Zwischen Sünde und Sinnlichkeit - Elizabeth Hoyt - E-Book

Zwischen Sünde und Sinnlichkeit E-Book

Elizabeth Hoyt

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Beschreibung

Die junge Haushälterin Bridget Crumb ist gewarnt: Der Duke of Montgomery hat den Ruf eines gewissenlosen Verführers! Dennoch hat sie die Stelle auf seinem Anwesen angenommen – aus einem einzigen Grund: um Briefe zu finden, mit denen der Duke ihre Mutter erpresst. Doch die fieberhafte Suche bringt sie ihrem attraktiven Arbeitgeber gefährlich nah, und mit seinen raffinierten Liebkosungen entführt er sie skrupellos sinnlich in den Himmel der Lust. Plötzlich ist Bridgets Herz in Gefahr – und sie ist sicher, der Duke empfindet ebenfalls weit mehr als Leidenschaft. Sie ahnt nicht, dass der grausame Leitsatz seiner Familie lautet: Du musst das töten, was du liebst …

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Seitenzahl: 439

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IMPRESSUM

HISTORICAL GOLD EXTRA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Nancy M. Finney Originaltitel: „Duke of Sin“ This edition published by arrangement with Grand Central Publishing, New York, NY, USA. All rights reserved. Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL GOLD EXTRABand 131 - 2021 in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Übersetzung: Ulrike Pesold

Abbildungen: the killion Group / Hot Damn Designs, wat / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751502344

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

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1. KAPITEL

Es war einmal ein König, der hatte kein Herz …

Aus: „König Herzlos“

Oktober 1741

London, England

Es gab wohl kaum Orte, die noch ungünstiger für eine Haushälterin mit makellosen Referenzen waren, an denen sie erwischt werden konnte, als auf dem Bett ihres Arbeitgebers kniend. Aber hier kommen zwei Umstände zusammen, die diese Situation besonders problematisch machen, dachte Bridget Crumb. Zum einen, dass der betreffende Arbeitgeber Seine Gnaden, der Duke of Montgomery war, der gemeinhin als der schlechteste Mensch ganz Londons galt. Und zum anderen, dass sie zufällig ein gerade eben entwendetes Miniaturporträt mit ihrer rechten Hand umklammert hielt.

Wirklich, sie würde eine sehr starke Tasse Tee brauchen, wenn das alles vorbei war – angenommen, natürlich, dass sie den Zorn des Dukes tatsächlich überleben würde.

„Sagen Sie mir, Mrs. Crumb“, meinte Seine Gnaden mit einer Stimme voller honigsüßer Drohung, „wonach suchen Sie?“

Der Duke war weder ein besonders großer Mann, noch war er, was man gemeinhin für einschüchternd halten würde – ganz im Gegenteil. Sein Gesicht hätte von einem griechischen Bildhauer modelliert worden sein können, so perfekt waren seine Wangenknochen, seine Lippen und seine Nase. Seine Augen waren von einem klaren Azurblau. Sein lockiges Haar hatte die Farbe von polierten Guineen und war wunderschön – was der Duke offensichtlich wusste, denn er trug es lang, ungepudert und mit einer riesigen Schleife im Nacken zurückgebunden. Er war bekleidet mit einem eleganten lilafarbenen Gehrock aus Samt über einer Weste aus Goldbrokat, die schwarz und purpurn bestickt war. Unmengen von Spitze fielen von seinen Handgelenken und seinem Hals hinab, als er da in einem geschwungenen Polstersessel saß. Ein langes Bein hatte er nach vorne gestreckt. Die Diamanten auf den Schließen seiner Schuhe glitzerten im Kerzenlicht. Seine Gnaden war die Personifikation städtischer, weltmännischer Eleganz – aber jeder, der ihn deswegen für harmlos hielt, war ein großer Narr.

Der Duke of Montgomery war so tödlich wie eine zusammengerollte Otter, die man plötzlich zu seinen Füßen entdeckte.

Darum machte Bridget auch keine schnellen Bewegungen, als sie vom Bett aufstand. „Willkommen zu Hause, Euer Gnaden. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie vom Kontinent zurückkehren, hätte ich Ihre Räumlichkeiten gelüftet und vorbereitet.“

„Ich war nicht auf dem Kontinent, und ich bin sicher, dass Sie sich dessen durchaus bewusst sind.“ Der Duke deutete mit einer trägen Handbewegung auf eine Ecke im Zimmer, die im Schatten lag.

Bridget war eine zu gute Dienstbotin, um zuzulassen, dass ihre Augen sich weiteten, als sie die kleine, halb offene Tür sah, die geschickt in die Paneele eingefügt worden war. Sie hatte diese Tür noch nie zuvor bemerkt. Zwar hatte sie einen Verdacht gehabt, aber bis heute Nacht keine Beweise. Jetzt wusste sie es: Er war die ganze Zeit über hier gewesen – versteckt in den Wänden seines Stadthauses. Wie lange hatte er sie schon beobachtet – seit Tagen? Wochen? Die ganzen drei Monate, in denen er sich angeblich auf dem Kontinent aufgehalten hatte? Wichtiger noch, wie lange hatte er sie heute Abend beobachtet? Hatte er gesehen, wie sie die Miniatur in einem verborgenen Fach im Kopfteil des Betts gefunden hatte?

Wusste er, dass sie sie jetzt gerade in der Hand hielt?

Der Duke lächelte, zeigte weiße Zähne, und es bildeten sich tiefe Grübchen in beiden Wangen. „Ich befürchte, ich bin nie fort gewesen.“

„In der Tat, Euer Gnaden“, meinte Bridget. „Wie tapfer von Ihnen, wenn man bedenkt, dass der Duke of Wakefield Sie aus England verbannt hat.“

„Oh, Wakefield.“ Der Duke schnalzte mit den Fingern, als verscheuchte er eine Fliege und nicht einen der mächtigsten Männer der Welt. „Er hat sich immer viel zu wichtig genommen.“ Er machte eine Pause und betrachtete sie, als wäre sie ein Stück Achat, das er unter Kieselsteinen entdeckt hatte. „Aber was für eine scharfe Zunge Sie haben, wenn man bedenkt, dass Sie eine Haushälterin sind.“

Bridget wurde schwer ums Herz – sie wusste es besser, als so freiheraus zu sprechen. Es war nie gut für einen Dienstboten, von seinem Herrn bemerkt zu werden – besonders von diesem Herrn.

„Kommen Sie.“ Mit gekrümmtem Zeigefinger winkte er sie zu sich heran, und sie sah, wie ein juwelenbesetzter Goldring an seinem Daumen funkelte.

Sie schluckte und öffnete die rechte Hand, dann ließ sie die Miniatur vorsichtig auf den dicken Teppich fallen. Während sie auf ihn zuging, schob sie das kleine Bild mit dem Fuß unter das riesige Bett.

Einen Schritt von ihm entfernt blieb sie stehen.

Er verzog den Mund, gerissen und sinnlich. „Näher.“

Sie trat näher, bis sie mit ihren einfachen, praktischen schwarzen Röcken aus Wolle gegen seine in lilafarbenen Samt gehüllten Knie stieß. Ihr Herz schlug heftig und schnell, aber sie war zuversichtlich, dass ihr Gesichtsausdruck ihre Angst nicht preisgab.

Immer noch lächelnd streckte er ihr die Hände entgegen, die Handflächen nach oben gerichtet. Er hatte lange Finger, die sehr elegant waren. Die Hände eines Musikers – oder eines Fechters.

Einen Moment lang blickte sie verwirrt auf seine Hände.

Er hob eine Augenbraue und nickte.

Bridget legte ihre Hände auf die seinen. Handfläche auf Handfläche. Sie erwartete sengende Hitze oder tödliche Kälte und war ein wenig überrascht, stattdessen nur menschliche Wärme zu spüren.

Sie war nur ein wenig mehr als vierzehn Tage bevor der Duke offiziell verbannt worden war, eingestellt worden. In dieser Zeit war er ihr niemals menschlich erschienen – weder körperlich noch vom Verhalten her.

„Ah“, murmelte Seine Gnaden und neigte voller Interesse den Kopf. „Was für feminine Hände Sie haben, trotz Ihres Standes.“

Seine blauen Augen blitzten unter dunklen Wimpern zu ihr empor, und ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seinen Mund.

