Aphrodite liebt Mallorca - Roderic Jeffries - E-Book

Aphrodite liebt Mallorca E-Book

Roderic Jeffries

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Beschreibung

Ein Mallorca-Krimi von Roderic Jeffries Wem der Anschlag gegolten hat, findet Alvarez relativ rasch heraus: dem mit allen Wassern gewaschenen Immobilienhändler Kendall. Doch dann geraten seine Ermittlungen ins Stocken. Erst als einer der Überlebenden doch noch den Tod findet, kann Alvarez die Spur wieder aufnehmen. Aber zum ersten Mal in seinem Leben sträubt sich der Inspektor, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 242

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Roderic Jeffries

Aphrodite liebt Mallorca

Aus dem Englischen von Hella von Spies

FISCHER E-Books

Inhalt

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1

Vor Jahrmillionen war der Fluß so gewaltig dahingeströmt, daß er dort, wo er sich ins Meer ergoß, eine schmale Bucht in

Form eines Flaschenhalses ins Gestein gegraben hatte. Später hatte sich durch die Veränderung des Klimas die Kraft des Flusses vermindert, bis er nur mehr nach starken Regenfällen im Gebirge als Sturzbach in Erscheinung trat. Das Meer drang in die kleine Bucht und bildete einen natürlichen Hafen, der sich bei den Fischern der Insel großer Beliebtheit erfreute, da er gegen alle Winde mit Ausnahme eines schweren Südoststurms Schutz bot.

Als die Fremden auf die Insel kamen, verlangten sie Anlegeplätze für ihre Yachten, und binnen kurzem wurden die in ihrer Anzahl inzwischen kräftig geschrumpften Fischerboote ans Ende der Bucht verbannt, wo Untiefen und Unterwasserfelsen größere seemännische Geschicklichkeit verlangten, als sie die meisten Fremden besaßen, insbesondere nach einem ausgiebigen Lunch. Wie die Fischer alsbald feststellten, bestand in der Rangordnung der modernen Gesellschaft hinsichtlich des Stellenwerts derer, die für die Grundbedürfnisse des Lebens sorgten, niemals der geringste Zweifel.

Die »Aphrodite« lag am vorletzten Anlegeplatz des Hafendamms, der die Bucht vor den gelegentlichen Südostwinden schützte. Sie war eine sechsundzwanzig Meter lange Benetti, zugelassen in Southampton, mit einem Carterpillar-Zwillingsmotor, hellblau gestrichenem Rumpf und weißen Aufbauten, und führte den Wimpel des Amington Yachtclubs.

Auf dem offenen Achterdeck waren ein Tisch und Stühle aufgestellt. Deiniol Todd schaute auf seine goldene Uhr.

»Wo zum Teufel steckt der Kerl?«

Kendall lachte amüsiert. »Wahrscheinlich hat er eine Reifenpanne und hält Ausschau nach einem hilfreichen Menschen, der ihm zeigt, was er tun muß.«

»Ich hab’ ihm ausdrücklich gesagt, Punkt elf Uhr.«

»Wir sind nicht alle so pünktlich wie du, Deiny.«

»Ich habe dich schon hundertmal gebeten, mich nicht so zu nennen.«

»Deiniol ist so umständlich. Die Waliser machen alles so kompliziert, einschließlich der Bahnhofsnamen. Wie heißt noch gleich der mit den achtundfünfzig Buchstaben?«

»Keine Ahnung.«

»Ich bin sicher, dieses Eingeständnis würde dich allerhand Stimmen kosten.«

Todd schien eine bissige Erwiderung auf der Zunge zu liegen, doch dann zuckte er bloß die Achseln. Er war ein Mann, den jeder auf den ersten Blick erkannte, vor allem dank seiner zahlreichen Auftritte im Fernsehen; Frauen pflegten ihn als gutaussehend zu bezeichnen, Männer sagten, vielleicht aus Eifersucht, er sei viel zu glatt. Nur wenn er vergaß, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, schimmerte etwas von der Härte durch, die hinter dem Charme verborgen lag. Er drehte sich um und blickte nach vorn.

»Felix!« rief er laut.

Einen Augenblick später kam Felix Rullán durch die Kabinentür.

»Fahren wir?« fragte er in seinem mit einem starken Akzent behafteten, doch verständlichen Englisch.

»Noch nicht. Señor Leach ist noch nicht da. Aber wir wollen etwas trinken. Bringen Sie zwei Gläser und eine von den Champagnerflaschen im Kühlschrank, nicht eine aus dem Weinregal.«

Rullán verschwand auf dem gleichen Weg, den er gekommen war.

»Zehn zu eins, daß er die falsche Flasche bringt«, bemerkte Todd.

