Zwei Wochen im Sommer - Rose Bloom - E-Book

Zwei Wochen im Sommer E-Book

Rose Bloom

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Beschreibung

Zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten - doch wer ist der Richtige für Lena? Als Lena von ihrem Jugendfreund Eric verlassen wird, bricht für sie eine Welt zusammen. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, reist sie kurzentschlossen mit ihrer besten Freundin nach Gran Canaria. Dort lernt sie den Sunny Boy Dominik kennen. Dominik ist das komplette Gegenteil von Eric: Er sucht das Abenteuer und lebt in den Tag hinein. Als erfolgreicher Motorradrennfahrer kann er sich das auch leisten. Zwischen den beiden entspinnt sich eine Urlaubsromanze. Doch Dominiks Lebensstil ist nichts für die sicherheitsliebende Lena. Und als sie nach zwei Wochen nach Hause zurückkehrt, wartet Eric schon mit einer Entschuldigung auf sie. Drei Jahre später treffen sich Lena und Dominik zufällig wieder – Lena ist inzwischen mit Eric verlobt. Doch sie hat Dominik nie wirklich vergessen …

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Die AutorinRose Bloom ist das Pseudonym einer in Frankfurt aufgewachsenen Autorin, die es schon immer liebte zu lesen und in andere Welten und Leben abzutauchen. Bereits in ihrer Kindheit schrieb sie Kurzgeschichten, doch diese eher für ihre eigenen Bücherregale. Anfang 2016 fasste sie den Mut und veröffentlichte ihr erstes Buch im Selbstverlag. Seitdem vergeht kein Tag, an dem sie nicht mindestens ein Wort zu Papier bringt. Der Autorin ist es wichtig, dass die Leser wie in einem Film durch ihre Liebesgeschichten durchgeführt werden und alles fühlen, was die Protagonisten erleben.

Das Buch

Als Lena von ihrem Jugendfreund Eric verlassen wird, bricht für sie eine Welt zusammen. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, reist sie kurzentschlossen mit ihrer besten Freundin nach Gran Canaria. Dort lernt sie den Sunny Boy Dominik kennen. Dominik ist das komplette Gegenteil von Eric: Er sucht das Abenteuer und lebt in den Tag hinein. Als erfolgreicher Motorradrennfahrer kann er sich das auch leisten. Zwischen den beiden entspinnt sich eine Urlaubsromanze. Doch Dominiks Lebensstil ist nichts für die sicherheitsliebende Lena. Und als sie nach zwei Wochen nach Hause zurückkehrt, wartet Eric schon mit einer Entschuldigung auf sie. Drei Jahre später treffen sich Lena und Dominik zufällig wieder – Lena ist inzwischen mit Eric verlobt. Doch sie hat Dominik nie wirklich vergessen …

Rose Bloom

Zwei Wochen im Sommer

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin April 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-171-7  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Gewohnheiten geben uns Sicherheit, dass unsere Welt vertraut bleibt.

Doch manchmal ist es unvermeidbar, seine Welt zu ändern, damit sie sich wieder in die richtige Richtung drehen kann.

Kapitel 1

Der Stoff raschelte laut bei jeder Bewegung, fast bei jedem Atemzug, den ich machte. Mein Puls beschleunigte sich. Es fühlte sich an, als hätte die Verkäuferin die Schnürung am Rücken des Kleides viel zu fest gezogen, so dass ich keine Luft mehr bekam. Tief sog ich den Atem durch den Mund ein, stieß ihn wieder aus und sah in den breiten Spiegel vor mir. Der Ausdruck in meinen grünbraunen Augen machte mich unsicher, und ich wandte den Blick ab.

»Es ist wunderschön! Du siehst aus wie eine Prinzessin!«

»So muss das aussehen! Na also!«, hörte ich die schnatternden Stimmen hinter mir, die sich vor Begeisterung nicht zurückhalten konnten.

Ich blickte erneut auf mein Spiegelbild. Das war nicht ich. Das wollte ich nicht sein.

»Alles okay?«

Ich spürte Selinas warme Hand auf meiner nackten Schulter und drehte meinen Kopf in ihre Richtung.

»Ja, klar …«

»Dreh dich doch mal, Schätzchen!«, sagte meine zukünftige Schwiegermutter Simone, und ich folgte langsam ihrer Bitte. Anders als langsam konnte ich mich in dem Alptraum aus cremefarbenem Tüll auch nicht bewegen. Der Reifrock war doppelt so breit wie ein Hula-Hoop-Reifen. Ich würde mit dem Teil den gesamten Boden im Standesamt wischen. Total übertrieben!

Simone klatschte erfreut in die Hände, und auch meine Mutter strich sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

»Ich glaube, das ist es nicht«, stellte ich leise fest und sah, wie den beiden Frauen die Gesichtszüge entgleisten.

»Aber das ist doch das Schönste von allen!«, sagte Simone mit aufgerissenen Augen und fasste sich angespannt an ihre perfekte, haarspraygefestigte Hochsteckfrisur. Niemals hatte ich auch nur eine einzige Strähne ihres blonden Haars abstehen sehen. Selbst die würden sich nicht trauen, sich Simone zu widersetzen. Sicherlich schlief sie sogar mit dieser Frisur, und sah am nächsten Morgen genauso aus wie am Abend zuvor.

»Die waren vom Stil her auch alle gleich. Ich würde gerne noch etwas Unauffälligeres anprobieren.«

»Unauffällig? Du bist die Braut! Wenn jemand auffallen sollte, dann du!«, stellte meine Mutter bestürzt fest.

»Und die Braut sollte auch das letzte Wort haben!«, donnerte Selina und stemmte ihre Hände in die Hüften. Ich wusste, es war keine gute Idee gewesen, Simone und meine Mutter mitzunehmen. Selina dagegen war wie immer eine riesige Hilfe. Meine beste Freundin hatte mir genau angesehen, dass ich mich unwohl fühlte, und ich war ihr wieder einmal unendlich dankbar dafür.