Mit undurchdringlicher Miene erwiderte sie seinen Blick.

Seine Lippen zuckten, und er sah wieder hinunter. „Klein, rundlich, mit akkurat geschnittenen, runden Nägeln.“ Er drehte ihre Hände um, sodass jetzt die Handrücken in seinen Handflächen lagen. „Ich kannte einmal ein griechisches Mädchen, das geschworen hat, es könnte die Lebensgeschichte eines Mannes aus den Linien seiner Hand lesen.“ Er ließ ihre linke Hand fallen, um die Linien der rechten mit dem Zeigefinger nachzufahren.

Seine Berührung sandte einen Schauer ihr Rückgrat entlang, und Bridget konnte ihr Erschauern nicht unterdrücken.

Das Grübchen des Dukes vertiefte sich neben seinem Mund, während er ihre Handfläche untersuchte. „Was haben wir hier? Schwielen, ohne Zweifel in meinen Diensten erworben.“ Er tippte auf die verdickte Haut in ihrer Handfläche. „Ein Leben voller guter, ehrlicher Arbeit für ein schottisches Mädchen.“

Sie hielt sich sehr ruhig. Woher wusste er, woher sie kam? Oder zumindest ungefähr woher sie kam? Sie hatte sehr hart an ihrem Akzent gearbeitet, seit sie nach London gekommen war, und war sich sicher, dass sie ihren Geburtsort niemals ihm oder seinem Vertreter, der sie eingestellt hatte, gegenüber erwähnt hatte.

„Und das“ – der Duke strich über den Hügel unter ihrem Daumen – „wissen Sie, wie man das hier nennt?“

Bridget räusperte sich, aber ihre Stimme klang dennoch ein wenig belegt. „Nein, das weiß ich nicht, Euer Gnaden.“

„Venusberg.“ Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an. Umwerfend schön. Tödlich charmant. „Mein griechisches Mädchen hat behauptet, er verrät, wie leidenschaftlich eine Frau ist. Sie, Mrs. Crumb, müssen unermessliche Tiefen von sinnlichem Verlangen in sich tragen.“

Sie blickte ihn mit zu Schlitzen verengten Augen an.

Er beugte sich vor und biss in den Hügel unter ihrem Daumen.

Sie schnappte nach Luft und entriss ihm ihre Hand.

Der Duke lachte und lehnte sich zurück, dann strich er sich langsam mit dem beringten Daumen über die Unterlippe. „Aber natürlich habe ich mich mehr für die Tittchen des griechischen Mädchens interessiert als für ihr Geschnatter übers Handlesen.“

Bridget starrte ihn an und wiegte die Hand, in die er gebissen hatte, in ihrer anderen Hand. Obwohl er ihr eigentlich nicht wehgetan hatte, kribbelte ihre Hand, als könnte sie immer noch seine Zähne – seine Zunge – auf der Haut spüren.

Sie holte Luft, um sich zu beruhigen. „Darf ich gehen, Euer Gnaden?“

„Natürlich, Mrs. Crumb“, erwiderte er. Er sah sie nicht länger an, sondern betrachtete angelegentlich seinen Ring. „Lassen Sie mir ein Bad bereiten. In der Bibliothek, denke ich. Mir ist danach, zu lesen, während ich im Wasser sitze.“

„Nachts, um diese Uhrzeit?“ Bridget blickte zu den dunklen Fenstern, als sie ihren Kerzenleuchter nahm. Es war nach Mitternacht, und die meisten der Bediensteten waren schon im Bett.

Aber natürlich interessierte es einen Duke nicht, ob er die Dienstboten aus dem Bett holte – überhaupt interessierte es kaum einen Adeligen. „Ja, jetzt, wenn ich bitten darf, Mrs. Crumb.“

„Sofort, Euer Gnaden.“

Die Hand auf dem Türknauf hielt Bridget inne. Sie konnte nicht widerstehen, sie musste einfach einen neugierigen Blick zurückwerfen, denn der Duke hatte sich ja offenbar seit Monaten versteckt gehalten – kam er jetzt endgültig aus seiner Deckung?

Seine himmelblauen Augen erwiderten belustigt und sündhaft ihren Blick – er hatte anscheinend ihre Gedanken gelesen. „Oh nein, ich habe genug von den Wänden. Nun“ – er schürzte die Lippen und zuckte mit den Schultern – „zumindest für den Moment. Sie sind eng und staubig, aber was für ein wunderbarer Ort, um zu spionieren. Ich spioniere Menschen so gerne nach. Es verleiht einem ein wundervolles Gefühl der Macht, finden Sie nicht?“

„Das weiß ich nicht, Euer Gnaden.“

„Nicht?“, spöttelte er und verzog den sinnlichen Mund zu einem Lächeln, als er flüsterte: „Oh, Mrs. Crumb. Sie gefährden Ihre unsterbliche Seele, wenn Sie lügen, wissen Sie.“

Bridget floh.

Leider gab es kein anderes Wort dafür. Sie schritt rasch durch das obere Stockwerk des Stadthauses, an Alabasterstatuen und vergoldeten Spiegeln vorbei, während ihr das Herz heftig in der Brust klopfte, und eilte dann die große Treppe hinab. Er wusste es nicht genau, sonst hätte er sie doch sicherlich sofort entlassen? Sie hätte in Zukunft keine gute Aussicht auf eine Arbeitsstelle, wenn er sie ohne Referenzen entließ. Oder noch schlimmer – wenn er erklärte, sie wegen Diebstahls entlassen zu haben. Allein der Gedanke ließ sie frösteln. Das würde ihren guten Namen vollständig vernichten. Sie würde London verlassen, in einer anderen, kleineren Stadt neu anfangen und vielleicht sogar ihren Namen ändern müssen.

Wichtiger noch, wenn der Duke sie vor die Tür setzte, könnte sie der Frau, die sie geboren hatte, nicht mehr helfen. Das war der wahre Grund, warum sie diese Stelle angenommen hatte: Bridget war die uneheliche Tochter einer adeligen Dame, die vom Duke erpresst wurde. Sie hatte geschworen, die Briefe zu finden, dank derer er ihre Mutter in der Hand hatte. Erpressung war ein scheußliches, gemeines Verbrechen, und der Duke war ein scheußlicher, gemeiner Mann. Sie würde nicht gehen, bevor sie die Mission, die sie sich auferlegt hatte, erfüllt hatte.

Bridget blieb vor der Tür zur Küche stehen, holte tief Luft und stellte sicher, dass ihre Röcke und ihre Haube ordentlich saßen – eine Haushälterin musste immer vollkommen adrett aussehen, auch wenn ihr Herr sie gerade gebissen hatte. Noch ein tiefer Atemzug. Es hatte keinen Sinn, den Teufel an die Wand zu malen. Jetzt musste sie einen Haushalt führen. Einen, dessen Herr gerade eben zurückgekehrt – oder zumindest gerade aus seinem Versteck gekommen war.

Sie betrat die riesige Küche von Hermes House, dem Stadthaus des Dukes. Zu dieser nachtschlafenden Zeit war das Feuer im Herd heruntergebrannt. Schatten lauerten am Rand der Decke und in den Ecken der Küche, aber Bridget fand den Anblick beruhigend. Hier war alles, wie es sein sollte.

Bridget weckte den armen Schuhputzjungen, der auf einem Lager am Herd schlief, und schickte den gähnenden Jungen, um die Küchenmädchen und die Diener zu wecken. Sie schürte das Feuer und entfachte es, bis es loderte, dann entzündete sie einige Kerzen. Die alltägliche Aufgabe beruhigte sie tatsächlich.

Als die Diener und die Küchenmädchen ein paar Minuten später in die Küche kamen, war diese hell erleuchtet und warm, und Bridget hatte alles unter Kontrolle. Sofort entsandte sie ihre Truppen, damit sie die große Menge Wasser holten und erhitzten, die für das Bad eines Despoten benötigt wurde.

Dann ging sie zurück zum vorderen Teil des Hauses. Hermes House war vom Duke selbst entworfen worden und das Stadthaus war so extravagant wie der Duke selbst. Die breite, geschwungene Treppe bestand aus weißem Marmor, die Absätze aus rosafarbenem, grau marmoriertem Marmor, der mit schwarzem Marmor in einem Schachbrettmuster angeordnet war, und all das wurde durch Vergoldung betont. Die Treppe öffnete sich zu einer großen Halle im ersten Stock, wo die Wände rosafarben mit weißen Details und Blattgold verziert waren.

