Cops leben gefährlich. 1. Kriminalroman aus dem 87. Polizeirevier - Ed McBain - E-Book

Cops leben gefährlich. 1. Kriminalroman aus dem 87. Polizeirevier E-Book

Ed McBain

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Beschreibung

Die Stadt ist riesig. Eine gigantische Big City, von pulsierendem Leben erfüllt. Ein Hexenkessel. Und mittendrin das 87. Polizeirevier. Es ist Ende Juli, Mitte der Fünfziger Jahre. Eine lähmende Hitze lastet auf der Stadt. Kurz vor Mitternacht schlagen zwei Kugeln von hinten in Mike Reardons Schädel ein und zerreißen beim Austritt sein Gesicht. Der Polizist ist bereits tot, als sein Körper auf die Straße stürzt. Ohnmächtige Wut erfasst die Detectives des 87. Polizeireviers. Mike Reardon war einer von Ihnen. Mike Reardon war ein Cop. Und Readorn bleibt nicht der einzige Kollege, um den die Männer vom 87. Revier trauern müssen. Denn irgendwo in der großen heißen Stadt geht ein Mörder um. Seine Opfer sind ausnahmslos Cops. Polizisten hassen Cop-Killer. Sie wollen sie schnellstmöglich zu fassen kriegen, sie festnageln und ein für alle Mal zur Hölle schicken… Der packende Beginn von Ed McBains legendärer Serie rund um das 87. Polizeirevier. Ed McBain war der wohl bedeutendste Autor eines Genres, das später als Polizeiroman oder „Police Procedural« bekannt wurde. Mehr als ein Zeitdokument: Ein immer noch spannender und mitreißender Roman.

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Seitenzahl: 202

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Über das Buch

Die Stadt ist riesig. Eine gigantische Big City, von pulsierendem Leben erfüllt. Ein Hexenkessel. Und mittendrin das 87. Polizeirevier. Es ist Ende Juli, Mitte der Fünfziger Jahre. Eine lähmende Hitze lastet auf der Stadt.

Kurz vor Mitternacht schlagen zwei Kugeln von hinten in Mike Reardons Schädel ein und zerreißen beim Austritt sein Gesicht. Der Polizist ist bereits tot, als sein Körper auf die Straße stürzt. Ohnmächtige Wut erfasst die Detectives des 87. Polizeireviers. Mike Reardon war einer von Ihnen. Mike Reardon war ein Cop.

Und Readorn bleibt nicht der einzige Kollege, um den die Männer vom 87. Revier trauern müssen. Denn irgendwo in der großen heißen Stadt geht ein Mörder um. Seine Opfer sind ausnahmslos Cops.

Polizisten hassen Cop-Killer. Sie wollen sie schnellstmöglich zu fassen kriegen, sie festnageln und ein für alle Mal zur Hölle schicken ...

Ed McBain war der wohl bedeutendste Autor eines Genres, das später als Polizeiroman oder »Police Procedural« bekannt wurde. Ein noch immer spannendes und packendes Zeitdokument.

Über den Autor

Ed McBain

Cops leben gefährlich

1. Kriminalroman aus dem 87. Polizeirevier

Impressum

Digitale Neuausgabe: © CulturBooks Verlag 2015

Gärtnerstr. 122, 20253 Hamburg

Tel. +4940 31108081, [email protected]

www.culturbooks.de

Alle Rechte vorbehalten Deutsche Erstausgabe: 1964, Ullstein Verlag Originalausgabe: COP HATER, 1956 © Ed McBain

eBook-Cover: Magdalena Gadaj

eBook-Herstellung: CulturBooks

Erscheinungsdatum: 14.07.2015

ISBN: 978-3-95988-003-9

1

Zuerst sieht man nur die Skyline der Stadt, wenn man von Norden kommt, vom Fluss her. Es verschlägt einem den Atem, ein seltsames Gefühl von Ehrfurcht bei diesem Anblick von majestätischem Glanz überkommt einen. Die klare Silhouette der Gebäude, die den Himmel zu berühren scheinen, hält das Auge fest, man kann diesen Himmel nur ahnen, man hat keinen Blick für sein Blau, für sein Weiß, für die kleinen Wölkchen, man ist fasziniert von der Geometrie der unzähligen Flächen, der Rechtecke und Quadrate. Dome steigen auf, Minaretts, Berggipfel, die sich elegant verjüngen und in der Unendlichkeit verschwinden.