»Wenn es eine Möglichkeit gibt, etwas falsch zu machen, die Einheimischen finden sie, selbst wenn sie sich dafür richtig anstrengen müssen. Wie ich immer zu meinen Kunden sage, vergeßt, wie man die Dinge bei uns zu Hause macht, denn hier macht man sie ganz bestimmt nicht so.« Kendall lächelte breit. Ein Mann, der ihm aus gutem Grund nicht wohlgesonnen war, hatte ihn einmal mit einer Butterkugel verglichen, in die man liebend gern ein heißes Messer stoßen würde. Kendall hatte sogar dann noch gelächelt, als ihn nur noch 200000 Peseten von einem Aufenthalt in einem spanischen Gefängnis trennten.

Rullán kehrte mit zwei Kelchgläsern und einer Flasche Codorníu brut auf einem Silbertablett zurück. Er stellte das Tablett auf den Tisch, nahm die Flasche, entfernte Silberfolie und Draht und drückte mit geübten Fingern den Korken heraus. Er goß ein wenig Champagner in Todds Glas. Todd bedeutete ihm mit einer Handbewegung, daß er aufs Probieren verzichte, worauf Rullán erst Kendall einschenkte und dann ihm. »Stellen Sie die Flasche wieder in den Kühlschrank«, befahl Todd, »und tun Sie unbedingt den Verschluß drauf – wissen Sie, welchen ich meine?«

»Ja, Señor.«

»Wenn man einen Löffel in den Flaschenhals steckt, hilft das genauso«, bemerkte Kendall.

»Das hab’ ich gehört«, entgegnete Todd im Ton völligen Unglaubens.

»Ich finde, es geht nichts über ein Glas Schampus am Vormittag … Komisch, Kay mag das überhaupt nicht; sie trinkt viel lieber ein Glas Orangensaft.« Kendall lachte belustigt. »Wie ein Weiser einmal bemerkt hat, die Frauen sind einfach anders gebaut als wir. Was manchmal ja ganz gut ist, wie?«

Todd überhörte die frivole Bemerkung. Er sah abermals auf die Uhr.

»Weißt du was, Deiny … Verzeihung, Deiniol. Jeder Mensch merkt, daß du nicht hier lebst. Du sorgst dich zuviel um die Zeit.«

»Ich habe ihm ausdrücklich gesagt, daß ich um Viertel nach elf segeln möchte.«

»Reg dich nicht auf. Wir sind in Spanien; das einzige, was hier pünktlich anfängt, ist der Stierkampf. Was macht es schon, wenn Cyril ein paar Minuten zu spät kommt?«

»Fast eine Stunde.«

»Na schön, fast eine Stunde. Hier draußen kommt man zu früh, wenn man sich nicht mindestens um eine halbe Stunde verspätet. Freu dich lieber an den schönen Dingen des Lebens. Die Sonne scheint, wir trinken einen sehr passablen Schampus, und im Nachbarboot sitzt eine Blondine mit den schnittigsten Aufbauten, die ich je gesehen habe. Aber an so was bist du ja nicht interessiert.«

Todd warf Kendall einen scharfen Blick zu, doch das breite Lächeln auf dessen rundem und feisten Gesicht verriet nichts als die anscheinend gedankenlose Freude an einem plumpen Scherz.

»Aber da wir gerade von den lieben Damen sprechen, Kay hat mir aufgetragen, dich zu fragen, ob du irgendwann mal zu uns zum Abendessen kommen möchtest. Du kannst selbstverständlich auch einen Freund mitbringen, wenn du willst. Nichts Großartiges, leider, aber vielleicht macht’s dir Spaß, dich an einem Abend mal unters Volk zu mischen?«

Wieder war es unmöglich festzustellen, ob sich hinter Kendalls Worten Spott verbarg.

»Tut mir leid, aber ich bin bis zu meiner Abreise vollständig besetzt.«

»Kay wird sehr enttäuscht sein.« Rullán kam nach achtern; die geflochtenen Bastsohlen seiner Schuhe verursachten ein leise knisterndes Geräusch auf den Teakholzplanken.

»Wir fahren nicht?«

»Wir fahren, wenn ich es sage«, entgegnete Todd knapp.

»Es ist fast zwölf Uhr.«

»Ich weiß verdammt genau, wieviel Uhr es ist!«

»Jawohl, Señor.«

Ohne eine erkennbare Regung in dem faltigen, gebräunten Gesicht, ging Rullán wieder davon.

Kendall, der von seinem Platz den Kai überblicken konnte, rief plötzlich: »Da kommt ja endlich unser unerschrockener Seemann. Na, das ist mal eine schicke Montur. Dagegen sehen wir aus wie Kanalschiffer.«

Todd drehte sich um und starrte dem Herankommenden entgegen.

»Idiot!« knurrte er verächtlich.

Leach trug eine Schirmmütze, ein weißes Jackett mit blitzenden Messingknöpfen und weiße Segeltuchhosen. Er hätte aus einer Cowes-Fotografie von 1910 gestiegen sein können.