Simone japste nach Luft und meine Mutter wurde bleich im Gesicht. Selina schüttelte ungläubig den Kopf, schnappte sich ein Sektglas, welches auf einem Tischchen neben der Sitzgruppe stand, und schob mich zurück in die Kabine. Glücklicherweise war die auf Ungetüme wie dieses Kleid ausgelegt und bot genügend Platz, dass Selina und ich zusammen hineinpassten. Mit einem Grummeln zog sie den Vorhang zu und drückte mir das Glas in die Hand.»Trink!«

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich leerte es in einem Zug. Es war trotzdem viel zu wenig und half nicht gegen die aufkommende Panikattacke. Wenn ich die überstehen wollte, brauchte ich etwas Härteres als Sekt. Vielleicht hatten die hier auch Schnaps auf Lager? Ich war doch sicherlich nicht die einzige Frau, die in dieser Situation harten Alkohol benötigte.

Selina nahm mir das Glas aus der Hand und stellte es neben uns auf den Boden. »Bist du dir sicher?«

»Mit dem Kleid? Ja, ich finde es furchtbar!«, sagte ich. Selina kicherte.

»Stimmt, es ist echt hässlich. Hast du gesehen, dass es sogar eine Schleife am Po hat?«

»Was?«, rief ich aufgebracht und verrenkte mich, um meine Rückseite sehen zu können.

Selina berührte mich an der Schulter und strich mir fürsorglich eine braune Haarsträhne nach hinten. »Aber eigentlich meinte ich nicht das Kleid, sondern das alles hier.«

»Wie alles?« Ich verstand nicht genau, was sie damit sagen wollte. Klar hatten Simone und meine Mutter sich die Planung meiner Hochzeit vollständig unter den Nagel gerissen, mit der Begründung, sie würden schließlich bezahlen. Trotzdem wollte ich sie deshalb nicht komplett in Frage stellen. Es war doch normal, dass Eltern so reagierten. Und dass ich nicht unbedingt der Typ war, der sich widersetzte, wusste Selina ebenfalls.

»Ach, die zwei fangen sich schon wieder. Sie sind halt aufgeregt, du kennst sie doch.«

»Ich meine nicht nur die beiden Drachen da draußen. Hast du es dir gut überlegt? Willst du wirklich heiraten?«

Stirnrunzelnd erwiderte ich den besorgten Blick, der mir aus Selinas grünen Katzenaugen entgegenschlug. »Natürlich. Also, ja … Eric und ich sind nun lange genug zusammen, oder? Schon seit ich denken kann.«

»Das stimmt so nicht«, sagte sie. Ich schüttelte den Kopf, hauptsächlich um die Erinnerungen zu vertreiben, die sie mit ihrer Aussage heraufbeschworen hatte.

»Es ist der logische Schritt.«

»Aber ist es auch der richtige?«, fragte meine Freundin.

Ich zupfte verlegen an dem Oberteil des Kleides herum. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was sie meinte. Eric hatte sich vor drei Jahren einmal von mir getrennt, doch kurze Zeit später hatte er sich wieder gefangen. Ich liebte ihn immer noch, und er mich ebenso, also hatte ich ihn zurückgenommen. Wieso hätte ich mich quälen sollen? Oder einer Sache hinterhertrauern, von der ich sowieso nicht wusste, ob ich sie jemals bekommen würde?

»Da war mal jemand anderes, Leni«, sagte Selina liebevoll. Ich konnte ihren fürsorglichen Blick kaum ertragen. »Auch wenn du nicht mehr daran denkst, ich weiß es noch genau. Vielleicht könnte da jetzt sogar mehr sein, wenn du dich trauen würdest?«

»Mehr als was? Es gibt kein Mehr! Was soll das jetzt? Selina, nur weil du ernsthafte Probleme hast, an Hochzeit auch nur zu denken, muss das doch nicht für uns alle gelten!«

»Darum geht es doch gar nicht …«

»Doch! Darum geht es für mich gerade. Ich liebe Eric, natürlich will ich ihn heiraten. Er ist liebevoll und passt auf mich auf, er kümmert sich um mich. Das ist es, was ich brauche. Kein Abenteuer …«

»Aber Leni, geht das alles nicht irgendwie verdammt schnell? Vielleicht solltet ihr euch einfach noch ein bisschen Zeit lassen.«

»Ich bin sechsundzwanzig, wir wohnen nun seit über einem Jahr zusammen und es läuft großartig! Auf was soll ich denn warten?«

Selina nickte resigniert, denn sie hatte verstanden, dass es nichts brachte, mich überzeugen zu wollen. Meine aufbrausende Art ihr gegenüber tat mir schon ein bisschen leid. Sie meinte es nur gut. Sie war die Einzige, die es ernsthaft und selbstlos nur gut mit mir meinte. Bis auf Eric …

»Komm, dreh dich um, ich helfe dir aus dem Monsterkleid!«

Ich lächelte ihr dankbar zu und war froh, dass sie das Thema wechselte. Denn sie hatte mich in den letzten Wochen mit ihren Zweifeln massiv verunsichert. Aber nun war ich mir sicher. Eric und ich gehörten zusammen. Für immer.

Auch wenn die Gedanken an die Vergangenheit mich in den letzten Tagen einfach nicht losgelassen hatten.

Kapitel 2

3 Jahre zuvor

Ich sah auf den Boden zu meinen Füßen. Dort, wo mein Herz lag und um seine letzten Schläge kämpfte. Der Raum drehte sich. Alles, was ich bisher gekannt hatte, wirbelte um mich herum, um sich danach in Luft aufzulösen.

»Du willst was?« Meine Stimme klang leise, fast fremd. Eric tastete nach meinen Fingern, die verschränkt auf meinem Schoß lagen, aber ich entzog sie ihm und sah ihn eindringlich an. Vielleicht hatte er sich vertan? Einfach die falschen Worte gewählt. Mit meinem Blick in seine sorgenvollen blauen Augen versuchte ich, das eben Gesagte zu verstehen.