Nachts ...

Man kommt über den River Highway an die Stadt heran und man wird von dem erregenden Schein unzähliger Sonnen geblendet. Eine grandiose Lichterkette schwebt über dem Fluss und verschwindet in hohem Bogen im Süden, die Stadt in ein gleißendes Meer tauchend. Die Lichter der Schnellstraße huschen vorbei und bleiben zurück: leuchtende Augen, die sich im schwarzen Wasser des Flusses widerspiegeln. Die Fenster der Gebäude strahlen, es sind schillernde Rechtecke, die kleiner und kleiner werden und im Himmel verschwinden – nicht im dunklen Nachthimmel, denn der Himmel über der Stadt besteht aus roten, grünen, gelben und orangefarbenen Neonlampen. Die Verkehrsampeln zwinkern, ihre Farbe von Minute zu Minute verändernd.

Ein funkelndes Nest ist die Stadt, von pulsierendem Leben erfüllt, erbaut aus kostbaren, leuchtenden Edelsteinen – aber alle diese Gebäude sind nur Dekoration. Mehr nicht.

Sie schauen über den Fluss, aber sie sind keine Märchengebilde, sie sind von Menschenhand erbaut worden – auch wenn man sie mit Ehrfurcht betrachtet, wenn einem der Atem beim Anblick der glänzenden Skyline stockt.

Vor den Häusern, hinter den Häusern und zwischen den Häusern gibt es Straßen.

Und es gibt viel Abfall in diesen Straßen ...

Der Wecker rasselte um 23:00 Uhr.

Er streckte seine Hand aus, tastete in der Dunkelheit herum und fand den Klöppel, er drückte ihn fest gegen die Glocke. Es wurde wieder still in dem dunklen Zimmer. Er hörte Mays ruhigen Atem. Die Fenster waren weit geöffnet, aber die Luft im Zimmer war heiß und feucht und er dachte wieder daran, dass er vor dem Beginn dieses Sommers eine Klimaanlage hatte kaufen wollen.

Er war ein großer Mann mit blonden Haaren, die jetzt verstrubbelt waren. Gewöhnlich waren seine Augen grau, aber jetzt, in der Dunkelheit, waren sie farblos und noch immer verschlafen. Er stand auf und reckte sich. Er schlief in diesen heißen Nächten nur in der Pyjamahose und als er jetzt seine Arme über den Kopf streckte, rutschte sie herunter. Er grunzte, zog sie ganz aus und betrachtete wieder May.

Das Laken lag als formlose Masse am Fußende. May schlief auf der Seite, ihr Nachthemd war über die Oberschenkel gerutscht. Er ging zum Bett und legte seine Hand ein paar Sekunden lang auf ihr heißes Fleisch. Sie murmelte etwas und drehte sich auf den Rücken. Er lächelte ins Dunkel und ging dann ins Badezimmer, um sich zu rasieren.

Er wusste genau, wie lange er dazu brauchte und wie lange er brauchte, um sich anzuziehen und Kaffee zu trinken. Ehe er anfing, nahm er die Armbanduhr ab, er legte sie auf den Rand des Beckens, um von Zeit zu Zeit nachsehen zu können. Um 23:10 Uhr begann er mit dem Anziehen. Er zog das bunte Hemd an, das ihm sein Bruder aus Hawaii geschickt hatte, braune Gabardinehosen und eine leichte Jacke aus Popelin. Dann steckte er ein Taschentuch in die linke Hüfttasche. Er verstaute seine Brieftasche und ging zur Kommode.

