Die Kometenfalle - Thomas T. C. Franke - E-Book

Die Kometenfalle E-Book

Thomas T. C. Franke

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Beschreibung

Mit einer gezielten Explosion, der neben Polizisten und Soldaten auch einige Gangster zum Opfer fallen, versucht der Rote Milan, seine Spuren zu verwischen. Chet Morrow startet unterdessen mit einigen Helfern zu einem Bergungsunternehmen auf der Erde. Dabei werden überraschend Spuren gefunden, die ein ganz neues Licht auf die Katastrophe auf der Erde werfen. Das Unternehmen steht aber unter keinem guten Stern, es muss schließlich abgebrochen werden, auch, weil sich ein Raumschiff dem Mars nähert. Weil Chet den Erstkontakt mit den tatsächlich friedlichen Aliens unternimmt, bleibt ihm keine Zeit, sich um eine besondere Mission zu kümmern: Es ist der Versuch, einen eisigen Kometen gezielt auf den Mars zu bringen. Doch die Teilnehmer der Expedition werden brutal überfallen, geraten in die Hände von Helfern des Milan. Und während die Menschen auf dem Mars noch glauben, alles verlaufe dort nach Plan, holt der Milan zu einem entscheidenden Schlag aus …

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IN DIESER REIHE BISHER ERSCHIENEN

e601  Thomas T. C. Franke Ad Astra 01: Franke Schatten über dem Marse602  Thomas T. C. Franke Ad Astra 02: Die Kometenfallee603  A.N. O’Murtagh Ad Astra 03: Söldner der Galaxis

DIE KOMETENFALLE

ADASTRA - CHET MORROWS WEG ZU DEN STERNEN, NEUE ABENTEUER

BUCH 2

THOMAS T.C. FRANKE

Copyright © 2024 BLITZ-Verlag  

Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

In Zusammenarbeit mit

Heinz Mohlberg Verlag GmbH, Pfarrer-Evers-Ring 13, 50126 Bergheim

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

Die Printausgabe des Buches ist 2011 im Mohlberg-Verlag erschienen.

ISBN: 978-3-9420-7927-3

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7592-0761-6

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INHALT

Was zuletzt geschah:

Unerwarteter Schlag

Ein Zeichen der Hoffnung

Ein Schatz auf Spitzbergen

In der Hand des Feindes

Ein neues Ziel

Fatale Entscheidung

Die kleine Schwester

Suche nach dem Ausweg

Denkwürdiger Erstkontakt

Ein Riss in der Tarnung

Ein besonderer Code

Zehn Tage zuvor

Alarm auf der Horizont

Bereit zum Angriff

Eine Tarnung fliegt auf

Die Mission der Antiope

Die Basis im Visier

Im Amtssitz des Gouverneurs

Antiope auf der Jagd

Finale auf Encke

Auf der Horizont

Epilog

Vorschau

Über den Autor

WAS ZULETZT GESCHAH:

Einen gewaltigen Schock erlitt die Crew der Horizont unter Commander Chet Morrow nach der Rückkehr von ihrer Alpha-Centauri-Mission: Die Erdoberfläche ist durch einen Kometeneinschlag in großen Teilen zerstört worden, es gab unzählige Opfer. Eine funktionierende Verwaltung gibt es vorerst allein auf dem Mars. Dorthin flogen Commander Morrow und sein Stellvertreter Tom Atkins mit einem Dyna, dann erfuhren sie, dass eine Verbrecherorganisation versucht, das Chaos auszunutzen, der Anführer der Gangster nennt sich Roter Milan. Auf dem Mars gerieten Chet und Tom in einen Hexenkessel der Gewalt, lernten aber auch neue Verbündete kennen, eine Gruppe Dyna-Pilotinnen unter der Führung von Megan Riordan. Die Gruppe nennt sich Amazonen, stemmt sich auf einem UNO-Stützpunkt gegen das Chaos. Ein Hinweis brachte Chet und Tom dazu, zusammen mit den Amazonen zum Saturnmond Japetus zu starten, auf dem eine Basis der Rauminfanterie besteht. Kommandeur Anatoli Anduri – der sich von seinen Untergebenen Onkel Tolja nennen lässt – plante dort einen Schlag gegen den Milan. Die Bande des Milan hatte eine alte Forschungsstation auf dem Mond Enceladus übernommen, in dem Ozean unter dem Eispanzer des Mondes wurde ein neuartiges Rauschgift produziert. Chet und Tom schlossen sich dem Angriff an, beim Gefecht um die Basis zeigte sich, dass der Milan Söldner besaß. Es gab zahlreiche Opfer unter den Angreifern, aber die Soldaten schafften es, die Basis zu übernehmen. Kurz darauf griffen die Gangster aber das Schiff des Commanders im Mars-Orbit an. In letzter Minute konnten Chet und seine Leute die Angreifer überwältigen, mit Hilfe von drei Amazonen. Doch der wichtigste Gegner ist entkommen: Und der Milan schwor Rache!