Bridget blieb vor dem Schlafzimmer des Dukes stehen und lauschte. Drinnen war kein Laut zu hören. Entweder war er bereits in die Bibliothek gegangen oder er lauerte drinnen, bereit über sie herzufallen.

Sie kniff die Augen zusammen und öffnete die Tür. Das Zimmer war dunkel. Sie hob ihre Kerze sehr hoch – der Duke hatte sie heute Nacht bereits einmal überrascht. Ihre Kerze erhellte muschelrosafarbene Wände, eine Decke, die mit Göttern und Göttinnen, die ihren Ausschweifungen frönten, bemalt war, und das lächerlich große Bett mit den himmelblauen Drapierungen und den goldenen Quasten.

Neben dem Bett befand sich ein kleiner Sekretär mit Elfenbein- und Goldintarsien. Über dem Sekretär hing ein riesiges, lebensgroßes Bild des Dukes.

Nackt.

Bridget blickte das Bild wütend an, schlüpfte rasch in das Schlafgemach und schloss die Tür hinter sich. Sie eilte zum Bett und kniete sich nieder. Dabei schob sie die Bettvorhänge beiseite, um den Boden darunter zu enthüllen.

Außer dem blanken Fußboden war nichts zu sehen. Die Miniatur war verschwunden.

Val betrachtete die Miniatur in seiner Hand. Sie zeigte eine Familie: einen englischen Adeligen, seine Frau – eine indische Adelige – und ihr kleines Kind. Es gab wesentlich wertvollere Stücke in seinem Haus, wenn man etwas stehlen wollte. Also arbeitete Mrs. Crumb entweder für die Besitzerin der Miniatur oder ihren Beauftragten. Er erinnerte sich an den ruhigen, gelassenen Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, als sie von seinem Bett geglitten war. Sein Mundwinkel zuckte nach oben, als er die Miniatur in dem Goldrahmen in die Tasche seines Morgenmantels steckte. Hatte seine kleine Haushälterin wirklich geglaubt, dass sie ausgerechnet ihn zum Narren halten konnte?

Nun, nicht so klein, musste er zugeben, als er sich daran erinnerte, wie Mrs. Crumb vor ihm strammgestanden hatte. Sie war ein bisschen größer als üblich und hatte – wie er vermutete – üppige Brüste. Leider verbarg sie ihre Herrlichkeit unter einem eng geschnürten Korsett, schwarzer Wolle, einer festgesteckten weißen Schürze und einem ordentlich hineingesteckten Fichu. Hinzu kamen Haare, die vollständig von einer riesigen, weißen Haube bedeckt wurden, die sie unter dem Kinn festgebunden hatte, ausgeprägte schwarze Augenbrauen, unauffällige Nase und Mund, ein Kinn, das einen eventuell innehalten ließ, weil es so entschlossen gereckt war … aber im Großen und Ganzen eine gewöhnliche Person, wirklich – wenn man diese glühenden, dunklen Augen nicht beachtete.

Sie hatte die Augen einer religiösen Fanatikerin – einer Heiligen oder einer Ketzerin.

Oder vielleicht die einer Inquisitorin.

Eine Frau, die vollkommen sicher war, dass sie den Unterschied zwischen Richtig und Falsch kannte – bei sich und bei anderen. Eine Frau, die keine Angst hatte, für ihre Überzeugungen zu leiden – und vielleicht gar zu sterben.

Erkannte sie in ihm das Gegenteil: den Teufel persönlich? Einen Mann, der den feinen Unterschied zwischen Gut und Böse weder kannte noch sich dafür interessierte? Während andere ihre Waagen sorgfältig justierten, die unterschiedliche Gewichtung von Sünden und guten Taten diskutierten, hatte er sich dazu entschieden, die gesamte Vorrichtung auf dem Boden zu zerschmettern. Warum sollte er sich in einem Spiel verheddern, dessen Regeln er weder verstand noch besonders billigte? Es war besser, im Leben seine eigenen Regeln zu machen.

Auf jeden Fall brachte es mehr Spaß.

Val musste lächeln und fragte sich, ob Mrs. Crumb die Bedeutung des Wortes Spaß kannte. Vermutlich tat sie es als etwas Schändliches ab, das zur Sünde führte – was es im besten Falle auch tat.

Dennoch, Mrs. Crumb war unterhaltsam, denn sie bot den Reiz des Neuen – eine Haushälterin, die versuchte, ihre Intelligenz mit der seinen zu messen – und leider fehlte es ihm trotz seiner Pläne und Komplotte an Amüsements.

Also würde er sie einstweilen bleiben lassen und mit ihr spielen.

In der Zwischenzeit musste er seine Macht und seine Stellung in der Gesellschaft wiedererlangen – und um dieses Ziel zu erreichen, würde er den König erpressen. Er würde fordern, vom König zur Kenntnis genommen zu werden – nur das –, aber das wäre mehr als genug, um sein Exil garantiert zu beenden.

Er hatte seiner Verbannung aus England überhaupt nur zugestimmt, weil der elende Duke of Wakefield – ein aufgeblasener Parlamentarier mit einem überzogenen Sinn für seine eigene Wichtigkeit – gedroht hatte, Val wegen Entführung anzuzeigen, wenn er es nicht tat. All das nur, weil er die Schwester des Mannes einmal entführt hatte. Oder zweimal. Oder vielleicht dreimal. War das wirklich wichtig? Letztendlich war sie – trotz Vals Absichten – nicht zu Schaden gekommen und hatte tatsächlich einen niedriggeborenen Dragonerhauptmann im Ruhestand geheiratet. Wirklich. Val hatte viel bessere Pläne für sie gehabt.

Aber jetzt, jetzt hatte er endlich die Briefe bekommen, mit denen er den König bedrohen konnte. Er würde direkt über den Kopf des Duke of Wakefield hinweg handeln und zum König selbst gehen, und es gab nichts, was Wakefield dagegen unternehmen konnte.

Val drehte sich rasch zu einem Schreibtisch um, der in der Ecke der Bibliothek stand. Er war kunstvoll aus edlem Rosenholz gearbeitet. Er hatte ihn beim Kartenspiel – in dem er geblufft hatte – von einem preußischen Adeligen gewonnen und das Lösegeld für einen König gezahlt, um das Möbelstück nach London schicken zu lassen, wo er kein bisschen zu seiner Bibliothek passte.

Liebevoll tätschelte er den Schreibtisch, als er sich setzte und in der Schublade nach Papier suchte.

Er tunkte eine Feder in ein Tintenfass und schrieb mit seiner großen, geschwungenen Handschrift die Anrede an Mr. Copernicus Shrugg, der zufällig der persönliche Sekretär Seiner Majestät, König George II., von England war. Der Brief war kurz, aber schwülstig – und recht anschaulich, was die Erpressung betraf. Val lächelte dünn, als er seine Initialen schwungvoll auf das untere Drittel der Seite schrieb.

Die Tür zur Bibliothek öffnete sich, und ein Gassenjunge trat ein.

Nun, Alf tat so, als wäre sie ein Junge und, soweit Val das beurteilen konnte, schienen die meisten Leute auf ihren kleinen Trick hereinzufallen. Er hatte natürlich nur eine Minute – wenn überhaupt – gebraucht, um ihr wahres Geschlecht zu erkennen. Man musste nur ihren schlanken Hals, das Fehlen des Adamsapfels, den Winkel, in dem ihr Kiefer auf ihren Hals traf, et cetera, et cetera ansehen. Verblüffend, wie wenige Menschen die Welt um sich herum wirklich wahrnahmen. Val war der Ansicht, Respekt, wem Respekt gebührte, und eine Verkleidung, die jahrelang sorgfältig aufrechterhalten wurde, verdiente ein wenig Anerkennung, also erwähnte er Alfs wahre Natur nicht. Das, und er konnte sich auch nicht aufraffen, sich besonders für ein Straßenkind zu interessieren – sei es männlich oder weiblich. Wofür er sich jedoch sehr interessierte – und was er gebrauchen konnte –, war jemand, der Informationen sammelte und Aufträge für ihn erledigte. Alf hatte diese Aufgabe in den Monaten erledigt, in denen Val notgedrungen in seinen eigenen Wänden versteckt gelebt hatte, und ihm oft Briefe, Essen und Bücher geliefert.

