Zwei Briefe an Pospischiel - Max von der Grün - E-Book

Zwei Briefe an Pospischiel E-Book

Max von der Grün

4,8

Beschreibung

Eine Reise in die Vergangenheit. Ein Mann auf der Suche nach Wahrheit - mit einer bitteren Konsequenz. Paul Pospischiel ist in der Schaltzentrale eines Dortmunder Kraftwerkes tätig. Er muss nicht mehr unter Tage schuften und ist ein gefragter Spezialist. Eines Tages erreicht ihn ein Brief seiner Mutter, der einen schwerwiegenden Konflikt auslöst. Sie hat den Mann entdeckt, der vor Jahrzehnten den Vater von Pospischiel ins KZ gebracht hat. Die Mutter verlangt Rechenschaft von diesem Mann und Pospischiel soll ihn zur Rede stellen. Aber als er Sonderurlaub beantragt, bekommt er diesen nicht genehmigt. So fährt Pospischiel auf eigene Verantwortung. Als er zurückkehrt, findet er die Kündigung vor. Doch nicht nur das führt dazu, dass Pospischiel an seinem bisherigen Leben zu zweifeln beginnt … Band III enthält zusätzlich die Texte 'Mittelalter', 'Im Tal des Todes' und 'Wer steuert wen? Automation und Mensch'.

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Seitenzahl: 423

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Max von der Grün · Zwei Briefe an Pospischiel

Max von der Grün – Werkausgabe Band III Herausgegeben von Günther Butkus

Max von der Grün

Zwei Briefe an Pospischiel

Roman

Mit weiteren Texten von

von Max der Grün

und einem Nachwort

von Wolfgang Delseit

PENDRAGON

Wir danken für die Förderung dieses Projektes der Kunststiftung NRW

Unsere Bücher im Internet:

www.pendragon.de

Veröffentlicht im Pendragon Verlag

Günther Butkus, Bielefeld 2009

© by Pendragon Verlag Bielefeld 2009

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Günther Butkus, Stephanie Müller

Umschlag & Herstellung: Uta Zeißler (www.muito.de)

Gesetzt aus der Adobe Garamond

ISBN: 978-3-86532-122-0

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Inhalt

Zwei Briefe an Pospischiel

Stephan Rheinhard, »Wer steuert wen?« oder »Wenn man einer Minderheit angehört …«

Max von der Grün, Mittelalter

Max von der Grün, Im Tal des Todes

Max von der Grün, Wer steuert wen? Automation und Mensch

Nachwort von Wolfgang Delseit

Anmerkungen

Editorische Notiz

Zwei Briefe an Pospischiel

In Waldsassen, einer kleinen Stadt in der Oberpfalz, unweit der tschechischen Grenze, gegenüber Eger (heute Cheb), schlurft eine alte Frau über den Marktplatz.

Es ist heiß.

Der Marktplatz ist leer. Die alte Frau ist ganz allein.

Sie wirft in den gelben Postkasten an der Johannisstraße gegenüber der Feuerwache einen Brief, klopft, nachdem sie ihn eingeworfen hat, mit der Faust drei Mal an die Wand des Kastens, damit der Brief auch bestimmt fällt. Die alte Frau geht die Straße hinunter, in Richtung Stiftskirche, die Glocken auf dem Turm beginnen zu läuten. Es ist Mittag.

Die alte Frau bleibt stehen, sie bindet ihr blau weiß kariertes Kopftuch fester unter dem Kinn.

Die alte Frau geht in eine Seitenstraße, in ein altes Haus.

Es ist Juli 67.

Es ist sehr heiß.

1

Er überquerte den Platz, lief auf das Portierhaus zu. Die Schultern stießen nach vorn, als ziehe er einen schweren Wagen hinter sich her, die Arme schlenkerten um seinen Körper, als gehörten sie ihm nicht, das rechte Bein schleppte er, dabei hob sich seine Schulter etwas, der Kopf kippte nach links, und von weitem konnte man glauben, er hüpfe.

Im Werk hieß er schlicht: das Känguru.