Vorsichtig kletterte er die kurze Gangway hinauf. Sein mageres, längliches Gesicht war gerötet, seine Wangen schweißüberströmt.

»Ich hoffe …«

»Sie kommen eine Stunde zu spät«, fiel ihm Todd brüsk ins Wort.

»Dummerweise kamen gerade, als ich losfahren wollte, ein paar Leute bei mir vorbei, und die hatten es überhaupt nicht eilig, wieder zu gehen.«

»Und es fiel Ihnen nicht ein, ihnen zu sagen, sie sollten verschwinden?« Todd leerte sein Glas und stellte es auf den Tisch.

»Aber so etwas kann man doch nicht sagen.«

Todd antwortete nicht einmal.

»Sehen Sie, ich wollte die Leute doch nicht verärgern.«

»In der stillen Hoffnung, daß dein Zuspätkommen uns nicht noch mehr verärgert, wie?« bemerkte Kendall mit boshaftem Vergnügen.

Leach errötete. Er sah zu Todd hin und dann schnell wieder weg; er blickte niemals jemand lange direkt ins Gesicht.

»Da Sie sich ja nun schließlich herabgelassen haben hier zu erscheinen«, erklärte Todd, »können wir vielleicht endlich ablegen.«

»Bramsegel hissen!« rief Kendall laut.

Todd erhob sich wortlos und ging durch die Kabine nach vorne zum Ruderhaus. Sie hörten ihn nach Rullán rufen.

»Er klingt … ein bißchen ärgerlich«, meinte Leach besorgt.

»Du kennst doch unseren Deiny. Wenn er sagt, so und so soll es geschehen, dann empfindet er es als persönliche Beleidigung, wenn es nicht so geschieht.«

»Aber es war wirklich furchtbar schwierig für mich.«

»Natürlich.«

»Dieses Ehepaar, die Pritchards … na ja, ich mußte sie einfach auf einen Drink hereinbitten.«

»Cyril, mein Bester, gestatte, daß ich dir einen wertvollen Rat gebe. Und schau nicht so besorgt, ich werde dir keine Rechnung dafür stellen.« Kendall lachte herzlich. »Hör auf, dir Gedanken zu machen, was andere Leute denken. Die meisten hier draußen sind gar nicht fähig dazu.«

»Aber ich … Gut, ich …«

»Und weißt du, was die beste Methode ist, um mit Leuten fertig zu werden, die die Nase hochziehen, als würde man schlecht riechen? Zeig ihnen, daß es dich nicht kümmert, und gib ihnen gleichzeitig Stoff zum Nachdenken. Du hättest ihnen sagen sollen, du könntest sie leider nicht hereinbitten, weil du dich schleunigst auf den Weg machen mußt, um mit dem großen Deiniol Todd einen Tag auf hoher See zu verbringen. Oder hattest du Angst, das würde sich wie Angeberei anhören? Merk dir, der Erfolg in dieser Welt begünstigt nicht die Bescheidenen. Glaubst du vielleicht, ich würde ein Haus verkaufen, indem ich die Wahrheit sage – daß es ein einarmiger Kellner in seiner Freizeit gebaut hat, daß es so feucht ist wie ein Goldfischglas und daß es ein Wunder wäre, wenn es in zehn Jahren noch steht? Keine Spur! Der Erbauer hat bei einer Ausstellung eine Goldmedaille gewonnen, das Haus ist so trocken, daß selbst spanische Cornflakes knusprig werden, und es wird noch stehen, wenn die Pyramiden längst ein Haufen Schutt sind.«

Rullán kam nach achtern. Gleichzeitig spürten sie das Deck vibrieren, als der erste und dann der zweite Schiffsmotor ansprang.

»Heda«, rief Kendall in seinem flüssigen, fehlerhaften Spanisch, »hier gibt’s gleich eine Tragödie, Felix: Señor Leach hat nichts zu trinken. Also bring uns bitte die Flasche aus dem Kühlschrank, ja?«

»Señor, ich muß die Leinen losmachen …«

»Zwei Minuten mehr werden auch nichts schaden!«

Leach räusperte sich nervös.

»Bittest du ihn, mir was zu trinken zu bringen? Glaubst du, er darf? Ich meine, Deiniol hat mir eigentlich noch nichts angeboten.«

»Nur weil er keine Manieren hat.« Kendall wandte sich zu Rullán. »Und bring auch noch ein Glas mit.«

Rullán drehte sich um und ging wieder in die Kabine.

Kendall blickte über den Tisch zu Leach.

»Darf ich dir noch einen Ratschlag geben? Kümmere dich nie um andere Leute, solange dir selbst noch was zu deinem Wohlergehen fehlt.«

»Aber …«

»Kein Aber, wenn du in dieser Welt voller Haifische überleben willst.«

Von der Brücke ertönte ein Ruf: »Leinen los achtern.«

»Felix ist nicht da«, meinte Leach. »Sollen wir nicht was tun?«

»Weißt du, welches Tau wohin gehört?«

»Nein, nicht genau.«

»Dann laß jemand anders das machen.«

Von der Brücke ertönte ein zweiter, wesentlich ungeduldigerer Ruf.