„Euer Gnaden“, murmelte das jungenhafte Mädchen, als sie sich näherte. „Sie wollt’n mich heut’ Abend sehn, wenn ich mich richtig erinner’.“

Val ignorierte sie, während er sein Siegelwachs entzündete und das heiße Wachs über die gefaltete Ecke des Briefes fließen ließ. Er blies das Siegelwachs aus, stellte es hin und ergriff sein Siegel: einen krähenden Hahn. Es war ein persönlicher Scherz: Der Hahn war das Symbol des Gottes Hermes, den Val zu seinem Schutzgott auserkoren hatte. Hermes war der Gott der Reise und des Handels.

Er war auch der Gott der Diebe und der Gaukler und Magier.

Val biss sich auf die Lippen. Außerdem war das Wortspiel von Hahn zu Piephahn so offensichtlich, dass sogar der Dümmste es begreifen musste.

Er wandte sich Alf zu.

Sie stand da, eine Hüfte zur Seite gereckt, das Gewicht auf ein Bein verlagert und trug, soweit Val das beurteilen konnte, dieselbe Kleidung, die sie schon seit Jahren trug: einen zu weiten Gehrock und eine Weste, beides von einer undefinierbaren dunklen Farbe, oft geflickt und ausgefranst, dazu weite Breeches, Strümpfe mit Schmutzflecken, riesige Schuhe mit Schließen, die genau die Farbe von Pferdeäpfeln hatten, und dazu einen Schlapphut mit breiter Krempe. Darunter war das dunkle Haar unordentlich zurückgebunden und ein Wangenknochen war entweder von Dreck oder von einem blauen Fleck verdunkelt.

Val fragte sich kurz, was Alf mit dem Geld machte, das er ihr zahlte – denn alles in allem bezahlte er sie recht gut –, und verdrängte dann den Gedanken.

Er streckte ihr den Brief hin. „Bring den zu Mr. Copernicus Shrugg“ – er nannte ihr die Adresse – „und sorg dafür, dass du ihn ihm persönlich gibst – sonst niemandem, verstanden.“

Alf nahm den Brief, rümpfte aber die Nase. „Es is’ mitten in der Nacht, das wissen Se, oder?“

„Na und? Ein Mann, der aus dem Bett gerissen wird, ist noch anfälliger für Angst und Aufregung, finde ich. Oh, und sag Attwell und dem Jungen, dass sie den Gasthof, in dem sie gewohnt haben, verlassen und mir hier dienen sollen.“ Er blickte hinüber, als sich die Tür zur Bibliothek erneut öffnete und ein Trupp Diener sein Bad hereintrug. „Und jetzt los, du Schelm. Ich habe den Staub von Wochen in diesen verdammten Wänden abzuwaschen.“

Das Mädchen zögerte und beäugte ihn nachdenklich. „Dann sind Se jetzt raus aus Ihrem Versteck, oder?“ Sie neigte den Kopf bedeutsam in Richtung der Diener, die jetzt vor dem Kamin das Badewasser in die Wanne schütteten.

„Ich bin draußen und werde bald den mir zustehenden Platz in der Gesellschaft einnehmen“, erwiderte Val. „Jetzt geh.“

Er drehte sich zu seinem Bad um, ohne zu überprüfen, ob sie seinem Befehl gehorchte. Nur wenige Menschen hatten den Mut, sich seinen Befehlen zu widersetzen. Ah, aber er vergaß die reizende Mrs. Crumb. Wie lautete überhaupt ihr Vorname? Er musste sie bei der ersten Gelegenheit fragen, die sich ihm bot. Seine Haushälterin hatte nicht nur versucht, ihn zu bestehlen, sondern sich auch geweigert, seine Fragen zu beantworten, und – er betrachtete die Dienstboten, die gekommen waren, um ihn zu bedienen – wenn er sich nicht irrte, hatte sie dafür gesorgt, die bestaussehenden seiner Dienstmädchen und Diener zu verstecken.

Hielt sie ihn für einen Lüstling?

Nun, vielleicht lag sie nicht ganz falsch mit ihrer Einschätzung …

Val grinste süffisant, als er seinen Morgenmantel auszog – es war das einzige Kleidungsstück, das er trug – und nackt zur Badewanne schlenderte. Mit gekrümmtem Zeigefinger bedeutete er dem ältesten Diener, der am abgeklärtesten aussah, näher zu kommen. Falls Mrs. Crumb vorhatte, ihm den Spaß im Bett zu verderben, würde sie sehr enttäuscht werden.

Hugh Fitzroy, der Duke of Kyle, gähnte herzhaft, als er der schwankenden Laterne eines Laternenjungen durch einen dunklen Hof im hinteren Teil von St. James Palace folgte. Es war beinahe vier Uhr morgens – zu früh für einen Diener, um wach zu sein, und zu spät für alle außer den Feierwütigen, noch draußen auf der Straße zu sein. Also blieben nur er, der gerade von einem dringenden königlichen Befehl aus seinem warmen Schlummer gerissen worden war, und der arme Laternenjunge, der nächtliche Reisende mit seiner Laterne bis zum Morgengrauen führte.

Sie beide waren durch die Wünsche ihrer Herren angebunden.

Hugh lächelte trocken in sich hinein. In seinem Falle war Herr nicht ganz korrekt, aber es war nahe dran.

Er und der Laternenjunge näherten sich einem abgelegenen Hintereingang und eine Wache nahm Haltung an. Hugh bezahlte den Laternenjungen und wandte sich dann an den Wächter, um ihm seinen Namen zu sagen.

Der Wachmann warf ihm einen neugierigen Blick zu, als er ihn hereinließ. Dies war ein seltsames Benehmen für einen Duke.

Aber Hugh war auch ein seltsamer Duke.

Drinnen wurde er von einem Diener in Empfang genommen, der offensichtlich auf seine Ankunft gewartet hatte. „Hier entlang, wenn ich bitten darf, Euer Gnaden.“

Hugh folgte dem Mann einen Gang für Bedienstete entlang. Anders als im vorderen Teil des Palastes lag in dem Gang kein Teppich, und die Wände waren nur schlicht gestrichen.

Der Diener öffnete eine Tür am Ende des Ganges und verbeugte sich dann in ein Büro hinein. Dabei murmelte er: „Der Duke of Kyle.“

Ein o-beiniger Mann in scharlachroten Breeches, einem dunkelblauen Morgenrock und einer weichen Mütze wirbelte von dort, wo er vor dem Feuer auf und ab gegangen war, herum. „Verdammt, Kyle, Sie haben sich Zeit gelassen.“

Hugh hob eine Augenbraue. „Ich bin sofort gekommen, als ich Ihre Nachricht bekommen habe, Shrugg.“ Er sah den Diener an. „Bringen Sie Kaffee und Tee, bitte. Und etwas zu essen.“

Der Diener eilte davon.

„Vergeben Sie mir, Euer Gnaden.“ Copernicus Shrugg schüttelte den Kopf. Er war ein Mann in den mittleren Jahren, aber er hatte schon immer wie ein alter Mann ausgesehen. Seine Ohren standen auf beiden Seiten des Kopfes ab wie die Henkel eines Krugs, und sein Kopf war rund, faltig und kahl und saß ihm beinahe halslos direkt auf den Schultern. Er blickte Hugh aus blutunterlaufenen Augen an, die die Farbe von Kornblumen hatten. „Das ist eine abscheuliche Sache. Ich musste ihn deswegen wecken, und Sie wissen, dass er das nicht mag.“

Beide blickten reflexartig zur Decke, wo sich irgendwo über ihnen die königlichen Gemächer befanden.

Hugh blickte Shrugg erneut an. „Wie geht es dem König?“ Genau genommen war der fragliche Mann auch Hughs Vater, obwohl niemand diese Tatsache je erwähnte.

„Er spricht französisch“, erwiderte Shrugg. „Er steht neben sich. Gott sei Dank sind Sie wieder in London – ich weiß nicht, wen ich sonst hätte kommen lassen sollen.“

Hugh hob abermals eine Braue.

