstimmung zeigte sich deutlich, dass auch Unternehmen, die nicht von einer Krise betroffen sind, Krisensymptome zeigen. Das bedeutet für Sie als Führungskraft, sich nicht nur mit faktischen Krisen beschäftigen zu müssen, sondern auch mit Krisenstimmungen – sowohl im Team als auch bei sich selbst.
11Aber nicht nur unser Körper reagiert auf Stressimpulse. Ein Stress auslösendes Unsicherheits- und Krisenerleben kann sich auch auf unsere persönliche Einstellung zur Arbeitsgestaltung an sich auswirken. Der Sozialpsychologe John A. Bargh stellte beispielsweise bei seinen Forschungen fest, dass liberale Menschen konservativer werden und Veränderungen eher ablehnen, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht bedroht fühlen. Sein Experiment lief folgendermaßen ab: Liberal eingestellte Studierende hatten die Aufgabe, sich den eigenen Tod detailliert vorzustellen. Nach dieser Übung änderten sich tatsächlich ihre liberal geprägten Einstellungen zu Themen wie der Todesstrafe, der gleichgeschlechtlichen Ehe oder Abtreibung, und sie näherten sich denen konservativ eingestellter Studierender an.
Grundsätzlich zeigen konservative Menschen im Vergleich zu liberalen Menschen eine höhere Wachsamkeit gegenüber potenziellen Gefahren und reagieren empfindlicher auf Gefahrensignale, was sich auch in den Gehirnstrukturen zeigt: Die rechte Amygdala ist bei Menschen, die sich als konservativ beschreiben, laut Bargh tatsächlich größer.
Sicherheitserleben führt zu einer liberaleren Einstellung, während sich Unsicherheitsgefühle mit höherer Wahrscheinlichkeit in konservativeren Einstellungen niederschlagen.
Übertragen wir diese Beobachtungen nun auf unternehmenspolitische Fragestellungen. Im Moment lassen sich in der allgemeinen Krisenstimmung nach einer langen Phase der liberalen Arbeitsgestaltung wieder rückläufige Tendenzen beobachten. Die verstärkten Rückrufe ins Büro, die Forderungen nach Überstunden, einer 42-Stunden-Woche und der Wiedereinführung von konservativen Individual-Bonussystemen (bei einem großen deutschen Software-Unternehmen wird es ab Januar wieder Underachiever-Bewertungen für die schlechtesten 5 % der Führungskräfte geben) sind Beispiele für diesen Trend. Das Bedürfnis nach autoritärer Führung, wie es ein Großteil der befragten Führungskräfte in einer Studie über die Auswirkungen der allgemeinen Krisenstimmung auf Unternehmen3 äußerte, korrespondiert hier mit der Veränderung von der liberalen zu einer tendenziell autoritäreren Arbeitsgestaltung.
Unter Druck und Stress steigt also offenbar auch bei Führungskräften die Tendenz zu einer konservativen Haltung.
Diese These wurde durch Bargh und sein Team ebenfalls überprüft. Sie führten in einer Versuchsanordnung zwei parallele Experimente durch, bei denen sich die Teilnehmenden (sowohl Konservative als auch Liberale) vorstellen sollten, 12sie hätten Superkräfte. In der einen Gruppe wurden sie im Gedankenexperiment durch ihre Superkraft unverwundbar, und in der anderen Gruppe konnten sie durch ihre Superkraft fliegen. Es zeigte sich, dass es in der Gruppe der »Flieger« keine Veränderungen bei der Einstellung gab, weder bei den Konservativen noch bei den Liberalen. Aber in der Gruppe der »Unverwundbaren« passierte etwas Bemerkenswertes: Die Konservativen näherten sich mit ihrer Einstellung den Liberalen, während sich deren liberale Einstellung nicht veränderte.