»Leni …«

»Nenn mich nicht so!«, fauchte ich ihn an, und er fuhr sich beschämt durch die blonden Haare. Ruckartig stand er auf und zog unruhige Kreise in meinem kleinen Wohnzimmer. Seine Schritte hallten über das hellbraune Laminat, bis sie auf dem grauen Teppich vor der Couch verstummten. Die Sonne, die durch die weißen Gardinen schien, war viel zu hell, viel zu strahlend, und stand damit im krassen Gegensatz zu dem Sturm, der in mir tobte.

Ich zog die Beine an, umschlang sie mit meinen Armen und sah geistesabwesend durch den Raum. Er meinte es tatsächlich ernst …

»Es tut mir leid«, sagte er und blieb vor mir stehen.

»Was tut dir leid? Dass du mir an unserem Jahrestag verkündest, dass du eine andere Frau vögeln willst?«, schrie ich nun.

Er schüttelte den Kopf. Die Sitzfläche der Couch senkte sich ein Stück, als er sich eng neben mich setzte. »So ist es doch nicht. Len… Lena, ich hatte das nicht geplant. Ich will dich nicht verletzen!«

»Das fällt dir aber reichlich früh ein!« Nun traten doch Tränen in meine Augen und liefen mir vereinzelt die Wangen hinunter. Schniefend strich ich sie mit meinem Handrücken weg. Langsam gesellte sich Wut zu dem ersten Schock.

»Lena, wir sind quasi seit der Grundschule zusammen. Wir haben nichts kennengelernt außer uns, und …« Er verstummte, und ich wusste genau, was er sagen wollte. Er suchte das Abenteuer, er war einer der Männer, die mit dreiundzwanzig schon ihre Midlife-Crisis bekamen! Ganz große Klasse!

»Natürlich liebe ich dich, aber …«

Ich schnaufte bei dem Wort »aber«. Es brannte sich wie ein heißer Nadelstich in meinen Kopf. Aber lass uns Freunde bleiben. Aber wir können doch den Kontakt halten, dann kannst du immer sehen, wie gut es mir mit der anderen Tussi geht. Pff!

»Aber ich möchte nicht irgendwann aufwachen und mich fragen, ob ich etwas verpasst habe. Oder dich sogar noch mehr verletzen. Ist das denn so abwegig?«

»Liebst du sie?«, fragte ich, und meine Stimme brach.

Er seufzte und wandte den Blick ab. »Ich weiß es nicht …«

Schnell drehte ich meinen Kopf Richtung Fenster und betrachtete den Vogel, der davor seine Kreise zog. Mir würden gerade ebenfalls ein paar Flügel guttun, damit ich diesem Horror hier einfach entfliehen konnte. Wie hervorragend es sich anfühlen musste, so frei zu sein.

»Ich dachte, du hättest bei mir alles, was du brauchst«, sagte ich leise und spürte seine Finger auf meinen. Die gewohnte Berührung ließ mich zusammenzucken. Sie fühlte sich falsch an.

»Das dachte ich auch …«

***

»Erde an Lena!« Selina fuchtelte mit der Notfallanleitung vor meinen Augen herum und ich sah sie blinzelnd an. »Wo warst du denn jetzt gerade?«

Geräuschvoll stieß ich die Luft aus meinen Lungen und lehnte mich tiefer in den weichen Flugzeugsitz. »Ich hab nur kurz gedöst.«

»Mit offenen Augen?«, fragte meine beste Freundin und schüttelte ihre dichte schwarze Mähne. »Ich sehe es dir doch genau an. Hör jetzt endlich auf, dich immer wieder daran zu erinnern. Deshalb unternehmen wir schließlich diesen Trip! Damit du ihn vergisst und mal an dich selbst denkst!«

»Ja …«, sagte ich leise und sah aus dem ovalen Flugzeugfenster. Strahlend weiße Wolken schwebten wie Watte in der Luft, und ich erkannte darunter das dunkelblaue Wasser des Atlantiks.

»Es wird so toll! Gran Canaria! Strand, Cocktails, Männer in Badehosen und du hast auch noch bald Geburtstag!«

»Oh ja, wie toll«, antwortete ich mechanisch. Vor zwei Wochen, als Selina mich mit der Buchung überrascht hatte, hatte ich noch gedacht, ein Urlaub wäre eine gute Idee, um Abstand zu gewinnen. Mittlerweile war ich mir dessen nicht mehr so sicher. Doch ich schätzte an ihr, dass sie wenigstens versuchte, mich aufzuheitern. Auch wenn ich im Moment nicht gerade das Paradebeispiel für unterhaltsame Gesellschaft war.

»Du hast deine Ausbildung als Köchin in der Tasche, ich habe zwei ganze Wochen Urlaub von meinem bescheuerten Chef bekommen, was willst du mehr?«, plapperte sie weiter.

Ja, was wollte ich mehr? Vielleicht meinen Freund zurück, den ich liebte, der mir aber mit wehenden Fahnen und offener Hose das Herz aus der Brust gerissen hatte, indem er mich für eine andere verlassen hatte. Und was machte ich? Blies Trübsal, anstatt froh zu sein, dass ich diesen Blödmann los war!

»Isst du das noch?« Selina deutete auf das in Plastik eingepackte Brötchen auf dem kleinen Klapptisch, das unappetitlich vor mir lag und um Erlösung bettelte.

»Nee, kannst du haben.«

Sie griff hektisch danach und verspeiste es, als hätte sie tagelang nichts zu essen bekommen. Ich fragte mich ziemlich oft, wo sie diesen ganzen Fraß, den sie in ihren schlanken Körper stopfte, hinschob.