Shruggs Gesicht verdüsterte sich. „Obwohl der Grund für Ihre Rückkehr vom Kontinent natürlich ein trauriger ist. Es tat mir leid, vom Tod der Duchess zu hören.“

Hugh biss die Zähne zusammen und nickte einmal. „Ist es der Prinz?“ Der Prince of Wales – den Hugh nur einmal getroffen hatte – und der König verabscheuten einander.

„Dieses Mal nicht“, antwortete Shrugg grimmig. Er hielt ihm einen Brief hin.

Hugh nahm ihn und ging zum Schreibtisch, auf dem mehrere Kerzen brannten. Er neigte das Stück Papier zur Kerze und las:

Sehr geehrter Mr. Shrugg,

ich vertraue darauf, dass Sie bis jetzt eine geruhsame Nacht hatten, denn ich bezweifle, dass dem nach diesem Brief noch so sein wird. Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen: In meinem Besitz befinden sich einige Briefe W. betreffend, die, würden sie veröffentlicht werden, den Gentleman, dem Sie dienen, in eine peinliche Lage bringen – und möglicherweise seinen Sturz verursachen – könnten. Natürlich bin ich sehr darauf bedacht, dass dies nicht geschehen wird. Um dieses schreckliche Ereignis zu vermeiden, habe ich nur eine Bitte: dass ich im Hyde Park zu einer Zeit, der wir beiderseits zustimmen, anerkannt werde.

Es ist wirklich so einfach.

Ich bin ihr Diener et cetera, et cetera,

M

Hugh las den Brief einmal rasch und dann nochmals, aber langsamer.

Als er wieder aufsah, war eine dampfende Tasse Kaffee vor ihn auf den Schreibtisch gestellt worden.

„Danke.“ Er trank einen Schluck. „‚M‘?“

„Der Duke of Montgomery“, erklärte Shrugg.

„Er war so vorsichtig, seinen Namen nicht zu schreiben.“ Hugh lächelte freudlos. „Ein Erpresser, der weiß, sich vorsichtig zu verhalten. ‚W‘ ist Prince William.“ Prince William, der Duke of Cumberland, war der zweite lebende, legitime Sohn des Königs. Hugh war ihm nie begegnet.

„Zweifellos.“ Shrugg sank schwer in einen Stuhl hinter dem Schreibtisch. Seine Tasse Tee hielt er dabei in der Hand. „Er hat uns noch nie zuvor Probleme bereitet. Nun“ – er winkte herablassend mit der Hand – „Geliebte und solche Sachen, aber nichts Ungewöhnliches für einen Jungen seines Alters. Und jetzt das.“

Hugh runzelte die Stirn. „Wie alt ist er jetzt?“

„Zwanzig und er hat gerade eine Kommission als Colonel im Ersten Garderegiment zu Fuß gekauft“, sagte Shrugg. „Er hat schon immer alles Kriegerische gemocht.“

Hugh sah ihn unverwandt an. „Dann haben Sie keine Ahnung, worum es gehen könnte?“

Shrugg schwieg einen Moment und drehte die Teetasse in seinen Händen. „Es gab Gerüchte – nur Gerüchte, bedenken Sie das. Über eine Geheimgesellschaft.“

Hugh schnaubte und stand auf, dann streckte er sich. „Bitte sagen Sie mir, dass Sie mich nicht wegen einer verdammten Geheimgesellschaft aus dem Bett gezerrt haben, Shrugg. Jeder Junge, der je in Cambridge oder Oxford war – oder, ach, in jedem Londoner Kaffeehaus, was das betrifft –, ist ein Mitglied von etwas, das er für eine geheime Gesellschaft hält.“

Aber Shruggs altes, faltiges Gesicht war ernst. „Nein, Euer Gnaden. Diese war anders. Die Mitglieder waren älter. Sie nannten sich die Lords of Chaos. Es heißt, jedes Mitglied hätte eine Tätowierung mit einem Delfin irgendwo am Körper, und die Dinge, die sie getan haben …“ Er schnitt eine angewiderte Grimasse und blickte beiseite.

„Was?“

Shrugg wandte sich ihm wieder zu. „Kinder. Es waren Kinder dabei.“

Einen Augenblick lang sagte Hugh nichts. Kit und Peter lagen sicher in ihren Betten, irgendwo zu Hause. Kits Fuß hing unter der Decke heraus, und der kleine Peter umklammerte das Taschentuch, das seiner Mutter gehört hatte.

Er atmete ein und sorgte dafür, dass seine Stimme ruhig und sachlich klang. „Sie sagen, dass Prince William etwas mit diesen Lords of Chaos zu tun gehabt haben könnte. Etwas mit Kindern?“

„Ich weiß es nicht“, gab Shrugg zurück. „Darum habe ich Sie gebeten, herzukommen. Wir brauchen Sie, um in Erfahrung zu bringen, was Montgomery gegen uns in den Händen hat. Finden Sie es und sorgen Sie dafür, dass es zerstört wird. Für immer.“

2. KAPITEL

Als dieser König geboren wurde, sah der königliche Arzt ihm in die Augen und in den Mund und die Ohren und verkündete, dass sie alle in Ordnung seien, aber als er den Kopf auf die winzige Brust des Babys legte, hörte er … nichts …

Aus: „König Herzlos“

Die Uhr, die an Bridgets Chatelaine an ihrer Taille hing, klingelte, als sie am nächsten Morgen kurz nach zehn Uhr die Küche betrat. Die Dienstboten waren seit fünf Uhr morgens auf und das gesamte untere Stockwerk war geputzt und gelüftet. Tatsächlich beendete ein Großteil der Bediensteten gerade seinen Morgentee.

„Guten Morgen, Mrs. Bram“, begrüßte sie die Köchin, eine vernünftige Frau in mittleren Jahren, mit ergrauendem, krausem Haar.

„Mrs. Crumb.“ Die Köchin sah wachsam auf. „So wie ich das verstanden habe, ist Seine Gnaden hier.“

„Ja, das ist er“, erwiderte Bridget schnell und ignorierte den kleinen Anflug von Beklommenheit, den ihr allein sein Name verursachte. „Können Sie ihm anständige Mahlzeiten bieten?“

„Das ist kein Problem“, antwortete Mrs. Bram. „Ich habe heute Morgen einen schönen Braten bekommen, den es zum Abendessen gibt, und ich habe eine Fischpastete für sein Mittagessen im Ofen, falls er danach verlangt.“

„Hervorragend.“ Bridget nickte zustimmend, obwohl sie nie an Mrs. Bram gezweifelt hatte. Sie hatte selten mit einer so kompetenten Köchin gearbeitet.

Bridget ging durch die Küche, während die Dienstmädchen und Diener sich erhoben, um ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Neben der Hintertür zur Küche stand ein Tisch und darauf befand sich ein Zinnteller, der mit einem anderen abgedeckt war. Bridget nahm ihn, ohne stehen zu bleiben, und öffnete die Hintertür, dann trat sie hinaus und schloss die Tür hinter sich.

Sie spürte, wie ihre Schultern sich ein kleines bisschen entspannten.

Sie stand in einem kleinen, quadratischen Schacht, denn die Küche befand sich natürlich unter der Erde. Eine kleine Treppe führte zum Garten hinauf und zu einem Pfad, über den man zu den Stallungen hinter Hermes House gelangte, aber das interessierte Bridget im Moment nicht.

Ein kleiner, bräunlich-grauer Terrier saß auf den Backsteinen, aber er sprang auf die Füße, sobald er Bridget sah, und bellte einmal laut auf.

„Ruhig jetzt“, sagte sie zu ihm – nicht, dass es ihn zu interessieren schien. Sie stellte den Zinnteller hin und deckte ihn ab. Darauf waren die Essensreste, die Mrs. Bram für sie aufgehoben hatte.

Der Terrier begann sofort, das Essen hinunterzuschlingen, als wäre er am Verhungern, was er leider wohl auch war.

„Du wirst ersticken“, sagte Bridget streng. Der Terrier hörte nicht. Das tat er nie, ganz gleich, wie eindringlich sie ihre Stimme auch klingen ließ. Erwachsene Männer – Diener – mochten springen, um ihr zu gehorchen, aber dieser magere Streuner widersetzte sich ihr.