Er zog die oberste Schublade auf und nahm den .38er heraus, der neben Mays kleiner Schmuckkassette lag. Sein Daumen glitt über das harte Leder des Halfters. Er befestigte den Halfter mit dem Revolver unter seiner Popelinjacke über der rechten Hüfte. Dann steckte er sich eine Zigarette an und ging in die Küche, um das Kaffeewasser aufzustellen.

Er ging zu den Kindern. Mickey schlief wie üblich mit dem Daumen im Mund. Er strich über den Kopf des Jungen. Du lieber Himmel, er schwitzte wie ein Schweinchen! Er musste unbedingt mit May wegen der Klimaanlage sprechen. Es war nicht gut, wenn die Kinder in einem solchen Brutkasten leben mussten. Dann ging er zu Cathys Bett. Sie war nicht so nass geschwitzt wie ihr Bruder. Na ja, vielleicht transpirieren Mädchen nicht so arg. Er hörte den Pfeifkessel und sah auf seine Uhr. Er lächelte. Dann ging er in die Küche und schüttete zwei Löffel Pulverkaffee in eine große Tasse und goss das kochende Wasser darüber. Er trank den Kaffee schwarz und ohne Zucker. Er fühlte, dass er endgültig wach wurde und überlegte sich zum hundertsten Mal, dass es dumm war, vor seiner Runde überhaupt zu schlafen. Er sollte schlafen, wenn er wieder nach Hause kam. So war das unsinnig. Er musste mit May darüber reden. Er trank den Kaffee und ging noch einmal ins Schlafzimmer.

Er betrachtete sie gern, wenn sie schlief. Er kam sich immer ein bisschen komisch vor, wenn er das tat. Schlaf ist schließlich eine Privatangelegenheit und es war vielleicht nicht ganz in Ordnung, jemanden so zu betrachten. Aber, weiß der Himmel, sie war schön – und was hieß da schon: nicht in Ordnung? Er betrachtete sie ein paar Augenblicke lang; das dunkle Haar lag ausgebreitet auf dem Kissen, er sah den Schwung ihrer Schenkel und Hüften und das weiße Fleisch. Er trat ans Bett und strich ihr das Haar aus den Schläfen. Er küsste sie leicht. Sie schlug kurz die Augen auf und sagte:

»Mike?«

»Schlaf’ wieder, Liebling.«

»Gehst du?«, fragte sie schläfrig.

»Ja.«

»Paß auf dich auf, Mike!«

»Bestimmt.« Er lächelte. »Und sei ein braves Mädchen.«

»Uhm ...« machte sie und rollte sich ins Kissen. Er sah noch einmal zurück, dann ging er durchs Wohnzimmer und verließ das Haus. Er sah auf seine Uhr. Es war halb zwölf. Genau nach Fahrplan, dachte er, und, verdammt, draußen war es auch nicht kühler.

Um 23:41 Uhr, als Mike Reardon drei Blocks gegangen war, trafen zwei Kugeln von hinten seinen Schädel und zerrissen sein Gesicht, als sie den Kopf wieder verließen. Er fühlte den Aufprall und einen jähen unerträglichen Schmerz und hörte dann unbestimmt den Abschuss und dann wurde es dunkel und er stürzte aufs Pflaster.

Er war schon tot, ehe er aufprallte.

Er war ein Bürger der Stadt gewesen und nun ergoss sich das Blut über sein zerstörtes Gesicht und rann an ihm herunter und bildete eine rote Lache.

Ein anderer Bürger fand ihn um 23:56 Uhr und rannte davon, um die Polizei anzurufen.

Es gab einen kleinen Unterschied zwischen dem Bürger, der die Straße hinunterrannte, um die Polizei zu verständigen und dem Bürger namens Mike Reardon, der gekrümmt und leblos da lag.

Nur einen Unterschied.

Mike Reardon war ein Cop.