UNERWARTETER SCHLAG

„Porca miseria! Die Bullen!“ Der Fluch war auf der Vid-Überwachung laut zu hören. General Anatoli Nikolajewitsch Anduri – Onkel Tolja für seine Truppe – grinste. Wir haben sie erwischt!

Der Ring der Mars-Polizei um die Drogenküche des Milan war dicht, aus dem Fabrikgebäude würden die Gauner nicht entkommen. Anduri nickte Sten Martensson zu, der seit kurzem der Polizei-Vizedirektor auf dem Mars war.

„Gut, mein Junge. Ich bin dann mal weg!“

„Halt, General! Bleiben Sie bitte hier. Ihr ganzer Stab …“ Martensson sah nur noch das sich schließende Schott des kleinen Büros. Lange Tage hatten er und seine Männer abwechselnd in dem Kabuff ausgeharrt, bis sie sich sicher waren: Ja, hier war die vielleicht letzte größere Drogenküche des Roten Milan in Mars-Port. Und heute war es so weit, Martensson wollte die Rauschgiftproduktion dort endgültig beenden. Angefordert hatte er dafür die Unterstützung der Rauminfanteristen. Denn die Männer des Milan besaßen schwerste Bewaffnung, Nadler und Granaten, Polizisten wären da hoffnungslos unterlegen gewesen. Aber dafür gab es ja Onkel Toljas Männer, der General selbst hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, selbst mitzukommen. Giorgio Thoeni, der noch immer leicht humpelte nach den schweren Verletzungen, die er beim Kampf um die Milan-Basis auf Enceladus erlitten hatte, seufzte.

„Ich krieg’ ihn einfach nicht dazu, stillzusitzen. Immer muss sich Onkel Tolja mitten ins Gefecht stürzen.“

Martensson nickte, schaute auf die Vid-Übertragung, draußen dröhnte eine Explosion, das Schott zum Eingang der Drogenküche riss auf, Männer in den schweren Raumanzügen der Infanterie drängten sich hinein. Weitere Explosionen waren zu hören, zugleich fiel die Vid-Übertragung aus. Martensson runzelte die Stirn.

„Das hätte eigentlich nicht passieren dürfen. Da …“

Die Wände vibrierten, eine gewaltige Faust packte den Polizisten, schleuderte ihn und Thoeni zu Boden, Staub wirbelte durch den Raum. Martensson sah Giorgio Thoeni neben sich liegen, das Gesicht des Rauminfanteristen war voller Blut. Martensson versuchte sich aufzurichten, sein ganzer Brustkorb pochte vor Schmerz. Die Rippen … Nach einem Tastversuch gab er auf, er hustete Blut. Himmel, was ist nur passiert? Er wälzte sich herum, versuchte die Schmerzen zu ignorieren, seine großflächige Wunde am Bauch spürte er kaum. Schon war seine Uniform durchgeblutet. Bloß nicht hinsehen. Ein Splitter hatte ihn schwer verletzt, aber er kämpfte, berührte den jungen Südtiroler, fasste an dessen Hals, spürte den Puls. Gott sei Dank, er lebt!

Thoeni blieb aber bewusstlos. Langsam richtete sich Martensson auf, auf der Ablage stand noch das Vid. „Eingreifkommando, hier Adler: Meldet euch!“

Martensson wartete einen Moment, die Schmerzen wurden immer unerträglicher. Das Vid blieb stumm. Verdammt, was ist nur passiert? Martensson wurde übel. Es ist was fürchterlich schief gegangen. Und der General? Noch einmal griff sich Martensson das Vid, spürte, dass er nicht mehr lange bei Bewusstsein bleiben würde, das Leben pulste aus ihm heraus.