Bridget biss sich auf die Unterlippe. Wenn sie gezwungen war, Hermes House zu verlassen, wer würde den Terrier füttern? Mrs. Bram vielleicht – wenn sie daran dachte es zu tun –, aber die Köchin war ein viel beschäftigte Frau, die andere Dinge im Kopf hatte.

Der Hund fraß seine Mahlzeit auf und leckte den Teller so begeistert ab, dass er ihn klappernd umwarf.

Bridget gab ein missbilligendes Geräusch von sich und bückte sich, um ihn aufzuheben.

Der Hund streckte seine kurze Schnauze unter ihre Hand, als sie das tat, und sie ertappte sich dabei, dass sie seinen Kopf streichelte. Sein Fell war eher drahtig als seidig, beinahe ölig, aber der Hund hatte feuchte braune Augen und schien zu lächeln, als ihm die Zunge aus dem geöffneten Maul hing. Er war sehr, sehr süß. Man hatte ihr als Kind nie erlaubt, einen Hund als Haustier zu halten. Ihr Pflegevater war Schäfer gewesen und hatte Hunde als Nutztiere angesehen. Ein Hund als Haustier war nichts, woran man überhaupt dachte, und das galt besonders für sie, das Kuckuckskind.

Haushälterinnen, und generell Dienstboten jeglicher Art, durften keine Haustiere besitzen. Manchmal durfte man eine Katze halten, um Mäuse in der Küche zu fangen, aber das war ein Arbeitstier. Hunde verursachten Dreck und benötigten Nahrung und Platz, den sie, genau gesehen, nicht besaß.

Bridget stand auf und sah den Hund mit gerunzelter Stirn an. „Kusch jetzt.“

Der Hund setzte sich und wedelte langsam mit dem Schwanz, wobei er die Steine fegte. Eines seiner dreieckigen Ohren stand in die Höhe, während das andere angelegt war.

Sie wünschte …

Hinter ihr öffnete jemand die Tür zur Küche.

„Mrs. Crumb?“

Sie wandte sich sofort um. „Ja, ich komme.“

Bridget eilte in die Küche, ohne sich umzusehen.

Bob, einer der Diener, blickte sie nervös an. „Er will mit Ihnen reden.“

Rief er sie, um sie im Licht des Morgens zu entlassen?

Bridget richtete sich auf und glättete ihre Schürze.

„Seine Gnaden möchte mit mir sprechen“, verbesserte sie Bob sanft. Sie ließ niemals zu, dass die Dienstboten, die ihr unterstanden, sich respektlos über ihren Arbeitgeber äußerten, auch nicht in den Räumen, die den Dienstboten vorbehalten waren.

„Seine Gnaden.“ Bob wurde puterrot. Obwohl er über eins achtzig groß war, konnte er nicht älter als zwanzig Jahre sein, und er kam direkt vom Land. „Aber Madam … das heißt …“

„Ja?“

„Nun, der Duke ist nicht allein.“

„Ah.“ Also das war es, was dem Jungen so zu schaffen machte. Armer Junge. Er würde sich bald an die fleischlichen Exzesse der Aristokratie gewöhnen. „Ich weiß, mein Lieber.“

Hinter ihnen ertönte ein Schnauben, und Bridget wirbelte herum.

Cal, der bestaussehende der Diener – und daher einer, der gestern Nacht nicht mit dem Bad hinaufgeschickt worden war –, machte ein angewidertes Gesicht. „Er ist ein waschechter brünstiger Teufel.“

„Das reicht.“ Bridget erhob die Stimme nicht, aber das musste sie auch gar nicht – in der gesamten Küche war es nach ihrem Tadel still geworden. „Der Duke ist unser Herr, und wir werden mit Achtung über ihn reden. Jeder, der das nicht tut, kann sich gerne anderswo nach einer Arbeitsstelle umschauen. Ist das klar?“

Sie sah sich in der Küche um und blickte jedem eine Sekunde lang in die Augen.

Dann nickte sie einmal und verließ rasch die Küche. Das war vielleicht der letzte Befehl, den sie als Haushälterin gegeben hatte, aber sie würde ein Haus nicht in Unordnung hinterlassen.

Nicht einmal sein Haus.

Bridget ging durch einen Gang im hinteren Teil des Hauses und dann eine Treppe für die Diener in das obere Stockwerk hinauf. Sie war sich vage bewusst, dass ihre Hände zitterten. Sie mochte keine Veränderungen. Sie mochte es nicht, immer einen neuen Ort suchen zu müssen, den sie ein Zuhause nennen konnte – obwohl natürlich keiner davon wirklich ihr Zuhause war –, aber das lag in der Natur ihrer Arbeit. Sie hatte dieses Leben gewählt und war stolz auf das, was sie erreicht hatte. Darauf, wie weit sie gekommen war. Auf die Position, die sie erlangt hatte.

So. Ihre Hände hatten aufgehört zu zittern.

Und hatte Bob wirklich geglaubt, es wäre ihr entgangen, dass George, einer der älteren Diener, letzte Nacht ein Paar Kurtisanen für die Unterhaltung des Dukes herbeigeschafft hatte? Eine gute Haushälterin – Bridget hielt sich für die beste – wusste über alles Bescheid, was in ihrem Geltungsbereich vor sich ging.

Ganz gleich, wie verkommen es auch sein mochte.

Die Tür zum Schlafzimmer des Dukes war geschlossen, also klopfte sie an, bevor sie eintrat. „Guten Morgen, Euer Gnaden.“

Soweit sie das sehen konnte, lag der Duke vollkommen nackt ausgestreckt zwischen zwei ebenso nackten Frauen. Nun, zumindest war eine der Frauen zu sehen. Eine zierliche Blondine unterbrach das, was auch immer sie gerade mit dem Duke tat, und sah Bridget, die in der Tür stand, neugierig an. Die andere – eine schlanke Brünette – tauchte bald unter der dicken, himmelblauen Samtdecke auf und wischte sich diskret den Mund ab.

„Verzeihung“, murmelte die Brünette, als hätte sie bei Tisch gerülpst.

Bridget beachtete sie nicht. Es war nicht die Schuld der Kurtisane, dass Bridget Zeugin ihrer Nacktheit wurde.

Seine Gnaden öffnete langsam die himmelblauen Augen. Das Schlafzimmer ging auf die hinteren Gärten hinaus, und ein anderer Diener hatte bereits die Vorhänge zurückgezogen. Im Licht der Morgensonne, in dem rotgoldene Stoppeln auf seinem Kinn glitzerten und sein Haar sich um seine Schultern lockte, war er wirklich sehr schön. Wie ein griechischer Gott, der der Muße frönte. Man hatte beinahe das Gefühl, dass er seinen Reichtum, seine Stellung und all die Dinge, die ihm nur durch den Zufall seiner Geburt zugefallen waren, verdiente.

Beinahe.

„Mrs. Crumb“, schnurrte er. „Was für ein schöner Tag, finden Sie nicht?“

„In der Tat, Euer Gnaden.“

„Und mit solch bezaubernden Gefährtinnen“, fuhr er fort und schlang die Arme um seine Bettgefährtinnen.

Sie hoffte, sie musste nicht auf diese Aussage antworten – obwohl man es nie wissen konnte. Sie war einmal mit recht unanständigen Worten eingeladen worden, sich zu einem ältlichen Baronet und einem der Dienstmädchen in sein Bett zu gesellen. Sie hatte mit dem energischen Gebrauch eines Bettwärmers abgelehnt und ihre Taschen noch vor dem nächsten Morgen gepackt.

Es war eine ihrer kürzeren Anstellungen gewesen.

„Man hat mich wissen lassen, dass Sie mich brauchen, Euer Gnaden“, sagte sie und faltete die Hände, um das Zittern zu verbergen, das wieder angefangen hatte. Vor dieser Stellung war sie gefragt gewesen. Duchesses und Salonlöwinnen hatten sie einstellen wollen.