2

Die beiden Cops der Mordkommission Nord starrten auf den Körper, der auf dem Gehsteig lag. Es war eine heiße Nacht und die Fliegen umschwärmten das eingetrocknete Blut. Der stellvertretende Polizeiarzt kniete neben der Leiche und studierte sie genau. Ein Fotograf des Erkennungsdienstes verschoß sein Blitzlicht. Auf der Straße parkten die Streifenwagen 23 und 24 und die Männer hatten Mühe, die Neugierigen zurückzudrängen.

Der Anruf war zu einer der beiden Vermittlungen des Präsidiums gekommen, wo ein schläfriger Mann der Bereitschaft die Information entgegengenommen und ein wenig später durch Rohrpost zur Funkzentrale geschickt hatte. Der wachhabende Beamte der Funkzentrale hatte die große Karte inspiziert, auf der die Gebiete der einzelnen Polizeireviere verzeichnet waren und dann den Wagen 23 beauftragt, sich um den blutenden Mann auf der Straße zu kümmern. Funkstreifenwagen 23 hatte gemeldet, es handele sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Mord und der Beamte schickte zur Unterstützung den Wagen 24 hin. Gleichzeitig benachrichtigte er die Mordkommission Nord und das 87. Polizeirevier, in dessen Zuständigkeitsbereich man die Leiche gefunden hatte.

Die Leiche lag vor einem verlassenen, abbruchreifen Kino. Vor langer Zeit hatte dieses Kino damit begonnen, erstklassige Filme für ein verwöhntes Publikum zu zeigen, damals hatte die Gegend noch eleganter ausgesehen. Dann waren die Häuser zerfallen, die Eleganz war nur noch Schein und das Kino hatte zweitklassige Filme gespielt – schließlich uralte und dann ausländische Filme. Da waren die einstmals eleganten Häuser schon zerfallen und unansehnlich gewesen. Auf der linken Seite des Gebäudes war eine Tür, früher war es eine richtige Tür gewesen, aber jetzt waren die Bretter lose und der Raum, zu dem sie führte, war verdreckt. Auf dem Boden lagen Zigarettenkippen, leere Whiskyflaschen und Kondome. Die Markise, die einst die Sonne abgehalten hatte, war zerschlissen und hing an der Seite herunter.

Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, war ein freier Platz. Hier hatte früher ein großes Mietshaus gestanden und es war ein rentables Mietshaus gewesen. Damals schritten Frauen in Nerzmänteln die marmorne Treppe hinunter. Aber die Slums hatten ihre Fühler immer weiter vorgeschoben und alles erfasst: das Kino – das einstmals elegante Haus. Und das Haus hatte keinen Widerstand geleistet, es war ein Teil des Slums geworden und nur wenige Menschen erinnerten sich daran, wie es damals ausgesehen hatte. Schließlich hatte jemand das Todesurteil gesprochen, das Haus war abgerissen worden – ein leerer Platz, auf dem zwischen den Ziegelhaufen am Tage die Kinder spielten, den die Männer nachts als Pissoir benutzen – das war übriggeblieben. Es gab Gerüchte, die besagten, ein neues Haus würde bald errichtet werden jetzt lag nur Gestank über dem Platz. Und in den heißen Sommernächten trieb er zum Kino hinüber und verfing sich unter den Resten der Markise. In dieser Nacht kam der Geruch des Blutes dazu.

Einer der Beamten vom Morddezernat Nord suchte die Straße ab. Der andere blieb vor der Leiche stehen, die Hände in die Taschen geschoben und sah zu, wie sich der Arzt bemühte, festzustellen, ob der tote Mann auch wirklich tot war. Aber dazu war er schließlich da.

Der Beamte kam zurück.

»Schon gesehen?«, fragte er.

»Wo hast du das gefunden?«

»Patronenhülsen ... dort!«

»Aha.«

»Remington. .45er Kaliber, schätze ich.«

»Leg’ sie in einen Umschlag und mach’ ein Etikett dran. Fertig, Doc?«

»Gleich.«

Der Fotograf verfeuerte eine neue Salve aus seinem Blitzgerät. Er arbeitete wie ein Reporter bei der Premiere eines Musicals. Aber sein Star war die Leiche, die auf dem Pflaster lag und er umkreiste sie, um keinen Winkel auszulassen. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Schweiß lief ihm über die Stirn und sein Hemd klebte am Körper, Der Arzt strich sich übers Gesicht.