„Zentrale, hier Adler. Brauchen dringend … Unterstützung, wiederhole, brauchen … Unterstützung. Kein Kontakt mehr … Es gab Explosionen.“ Der Polizist brach ab, konnte nicht mehr reden. Muss mich ausruhen. Martensson schaute zu Thoeni hinüber. Der Soldat hatte sich nicht bewegt. Wenigstens schien dessen Wunde nur oberflächlich zu sein. Martensson schloss die Augen. Nur einen Moment ausruhen.

* * *

„Mein Gott, das ist ja ein Schlachtfeld!“

Svetlana Bachmann klang erschüttert, Chet Morrow konnte nur nicken. Svetlanas Hände waren ölverschmiert, ihr Overall starrte vor Dreck, das alles war der jungen Deutschen im Moment egal. Mitten in den Reparaturarbeiten im Hangar von Port Hope hatten sie die Schreckensnachricht mitgehört. Die Amazone hatte keinen Augenblick gezögert.

„Wir müssen da hin, es geht um jede Sekunde.“

„Okay, warte aber wenigstens auf Zula. Wir werden sie brauchen.“

Zulawesi Makombe hatte alles stehen und liegen gelassen, nur ein paar Augenblicke nach Svetlana und Chet war die Ärztin an Bord gesprungen.

„Was ist mit deiner Ausrüstung?“ Svetlana schaute kurz zu der Südafrikanerin, die sich anschnallte, während die Antiope anruckte.

„Die Notfallsets der Skaphander und unser Medi-Kit, die müssen erst mal reichen“, rief Zula laut, um den Lärm der Triebwerke zu übertönen. Schon waren sie in der Luft, nahmen Kurs auf den Ort der Zerstörung. Chet versuchte, Kontakt zu bekommen. Weder Onkel Tolja noch einer der Polizisten meldete sich. Der Commander spürte ein Ziehen im Magen. Da ist etwas Fürchterliches passiert. Chet probierte es weiter, bekam auf der Polizeifrequenz aber nur das Hauptquartier herein.

„Commander, wir wissen auch nicht mehr als Sie“, meldete sich die Zentrale. „Wir haben alles Verfügbare an Sanitätern und Unterstützung bereits in Marsch gesetzt. Mehr geht momentan nicht.“

Chet hatte Verständnis für den Mann, der ihn abwimmeln wollte. Sicher ging es dort derzeit drunter und drüber. „Okay, wir sind selbst in zwei Minuten vor Ort. Wir melden uns dann. Ende und Aus!“ Er schaute hinüber zu Svetlana. Die junge Deutsche empfand viel für Giorgio Thoeni, den Adjutanten des Generals. Bestimmt macht sie sich große Sorgen. Das ließ sich die Pilotin aber nicht anmerken, konzentriert schaute sie auf die Kontrollen.

„Ich bringe uns da runter“, markierte sie auf dem Display ein freies Stück Straße unweit der Trümmer. Chet enthielt sich jedes Kommentars. In der kurzen Zeit, seit er die Amazonen kannte, hatte Chet seine Lektion gelernt: Misch dich nicht in ihre Landungen ein. Allein, wie die Deutsche ihr Schiff auf der Eisfläche von Enceladus heruntergebracht hatte …

Svetlana ruckte jetzt den Dyna brutal in eine enge Kurve, der Stall drohte. Elegant fing sie die Maschine ab, donnerte nur wenige Meter über das Dach einer Halle, drückte die Nase des Dynas dann steil nach unten. Touchdown. Protestierend laut quietschten die Landekufen, Svetlana kümmerte sich nicht darum. Chet wappnete sich für die Boltstriker, hielt die Luft an. Svetlana löste die Anker aus, die Striker bohrten sich in den Boden, die Kohlenstofffäden, mit denen die Striker und die Kufe verbunden waren, hielten. Chet und Svetlana wurde heftig nach vorn gerissen. Knapp entkam Chet dem Aufprall auf der Konsole, Svetlana kam nicht so glimpflich davon. Mit der Stirn knallte sie auf die Plasabdeckung, schrie kurz auf, riss die Hände dann vors Gesicht. Chet schaute kurz zu Zula. Die Südafrikanerin war schon abgeschnallt, sie sprang auf, war direkt neben der Pilotin.

„Okay, lass mal sehen!“ Vorsichtig nahm Svetlana eine Hand weg, Blut tropfte von der Stirn.