„So praktisch“, sinnierte er und legte den Kopf zurück, vermutlich, um den prunkhaften blauen Betthimmel zu betrachten. Sie fand ihn recht geschmacklos. „Ich vermute, man hält das bei einer Haushälterin für eine gute Eigenschaft.“

„Ja, das tut man meistens, Euer Gnaden.“

„Und dennoch finde ich es irgendwie …“ – er hob den nackten Arm über seinen Kopf und drehte die Hand, während er nachdachte – „ärgerlich.“

„Das tut mir leid“, erwiderte Bridget so liebenswürdig wie möglich, was leider nicht besonders liebenswürdig war.

„Oh, das muss es nicht“, murmelte der Duke seidenglatt. „Man kann nichts gegen seine Natur tun, ganz gleich, wie ärgerlich sie für die anderen ist.“

Plötzlich begann er, sie aus seinen azurblauen Augen hart und unbarmherzig anzustarren, und sie hörte beinahe auf zu atmen, als sie von seinem raubtierhaften Blick erfasst wurde. Es war, als sähe man in die Augen von etwas Unmenschlichem, beinahe Überirdischem. Es kribbelte in ihrem Bauch, als sie ihn ansah, und gleichzeitig zog es auch zwischen ihren Beinen. Plötzlich war sie sich sehr bewusst, dass sie unter ihrer gestärkten Schürze, ihrem wollenen Kleid und dem Fischbein ihres Korsetts weiche Brustwarzen hatte, die zu harten Knospen geworden waren.

Dann atmete sie ein, füllte ihre Lungen mit süßer Luft, während er sie immer noch unter schweren Lidern betrachtete, und sie verspürte eine seltsame Heiterkeit, als wäre ein Fehdehandschuh geworfen worden. Als wären sie Gegner, die sich gleichberechtigt auf dem Feld gegenüberstanden.

Was vollkommen lächerlich war.

Vielleicht hätte sie sich heute Morgen nicht eine dritte Tasse Tee gönnen sollen.

„Ich frage mich, für wen Sie arbeiten, Mrs. Crumb“, flüsterte er.

„Nun, für Sie, Euer Gnaden“, antwortete sie und erwiderte seinen Blick.

Er schnaubte.

Sie spürte, wie ihr ein Schweißtropfen den Rücken hinunterlief.

„Nun hinfort mit euch, meine Versuchungen!“, rief der Duke, der plötzlich ganz munter war.

Er sprang aus dem Bett und schüttete, nachdem er einen Geldbeutel, der achtlos auf einem Tisch lag, genommen hatte, einen immensen Haufen Gold in die Hände der kichernden Frauen. Er packte die beiden, die noch nackt waren und lachend ihre Kleider und Schuhe festhielten, und schob sie zur Tür hinaus.

Bridget trat stumm zur Tür und gab einem Diener, der große Augen machte, ein Zeichen. Sie erteilte dem Mann – es war wieder Bob – die Anweisung, die Frauen zum Dienstbotenausgang zu begleiten, sobald sie angemessen gekleidet waren.

Als sie ins Schlafgemach des Dukes zurückkehrte, musterte er sie von oben bis unten, und seine Augen funkelten ironisch. „Was für eine dienstbeflissene Frau Sie doch sind, Mrs. Crumb.“

„Sie werden mir danken, wenn keines Ihrer Besitztümer verschwindet, Euer Gnaden“, entgegnete sie.

„Aber werde ich das?“ Nackt stolzierte er zu seinem Schreibtisch und gewährte ihr, als er sich darüberbeugte, einen recht skandalösen Ausblick auf seinen muskulösen Hintern. Er schien ein dunkles Mal auf der linken Pobacke zu haben. Gütiger Gott, es sah wie eine Tätowierung aus. Was …? „Manchmal habe ich einen beklagenswerten Geschmack. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn ein paar von meinen Habseligkeiten verschwänden. Nun, Mrs. Crumb“, meinte er gedehnt, und sie hob verspätet den Blick, nur um zu bemerken, dass er sich ihr wieder zugewandt hatte – verdammt! „Haben Sie meinen Hintern begafft?“

Sie öffnete den Mund und wusste dann nicht genau, was sie sagen sollte. Würde er sie entlassen oder nicht? „Ich … ich …“

„Ja-a?“ Er machte einen großen Schritt auf sie zu.

Plötzlich war sie sich dessen, was sie bis jetzt ignoriert hatte, überwältigend bewusst: Er. War. Nackt.

Seine Schultern waren breit, seine Brust wurde von hellrosafarbenen Brustwarzen, die hart waren und zwischen denen sich ein paar goldene Haare lockten, betont. Sein Oberkörper verengte sich in einem perfekten V zu einer schlanken Taille und einem flachen Bauchnabel. Eine Linie etwas dunkleren Haars wanderte zu seiner Männlichkeit hinunter.

Während seiner angeblichen Abwesenheit hatte Bridget genügend Zeit gehabt, das lebensgroße Aktporträt des Dukes zu begutachten, das in seinem Schlafzimmer hing. Lange Zeit hatte sie gedacht, dass die Größe seiner Männlichkeit darauf übertrieben dargestellt war.

Das war aber nicht der Fall.

Sein Gemächt präsentierte sich prächtig zwischen muskulösen Oberschenkeln. Seine Hoden waren ein wenig behaart und gut aussehend – falls man ein solches Körperteil gut aussehend nennen konnte – und seine Beine waren regelrecht schön. Sogar seine Füße – seine Füße – waren seltsam hübsch, mit langen Zehen und einem hohen Fußgewölbe.

Diese Zehen streiften ihre Röcke, und sie sah hastig auf, um festzustellen, dass er viel zu nahe vor ihr stand. Ein böses, sinnliches Lächeln umspielte seinen Mund.

„Oh, Mrs. Crumb, so ein Blick“, murmelte er. Seine Stimme war ein tiefes Schnurren, und seine nackte Brust streifte ihre schneeweiße Schürze. „Ich weiß nicht, ob ich auf meine Eier aufpassen …“ – sein Blick fiel auf ihren Mund – „oder Sie küssen soll.“

„Sie dürfen mich nicht umarmen“, gab sie rasch zurück, aber ihre Stimme klang viel atemloser, als sie es sollte.

Er neigte den Kopf, hob die dunklen Brauen und ein Mundwinkel zuckte neckend, dann lehnte er sich noch näher, als dächte er darüber nach. „Darf ich nicht?“

Sein warmer Atem strich ihr über die Lippen, und sie begriff, dass sie ihre Augen geschlossen hatte. Oh Gott, sie …

Jemand quietschte, und Bridget war sich beinahe ganz sicher, dass sie es nicht war.

Bridget öffnete die Augen und bewegte sich in einer leider würdelosen Art und Weise rückwärts.

Ein schlanker Jugendlicher stand in der Tür. Er trug einen anständigen braunen Gehrock mit Weste und Breeches, aber er hatte sich ein rot-gelb bedrucktes Tuch um den Kopf gewickelt.

„Ah, Mehmed, da bist du ja“, sagte der Duke, als wäre er es gewohnt, dabei gestört zu werden, wenn er gerade beinahe eine Frau umarmte, während er nackt und – Gütiger Gott – erregt war.

Bridget wandte rasch den Blick vom Geschlecht des Dukes ab, das beschlossen hatte, sich zur Schau zu stellen. Ihr Gesicht glühte, und sie knetete die Hände, um sich nicht die Rückseite ihrer Finger in die Wangen zu drücken.

Der Junge in der Tür sah so peinlich berührt aus, wie sie sich fühlte. Er hielt einen Krug mit dampfendem Wasser, aber er machte Anstalten, sich wieder zurückzuziehen. „Du mit Hure, Duke. Ich gehe.“

Hinter dem Jungen erschien Attwell, der Kammerdiener des Dukes und wirkte recht verblüfft.

Der Duke of Montgomery – die einzige Person, die nicht verlegen war – brach in schallendes Gelächter aus. „Nein, nein, Mehmed. Huren – zumindest meine – tragen wesentlich reizvollere Kleider als diese.“ Und er deutete beleidigend in Richtung von Bridgets Kleid.

Nachdenklich schürzte sie die Lippen. „Wer ist das?“

„Mehmed, wie ich schon sagte.“ Sowohl Mehmed als auch Attwell betraten das Schafzimmer. Der Junge setzte den Wasserkrug vorsichtig ab und Attwell ging zum Ankleidezimmer.