»Wo bleiben bloß die Burschen vom 87. Revier?«, fragte der eine Beamte.

»Die pokern sicherlich gerade. Einer hat einen Flush in der Hand und die anderen machen den Blödsinn, ihn überbieten zu wollen. Was sagten Sie, Doc?«

»Ich bin fertig.« Er richtete sich schwerfällig auf.

»Was haben Sie entdeckt?«

»Es ist so, wie es aussieht. Er wurde zweimal von hinten in den Kopf getroffen. Der Tod trat auf der Stelle ein.«

»Und wann war das?«

»Mann! Der hat doch mit einer Kanone gefeuert! Machen Sie einen Witz?«

»Ich dachte, Ihr Burschen könnt zaubern.«

»Das können wir. Aber nicht im Sommer.«

»Können Sie es ungefähr schätzen?«

»Klar. Bis jetzt keine Leichenstarre. Ich würde also sagen, er ist vor etwa einer halben Stunde getötet worden. Allerdings, bei dieser Hitze ... der Körper kann noch stundenlang warm bleiben. So einfach ist das nicht. Nicht mal bei der Autopsie ...«

»Ist gut, Doc. Ob wir rauskriegen, wer er ist?«

»Das sollten wir den Burschen vom Labor überlassen. Ich haue ab.« Er sah auf die Uhr. »Neunzehn Minuten nach Mitternacht – für den Bericht.«

»Das wird ein kurzer Tag«, meinte der eine Cop. Er vermerkte die Zeit auf einem Formular, das er in der Hand hatte.

Der andere Beamte kniete nieder. Dann sah er auf und sagte:

»Er ist bewaffnet!«

»Was?«

Der Arzt strich sich über die Stirn und ging davon.

»Sieht aus wie ein .38er«, sagte der Cop. Er betrachtete die Waffe im Halfter genauer. »He! Das ist ein Detective Special.«

»Ich werd’ ein Etikett dranmachen ...«

Ein Wagen kam die Straße herunter und hielt. Zwei Männer stiegen aus und kamen näher. »Sieh an«, sagte der Cop. »Das 87. Revier ist da.«

Der andere nickte. »Die kommen gerade rechtzeitig zum Tee. Wen haben sie hergeschickt?«

»Sieht aus wie Carella und Bush.« Der Cop zog ein Bündel Etiketts aus der rechten Tasche, sie wurden von einem Gummiband zusammengehalten. Er zog ein Etikett aus dem Bündel und steckte den Rest wieder ein. Das Etikett war ein kleines Rechteck von gelblicher Farbe. Ein kleines Loch, durch das ein dünner Draht lief, war eingestanzt. ›Präsidium‹ war aufgedruckt und darunter, in kleineren Buchstaben: ›Untersuchungsergebnis‹.

Carella und Bush, vom 87. Revier, kamen näher. Der Beamte von der Mordkommission Nord sah sie kurz an und begann dann die Spalte ›Wo gefunden?‹ auszufüllen. Carella trug einen blauen Anzug, seine graue Krawatte passte zu dem weißen Hemd. Bush trug ein orangefarbenes Sporthemd und eine Kakihose.

Der zweite Cop sagte: »Ihr könnt nicht ›Speedy Gonzales‹ und ›Mr. Wirbelwind‹ sein – ihr bewegt euch zu schnell. Was macht ihr bei einem Bombenalarm?«

»Das überlassen wir dem Sprengkommando«, sagte Carella trocken, »Und was macht ihr?«

»Ihr seid ein bisschen witzig, was?«

»Man sollte uns aufhängen!«

»Genau.«

Carella sagte: »Ich konnte schlecht wegkommen, ich fing gerade Fliegen, als der Bescheid kam. Bush war mit Foster draußen, um sich eine Messerstecherei anzusehen. Stimmt’s, Bush?« Bush nickte.