Allerdings konnte das in der oben erwähnten Studie zur Krisenstimmung in diesem Ausmaß nur für die Führungskräfte bestätigt werden. Auf der Mitarbeitendenebene wurde dagegen ein Bedürfnis nach höherer Klarheit und Transparenz, mehr Struktur und sicheren sozialen Prozessen geäußert. Gemessen wurde dieses Bedürfnis anhand der sogenannten Cultural tightness, also dem Bedürfnis nach kultureller Enge. Sie beschreibt den Grad, in dem soziale Normen in einer Kultur streng durchgesetzt bzw. Abweichungen von diesen Normen toleriert werden. In »engen« Kulturen gibt es starke Normen und eine geringe Toleranz gegenüber abweichendem Verhalten, was zu einem hohen Ordnungsgrad und großer Vorhersehbarkeit führt.
Der Begriff kommt aus der interkulturellen Psychologie und der Kulturforschung und wurde insbesondere durch die Arbeiten der Psychologin Michele Gelfand populär, die die unterschiedlichen Grade der Durchsetzung von Normen und deren Auswirkungen auf verschiedene Ebenen sozialer Organisationen untersucht hat. Die Ursachen kultureller Enge lassen sich häufig in Umgebungen mit hohem Bedrohungspotenzial finden – ob nun durch Naturkatastrophen, Kriege, eine hohe Bevölkerungsdichte oder Ressourcenknappheit. Diese Bedrohungen erfordern koordinierte und vorhersehbare Verhaltensweisen, die durch strenge Normen gesteuert werden.
Hier gibt es zunächst kein »Besser oder schlechter«. Beide Ausrichtungen von Kulturen, sowohl die mit kultureller Weite (also großem Spielraum für die darin lebenden Individuen) als auch die mit kultureller Enge (die den Individuen ein stärker genormtes Verhalten vorschreiben), haben Vor- und Nachteile: Enge Kulturen sind oft besser in der Lage, soziale Ordnung und Stabilität zu bewahren, weil sie Konformität und Selbstkontrolle fördern; sie sind aber häufig auch weniger offen für Innovationen und Veränderungen. Kulturell weite Kulturen sind hingegen oft kreativer und offener für Neues, können aber Schwierigkeiten haben, die soziale Ordnung und Selbstkontrolle aufrechtzuerhalten.
Die tendenziell liberalere Arbeitsgestaltung der vergangenen Jahre hat eine kulturelle Weite, also eine individuelle Gestaltungsfreiheit und Flexibilität, gefördert. Das von den befragten Mitarbeitenden neuerdings geäußerte Bedürfnis nach kultureller Enge passt als Reaktion zu der als größer wahrgenommenen Krisenstimmung und spiegelt das Bedürfnis nach einer übersichtlich geregelten und stabilen Arbeitsumgebung wider, nach klaren Regeln und Strukturen, die ihr Verhalten und das ihrer Kolleginnen, Kollegen und Führungskräfte am Arbeitsplatz 13bestimmen. Dabei erwarten die Mitarbeitenden, dass ihre Führungskräfte die entsprechenden Entscheidungen und die Einhaltung dieser Regeln klar unterstützen – woraus sich allerdings keineswegs ein Bedürfnis nach autoritärer Führung ableiten lässt. Vielmehr sind nach Ansicht der Mitarbeitenden die Führungskräfte in der Krise verantwortlich dafür, diese Klarheit bezüglich vorhandener Handlungsspielräume, Strukturen, Verantwortungen und sozialer Regeln aktiv herzustellen, um die für die Mitarbeitenden krisenbedingt fehlende Stabilität und ein Gefühl von Sicherheit und Vorhersagbarkeit wiederherzustellen.
Intuitiv weisen die Mitarbeitenden damit auf ein großes Potenzial zur gemeinsamen Krisenbewältigung hin. Die Forschungen von Michele Gelfand4 konnten bestätigen, dass enge Kulturen ein starkes Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt fördern, da gemeinsame Normen und Werte das kollektive Verhalten steuern und die soziale Kohäsion – also die Handhabbarkeit, Verstehbarkeit und Sinnhaftigkeit – stärken.