»Jetzt wird er wütend, weil dem großen Meister nicht augenblicklich gehorcht wird«, spottete Kendall. »Angeblich kann keiner seinen wahren Charakter vor der Kamera verbergen. Totaler Quatsch. Sieht man Deiny auf der Mattscheibe, könnte man ihn wirklich für die personifizierte Großherzigkeit halten.«

»Das würde ich nicht sagen …«

»Ich weiß, das ist ja dein großes Problem.«

Rullán kam eilig aus der Kabine, stellte ein Glas und die Champagnerflasche auf den Tisch und lief weiter. Er machte die Backbordleine los, dann die Steuerbordleine und rief, sobald sie aus dem Wasser waren, mit lauter Stimme: »Achtern alles o.k.«

Kendall schenkte ein. »Bei spiegelglatter See und einem ordentlichen Schampus im Glas spiele ich gern Matrose.«

»Früher hab’ ich oft davon geträumt, ein Boot zu haben. Nicht so ein großes natürlich.«

»Wie ›natürlich‹?«

Leach starrte Kendall verdutzt an, während Rullán an Ihnen vorbei nach vorne eilte.

»Zum Kuckuck, wenn du träumst, dann träum wenigstens groß.«

Die »Aphrodite« glitt langsam von ihrem Anlegeplatz, drehte dann nach Backbord und nahm Kurs auf den Hafeneingang. Der Himmel war wolkenlos, die Sonne brannte herab; erst der Fahrwind würde Erfrischung bringen. Kendall trank, zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich den Schweiß von Gesicht und Hals. Er schenkte sich noch einmal ein. Der Champagner anderer Leute schmeckte ihm immer besonders gut.

Die Küste lag fünf Meilen nach Norden; die Konturen der steilen, dunklen Felsklippen schienen in der hitzeflimmernden Luft zu zerfließen. Die See war ruhig; das Boot hob und senkte sich rhythmisch in der schwachen Dünung, während es unter automatischer Steuerung langsam dahinglitt. Nur noch ein anderes Schiff war in Sicht, ein Fischerboot, halb steuerbord weit voraus am Horizont.

Bei seiner Einladung hatte Todd von einem kleinen Imbiß an Bord gesprochen, doch etwas einfach zu machen, widerstrebte seiner Natur. Man begann mit üppigen Portionen Räucherlachs, dann gab es Wachteln, auf Mallorquiner Art mit geräuchertem Serranoschinken zubereitet, und zum Abschluß Pflaumen in Kognak, sowie Käse und Zwieback. Dazu hatte man zwei Flaschen Imperial, weiß und rot, getrunken, und eben wurde eine zweite Flasche vom Roten geöffnet.

Rullán reichte Kendall das Brett, auf dem ein halbes Dutzend verschiedener Käse lagen. Kendall griff nach dem Käsemesser.

»Das hier scheint mir ein Roquefort; der König aller Käse!«

»Es ist ein Austrian blue«, berichtigte Todd.

»Natürlich. Wie dumm von mir. Den Roquefort hebst du dir für deine wichtigen Gäste auf.«

Todd war sichtlich verärgert über diese grundlose Unhöflichkeit.

»Ist dir noch nie der Gedanke gekommen …« Er hielt inne und leerte sein Glas.

»Was für ein Gedanke?«

»Ach, nichts.«

»Na los, sag’s schon!«

Rullán, der während der ganzen Zeit Kendall das Käsebrett hingehalten hatte, stellte es abrupt auf den Tisch und sagte: »Ich gehe sehen, ob alles in Ordnung.« Er ging durch die Kabine und verschwand über die kurze Kajütentreppe nach oben.

»Er scheint sehr gewissenhaft«, meinte Leach.

Normalerweise wäre eine so banale Bemerkung von Kendall mit einem spöttischen Lächeln quittiert und von Todd einfach überhört worden. Doch obwohl beide viel getrunken hatten, nahmen sie dankbar die Gelegenheit wahr, auf ein neutrales Thema auszuweichen, um einen offenen Streit zu vermeiden.

»Ist er auch«, bestätigte Todd. »Ich stimme nämlich nicht mit der Meinung der Leute überein.«

»Eine weise Vorsichtsmaßnahme, wie jeder Politiker dir bestätigen wird«, bemerkte Kendall und schnitt sich ein großes Stück vom Brie ab.

»Ich habe die Mallorquiner immer absolut zuverlässig gefunden«, fuhr Leach fort.

Kendall füllte sein Glas.