Der erste Cop sagte: »Hättet ihr weiter machen sollen. Was ist jetzt mit den Fliegen?«

Carella lächelte. Er war ein großer Mann, aber nicht schwer. Man sah ihm an, dass er kräftig war, aber er war nicht massig. Die Kraft lag in seinen Muskeln. Er trug sein braunes Haar kurzgeschnitten. Seine Augen waren ebenfalls braun und die etwas nach unten gezogenen Augenwinkel gaben ihm fast das Aussehen eines Orientalen. Er hatte breite Schultern und schmale Lippen und er wirkte immer elegant angezogen, selbst wenn er eine Lederjacke trug. Er hatte kräftige Gelenke und große Hände, deren Finger er jetzt spreizte, als er sagte: »Was soll ich machen, wenn die Mordkommission so schwer an der Arbeit ist?« Dann lächelte er wieder.

»Ich hab’ das Fliegenfangen Foster überlassen. Der ist praktisch noch ein Anfänger und muss ja mal dahinterkommen.«

»Und Was machen die Schmiergelder heute?«, fragte der andere Cop.

»Die überlassen wir euch.«

»Einige Burschen kriegen alles. Aber unsere Leichen geben nichts her.«

»Außer Zores«, meinte der andere Cop.

»Mann, red’ so, dass man es versteht«, knurrte Bush. Er hatte eine sanfte Stimme und das war eine Überraschung bei einem Mann, der einsneunundachtzig groß war und zweihundertzwanzig Pfund wog. Sein Haar war wild und ungekämmt, buschig, als hätte ihm die Vorsehung genau seinen Namen dafür verliehen. Es war rotes Haar und konnte einen umhauen, wenn man dazu sein orangefarbenes Hemd betrachtete. Aus den kurzen Ärmeln hingen dicke, muskulöse Arme. Eine Narbe, die von einem Messerstich herrührte, war auf seinem rechten Arm.

Der Fotograf ging an den Detektiven vorbei und fragte bissig: »Was tut ihr eigentlich?«

»Wir sind dabei herauszukriegen, wer er ist«, sagte ein Cop. »Warum? Was ist?«

»Ich hab’ nicht gesagt, dass ich mit meiner Arbeit schon fertig sei.«

»Ach nee? Noch immer nicht?«

»Schon, aber ihr hättet mich mal fragen können.«

»Lieber Himmel, für wen arbeitest du eigentlich? Für ein Striptease-Magazin?«

»Ihr Mordleute könnt mich –«

»Hau ab und entwickle lieber deine Filme!«

Der Fotograf sah auf die Uhr. Er hielt die Uhr so, dass sie der Cop nicht sehen konnte. Ärgerlich sah er auf seine eigene Uhr, um die Zeit eintragen zu können. Er zog ein paar Minuten ab und schrieb auch die Ankunftszeit von Carella und Bush auf.

Carella sah auf den Hinterkopf des toten Mannes. Sein Gesicht war ausdruckslos, nur seine Augen zeigten sekundenlang ein Gefühl des Schmerzes.

»Was hat der Kerl benutzt?«, fragte er. »Eine Kanone?«

»Eine .45er«, sagte der Cop. »Wir haben die Hülsen gefunden.«

»Wie viele?«

»Zwei.«

»Verdammt. Warum drehen wir ihn nicht um?«

»Kommt die Ambulanz?«, fragte Bush ruhig.

Der Cop nickte. »Heute Nacht kommt jeder zu spät.«

Bush sagte: »In einer solchen Nacht schwimmt jeder in Schweiß. Mir würde ein Bier guttun.«

»Komm«, bat Carella, »hilf mir!«

Der andere Cop kam, um Carella zu helfen. Sie drehten die Leiche um. Die Fliegen schwirrten hoch, dann setzten sie sich wieder auf das getrocknete Blut, unter dem einmal ein Gesicht gewesen war. Carella bemerkte ein Loch, wo ein Auge sein sollte. Auch das andere Auge war nicht mehr da, nur ein böse aussehendes Loch. Das Wangenbein war zersplittert und die Splitter drangen durch die Haut.