»Darf es noch etwas sein?« Die blonde Stewardess sah uns freundlich an. Ihr überschminkter Mund verzog sich zu einem Lächeln und entblößte strahlend weiße, gerade Zähne. So eine Frau hatte Eric bestimmt auch um ihren Finger gewickelt. Eine perfekte, hübsche, selbständige Frau. Die Stewardess ging mir schon die ganze Zeit auf die Nerven.

»Ja, zwei Sekt, bitte!«, bestellte Selina. Die Flugbegleiterin nickte und wühlte in ihrem Servierwagen. Triumphierend hielt sie uns die zwei kleinen Fläschchen hin. Die Deckel zischten, als wir sie öffneten, und wir stießen schwungvoll miteinander an, so dass der überschäumende Alkohol unsere Finger herablief.

»Auf einen Urlaub voller Spaß, Sonne und Erholung!«

Ich nickte zu Selinas Trinkspruch und setzte die Flasche an meine Lippen. Wenn es gar nicht anders ging, würde ich meinen Verstand eben mit Alkohol betäuben, bis Selina ihre Euphorie ein wenig gezügelt hatte. Wenn sie das überhaupt konnte. Ansonsten würde meine Leber nach diesem Urlaub sicherlich wochenlang stinksauer sein.

***

»Ist es hier nicht großartig!« Selina strahlte, und ich musste ihrem breiten Grinsen unvermittelt zustimmen.

»Hast du gut gemacht«, lobte ich und zwinkerte ihr zu. Wir standen vor der Rezeption und warteten, bis die Mitarbeiterin unsere Schlüsselkarten vorbereitet hatte. Das Hotel lag in grüner Wildnis, laut zirpende Grillen hatten unseren Weg von der Bushaltestelle bis zum Eingang begleitet. Die Sonne schien trotz April warm von dem blauen, wolkenlosen Himmel. Selina konnte froh sein, dass sie das Schnäppchen hier gefunden hatte. Vier Sterne zum Sonderpreis. Sie hatte direkt zugeschlagen, ohne mich auch nur zu fragen.

Aber nun war ich doch irgendwie froh. Es war ein luxuriöses, nicht zu großes Hotel. Das längliche Gebäude lag direkt am Strand, war aber nur drei Stockwerke hoch. Viel besser als diese Betonburgen, die wir vom Bus aus gesehen hatten. Furchtbar! Mit tausenden anderen Menschen am Buffet zu stehen oder zusammen im Pool zu schwimmen. Ich konnte mir nichts Schrecklicheres vorstellen, als an schwitzender, fremder Haut zu kleben, während ich mir zum Abendessen den Kantinenfraß auf den Teller schaufelte. Natürlich legte ich als mittlerweile gelernte Köchin großen Wert auf das Essen. Aber darum musste ich mir hier weniger Sorgen machen, denn Selina wusste, was mir wichtig war.

»Bitte schön, Zimmernummer 53. Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Aufenthalt.« Das Lächeln der Empfangsdame wirkte ehrlich und machte sie auf Anhieb sympathisch.

Wir liefen, nur mit unserem Handgepäck unterm Arm, zu den Aufzügen. Der Page hatte sich bereits vor zehn Minuten unsere Koffer geschnappt und sie auf das Hotelzimmer bringen lassen. Was für ein Service! Normalerweise hätte ich mir das direkt nach meiner Ausbildung nicht leisten können und Selina mit ihrem Gehalt als Bürofachangestellte ebenfalls nicht. Es lebe Last Minute und Nebensaison!

Wir mussten in den zweiten Stock. Selbst der Lift wirkte edel, er war komplett verspiegelt und mit goldenen Knöpfen ausgestattet. Der Teppich darin hatte nicht einen einzigen Fleck. Ich traute mich kaum, darauf zu stehen.

»Das hast du wirklich gut gemacht«, sagte ich nochmal und lächelte Selina an, die sich sichtlich freute.

»War mir klar, dass es dir gefällt, wenn wir erstmal hier sind.«

Wir stiegen aus und suchten mit Hilfe der kleinen Metallschildchen an den Türen nach unserer Zimmernummer. Ich fühlte mich vor lauter Neugierde und Vorfreude auf unser Zimmer fast schon überdreht, als wir es endlich fanden. Das kleine grüne Lämpchen über der Klinke bedeutete uns, dass wir erfolgreich eingecheckt hatten. Ich drückte gegen das schwere Türblatt und mir blieb der Mund offen stehen, während Selina einen Freudenschrei ausstieß und an mir vorbeistürmte.

»Oh! Mein! Gott!«, schrie sie immer wieder und hüpfte aufgeregt im Zimmer auf und ab. Und zwar im Wohnzimmer! Na ja, auch die größten Pechvögel mussten einmal Glück haben.

Unsere Koffer befanden sich auf der rechten Seite des Raumes, neben einer Sitzecke in weißem Leder, vor der ein niedriger Glastisch stand. Links ging eine Tür vermutlich in das Schlafzimmer und vorne im Eingangsbereich eine in das Badezimmer ab, die halb geöffnet war. Von hier erkannte ich hellgrauen Marmor und dunkelbraune Möbel. Schick.

Meine Starre löste sich und mein Körper stellte sich innerlich endlich auf Urlaub ein. Die Anspannung der letzten Wochen verflog zum größten Teil und ich konnte nach langer Zeit wieder durchatmen. Ich lief zu meiner besten Freundin und wir fielen uns lachend in die Arme.

»Zwölf Tage, Leni! Zwölf ganze Tage sind wir hier!«

Selina ging zur Fensterfront, schob die roten Samtgardinen zur Seite und öffnete die breite Flügeltür, die auf den Balkon führte. Ich folgte ihr und erneut fiel meine Kinnlade Richtung Boden.

»Wow!« Mehr konnte ich nicht sagen, mein Gehirn war völlig überwältigt.

Unter uns lag ein türkisfarbener Pool, der so aussah, als würde er direkt ins Meer übergehen. Rechts davon befand sich eine Bar, über der ein rustikales Holzschild und Bambusmatten mit Kokosnüssen hingen. Ein braungebrannter Spanier mit schulterlangen, dunklen Haaren schob zwei Gästen in Badeklamotten einige Gläser über die Theke.