»Ich frage mich, ob man das als ein Wunder oder als eine Wahnvorstellung bezeichnen soll.«

»Jedenfalls sind sie nicht ärger als andere.«

»Kein großartiger Standard.«

»Wenn sie fortwährend übers Geld reden, dann ist das unsere Schuld.«

»Das bezieht sich wohl auf dich selbst.«

»Das bezieht sich auf alle Ausländer. Wir sind es, die hierhergekommen sind und alle Wertmaßstäbe über den Haufen geworfen haben. Kein Wunder, daß sie uns nicht mögen.«

In seiner Erregung hatte Leach mit den Händen zu gestikulieren begonnen; dabei stieß er so heftig gegen ein Messer, daß es vom Tisch im hohen Bogen aufs Deck flog und über die Holzplanken durch den offenen Eingang aufs Achterdeck schlitterte. Hochrot im Gesicht, erhob er sich, Entschuldigungen murmelnd, vom Tisch und stolperte, schwankend vom Wein und vom Seegang, nach draußen.

»Du fühlst dich ungeliebt?« rief Kendall ihm ironisch nach.

»Das kann ich kaum glauben.«

Leach trat aufs Achterdeck und kniff geblendet die Lider zusammen. Rechts von sich sah er das Messer liegen. Er ging hin und bückte sich, um es aufzuheben. In diesem Augenblick fing das Boot heftig an zu schlingern, Leach verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Und so geschah es, daß er, geschützt durch das Schott und den Kasten mit den Rettungswesten, bei der Explosion, die das Boot und seine zwei Gefährten in diesem Augenblick zerriß, am Leben blieb.

2

Eine Fliege landete auf dem Schreibtisch. Alvarez beobachtete sie, wie sie zu dem Stapel von Briefen hinspazierte, die mit der Morgenpost gekommen und noch ungeöffnet waren. Das Leben war den Fliegen gegenüber zu großzügig, fand er. Nichts zu tun und den ganzen Tag Zeit dafür. Was für ein Unterschied zu seinem eigenen streßgeplagten Dasein. Die Fliege kletterte nun an dem obersten und dicksten Umschlag empor, welcher, wie Alvarez mit Sicherheit wußte, eine neuerliche und vermutlich noch dringendere Anforderung von fünf Zeugenprotokollen enthielt, eine Anforderung, die ursprünglich schon vor fünf Wochen an ihn ergangen war. Warum bloß halste man ihm die Probleme anderer Leute auf, wo er doch selbst schon genug davon hatte.

Die Fliege flog durch das offenstehende Fenster davon, und er folgte ihr im Geist mit wachsendem Neid. Freiheit, keine Pflichten außer gegen sich selbst … Die Sonne schien noch nicht ins Zimmer, aber der Tag war heiß, und Alvarez war müde. Die Augen fielen ihm zu, er entschwebte in die Lüfte, frei wie die Fliege.

Das Telefon klingelte. Es klingelte weiter. Alvarez öffnete die Augen. Konnte der alberne Idiot am anderen Ende nicht merken, daß keiner da war? Offenbar nicht. Schließlich beugte Alvarez sich vor und nahm den Hörer ab.

»Ich habe ein Gespräch für Sie von Chefinspektor Salas«, flötete Salas’ Sekretärin mit ihrer zuckersüßen Stimme.

Der Tag ließ sich gut an, überlegte Alvarez verdrossen. Wie üblich hielt sich Salas nicht mit Begrüßungsworten auf, aber er stammte ja auch aus Madrid.

»Haben Sie vom Tod der beiden Engländer vor Cala Vescari am Dritten gehört?«

»Wann genau war das, Señor?«

»Wollen Sie damit sagen, daß Sie nicht einmal wissen, welchen Tag wir heute haben?«

Alvarez blickte zu dem Kalender an der Wand, aber das half ihm momentan wenig, da er das Blatt für den heutigen Tag noch nicht abgerissen hatte.

»Vor zwei Tagen sind drei Engländer sowie ein einheimisches Besatzungsmitglied mit ihrem Boot hinausgefahren. Auf hoher See gab es eine Explosion, zwei der Engländer kamen ums Leben, der dritte sowie der Mann von der Besatzung wurden verletzt. Einer der Toten war ein Mitglied des britischen Unterhauses, was bedeutet, daß es sich hier um einen außerordentlich ernsten Fall handelt.«

Alvarez war anderer Meinung – tote Unterhausmitglieder verursachten meist erheblich weniger Probleme als lebendige –, aber er schwieg. Salas besaß wenig Humor und einen übertriebenen Respekt vor den Stützen der Gesellschaft.

»Bis gestern war angenommen worden, daß es sich bei der Explosion um einen Unglücksfall handelte; das Boot hatte Gasflaschen an Bord, was bekanntermaßen einen Risikofaktor darstellt. Gestern jedoch erhielt ich einen Anruf von der englischen Polizei, der die Dinge unter Umständen in einem ganz anderen Licht erscheinen läßt. Señor Todd, das Unterhausmitglied, war sehr eng mit einer Kampagne verbunden, die sich eine Strafverschärfung für verurteilte Terroristen zum Ziel gesetzt hat. Seine Bemühungen hatten erhebliches internationales Aufsehen erregt, und er hatte in jüngster Zeit mehrere Drohbriefe von terroristischen Organisationen erhalten. Der letzte kam vor drei Wochen mit der Post, von einer Gruppe, die sich das ›Leuchtende Schwert Allahs‹ nennt.