»Armer Kerl«, sagte Carella. Er würde es nie lernen, dem Tod so ins Gesicht zu sehen. Er war seit zwölf Jahren Polizist, aber er war nie mit dem Tod vertraut geworden, er hatte niemals das eigenartige Gefühl im Magen überwinden können.

»Hat jemand eine Taschenlampe?«, fragte Bush.

Er bekam eine von einem der Cops. Er drückte auf den Knopf und beleuchtete dann das Gesicht – das, was von dem Gesicht noch da war.

Bush schluckte. Ruhig sagte er: »Es ist Reardon.« Und dann mit einem Flüstern: »Mein Gott, es ist Mike Reardon ...«

3

Zum 87. Revier gehörten sechzehn Detektive und David Foster war einer von ihnen. In Wahrheit hätte das Revier hundertsechzehn Männer brauchen können und wäre noch immer nicht richtig besetzt gewesen. Das Gebiet des Reviers erstreckte sich vom Süden des River Highways und der großen Gebäude, in denen es Pförtner und Lifts und Paternoster gab, bis zum Stem mit seinen Delikatessenläden und Kinos, ging bis zur Culver Avenue und dem Viertel der Irländer, umfasste das Gebiet, in dem die Puerto-Ricaner wohnen und den Grover Park, wo sich die Schwulen und Exhibitionisten herumtrieben. Mit der Ausdehnung nach Osten und Westen gehörten fünfunddreißig Stadtstraßen zum Gebiet des 87. Reviers. Und in diesem Rechteck, das im Norden vom Fluss, im Süden vom Park begrenzt war, lebten 9000 Menschen.

David Foster war einer davon.

David Foster war ein Schwarzer.

Er war im Gebiet des Reviers geboren worden und aufgewachsen. Mit einundzwanzig Jahren hatte er alle Prüfungen bestanden und war Streifenmann geworden. Denn er war gesund, er war größer als verlangt wurde, er trug keine Brille, seine Sehstärke war in Ordnung und er war nicht vorbestraft.

Sein Anfangsgehalt hatte jährlich 3725 Dollar betragen und Foster hatte hart dafür gearbeitet, so hart, dass man ihn nach Ablauf von fünf Jahren in die Detektivabteilung versetzt hatte. Er war nun Detektiv 3. Grades, sein Gehalt betrug jährlich 5230 Dollar und er arbeitete immer noch hart dafür.

Um 1:00 Uhr, am Morgen des 24. Juli, an jenem frühen Morgen, der noch keiner war, denn es war dunkel, es war heiß, als einer seiner Kollegen, Mike Reardon, in seinem Blut auf einem Gehsteig lag, verdiente David Foster sein Geld, indem er einen Mann ausfragte, den er und Bush bei einer Messerstecherei in einer Kneipe festgenommen hatten.

Die Befragung fand im ersten Stock des Reviers statt. Rechts vom Schreibtisch des wachhabenden Sergeanten war ein schmutziges weißes Schild mit schwarzen Buchstaben an der Wand, auf dem ›Kriminalabteilung‹ stand und eine Hand wies den Besucher darauf hin, dass die Bullen im ersten Stock arbeiteten.

Es führte eine eiserne enge Treppe zum ersten Stock hinauf, aber wenigstens das Geländer war sauber, denn viele Menschen benutzten diese Treppe. Sie hatte genau sechzehn Stufen bis zu einem Knick und dann noch weitere sechzehn Stufen.

Dann stand der Besucher in einem engen, schlecht erleuchteten Korridor. Nach rechts gingen zwei Türen ab, doch es waren nur Schranktüren. Aber das stand schließlich dran. Ging man den Korridor hinunter, an einer Bank ohne Rückenlehne vorbei, dann sah man eine Tür, auf der ›Herrentoilette‹ stand. Eine weitere Tür führte zum Schreibzimmer.