In der Krise unterscheiden sich die Bedürfnisse von Mitarbeitenden und Führungskräften deutlich voneinander.
Die Bedürfnisse von Führungskräften und Mitarbeitenden fallen also klar auseinander – ein Faktor, dem Sie als Führungskraft in Krisenzeiten, während Restrukturierungen oder sonstigen Transformationen eine große Bedeutung beimessen sollten. Denn Ihre Führungskraft neigt unter Umständen eher zu autoritären Reflexen; Ihre Mitarbeitenden wiederum verlangen nach Klarheit, Transparenz und sozialer Belastbarkeit. Und dann wären da auch noch Ihre eigenen Bedürfnisse im Umgang mit Krisen und Veränderungen.
Wie sich diese unter Umständen sehr unterschiedlichen Erwartungen gut ausbalancieren lassen, werden wir Ihnen noch darlegen. In jedem Fall haben Sie eine Wahl. Bedenken Sie dabei Folgendes: Auch Sie treffen Ihre Entscheidungen in einem höchst komplexen und herausfordernden Umfeld. Zudem werden von Ihren Teams vermehrt soziale Bedürfnisse nach Vertrauensaufbau, Struktur und Klarheit an Sie herangetragen, und zugleich wird der Druck von oben steigen. In welcher Verfassung möchten Sie diesen Herausforderungen begegnen? Unter (noch mehr) Druck, angesteckt von der Krisenstimmung, also im Fight-or-flight-Modus samt Stress und Erschöpfung und einem autoritär geführten Team, das in der Folge kaum noch selbst denkt? Oder mit einem Turnaround Ihres Rollenverständnisses, um sich neu für die Führung in Krisenzeiten aufzustellen?
Die Voraussetzungen dafür werden wir im zweiten Teil dieses Buches beschreiben.
14So viel können wir aber schon einmal vorwegnehmen: Zuversicht ist die Antwort auf die vieldimensionalen Krisen unserer Zeit. Sie wirkt vertrauens- und leistungsstärkend und lässt uns einen kühlen Kopf bewahren. Und genau den brauchen wir, um gute Entscheidungen zu treffen. Bevor von Ihnen als Führungskraft eine fatale Kehrtwende zurück zu einem autoritären Führungsstil verlangt wird, möchten wir Sie für den Weg der Zuversicht gewinnen.
»In unsicheren Zeiten muss Führung die Zuversicht vermitteln, dass der Wandel Chancen schafft, keine Risiken allein.« Sundar Pichai, CEO Google und Alphabet
16Wie wir bereits kurz hergeleitet haben, spüren insbesondere Führungskräfte die Krisenstimmung stark – und ein Teil von ihnen tut das sogar dann, wenn ihr Unternehmen gar nicht unmittelbar von der Krise betroffen ist. Das gilt grundsätzlich auch für die befragten CEOs, allerdings sind diese besonders häufig der Meinung, dass es in der Krise Durchgriff und mehr autoritäre Führung braucht, was letztlich zur Rückkehr in klassische Top-down-Strukturen führt. Das lässt sich bereits in vielen Konzernen beobachten.
Während der schon laufenden Restrukturierungen ist der Stellenabbau in der deutschen Wirtschaft in vollem Gange und trifft dieses Mal in größerem Umfang auch Führungskräfte. Die Unternehmensberatung Oliver Wyman prognostiziert »The collapse of the Middle Manager«5, eine Folge des Abbaus von Führungskräften. In ihrem AI-Report vom Januar 2024 geht die Unternehmensberatung nicht nur davon aus, dass KI viele klassische White-Collar-Jobs von Datensammlern, Reden- und Reportschreibern ersetzen wird. Die KI wird, nach Einschätzung der Studienautoren, die Besetzung von Führungspositionen so verändern, dass dies einem Zusammenbruch der mittleren Ebene des Managements gleichkommt. Damit wird die dort geleistete Beziehungsarbeit allerdings völlig außer Acht gelassen – mit ungeahnten Folgen. Wie wir nämlich noch zeigen werden, wird es künftig sogar deutlich mehr Führung brauchen, und im Idealfall könnte der Einsatz von KI dazu führen, dass das mittlere Management endlich so entlastet wird, dass es Zeit hat, wirklich zu führen.