Ein spanisch sprechendes Mitglied der Antiterroristeneinheit von New Scotland Yard sagte mir, daß über diese Gruppe bisher sehr wenig bekannt ist, außer daß sie aus dem Nahen Osten stammt, großenteils von Libyen finanziert wird und sich zum Ziel gesetzt hat, die westliche Gesellschaft zu destabilisieren. Es scheint keine große Organisation, aber die Mitglieder sind Fanatiker. Señor Jennings sagte mir ferner, daß die Gruppe in jüngster Zeit zwei Bombenattentate verübt hat, eines in Deutschland und eines in Frankreich, und die Tatumstände in beiden Fällen deuten auf eine beträchtliche einschlägige Erfahrung hin. Er hat angeboten, uns einen seiner besten Leute zu schicken, falls wir zu dem Schluß kämen, daß die Explosion das Werk von Terroristen gewesen sein könnte.«

»Das wäre gewiß sehr nützlich.«

»Ich habe mich bei Señor Jennings bedankt«, entgegnete Salas kühl, »ihm jedoch mitgeteilt, daß wir durchaus selbst imstande sind, unsere Ermittlungen, gleich welcher Art, sachkundig durchzuführen … nach der eben von mir geschilderten Sachlage werden hoffentlich selbst Sie begreifen, daß der Fall mit allem gebotenen Sachverstand angepackt werden muß.«

»Natürlich, Señor. Aber ich glaube, ich muß doch darauf hinweisen, daß, falls es sich um die Tat von Terroristen handelte, die Attentäter die Insel inzwischen bestimmt verlassen haben, um sich einer eventuellen Verhaftung zu entziehen. Wir müssen natürlich zunächst einmal feststellen, ob es tatsächlich ein Terroranschlag war, sollte dies zutreffen, so besteht keine Gewähr …«

»Alvarez, was zum Teufel quatschen Sie da eigentlich?«

»Ich wollte bloß erklären, Señor, warum meine Nachforschungen wahrscheinlich …«

»Ihre Nachforschungen? Glauben Sie, ich würde es wagen, Ihnen einen Fall von solcher Bedeutung anzuvertrauen? Ich habe gebeten, daß man Kommissar Suau vom Festland herüberschickt. Er befindet sich zur Zeit bereits in Cala Vescari. Da er nur wenig Englisch spricht und in der Vergangenheit nicht viel mit Ausländern zu tun hatte, habe ich – ungern – beschlossen, Sie ihm zur Unterstützung zuzuteilen. Sie werden sich sofort bei ihm melden.«

»Señor«, sagte Alvarez eilig, »in den letzten Wochen hat sich bei mir eine Menge Arbeit angehäuft, die ich unmöglich liegenlassen kann …«

»Die Sie aber zweifellos liegengelassen haben. Sofort, ist das klar?« Salas legte auf.

Alvarez seufzte. Er überlegte einen Augenblick und rief dann einen Freund an.

»Was ich vom Kommissar Suau gehört habe?« Garcia lachte schallend.

»Wie ist er?«

»Ein hundsgemeines Ekel. Warum willst du das wissen?«

»Der Chef hat ihn herübergeholt, um ihm die Leitung von gewissen Ermittlungen zu übertragen, und ich soll für ihn arbeiten.«

»Fabelhafte Kombination! Ich werde dir ein paar besonders schöne Blumen aufs Grab legen, falls dich das tröstet.«

Bald darauf beendete Alvarez das Gespräch. Er bückte sich, öffnete die untere rechte Schreibtischschublade und holte eine Flasche Kognak und ein Glas heraus.

 