Am Ende des Korridors war das Zimmer, in dem sich die Detektive aufhielten. Eine Barriere teilte den Raum.

In diesem Raum gab es Schreibtische und Telefone, eine große Deckenleuchte, Fotografien und Aushänge an den Wänden und vergitterte Fenster. Da hier die Vernehmungen durchgeführt wurden, gab es zwei durch Gitter abgeteilte Ecken und in einer dieser Ecken, an seinem Schreibtisch, vernahm Foster den Mann, den er in dieser Nacht in der Kneipe erwischt hatte.

»Wie heißen Sie?«, fragte er.

»No hablo inglés«, sagte der Mann. Foster seufzte.

Foster war ein kräftiger schokoladenfarbener Mann mit warmen braunen Augen. Er trug ein weißes Hemd, das am Hals offen war. Er hatte die Ärmel über seine muskulösen Arme hinaufgerollt.

»Cuál es su nombre?«, fragte er auf Spanisch. Er konnte es nicht gut.

»Tomas Perillo.«

»Ihre Adresse?« Er überlegte: »Dirección?«

»Tres-tres-cuatro Mei-son.«

»Alter? Edad?«

Perillo zuckte mit den Schultern.

»Na schön«, sagte Foster, »und wo ist das Messer? Oh, verdammt, heute Nacht schaffen wir das bestimmt nicht mehr! Hör mal: dónde está el cuchillo? Puede usted decirme?«

»Creo que no.«

»Warum nicht? Lieber Himmel, Mann, Sie hatten doch ein Messer! Oder nicht?«

»No sé.«

»Nun hör mich mal an, du Hundesohn, du hast verdammt noch mal ein Messer gehabt! Ein Dutzend Leute haben das gesehen. Also?«

Perillo gab keine Antwort.

»Tiene usted un cuchillo?«, fragte Foster noch einmal.

»No.«

»Du bist ein Lügner«, fauchte Foster. »Ich weiß, dass du ein Messer hattest. Was hast du damit gemacht, nachdem du den Burschen in der Kneipe gestochen hast?«

»Dónde esá el servicio?«, fragte Perillo.

»Das geht dich einen Dreck an, wo die Herrentoilette ist!«, fauchte Foster. »Um Himmels willen, reiß dich zusammen, Kerl! Was glaubst du wohl, was hier ist? Vielleicht ein Wettbüro? Nimm die Hände aus den Taschen!«

Perillo zog die Hände aus den Taschen.

»Nun noch mal: wo ist das Messer?«

»No se.«

»Du weißt es nicht, du weißt es nicht«, äffte Foster ihn nach.

»Gut, scher’ dich raus! Setz’ dich draußen auf die Bank. Ich werde einen Cop holen, der deine Sprache kennt. Raus! Setz’ dich draußen hin!«

»Bien«, sagte Perillo. Er fragte wieder nach der Toilette.

»Links runter. Und bleib bloß nicht die ganze Nacht drin!«

Perillo ging hinaus. Foster grinste. Der Mann, den er gestochen hatte, war nicht ernstlich verletzt worden. Wenn sie sich über jede Messerstecherei aufregen würden, dann kämen sie aus der Aufregung nicht mehr heraus. Er wunderte sich, dass man sich in diesem Revier überhaupt um solche Sachen kümmerte. Er lachte vor sich hin und spannte dann einen Bogen in die Schreibmaschine, um den Bericht über einen Einbruch zu tippen, der schon einige Tage zurücklag.

Als Carella und Bush hereinkamen, schienen sie in großer Eile zu sein. Carella ging sofort zum Telefon, suchte eine Nummer heraus und wählte.

»Was gibt’s?«, fragte Foster.

»Diese Mordgeschichte«, antwortete Carella.

»Und?«

»Es war Mike.«

»Welcher Mike?«

»Mike Reardon.«