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Körper und Geist ins Lot bringen dank traditionellem chinesischem Heilwissen
Die traditionelle chinesische Stehmeditation Zhan Zhuang, die unter dem Namen »Stehen wie ein Baum« bekannt ist, besticht sowohl durch ihre einfache Anwendung als auch durch ihre vielseitige Wirksamkeit. Durch die vorgestellten, scheinbar bewegungslosen Stellungen wird der ganze Körper auf sanfte Weise neu justiert. Die Körperwahrnehmung wird geschult und die natürliche Beweglichkeit und Elastizität gefördert. Kleinste, tiefsitzende Verspannungen und Blockaden können in kürzester Zeit gelöst werden, sodass eine Harmonie, Ausgeglichenheit und Entspannung auf emotionaler, mentaler und körperlicher Ebene gefördert und gestärkt wird. Entdecken auch Sie dieses Juwel aus der Schatzkiste alten chinesischen Heilwissens für innere und äußere Harmonie und Gesundheit.
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Bernadett Gera
Die heilende Kraft des stillen Stehens
Körper und Geist in Balance mit der chinesischen Stehmeditation
Impressum
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Bildnachweis
Illustrationen: Bernadett Gera
Autorenfoto: Christian M. Weiß
© 2021 by Irisiana Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
Umschlaggestaltung: Geviert, Grafik & Typografie
Umschlagmotiv: © Shutterstock – Sergey Pekar
Projektleitung: Sven Beier
ISBN: 978-3-641-26282-2V001
Inhalt
Einleitung
GESUND DURCH DIE KRAFT DES ZHAN ZHUANG
Geschichte und heutiger Stellenwert des Zhan Zhuang
Mit der Lebensenergie Qi arbeiten
Mit der Schwerkraft arbeiten
Wirkungsbereiche und Möglichkeiten des Zhan Zhuang
GRUNDLAGEN DES ÜBENS
Die richtige Atmung
Der richtige Stand
Das Prinzip von Anspannung und Entspannung
Umgebung und eigene Verfassung
Kleidung und Schuhe
HINWEISE ZUR ÜBUNGSPRAXIS
Übungsablauf und Übungsdauer
Aller Anfang ist schwer
Handhaltungen im Zhan Zhuang
Arbeit mit der Kraft des Yi
DIE VORÜBUNGEN
Stehen unter einem Wasserfall
Wassertropfen werfen mit den Fingerspitzen
Nach links und rechts verlagern
Drehen um die eigene Achse
Fenster putzen
Tisch abwischen innen/außen
Zusammenfassung der Vorübungen
DIE HAUPTÜBUNGEN
Ein Hinweis vorweg
Wuji Zhuang
Chengbao Zhuang
Tuobao Zhuang
Fu’an Zhuang
Ticha Zhuang
Xiuxi Zhuang
Zhan Zhuang im Sitzen
Ausblick
Anhang
Übersicht über die Übungsvarianten und -stufen
Übungsvarianten bei speziellen Beschwerden
Adressen
Quellen
Danksagung
Die Autorin
Impressum
Einleitung
Haben Sie schon einmal zwei Menschen in Ruhe nebeneinander stehend betrachtet? Dann werden Sie sehen, dass sie sich im Hinblick auf ihre Körperhaltung unterscheiden. Beide Körper folgen unterschiedlichen Mustern, in welchen nicht selten die individuelle emotionale und mentale Grundhaltung des jeweiligen Menschen deutlich wird: Seine Geschichte, seine Erfahrungen, sein sozialer und kultureller Hintergrund sowie seine innere Einstellung zu sich und dem Leben ganz allgemein spiegeln sich darin.
Der Körper sagt ungemein viel. Ganz ohne Worte, schlicht durch seinen Ausdruck. Ja, man könnte ihn gar als ein sehr intimes Abbild unserer Befindlichkeit und unseres ganzen Seins beschreiben.
Der Körper ist unser Ausdrucksmittel in der Welt an sich sowie im Kontakt mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen. Zugleich kann er ein Werkzeug sein, um mit tieferen Aspekten unserer Persönlichkeit in Kontakt zu kommen. Traumata können in Form von Verspannungen und Blockaden im Körper abgespeichert werden. Gleiches gilt für Themen, die über Generationen hinweg innerhalb der Familie »weitergegeben« werden. In all diesen Fällen kann der Körper dabei helfen, Aspekte zu erkennen, die unter Umständen im Verborgenen liegen.