Diese unsichere Situation bedeutet für Führungskräfte eine doppelte Belastung: Zum einen ist dem mittleren Management vieler Unternehmen noch völlig unklar, ob es selbst vom Stellenabbau betroffen sein könnte, und zum anderen ist diese Ebene oft diejenige, die Kündigungsgespräche führen und mit den Teams die veränderten Bedingungen umsetzen muss.
»Ich sehe oft Tränen bei gestandenen Leuten. Nur die wenigsten haben die Einstellung: neues Spiel, neues Glück.« Nils Schmidt, Vorstand des DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte
51 % der aktuellen Transformationen sind Restrukturierungen, zumeist inklusive Personalabbau. Denn obwohl der Fachkräftemangel, den Sie in Ihren Teams wahrscheinlich schon zu spüren bekommen haben, der bei Umfragen die am häufigsten genannte Herausforderung ist, werden aktuell Tausende von Fachkräften in der Wirtschaft abgebaut. Das ist nicht nur eine Folge der ehrgeizigen Kostenziele von Restrukturierungen, sondern auch ein Effekt des Strukturwandels in der deutschen Wirtschaft, da die Qualifikationen vieler 17Mitarbeitender nicht mehr zu den neuen Anforderungen passen und die strukturellen Umschulungsprogramme in den Unternehmen zu spät (oder gar nicht) gestartet wurden.
Von den Restrukturierungen der Vergangenheit weiß man, dass auch für diejenigen, die nicht selbst vom Stellenabbau betroffen sind, eine hohe psychische Belastung entsteht, ein sogenannter Survivor-Effekt. Studien konnten belegen, dass der Stress und die Arbeitsverdichtung für die im Unternehmen verbleibenden Mitarbeitenden derart hoch sind, dass ihre Produktivität deutlich sinkt. In der Folge werden die ursprünglich angesetzten Restrukturierungsziele nur selten erreicht, da die stressbedingten negativen Effekte und die dadurch sinkende Produktivität die Kosteneinsparziele überlagern.
Die Studienlage bestätigt auch, dass – neben diesen stress- und arbeitsverdichtenden Effekten – Personalabbau zu einem verringerten organisationalen Commitment führt. Hier interessiert uns vor allem das Nachlassen des affektiven sowie des normativen Commitments. Beim affektiven Commitment fühlt sich eine Person emotional an ihr Unternehmen gebunden, beim normativen ist sie durch eine moralische Verpflichtung gebunden (»Ich kann mein Team nicht allein lassen!«). Da die Anzahl emotional gebundener Arbeitnehmer sowieso auf einem sehr niedrigen Stand ist, tut jede weitere Reduktion weh. Denn auch die Zahl der Krankschreibungen hat in Deutschland eine noch nie dagewesene Größenordnung erreicht, was vor diesem Hintergrund herleitbar ist.