Das Meer dahinter war fantastisch! Die Wellen wogten sanft auf den hellen Sandstrand zu, und ich roch das Salz in der Luft. Vereinzelt standen Liegen mit cremefarbenen Sonnenschirmen auf dem Sand, aber nicht so eng aneinander, dass man Angst haben musste, der Nachbar rutsche jederzeit rüber zum Kuscheln. Generell kam hier nicht der Eindruck auf, als wären viele Menschen anwesend.

»Komm, Bikini an und ab zum Strand!« Selina lachte und verschwand wieder nach drinnen.

Ich atmete einige Sekunden die warme, saubere Luft ein und genoss den Ausblick, bevor ich es meiner Freundin nachtat und meinen hellgelben Bikini überzog. Extra für den Urlaub hatten wir uns bunte Pareos gekauft, die wir nun um uns wickelten, um danach hinunter zum Strand zu laufen. Unsere Flipflops machten ploppende Geräusche auf den sandfarbenen Kacheln, die zum Meer führten. Der Barkeeper lächelte uns freundlich zu, als wir an ihm vorbeiliefen. Selina zog ihre Sonnenbrille ein Stück nach unten und grinste ihn frech an. Die Sonne wärmte unsere Haut, und ich dachte an die Daheimgebliebenen, die sich nun mit zehn Grad Lufttemperatur herumschlagen mussten, während wir knapp an die dreißig hatten.

Der Sand zwischen den Zehen war fast schon ein bisschen zu heiß, und wir rannten lachend los, um das frische Meer zu erreichen und unsere Füße abzukühlen. Die Wellen umschmeichelten unsere Beine, als wir bis zu den Waden hineinstiegen. Gemeinsam sahen wir auf die blaue Weite hinaus und versanken in unseren Gedanken.

»Können wir für immer hierbleiben?«, fragte Selina und ich seufzte, weil ich genau das Gleiche gedacht hatte.

»Klar, du fragst nach einem Job an der Rezeption und ich geh in die Küche. Das wäre ein Traum.«

»Komm, ich hab Lust, mich auf eine Liege zu fläzen und die heißen Einheimischen zu begutachten, die hier herumstolzieren.« Selina kicherte. Wir suchten uns zwei freie Liegestühle in der ersten Reihe, denn davon waren noch genug unbelegt. Dort breiteten wir die sonnengelben Handtücher aus, die in unserem Zimmer bereitgelegen hatten, stellten unsere Taschen unter das kleine Tischchen in der Mitte und ließen uns auf die weichen Rattanliegen fallen. Keine zwei Minuten später kam ein junger Angestellter und hielt uns zwei Kokosnüsse hin. Wir sahen uns sprachlos an und konnten unser Glück kaum fassen. Wir waren im Paradies angekommen, zweifelsfrei! Besser konnte der Urlaub überhaupt nicht mehr werden!

Während Selina mit dem hübschen Mann eindeutige Blicke austauschte und aus ihrer Tasche ein passendes Trinkgeld kramte, glitt mein Blick über den Strand.

Für die Größe des Hotels waren wirklich wenige Liegen belegt, vielleicht zehn zu jeder Seite hin. Ich sah erneut über das Meer. Einzelne Sandkörner kitzelten noch zwischen meinen Zehen, als ich meine Füße hin und her bewegte.

Plötzlich erregte etwas in meinem rechten Augenwinkel meine Aufmerksamkeit. Mir wurde noch heißer, als es mir in der Sonne ohnehin schon war, und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Aus den Wellen kam ein Mann. Das Wasser glitzerte in der Sonne auf seinen definierten Bauchmuskeln. Das perfekte V verschwand in seinen dunkelblauen Badeshorts, die locker auf seinen Hüften saßen. Er strich sich das verbliebene Wasser aus den dunkelbraunen, dichten Haaren und lief an unseren Liegen vorbei. Sein Blick war unablässig geradeaus gerichtet und ich errötete leicht, als ich merkte, dass ich ihn offenherzig anstarrte. Aber ich konnte nicht anders. Er war einfach zu schön, als dass er nicht alle Blicke auf sich gezogen hätte, und hinter den dunklen Gläsern meiner Sonnenbrille war ich hoffentlich undercover. Unvermittelt traten Bilder in meinen Kopf, die mindestens eine FSK-18-Kennzeichnung verlangt hätten. Er strahlte so viel Selbstsicherheit aus, dass ich ihm nicht widerstehen konnte.

Bei genauerem Hinsehen erkannte ich auf seiner Haut einige kleinere, helle Stellen, die wie verblasste Blessuren aussahen. Doch dieser Makel machte ihn nur noch anziehender für mich. Auch die Muskeln seines Rückens waren trainiert. Gebräunte Haut zog sich über sein breites Kreuz.

Ich wandte erst meinen Blick ab, als er sich einige Liegen weiter fallen ließ und einem anderen Typen freundschaftlich auf den Rücken schlug, der erschrocken aus dem Schlaf aufwachte. Ich unterdrückte ein Kichern.

»Na, genug gegafft?« Selinas Stimme trat nur leise an die Oberfläche meines Bewusstseins.

»Was?«

»Den Typen. Wisch dir mal den Sabber aus dem Mundwinkel, das kommt unerotisch«, kicherte sie, und ich strich mir unauffällig über den Mund.