Er hob den rechten Arm, der ihm nicht zu gehören schien, und winkte. Ich wartete. Känguru sah mich nicht an, sondern spähte über den Parkplatz. »Paul, sie sind hinter mir her. Ich habe es ja immer gewusst, sie sind hinter mir her. Du wolltest es ja nie glauben.«

»Unsinn«, sagte ich, »seit zehn Jahren bildest du dir das ein.«

Er sah mich an, schief, unter buschigen Brauen schief. Fred hatte einen Schnurrbart, und die Haare, graue dazwischen, sträubten sich über seiner Oberlippe. Mir fiel ein, ich hatte einmal meine Frau gefragt: »Sag mal, hatte der Glöckner von Notre Dame in dem Film einen Schnurrbart?«

Aber auch Gerda erinnerte sich nicht.

Känguru, mit bürgerlichem Namen Wördemann, Fred, achtundfünfzig Jahre alt, von Beruf Toiletten- und Baderäumereiniger, so die Bezeichnung in der Betriebskartei für Lohnstreifen und Betriebskrankenkasse in unserem Werk, verdeckte mit dem Schnurrbart seine gespaltene Lippe, die ihm 1939 im Lager Buchenwald zerschlagen worden war. Es gab Zeugen dafür. Auch Zähne verlor er damals, seit Jahren aber trägt Fred Wördemann schon ein gut eingepasstes Gebiss.

Er selbst sagt dazu nur: »Der Oberkiefer hielt den genagelten Absätzen nicht stand.«

Wenn er lächelte – richtig lachen hörte ich ihn nie –, war sein Gesicht zum In-die-Fresse-schlagen.

Sein rechtes Bein war damals auch unter die Absätze geraten, aber Känguru konnte vor Gericht nicht beeiden, es sei derselbe Absatz gewesen, der ihm die Lippe zertrat. So wurden zwei Absätze mangels Beweises freigesprochen. Für das rechte Bein, das steif blieb, bekam er, nach wiederholten Eingaben, eine Rente von monatlich hundertfünfundsiebzig Mark, weil man ihn für bedingt arbeitsfähig erklärte.

»Es waren zwei Männer bei der Direktion. Das hat mir der Damberg erzählt. Sie haben gefragt, ob ich vielleicht Flugblätter verteile, ob ich Hetzreden halte, ob ich gegen Bonn bin oder ob ich ruhig meine Arbeit verrichte.«

»Damberg ist ein Quatschkopf«, sagte ich, »das weißt du am besten. Der hört sich gern reden und macht sich wichtig, wo er nur kann.«

»Die beiden Männer waren auch beim Betriebsrat, hat Damberg gesagt. Haben auch ihn gefragt, ob ich versuche, die Belegschaft aufzuwiegeln.«

»Aufwiegeln«, fragte ich. »Du machst Witze. Gegen wen? Gegen was?«

»Paul, das hat nicht nur der Damberg erzählt. Innerhalb einer Stunde wusste es der ganze Betrieb. Nur du weißt nie, was ist, Paul. Döst auf deiner Warte, dann fährst du nach Haus und spielst mit deinem Hund.«

»Fred«, sagte ich und zog ihn leicht am Arm neben mir her, »du warst einmal in einer Partei, die seit über zehn Jahren verboten ist, also können sie dir nichts. Die Partei ist verboten, du aber nicht.«

»Da bist du aber im Irrtum, Paul. Eben weil sie verboten ist, können sie mir was. Wenn die mal was verbieten, sind sie gründlich, das haben sie von den Nazis gelernt.«

Wir waren am Portierhaus angekommen, wir blieben stehen, ich ließ Freds Arm fallen. Der fiel an seinen Körper, pendelte wie ein Dreschflegel.

»Fred, du hast dir nie etwas zuschulden kommen lassen«, sagte ich, »also brauchst du keine Angst zu haben, es verfolgt dich keiner, du bist ein ruhiger und zuverlässiger Arbeiter, du verfolgst dich höchstens selbst.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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