Cala Vescari lag an der Südküste, und die Fahrt von Llueso führte Alvarez quer durch die Ebene in der Mitte der Insel, durch Orte, in die selten Fremde kamen, und Gegenden, in denen fruchtbare, bewässerte Felder abwechselten mit kargen, steinigen Böden, wo es zwischen Mai und Oktober kein Wasser gab und kaum etwas wuchs, außer Mandelbäumen und dürftigem Getreide. Die Stadt bot für Alvarez einen krassen und abstoßenden Kontrast dazu; sie verdankte ihre gegenwärtige Ausdehnung ausschließlich dem Fremdenverkehr, was augenblicklich klar wurde, sobald zu beiden Seiten der Straße Reklametafeln auf englisch und deutsch auftauchten und hinter einer Anhöhe die ersten nagelneuen schachtelähnlichen Häuser zum Vorschein kamen. Nach längerem Suchen fand Alvarez schließlich die Polizeistation, die der Policía Armade y de Tráfico unterstand. Er parkte und ging hinein. Der diensthabende Sergeant erklärte gleichgültig, daß er noch nie von einem Kommissar Suau gehört habe, weitere Nachforschungen ergaben jedoch, daß man für den Kommissar einen Raum im dritten Stock bereitgestellt hatte. Alvarez stieg die steilen Treppen hinauf, und sein Schritt verlangsamte sich immer mehr, teils aus Unlust und teils, weil ihm der Atem knapp wurde. Suau war ein kleiner Mann mit scharfen Zügen und schwarzen, untadelig festgeklebten Haaren. Er rasierte sich zweimal am Tag, und sein gestutzter Schnurrbart war ein Muster an Akkuratesse. Seine Hände waren lang und wohlgeformt, fast wie die eines Musikers, ihre Bewegungen stets rasch und präzise, gleichgültig ob er sich den Schlipsknoten zurechtzog oder in schwungvollen, klaren Zügen seine Unterschrift unter ein Dokument setzte. Seine Redeweise war schnell und bestimmt, und er verlor nie ein unnützes Wort. Er achtete stets auf korrekte Kleidung und trug selbst bei der gegenwärtigen Hitze einen leichten Straßenanzug.

Als Alvarez das Büro betrat, blickte der Kommissar von den Papieren auf, in denen er gelesen hatte, und fällte nach wenigen Sekunden sein Urteil über den Besucher.

»Ja, was wünschen Sie?« fragte er ungeduldig.

»Señor, ich bin Inspektor Alvarez aus Llueso.«

Suau zeigte eine erstaunte Miene.

»Chefinspektor Salas hat mich angewiesen …«

»… sich sofort hier zu melden«, unterbrach ihn Suau. »Es sind jetzt gut zwei Stunden, seit er mich davon informierte, daß Sie sich auf dem Weg hierher befänden. Wenn ich recht unterrichtet bin, braucht man für eine Fahrt von Llueso allerhöchstens eine Dreiviertelstunde.«

»Vor meiner Abfahrt hatte ich noch einige Dinge zu erledigen …«

»Es wird unsere Zusammenarbeit erleichtern, wenn Sie sich von Anfang an klarmachen, daß ich an Entschuldigungen nicht interessiert bin.«

»Aber ich konnte doch nicht einfach alles fallen lassen …«

»Und merken Sie sich liebenswürdigerweise noch eins. Ich erwarte von meinen Leuten, daß sie zu jeder Zeit anständig gekleidet sind und nicht wie Landstreicher vor mir erscheinen.«

Landstreicher? Zugegeben, dachte Alvarez, sein Hemd hatte rechts auf der Brust einen kleinen Fleck, seine Hosen waren ein bißchen zerknittert, und jetzt, bei genauerem Nachdenken, war er sich beinahe sicher, daß er an diesem Morgen vergessen hatte, sich zu rasieren, aber Landstreicher …

Suau schob die Papiere auf seinem Schreibtisch ordentlich zusammen und erhob sich.

»Da Sie endlich da sind, werden wir uns sofort in die Klinik begeben, um Señor Leach zu vernehmen.«

»Das bedeutet, daß wir nach Palma fahren müssen, Señor.«

»Natürlich.«

»Dann schlage ich vor, wir essen vorher. Bis wir in Palma sind, werden alle ordentlichen Restaurants überfüllt sein und …«

»Ich habe nicht die Absicht, Zeit mit Restaurantbesuchen zu verschwenden. Wenn sich Gelegenheit ergibt, werden wir ein Sandwich zu uns nehmen.«

Nunmehr schien Alvarez das Maß seines Unglücks übervoll.

 

Die Klinik befand sich auf einer Anhöhe am Rand von Palma; von hier reichte der Blick von den Bergen im Norden bis zur Bucht im Süden. Leach lag in einem Zimmer im zweiten Stock. Er litt noch unter Angstzuständen infolge des Schocks, und seine Finger zupften unaufhörlich an dem Laken, das ihm als einzige Decke diente. Alvarez als Dolmetscher benützend, stellte Suau sich vor und drückte Leach formell seine besten Wünsche zur baldigen Genesung aus. Dann rückte er den einzigen Stuhl näher ans Bett und setzte sich. Alvarez mußte sich mit einem Platz auf der Liege begnügen.

»Señor Leach, Sie leben in Palma?«

»Ich habe eine Wohnung hier. Am Paseo Marítimo.« Leach sprach in abgehackten Sätzen, mit gepreßter Stimme.