»Ha ha. Witzig …«

»Ist doch toll, wenn dich wieder andere Männer interessieren. Aber bei dem fällt es einem auch echt schwer, nicht hinzusehen.«

»Ja«, sagte ich geistesabwesend und kramte betont beschäftigt in meiner Strandtasche, um mir ein Magazin herauszuholen. »Wahrscheinlich sowieso schwul.«

Selina machte eine abweisende Handbewegung. »Das kriegen wir schnell heraus! Vielleicht sind sie noch länger da, wir könnten ja mal rübergehen.«

Ich sah sie skeptisch aus dem Augenwinkel an. »Nein, lieber nicht.« Eigentlich hatte ich kein großes Interesse an einer Bekanntschaft. Eventuell fehlte mir auch nur der Mut, einen Mann wie ihn anzusprechen, oder ich war mir selbst nicht sicher, was ich wollte. Auf jeden Fall wurde ich plötzlich unglaublich nervös, als ich mir vorstellte, mit ihm sprechen zu müssen. Stotterfrei, wohlgemerkt. »Vielleicht später«, sagte ich versöhnlicher.

Selina seufzte. Sie band ihre schwarzen Haare zu einem Dutt, drehte sich auf den Bauch und öffnete ihr Bikinioberteil, um den Worten nahtlose Bräune gerecht zu werden.

Manchmal bewunderte ich meine beste Freundin für ihr Selbstbewusstsein. Schon zu Schulzeiten hatte ich mich von ihr mitziehen lassen, während sie auf die verrückten Ideen kam.

Vielleicht lag es auch an meinen Eltern, die mir früh das Gegenteil von Unabhängigkeit beigebracht hatten. Natürlich hatten sie ihre Gründe für diese Art der Erziehung, aber sie übertrieben oft maßlos. Trotzdem hatte ich mich damit arrangiert, ja, ich brauchte diese Sicherheit mittlerweile sogar ein Stück weit in meinem Leben. Eric hatte mir genau das gegeben, und nach der Trennung war ich deshalb in ein tiefes Loch gefallen.

Nur meine beste Freundin konnte mir da wieder hinaushelfen. Selina war die einzige Person in meinem Umkreis, die mich ermutigte, Dinge einfach zu tun, die ich mich sonst nicht getraut hätte. Und dafür liebte ich sie bedingungslos.

Kapitel 3

Der restliche Tag verging genauso perfekt, wie er angefangen hatte. Wir lagen bis zum späten Nachmittag am Strand, sonnten uns, gingen eine Runde schwimmen oder machten einfach nur ein Nickerchen.

Nach den Anstrengungen meiner Abschlussprüfung, die nur zwei Wochen her war, und dem Gefühls-Wirrwarr, das Eric mir bereitet hatte, tat es gut, einfach das zu machen, worauf ich Lust hatte. Ohne das schlechte Gewissen, einer Verpflichtung nicht nachgekommen zu sein.

Auch das Abendessen war köstlich. Es gab frisch Gegrilltes, und Selina und ich schlugen uns die Bäuche voll. Wie unser Kellner uns mitgeteilt hatte, gab es für das Buffet jeden Tag ein anderes Motto. Wir freuten uns schon auf die morgige spanische Nacht mit frischem Fisch und Paella.

An diesem Abend fühlte ich mich so ausgeruht und ausgelassen wie schon lange nicht mehr. Blöd nur, dass es nun mitten in der Nacht war und ich mich unruhig in den Laken wälzte. Selina lag leise und gleichmäßig atmend neben mir in dem breiten Doppelbett und schlief wie ein Murmeltier. Sie hatte schon immer einen tiefen Schlaf gehabt, im Gegensatz zu mir.

Solange ich abgelenkt war, wie heute den Tag über, konnten mir meine Gedanken nichts anhaben. Das änderte sich schlagartig, als ich in der Stille des dunklen Raumes lag und keine Möglichkeit hatte, meinen Erinnerungen zu entkommen. Eine davon war schmerzhafter als die andere.

Ich dachte an Eric und an die Zeit, als er damals mit elf an unsere Schule gekommen war. Der blonde, witzige Junge, der mich und alle anderen mit seiner offenen Art in den Bann geschlagen hatte. Eric bei unserem ersten richtigen Date mit dreizehn am Badesee. Unser erster Kuss mit Zunge in seinem Zimmer, als wir vierzehn gewesen waren.

Eric, der mir die Sicherheit gab, die ich brauchte, weil er immer genau wusste, was zu tun war. Er hatte immer schon einen Plan gehabt. Und nun war mir dieser Plan vollständig abhandengekommen. Ich fühlte mich wie in freiem Fall, nur dass es einfach keinen Boden gab, der mich endlich erlöste.

Ich schloss die Augen und kniff meine Lider fest zusammen, damit die blöde Träne, die sich gerade ihren Weg gebahnt hatte, nicht weiterlief. Ich musste auf andere Gedanken kommen, jetzt, sonst würde ich Selina mit meiner Heulerei nur wecken.

Leise seufzend schwang ich die dünne Bettdecke zur Seite und überlegte, ob ich mir schnell etwas über meine Schlafshorts und das Top ziehen sollte. Aber es waren noch über zwanzig Grad und so spät würde bestimmt keiner mehr unterwegs sein.

Ich schlich mich auf Zehenspitzen nach draußen, schlüpfte in meine Flipflops und schnappte mir eine Schlüsselkarte. Nachdem ich die Tür leise hinter mir zugezogen hatte, lief ich einfach drauflos, ohne nachzudenken. Sollte ich an den Strand gehen? Oder mich an den Pool setzen? Das kam mir irgendwie erbärmlich vor, so ganz alleine. Am Ende des Ganges angekommen entdeckte ich ein kleines Schild, welches ich fast übersehen hätte. Sonnendeck, prangte darauf. Ein kleiner Pfeil zeigte auf die Treppe, die nach oben führte. Von dort oben hatte man sicher eine spektakuläre Aussicht.

Also stieg ich die Stufen hoch und drückte eine weitere Tür auf. Klare Nachtluft wehte mir entgegen. Automatisch atmete ich tief ein und hatte sofort den Eindruck, dass das Engegefühl in meiner Brust ein wenig nachließ. Ich staunte nicht schlecht.

Inmitten der Dachterrasse befand sich ein kleiner, viereckiger Pool. Die Lampen darin beleuchteten das hellblaue Wasser und waren die einzigen Lichtquellen hier oben.