Nur 40 % empfinden uneingeschränktes Vertrauen in die finanzielle Zukunft des eigenen Unternehmens. Und nur 25 % sind ohne Einschränkungen davon überzeugt, dass die Unternehmensleitung die Kompetenz hat, zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Alles in allem sind dies die sogenannten Opportunitätskosten von Restrukturierungen: ein verringertes Vertrauen ins Management, ein reduziertes Fairnesserleben und letztendlich auch eine längerfristig verminderte Leistungsbereitschaft und Leistung. In der Psychologie nennen wir das die Aufkündigung des psychologischen Kontraktes, der impliziten Übereinkunft zwischen Unternehmen und Arbeitnehmenden. Das affektive Commitment, das auch durch die Akzeptanz der Ziele und Werte des Unternehmens und den Glauben daran charakterisiert ist, wird stark beeinträchtigt, und auch der Wille, für das Unternehmen Anstrengungen 18auf sich zu nehmen, und das Bedürfnis, weiterhin ein Mitglied des Unternehmens zu bleiben, gehen zurück.
Die Gallup-Studie 20236 bestätigt diese Beobachtungen. Neben der emotionalen Bindung der Mitarbeitenden an ihr Unternehmen (übrigens mit dem niedrigsten gemessenen Wert seit 2012) sinkt auch das Vertrauen der Beschäftigten in die zukünftigen Perspektiven ihres Unternehmens. Und die Vertrauenserosion zeigt sich bereits direkt zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, kann also nicht aus mehrfachen negativen Erfahrungen im aktuellen Unternehmen resultieren. Nur 31 % der Führungskräfte in Deutschland vertrauen ihren Mitarbeitenden direkt nach der Einarbeitungsphase, andersherum empfinden sogar nur 21 % der Angestellten hierzulande Vertrauen zu ihren Vorgesetzten.7
Das wird unter anderem auch daran liegen, dass die Unternehmensführungen derzeit eher auf Krisen fokussieren und wenig Zuversicht verbreiten. Nur 40 % der von Gallup Befragten empfinden uneingeschränktes Vertrauen in die finanzielle Zukunft des eigenen Unternehmens. Und nur noch ein Viertel (25 %) ist ohne Einschränkungen davon überzeugt, dass die Unternehmensleitung die Kompetenz hat, zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern – ein ebenfalls sehr kritischer Wert.
Seit 2019 hat das Vertrauen der Arbeitnehmenden in ihre Unternehmensführung damit um 16 Prozentpunkte abgenommen – und liegt jetzt unter dem Wert vor der Corona-Pandemie. »Das Management muss hier eine klare Richtung vorgeben, Aufbruchstimmung vermitteln und in Möglichkeiten statt im Krisenmodus denken, um so die Zuversicht zu stärken und Beschäftigte für den Kurs des Unternehmens zu begeistern. Denn schwierige Zeiten kann man nur erfolgreich überstehen, wenn man alle mitnimmt und für eventuell notwendige Veränderungen Rückendeckung hat«, kommentiert Pa Sinyan, Managing Partner von Gallup EMEA, die Ergebnisse.
»Zusammenhänge scheinen immer komplexer zu werden, Verantwortung zu übernehmen fällt auf allen Ebenen schwerer. Hier braucht es gerade in diesen unruhigen Zeiten mehr Mut, um mit Entschlossenheit – trotz Bedenken, Angst oder Bequemlichkeit – Hindernisse zu überwinden.« Thorsten Greiten, Vorstand Wertekommission
19Thorsten Greiten, Vorstand der Wertekommission, beobachtet ebenfalls, dass sich auch Führungskräfte von den schlechten Nachrichten – ob zur Wirtschaft, zur Politik oder zum Weltgeschehen im Allgemeinen – in den Strudel der zahlreichen Krisen und Brennpunkte ziehen lassen. Wie könnte es auch anders sein?