Genauso können wir über die Art und Weise, wie wir atmen, eine direkte und unmittelbare Rückmeldung zu unseren Emotionen erhalten. Wir alle wissen, dass ein emotionaler Zustand Körperhaltung und Atemfrequenz innerhalb kürzester Zeit verändern kann. Je trauriger und melancholischer uns etwas stimmt, desto stärker nehmen wir eine Art Schutzhaltung ein, bringen die Schultern nach vorn und krümmen den Rücken. Das wirkt sich auch auf die Atmung aus. Wenn wir die Haltung (und damit auch die Atmung) eines Menschen wahrnehmen, erkennen wir sofort, ob dieser sich gerade lebensfroh und kontaktfreudig oder traurig und in sich zurückgezogen fühlt.
Wird der Körper über einen langen Zeitraum hinweg an eine bestimmte Haltung gewöhnt, kann dies umgekehrt auch Einfluss auf die emotionale Grundstimmung nehmen. So gibt es Forscher, welche die Ansicht vertreten, dass das häufige Herunterbeugen und Hinabblicken auf das Handydisplay über einen längeren Zeitraum hinweg Depressionen begünstigen kann – allein durch die entsprechende Haltung und ganz unabhängig von anderen Faktoren. Eine »traurige Haltung« begünstige zudem die Tendenz, negative Einflüsse um uns herum wahrzunehmen und uns vorrangig an diese zu erinnern, sagen andere Studien.
Ein körperlicher Wandel wirkt also nachgewiesenermaßen über das Körperliche hinaus. Durch eine gute Haltung können wir zum Beispiel verhindern, dass Körperbereiche dauerhaft komprimiert und dadurch Organe in ihrer Leistung behindert werden. Eine aufrechte Haltung fördert sprichwörtlich auch, dass man seinen Blick für den Horizont öffnet.
Dieses Buch stellt Ihnen eine traditionelle, grundlegende Übung vor, die sich inzwischen in vielen Bewegungs- und Heilkünsten wie Taijiquan und unterschiedlichen Qigong-Arten findet und genau an dieser Stelle, der Körperhaltung, ansetzt. Es handelt sich um eine Stehmeditation, die auch unter den Namen »Stehen wie ein Baum« oder »Stehen wie eine Säule« bekannt geworden ist.
Die Übung stammt aus der Tradition des Yiquan, einer chinesischen Heil- und inneren Kampfkunst. Auch wenn der Begriff Kampfkunst für viele im ersten Moment Assoziationen mit Härte oder Aggressivität hervorruft, ist dem keineswegs so. Genau genommen ist der Unterschied zu einem gezielten therapeutischen Einsatz der Übungsvarianten gar nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn was durch sie vermittelt wird, ist ein Umgang mit der Lebensenergie Qi. Lernt man, diese Lebensenergie zu beeinflussen, kann das entweder gezielt zur Selbstheilung oder eben zur Verteidigung genutzt werden. Im Grunde geht es bei beiden Einsatzgebieten um das Arbeiten mit der uns umgebenden und uns innewohnenden Energie.
Je weiter Sie in der Übungspraxis voranschreiten, desto mehr werden Sie merken, wie vielschichtig und komplex diese wunderbare Übung ist. Man ahnt mehr und mehr, weshalb der Begründer des Yiquan, Wang Xiangzhai, diese Übung in den Mittelpunkt der Übungspraxis gestellt haben mag. Je tiefer man eintaucht, desto mehr Welten und Zusammenhänge eröffnen sich, sodass es ohne Weiteres möglich wäre, zehn dicke Bände zu diesem Thema zu füllen.
Das vorliegende Buch soll allen Interessierten einen Einblick sowie allen bereits Praktizierenden eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte geben. Ich hoffe, dass dieses Werk möglichst viele Menschen dazu motivieren kann, die Übung des Zhan Zhuang in ihre Übungspraxis einzubinden, und Interesse daran weckt, sich noch intensiver und tiefer mit dieser wertvollen Übung zu beschäftigen.