Rings um das Becken standen einige Doppelliegen, die jeweils mit einem Baldachin aus weißem, dünnem Stoff versehen waren und wie gemütliche Himmelbetten aussahen. Selbst hier konnte man das leise, beruhigende Meeresrauschen vernehmen. Wahnsinn, wieso war dieser Ort nicht richtig ausgeschildert? Hier könnte man sicher einige schöne Tage verbringen.

Ich stockte, als ich etwas abseits eine dunkle Gestalt am Geländer lehnen sah. Dem Körperbau nach handelte es sich um einen gut trainierten Mann. Sein Blick war geradeaus auf das dunkle Meer gerichtet, und er hatte sich mit seinen Unterarmen auf dem Geländer abgestützt. Sein T-Shirt spannte über seinen Schulterblättern, und die kurzen Shorts waren seiner Badehose von heute Mittag nicht unähnlich.

Ich hätte einfach gehen sollen. Anscheinend hatte er mich noch nicht bemerkt. Obwohl ich nicht wusste, weshalb es mir unangenehm war, den Mann von heute Mittag hier oben zu treffen. Es war schließlich nicht nur sein Hotel.

Trotzdem drehte ich mich um und wollte gerade nach der Tür greifen, als ich seine tiefe, angenehme Stimme vernahm. »Du kannst ruhig hierbleiben.«

Ich zögerte, ließ dann die Hand sinken und wandte mich zaghaft zu ihm um. Es war mir selbst nicht ganz klar, was er an sich hatte, das mich wie ein kleines Mädchen reagieren ließ. Irgendetwas an ihm schüchterte mich ein. Sein Gesicht wurde nun halb von den Strahlern im Pool angeleuchtet, und er blickte mich erwartungsvoll an. Wahrscheinlich weil er dachte, dass ich jetzt irgendetwas sagen würde. Ja … das wäre auch die normale Reaktion gewesen! Wie peinlich.

Ich räusperte mich und nickte leicht lächelnd. »Danke.«

Wieso bedankte ich mich bei ihm? Weil er mir erlaubt hatte hierzubleiben? Oh gnädiger Fremder! Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Mutig ging ich hinüber und stellte mich etwas abseits neben ihn.

Wir schauten beide wieder geradeaus in die Schwärze, die das Meer nur vermuten ließ. Der Pool neben dem Hotel war ebenfalls beleuchtet und Lichterketten hingen auf einigen Palmen, die sanft in der Meeresbrise hin und her wogten.

»Es ist wirklich schön hier«, durchbrach ich die Stille.

»Oh ja, sehr. Ich habe diesen Platz durch Zufall gestern Nacht gefunden.«

»Du kannst anscheinend öfter nicht schlafen, was?«

Was fragte ich denn? Es ging mich doch überhaupt nichts an, wieso er hier war. Er sah wieder nach vorne und zuckte kurz mit den Achseln.

»Hier ist es so schön, ich halte jede Minute, in der ich schlafe, irgendwie für vergeudete Zeit.« Er stellte sich aufrecht hin und sah mich an. Ich musste den Kopf ein Stück in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu sehen, weil er wirklich groß war. Und breit. Und so anziehend …

Doch sein Blick wirkte fast etwas unsicher, als ob er sich fragte, was ich nach diesem Geständnis von ihm dachte. Aber ich wusste, was er meinte, denn mir ging es ähnlich.

»Verstehe ich. Ich würde am liebsten überhaupt nicht mehr nach Hause fahren, obwohl wir erst heute angekommen sind.«

Sein Lächeln warf mich fast aus der Bahn, und ich rutschte unauffällig ein winziges Stückchen näher an ihn heran.

»Wir sind auch erst vor zwei Tagen angereist, aber ich war im letzten Jahr bereits hier. Glücklicherweise haben wir jetzt noch zehn weitere Tage.« Er zwinkerte mir zu, und wahrscheinlich sah er mir deutlich an, dass ich mich darüber freute, dass er nicht gleich wieder abreiste. Inzwischen standen wir nur einen halben Meter voneinander entfernt, denn auch er war einige Zentimeter nähergekommen.

»Und wieso kannst du nicht schlafen? Zu viele Sorgen mitgenommen, anstatt sie zu Hause zu lassen?«, fragte er. Ich seufzte.

»Ja, das trifft es ziemlich gut. Oder es war der Kaffee vorhin beim Abendessen«, witzelte ich. Auch wenn er mit seiner Vermutung den Jackpot geknackt hatte, war ich nicht bereit, einem Fremden alles über mein Leben zu erzählen. Anscheinend deutete er meine vage Aussage und die Stille, die darauf folgte, richtig, denn er streckte mir seine Hand entgegen. Ich sah ihn überrascht an.

»Dominik. Ich hab mich gar nicht vorgestellt, sorry.«

Lächelnd ergriff ich seine Finger, die sich angenehm fest um meine schmiegten. »Freut mich. Lena.«

Er hielt meine Hand noch einige Sekunden fest. Als er sie losließ, wünschte ich mir plötzlich, ihn noch länger berühren zu können.

»Und was machst du so zu Hause?«, fragte ich, weil ich das Gespräch wieder in Gang bringen und dieses wirre Gefühl in meiner Magengegend überspielen wollte.

»Wie wäre es, wenn wir nicht von zu Hause reden?«, schlug er vor und grinste mich schief an. »Lass uns den Moment genießen. Das ist viel schöner, als an etwas anderes zu denken.«

Ich erwiderte sein Lächeln, denn diese Idee gefiel mir ausgesprochen gut. Deswegen war ich doch hier raufgekommen, oder? Um auf andere Gedanken zu kommen und zu vergessen. »Klingt ausgezeichnet.«

Wir schauten wieder nach unten, und obwohl nun Stille zwischen uns herrschte, war es nicht unangenehm. Ich konnte es tatsächlich genießen, wie der lauwarme Wind über meine Haut strich und dass ich hier oben nicht allein war.