Die Wertekommission ist eine Initiative für Führungskräfte in Deutschland, die es sich zum Ziel gemacht hat, über alle Hierarchien hinweg ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Werte Wert schaffen. Sie wollen nach eigenen Angaben »alle Interessierten dazu ermutigen, in ihrem Unternehmen Werte wie Vertrauen und Glaubwürdigkeit (vor) zu leben«.8
Wenn nur ein Viertel der Führungskräfte und Mitarbeitenden ohne Einschränkung davon überzeugt ist, dass die Unternehmensleitungen die Kompetenz haben, zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern, dann führt die sich ausbreitende Krisenstimmung in den Unternehmen insgesamt zu vergleichbaren Vertrauensschäden wie jenen, die das Rheingold Institut in seiner Studie 2023 für die ganze Gesellschaft gemessen hat: Der umfassende Verlust des Vertrauens in die Institutionen bringt die Menschen dazu, sich von ihnen abzuwenden. Und dieser Effekt zeigt sich eben auch in den Unternehmen. Mit welcher Erwartungshaltung schauen nun die Führungskräfte und Mitarbeitenden auf die aktuellen Veränderungsprozesse, gleich welcher Art?9
»Wir erleben eine Veränderungserschöpfung.« Prof. Dr. Steffen Mau, Soziologe
Der Makrosoziologe Steffen Mau attestiert der deutschen Gesellschaft eine Veränderungserschöpfung aufgrund von dicht aufeinanderfolgenden Krisen und Veränderungen.10 Und Unternehmen, die häufig transformieren und ständig von der Notwendigkeit eines permanenten Wandels sprechen, übersehen dabei, dass sie dies nicht im luftleeren Raum tun, sondern in ebendieser mittlerweile veränderungsmüden Gesellschaft, zu der ja auch ihre Arbeitnehmenden gehören. Allerdings konnte die Studie zur allgemeinen Krisenstimmung Unterschiede in der Wahrnehmung der Arbeitnehmenden zeigen – die ist nämlich nicht in allen Hierarchieebenen gleich. Insbesondere das mittlere Management schaut weniger zuversichtlich auf die Bewältigung der Krisen und erlebt diese auch stärker als seine Mitarbeitenden.
20Das Topmanagement wiederum sieht zwar die Krisen und deren Herausforderungen, ist aber deutlich zuversichtlicher. Und das weist auf einen bereits in vielen Studien genannten Umstand hin: Die obere Führungsebene agiert abgekoppelt vom mittleren Management und den Mitarbeitenden. Die Welt sieht von dort oben schlicht anders aus.
Das mittlere Management erlebt Krisen stärker als seine Mitarbeitenden.
Diese verschobene Perspektive führt zu einer stetigen Abnahme des Vertrauens in die Unternehmensleitung. Und das ist nicht nur für die Teppichetagen der deutschen Wirtschaft ein wichtiges Thema. Auch 48 % der Fachkräfte sagen, dass die aktuellen Krisen ihre eigene Vertrauensfähigkeit mindern, und die Studie lässt kaum Zweifel daran, dass die Bedeutung der Vertrauenskultur in den Unternehmen durch Krisen zunimmt: 72 % der Fachkräfte sind davon überzeugt, dass das Thema »Vertrauen« für die Bindung und Gewinnung von Mitarbeitenden in Zukunft noch wichtiger wird, und 66 % gaben an, dass sie in Krisenzeiten mehr Stabilität im Arbeitsumfeld suchen.11
»Angesichts des Dauerkrisenmodus sind die Beschäftigten und ihre Bedürfnisse vom Aufmerksamkeitsradar gerutscht.« Gallup Engagement Index 2023
Das bedeutet für Führungskräfte einen Spagat zwischen dem Aushalten des Drucks von oben (Effizienzziele erreichen und womöglich den Stellenabbau realisieren) und dem Beachten der Wünsche ihrer Teams und Mitarbeitenden (Transparenz, Klarheit, Strukturen, soziale Regeln und nicht zuletzt der Aufbau von Vertrauen). Ist Ihnen das im Laufe Ihrer Karriere schon passiert? Deswegen nennt man das auch »Sandwich-Position«. Allerdings haben sich die Umstände derart gewandelt, dass es für Führungskräfte sehr wichtig geworden ist, die eigene Führung bewusst an die veränderten Bedingungen anzupassen.