»Wie lange leben Sie schon hier?«

»Drei bis vier Jahre. Genau weiß ich’s nicht.«

»Haben Sie eine ›Residencia‹, eine Aufenthaltsgenehmigung?«

»Ja.«

»Darf ich sie sehen?«

»Ich habe sie nicht bei mir. Sie ist zu Hause.«

»Wann haben Sie das erste Mal von dem Bootsausflug erfahren?«

»Deiniol rief mich an; ich glaube, das war am Freitag oder Samstag.«

»Sind Sie verheiratet?«

»Ja, aber … aber meine Frau lebt in England.«

»Beschäftigen Sie eine Hausangestellte?«

»Ich … ja.« Leach geriet sichtlich in Verlegenheit.

»Haben Sie ihr von dem bevorstehenden Ausflug erzählt?«

»Ich … weiß nicht mehr.«

»Haben Sie irgendeinem Ihrer Freunde gegenüber etwas davon erwähnt?«

»Ich kann mich nicht … Tut mir leid, ich kann einfach nicht klar denken.«

»Bitte, bemühen Sie sich.«

»Das ist nicht so leicht, wenn man gerade in die Luft geflogen ist«, erwiderte Leach in gereiztem Ton. Als Suau auf seine Worte nicht reagierte, versuchte er sich zu konzentrieren. »Ich meine mich zu erinnern, daß ich es Ken erzählt habe.«

»Wer ist das?«

»Ken Street. Er und Madge wohnen in Magaluff. Er war bei der Armee, aber die beiden sind trotzdem nett … wissen Sie, pensionierte Offiziere sind nämlich oft sehr … und ihre Frauen sind noch schlimmer. Aber Madge ist überhaupt nicht so.«

»Können Sie angeben, wann Sie ihnen davon erzählt haben?«

»Das muß gewesen sein, als ich zum Drink bei ihnen war. Am Sonntag.«

»Haben Sie sonst noch jemandem davon erzählt?«

»Soviel ich weiß nicht, nein.«

»Soweit Sie sich erinnern können, haben demnach nur Ihre Freunde, die Streets, und wahrscheinlich Ihr Mädchen von Ihrem bevorstehenden Bootsausflug gewußt?«

»Richtig.«

»Würden Sie bitte schildern, was am Dienstag geschah?«

Leachs Finger zupften heftiger am Laken.

»Tut mir leid, wenn das unangenehme Erinnerungen wachruft, Señor, aber wir brauchen eine genaue Schilderung der Ereignisse.«

Leach schluckte mehrmals krampfhaft und betastete mit der rechten Hand seinen Unterkiefer, wo sich eine leichte Schwellung abzeichnete.

»Wann verließen Sie Ihre Wohnung?«

»Zu spät, denn die Pritchards kamen unerwartet vorbei.«

»Das sind Freunde von Ihnen?«

»Stimmt. Das heißt, eigentlich mehr Bekannte, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Haben Sie ihnen erzählt, was Sie vorhatten?«

»Kann sein.«

»Aber vorher wußten sie nichts davon?«

»Nein.«

»Um wieviel Uhr sind Sie dann also aufgebrochen?«

»Das muß wohl so gegen halb zwölf gewesen sein.«

»Sind Sie direkt nach Cala Vescari gefahren?«

»Ja. Ich wußte, ich würde viel zu spät kommen, und Deiniol wird immer so ärgerlich, wenn man nicht auf die Minute pünktlich ist …« Er verstummte abrupt.

»Wo haben Sie Ihren Wagen geparkt?«

»Am Hafen. Es war gerade noch Platz.«

»Befanden sich zu der Zeit viele Leute dort?«

»Ziemlich viele, ja.«

»Gingen Sie sofort an Bord.«

»Ja.«

»Und legte das Boot bald darauf ab?«

»Sofort. Deiniol hatte schon Zustände, weil ich so spät kam. Aber als ich ihm zu erklären versuchte …« Wieder verstummte Leach.

»Haben Sie beim Ablegen zufällig einen Blick zum Kai geworfen?«

»Ich erinnere mich nicht genau, aber wahrscheinlich ja. Arthur und ich saßen ja draußen an Deck.«

»Wo befand sich Señor Todd?«

»Am Ruder.«

»Und Rullán?«

»Felix? Der war mit den Leinen und Fendern beschäftigt.«

»Haben Sie Gasgeruch bemerkt?«

»Überhaupt nicht.«

»Wäre es Ihnen aufgefallen, wenn es nach Gas gerochen hätte?«

»Bestimmt; ich habe einen sehr guten Geruchssinn.«

»Hat Señor Todd etwas von einer undichten Gasflasche erwähnt?«

»Nein.«

»Oder von irgendwelchen sonstigen technischen Schwierigkeiten?«

»Er hat sich bloß über mein Zuspätkommen aufgeregt.«

»Ist Ihnen auf dem Boot irgend etwas aufgefallen, was nicht dort hinzugehören schien? Ein Paket oder ein Koffer zum Beispiel?«

»Nein.«

»Was taten Sie unmittelbar vor der Explosion?«

Es verging einige Zeit, ehe Leach antwortete, und dann war seine Stimme so leise, daß Alvarez Mühe hatte, ihn zu verstehen.