»Ich hab dich vorhin schon am Strand gesehen«, sagte Dominik plötzlich.

Mein Herz setzte einige Takte aus. Ich war ihm ebenfalls aufgefallen? Dabei hatte er kein einziges Mal zu mir geblickt. Zumindest war es mir nicht aufgefallen, während ich ihn immer wieder verstohlen von der Seite betrachtet hatte.

»Ich dich auch«, erwiderte ich mutig. Sein leises Lachen verriet mir, dass er das sehr wohl bemerkt hatte. Eine leichte Röte zog sich über meine Wangen, die er hoffentlich in dem schwachen Licht nicht erkennen konnte. Was machte er nur mit mir? Natürlich hatte ich nicht viel Erfahrung mit Männern, außer mit Eric, aber trotzdem war ich sonst nicht unbedingt auf den Mund gefallen. Alles an ihm gefiel mir so gut, dass ich mir wünschte, er würde mich ebenfalls attraktiv finden. Ich hatte ein wenig Angst, ihm nicht zu gefallen, wenn ich etwas Falsches sagte. Dabei war das Schwachsinn. Denn entweder er nahm mich so, wie ich war, oder er ließ es bleiben. Aber wie war ich überhaupt? Seitdem Eric nicht mehr an meiner Seite war, fehlte mir die Richtung.

Ich räusperte mich und stand auf. Er tat es mir gleich und wir sahen uns wortlos an.

»Danke für die nette Unterhaltung. Ich glaube, ich geh mal wieder ins Bett.«

Er nickte. »Dann gute Nacht, Lena.«

Ich mochte auf Anhieb, wie er meinen Namen aussprach.

»Gute Nacht, Dominik.«

Mit einem letzten Lächeln lief ich zur Tür und verließ das neu gefundene Stück Paradies, das den gesamten Urlaub noch weiter perfektionierte. Und ich wusste nicht, ob ich damit nur das Sonnendeck meinte.

Kapitel 4

Selina war nicht so wählerisch wie ich. Sie saß bereits an einem kleinen Tisch in einer Ecke und verspeiste ihr Frühstück. Mein Teller war nur halbvoll, und ich stand vor dem umfangreichen Buffet. Es war eine Berufskrankheit, alles einmal probieren zu wollen und sich dann nicht entscheiden zu können … außer bei den Tomaten. Die fand ich grundsätzlich widerlich!

»Na, keinen Hunger?«

Ich zuckte zusammen und sah nach rechts. Dominiks Augen funkelten mich in einem hellen Grün an. Die Farbe hatte ich gestern in der Dunkelheit nicht erkennen können. Seine Lippen kräuselten sich belustigt. Auch heute trug er, dem Wetter entsprechend, Shirt und Shorts. Seine muskulösen Oberarme schauten aus den kurzen Ärmeln und ich blinzelte einige Male, weil ich mich versichern wollte, dass ich mir unsere Begegnung gestern nicht eingebildet hatte und er tatsächlich mich meinte.

»Guten Morgen«, antwortete ich und musste selbst über mich lachen, weil ich mich einfach nicht entscheiden konnte. »Hunger schon, aber es gibt so viel Auswahl!«

Er lachte. »Dann probier doch einfach alles.« Er begann, Rührei auf seinen Teller zu schaufeln und pikte mit seiner Gabel nacheinander in die verschiedensten Gerichte hinein. Bevor er sich jedoch etwas auf den Teller legte, füllte er jedes Mal meinen, so dass ich die gleiche Anzahl an Köstlichkeiten darauf hatte wie er.

»Keine Tomaten!«, sagte ich panisch, und er legte sie schmunzelnd auf seinen eigenen Teller.

»Siehst du, gar nicht so schwer, oder?« Er zwinkerte mir zu.

Ich sah auf meinen überladenen Teller hinab. Wie sollte ich das denn alles essen? Doch wenn ich es nicht schaffte, würde Selina mir bestimmt bereitwillig helfen. Und so wusste ich für morgen wenigstens, was mir schmeckte. Guter Plan.

»Danke.«

»Was macht ihr heute?«, fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich hätte Lust, mir mit meiner Freundin etwas von der Gegend anzusehen. Mal schauen, so genau weiß ich es noch gar nicht.«

»Okay. Dann sehen wir uns vielleicht später am Strand?« Mit einem Lächeln, das mir fast die Flipflops und außerdem förmlich mein Höschen auszog, drehte er sich um und lief auf einen Tisch zu, an dem bereits sein Freund saß. Hoffentlich war er nicht doch schwul und einfach nur höflich zu mir … Und ich Pute interpretierte viel zu viel in seine Nettigkeiten hinein.

Unsicher ging ich zu Selina, die mich belustigt ansah und sich mit der Gabel eine Tomate in den Mund schob. Es schüttelte mich bei dem Anblick.

»Na, schon eingelebt, wie ich sehe«, grinste sie.

Ich senkte den Kopf. »Vielleicht …«

»Vielleicht? Lena, was wollte Hottie?«, fragte sie mit aufgerissenen Augen.

»Er wollte wissen, was wir heute machen.«

»Und? Hast du ihm gesagt, dass wir die beiden unbedingt in Badehosen sehen wollen?«

Ich sah peinlich berührt durch den Raum. »Psst! Nicht so laut …«

»Wieso nicht? Ich glaube, die zwei wissen ganz genau, wie sie auf Frauen wirken.« Sie schaute hinüber zu den beiden Männern und grinste Dominiks Freund breit und ungeniert an. Er erwiderte ihr Lächeln.

»Also, wenn der dir nicht hilft, mal abzuschalten, dann schafft es keiner«, sagte sie und suchte erneut meinen Blick.

Ich musste mir ein lautes Lachen verkneifen. »Hörst du dir manchmal selbst zu? Du klingst wie eine rollige Katze!«

»Wer sagt, dass ich keine bin?«