Auf den ersten Blick mag die Übung einfach erscheinen, und doch erfordert sie wie vieles andere einige Jahre und Jahrzehnte Übungspraxis, um ganz in die Tiefe und Komplexität einzutauchen. Lassen Sie sich davon jedoch nicht entmutigen – die ersten körperlichen, emotionalen und mentalen Wirkungen sind bereits nach sehr kurzer Zeit spürbar. Und sie sind im Vergleich teilweise stärker und dauerhafter als die anderer Übungssysteme. Zhan Zhuang lädt dazu ein, den eigenen Körper besser wahrzunehmen und zu erkunden sowie neben der körperlichen Vitalität und Stärke auch mentale und kognitive Fähigkeiten zu fördern. In welcher Tiefe und welch großem Umfang dies möglich ist, wird nach und nach immer deutlicher werden.
Ich habe versucht, in dem vorliegenden Buch so viel wie möglich aus dem umfangreichen Inhalt der Übung darzustellen, und hoffe, dass es Interessierte und Laien dazu einladen kann, sich auf diese wundervolle Entdeckungsreise zu begeben (oder diese fortzuführen), mit der man Gesundheit und Wohlbefinden auf allen Ebenen unterstützen kann.
Gesund durch die Kraft des Zhan Zhuang
»Die beste Medizin ist Nahrung, die beste Behandlung ist Zeit, der beste Arzt bist du selbst.«
(Aus dem chinesischen Grundlagenwerk Der Klassiker des Gelben Kaisers)
Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Zhan Zhuang ein tieferes Verständnis für die Ökologie des Körpers vermittelt – und dies auf eine sehr zeit-, platz- und energiesparende Art und Weise. Zhan Zhuang fördert die körperliche Vitalität und Widerstandsfähigkeit ebenso wie die emotionale und mentale Ausgeglichenheit und Harmonie. Gleichzeitig verhilft es zur Verbesserung von Wahrnehmung, Achtsamkeit und Bewusstsein sowie zu einem besseren Konzentrationsvermögen. Es unterstützt dabei, innere und äußere Einflüsse und Prozesse schneller und umfassender wahrzunehmen. Die Dreidimensionalität des eigenen Körpers, auf welche Art und Weise er Raum im Raum einnimmt und mit welchen Kraft- und Energiefeldern er sich im Austausch befindet, wird durch eine regelmäßige Übungspraxis immer greifbarer. Man taucht sprichwörtlich immer tiefer in die Magie des Lebens ein.
Wann die ersten Wirkungen gespürt werden, ist individuell von Übendem zu Übendem unterschiedlich. In manchen Fällen stellt man anfangs eine bessere Stimmung oder Belastbarkeit fest, manchmal spürt man als Erstes auf körperlicher Ebene, dass weniger Verspannungen vorhanden und Bewegungen mit mehr Leichtigkeit erfüllt sind. Manchmal nimmt man Veränderungen auf mehreren Ebenen zugleich wahr. Lassen Sie sich überraschen.
Geschichte und heutiger Stellenwert des Zhan Zhuang
Zhan Zhuang wurde bekannt durch den Begründer der chinesischen inneren Kampf- und Heilkunst Yiquan, Wang Xiangzhai (1885 – 1963). Heute wird es oftmals auch in unterschiedliche Arten der Qigong- und Taijiquan-Übungspraxis eingebunden. Die Entwicklungsgeschichte genau zu beschreiben, ist schwierig, weil nur wenige schriftliche Überlieferungen gefunden wurden. So muss man sich meist auf Vermutungen stützen, welche aus mündlich überlieferten Legenden und Geschichten stammen.
Übereinstimmend sind die Erzählungen erst seit Berichten über einen Kampfkünstler namens Li Luoneng (1788–1876). Dieser unterrichtete Wang Xiangzhais Onkel und Lehrer, Guo Yunshen (1829–1900). Guo Yunshen hatte drei Jahre in Fesseln im Gefängnis verbracht. Während dieser Bewegungseinschränkung hatte er die tiefste Essenz der Kampfkunst Xingyiquan bis zur Vollkommenheit entwickelt: das Austreten einer unglaublich starken und explosiven Kraft aus einer stillen, bewegungslosen Haltung.