„Mehmed ist ein Anhänger des Propheten Mohammed und kommt zweifellos in die Hölle, wenn man den christlichen Philosophen glauben darf. Natürlich glauben seine Leute, dass wir alle in der Hölle enden, also vermute ich, alle werden sich schließlich in einer Art geschmolzenem Babel treffen. Ich habe Mehmed und Attwell befohlen, das Gasthaus, in dem sie gewohnt haben, zu verlassen und nach Hermes House zu kommen.“

„Aber …“ Bridget runzelte die Stirn. Sie war Attwell schon begegnet und hatte ihn tatsächlich heute Morgen in der Küche gesehen.

Der Duke sah sie an und sah sie dann nochmals an, wobei sich langsam ein Lächeln über seinem Gesicht ausbreitete – ein Lächeln, das ihr nicht gefiel. „Sie haben nicht bemerkt, dass Mehmed sich hier im Haus aufhält, nicht wahr?“

„Ich …“

„Und es gefällt Ihnen nicht, wenn Sie etwas nicht wissen.“ Er grinste, während er beiläufig einen Arm ausstreckte und Attwell ihm – endlich, Gott sei Dank – in einen auffälligen lilafarbenen Morgenrock, der einen gold-grünen Drachen auf den Rücken gestickt hatte, half.

„Es ist meine Aufgabe, über alles unterrichtet zu sein, was in Hermes House vorgeht“, sagte Bridget. „Euer Gnaden.“

„Aber Sie wussten nicht, dass er hier ist, nicht wahr?“, hakte der Duke in einem grellen Singsang nach. „Wissen Sie, Sie haben mir nie Ihren Vornamen genannt.“

„Nein, das habe ich nicht“, meinte sie und riss sich zusammen. Der Mann war der leibhaftige Teufel, aber sie war nicht umsonst als beste Haushälterin ganz Londons bekannt. „Wann haben Sie Mehmed in Dienst genommen?“

„Er kam mit mir, als ich letztes Jahr von meinen Reisen nach England zurückgekehrt bin“, antwortete der Duke beiläufig. „Aber er wurde beim Überqueren des Ärmelkanals krank, also habe ich ihn in meinem Haus in Bath zurückgelassen, damit er genesen konnte. Attwell hat ihn im September nach London geholt.“

Bridget schürzte abermals die Lippen. Der Junge sah jetzt ziemlich gesund aus. „Wird Mehmed in Hermes House leben, Euer Gnaden?“

„Oh, ich denke schon“, sagte der Duke und riss gespielt unschuldig die Augen auf. „Wie soll er mir sonst als Lustknabe dienen?“

Attwell, der die Kleidung des Dukes für den Tag auf einem Stuhl bereitlegte, verschluckte sich.

Bridget konnte es dem Kammerdiener nicht verübeln. Sie selbst sah den Duke nur mit zusammengekniffenen Augen an.

Der lächelte sie engelsgleich an.

„Was ist Lustknabe?“, fragte Mehmed. Er war ein sehr hübscher Junge mit frischer Gesichtsfarbe, großen braunen Augen und weißen Zähnen. Im Moment war er damit beschäftigt, die Werkzeuge für eine Rasur auf einem kleinen Tischchen auszubreiten.

„Jemand, der lustig ist“, antwortete Montgomery, zog einen Stuhl heran und setzte sich mitten in den Raum.

„Ich bin lustig“, verkündete Mehmed prompt.

Er goss heißes Wasser aus dem Krug in eine Waschschüssel, benetzte ein Tuch, wrang es aus und drapierte es vorsichtig über der unteren Hälfte des Gesichts des Dukes.

Bridget räusperte sich. Sie wusste nicht, warum der Duke sie überhaupt hergebeten hatte – wenn nicht, um sie zu entlassen –, aber es gab Arbeit, die erledigt werden musste. „Mehmed, ich bin Mrs. Crumb, die Haushälterin. Wenn du …“

„Sehr erfreut! Wie geht es Ihnen?“ Sie wurde von Mehmed unterbrochen, der rasch vortrat und sich verbeugte, den Körper parallel zum Boden, wobei er sich die Arme an die Seiten presste.

„Ähm.“ Bridget blinzelte, als er sich aufrichtete und sie anlächelte. „Ja. Sehr erfreut. Ich …“

„Mir geht es gut!“, rief Mehmed sehr laut, und Bridget bemerkte, dass der Duke unter seinem feuchten Tuch zu lachen begann.

Attwell seinerseits ignorierte die Vorgänge. Sie hatte herausgefunden, dass der Kammerdiener des Dukes ein sehr phlegmatischer Mann war.

„Das freut mich“, sagte sie freundlich, aber bestimmt. „Wenn du damit fertig bist, dem Duke beim Ankleiden zu helfen, dann komm bitte in die Küche, und ich werde mit dir über deinen Platz in diesem Haus sprechen.“

Sie drehte sich um, um zu gehen.

„Nicht so schnell, Mrs. Crumb!“, rief ihr verfluchter Arbeitgeber, der sich das Tuch vom Gesicht gezogen hatte. „Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.“

Sie holte tief Luft. Dann nochmals.

Und noch mal.

Dann wandte sie sich mit einem kleinen, höflichen Lächeln, das sie entschlossen aufgesetzt hatte, zu ihm um. „Wie kann ich Ihnen helfen, Euer Gnaden?“

„Sehen Sie sich die da an“, sagte dieser Mann, der einen in den Wahnsinn treiben konnte, und deutete mit ausgestrecktem Arm auf seinen Schreibtisch.

Bridget sah hin und bemerkte erst jetzt – nun, vorhin hatte es einiges an männlicher Nacktheit gegeben –, dass dort ein Haufen Juwelen auf seinem Schreibtisch lagen. Sie warf dem Duke, der gerade von Mehmed eingeseift wurde, einen fragenden Blick zu.

Seine blauen Augen funkelten sie an. „Sehen Sie sich die Stücke an. Sie werden Sie nicht beißen, das versichere ich Ihnen.“

Sie gab einen leisen, missmutigen Laut von sich und ging hinüber zum Schreibtisch. Dort befanden sich zwei Colliers, beide unglaublich prunkvoll. Es war Schmuck, den eine Duchess oder eine Prinzessin oder eine Königin tragen würde. Eine Zofe würde eine Kette wie diese vielleicht berühren, um sie um den Hals ihrer Herrin zu legen, aber ansonsten würde jemand von Bridgets Stand in tausend Jahren keinen Grund haben, solche wundervollen Dinge in die Hand zu nehmen. Die erste Kette bestand aus Diamanten und Saphiren, die sich verheddert zu einem Haufen türmten. Die andere schien aus Rubinen und großen Barockperlen gefertigt zu sein, die mit Opalen und anderen, kleineren Edelsteinen verflochten waren. Bridget starrte sie an und fragte sich, recht launig, woher die Steine gekommen waren. Aus dem weit entfernten Indien? Aus einer persischen Mine? Und die Perlen? Welche exotischen Meere hatten sie gesehen? Hatten Piraten um sie gekämpft?

„Welche gefällt Ihnen besser?“, ertönte die Stimme des Dukes hinter ihr und unterbrach ihre dummen Gedanken. „Ich frage, weil ich eine davon meiner Verlobten schenken möchte.“

Bei diesen Worten sah sie auf. „Sie werden heiraten?“

Er hatte die Augen geschlossen, als Mehmed ihn vorsichtig rasiert hatte, aber er öffnete sie jetzt. „Oh ja.“

„Aber wen?“, platzte es aus ihr heraus.

Was für eine Art Frau würde er zu seiner Gemahlin nehmen? Eine Adelige, natürlich, aber ansonsten? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Wollte er eine Frau, die man einfach leiten konnte? Eine Frau, die berühmt für ihre Schönheit oder ihren Esprit war? Oder interessierte er sich überhaupt nicht für diese Dinge?

„Aber, aber, ich habe es der Braut noch nicht erzählt, und ich denke wirklich, sie sollte es vor meiner Haushälterin erfahren, finden Sie nicht auch?“

Neckte er sie? Das musste er. Niemand, nicht einmal verrückte Adelige, betrieb seine Geschäfte auf diese Weise.

„Nun?“ Er ließ sie nicht aus den Augen, träge, wie eine gut gefütterte Katze, die zu schläfrig war, um eine Maus zu fangen.

Sie blinzelte. „Wie bitte?“