Als sein Neffe und vertrauter Schüler Wang Xiangzhai einige Jahre später beobachtete, wie Kampfkünste praktiziert wurden, bemerkte er, dass extrem großer Wert auf äußere Formen beziehungsweise Bewegungsabläufe gelegt wurde. Das verhinderte aus seiner Sicht die Entdeckung und Entwicklung einer inneren Essenz, welche ausschließlich über den Geist gefördert werden könne. Nur die Entwicklung des Geistes, so sagte er, ermögliche es dem Körper, die jeweils angeborene Fähigkeit zu entwickeln, sich natürlich zu bewegen. Und nur mit dieser Fähigkeit könne man unmittelbar auf jede gegebene Situation reagieren und mit ihr umgehen.
Er strich daraufhin das erste Schriftzeichen Xing (dt.: Form, äußere Körpererscheinung) aus der Bezeichnung und nannte das Übungssystem fortan nur noch Yiquan (dt. Yin: Geist, Wille; Quan: Faust). Gleichzeitig veränderte er seine eigene Übungsmethode und stellte den Teilbereich Zhan Zhuang (dt.: Stehen wie ein Pfahl/Baum) in den Mittelpunkt seines Übungssystems. Damit betonte er die inneren Kräfte und Bewegungen des Übenden sowie in den Einsatz der Visualisierung.
Nachdem 1949 die Kommunisten an die Macht kamen, sah sich Wang gezwungen, seine Schule in Beijing zu schließen. Es wurde untersagt, Kampfkünste zu unterrichten, sodass er sich fortan auf die therapeutischen und gesundheitlichen Aspekte seines Übungssystems konzentrierte. Dazu unterrichtete er hauptsächlich die Übungen der Stehmeditation Zhan Zhuang in Form eines offenen Unterrichts unter freiem Himmel. Ende der 1950er-Jahre wurde er gebeten, diese Übungen auch in Forschungseinrichtungen und Krankenhäusern zu unterrichten. Er erforschte die Gemeinsamkeiten von Yiquan und der Traditionellen Chinesischen Medizin und trug maßgeblich dazu bei, dass sich insbesondere die Übungsmethode Zhan Zhuang im ganzen Land verbreitete. Untersuchungen über die gesundheitlichen Wirkungen der Methode wurden durchgeführt und in Büchern und Artikeln veröffentlicht. Während Wang seine Arbeit auf immer mehr Therapiezentren und Kliniken ausweitete, griffen auch andere Übungssysteme Zhan Zhuang auf.
Heutzutage hat die Methode nicht nur in der inneren Kampf- und Heilkunst Yiquan ihren festen Platz, sondern findet sich zudem auch in der Übungspraxis von Qigong, Taijiquan und anderen Kampfkünsten wieder.
Mit der Lebensenergie Qi arbeiten
Konzepte und Beschreibungen einer alles durchdringenden Lebenskraft findet man in allen Kulturen der Welt. Die Chinesen bezeichnen sie als Qi, die Inder als Prana, die Tibeter als Lung, die Hawaiianer als Mana. Ihre Existenz gehört zum Grundwissen aller traditionellen Kulturen. Erkenntnisse der Naturwissenschaften, besonders der Quantenphysik, Biochemie und Neurologie, bestätigen sie inzwischen immer nachhaltiger. Frühere Versuche, die Lebenskraft zu untersuchen, wurden in unseren Breiten beispielsweise von Franz Anton Mesmer, Wilhelm Reich, Semjon Davidowitsch Kirlian und Július Krmešský unternommen – lange nachdem Aristoteles, Hippokrates, Demokrit und Paracelsus bereits an ihre Existenz glaubten.
Klaus Dieter Platsch, Arzt und Autor mehrerer Bücher zur Traditionellen Chinesischen Medizin, schreibt, Qi sei »alles im Universum […]: Die Sonne, der Mond, die Sterne, die Berge, die Täler, die Meere und Flüsse sind alles Qi. Der Mensch ist Qi, seine Organe, Gewebe, seine Gefühle, sein Denken sind Qi«. Aus diesem Verständnis heraus, dass alles Greifbare und auch Nichtmaterielle aus Qi besteht, trifft man auf verschiedene Arten und Unterteilungen von Qi. Dies spiegelt sich auch in dem chinesischen Schriftzeichen für Qi wider: Der obere Teil beinhaltet Aspekte von Immateriellem, der untere von Materiellem.