„Dummchen“, brummte Zula, griff in eine Außentasche ihrer Kombi. „Halt still!“, forderte die Ärztin, „Und mach die Augen zu!“ Sie sprühte einen Film über die Wunde, das Blut hörte auf zu fließen. „Du bleibst sitzen“, sagte Zula dann zu Svetlana, drehte sich um. „Bei dir alles okay?“, fragte sie Chet. Der Commander konnte kurz nicken, schnallte sich dabei hastig ab. Zula griff unter den Co-Pilotensitz. Brachte von dort ein Päckchen mit dem vertrauten Roten Kreuz zum Vorschein: Ein Medi-Kit. Beide setzten hastig die Duster auf, atmeten durch die Nase.

„Okay, dann wollen wir mal“, sagte Chet, während sich die Innenschleuse öffnete, bis zum Öffnen der Außenschleuse dauerte es nur wenige Sekunden. Dann sprang Chet aus der Schleuse, versuchte sich zu orientieren. „Wir müssen da lang!“ Mit weiten Sätzen rannte Chet mitten in das Chaos, Zula konnte ihm kaum folgen. Hoffentlich sind wir nicht zu spät.

* * *

Vier Wochen zuvor war Onkel Tolja mit seiner kleinen Flotte wie ein Triumphator auf dem Mars empfangen worden. An Bord der Hydra, des alten Frachters der Amazonen, sowie auf den Logistikschiffen Lolek und Bolek brachten Anduris Männer, nicht zu vergessen Ruslana Achmetowa, die als Rauminfanteristin maßgeblich an der Schlacht um Enceladus beteiligt gewesen war, die aus der Basis des Milan erbeutete Technik und reichlich Nachschub mit, dazu kamen einige Überlebende aus der Basis des Milan. Stets an der Seite der Hydra blieb die Aella, der zweite Dyna der Amazonen. Mit der Ankunft der Soldaten entspannte sich auch die Situation auf dem Mars wieder etwas. Denn zeitgleich mit seiner Attacke auf die Horizont, Chet Morrows Schiff, hatten die Handlanger des Verbrechers die Wartungshalle von Port Hope mit einer Bombe zum Einsturz gebracht. Außer Dyna VI waren damit fünf Shuttles der Horizont auf einen Schlag außer Gefecht gesetzt worden, die teils schweren Beschädigungen erforderten langwierige Reparaturen. Und die Ersatzteile wurden knapp, auch ein Grund, warum Chet und Barny Owl unbedingt die Bergungsarbeiten auf der Erde schnell durchführen lassen wollten.

Nach den bitteren Erfahrungen wollte Chet aber Letta Huo bei dieser wichtigen Mission keinesfalls ohne Schutz lassen, zumal Letta ja gerade erst aus der Klinik entlassen worden war. Es hieß also zunächst einmal: Reparieren und improvisieren. Zugleich stürzte sich General Anduri direkt in den Kampf gegen den Milan und seine Helfer. Die Beweise, die er präsentierte und per Vid ausstrahlen ließ hatten die Menschen auf dem Mars mehr als schockiert.

Mithilfe der Aussagen von Gefangenen, vor allem der auf der Horizont gefasste Verbrecher mit dem merkwürdigen Namen Faxel sprudelte geradezu Namen und Daten heraus, konnte die Mars-Polizei zusammen mit den Infanteristen mehrere Verstecke des Milan stürmen. Drei Mal kamen sie aber zu spät, fanden nur leere Räume vor. Nur hatten die Gangster nicht alle Spuren verwischen können, DNS sei Dank. So konnten mehrere der Drogenverteiler gefasst werden, deren Aussagen führten dann zu weiteren Bandenmitgliedern.

Es bestand kein Zweifel: Das Netz um den Milan zog sich enger zusammen. Nachdem kein Nachschub mehr von Enceladus kommen konnte, wurde die Droge auch merklich seltener, immer mehr Süchtige meldeten sich in den vier großen Krankenhäusern, weil sie keinen Stoff mehr bekamen. Damit schwand zugleich die Machtbasis der Verbrecher. Aber noch funktionierten Teile des unheimlichen Systems. Deswegen hatten General Anduri und Sten Martensson dann den großen Schlag geplant: Sie wollten die letzte größere Drogenküche des Milan stürmen …

* * *

Was ist da nur schief gegangen? Immer und immer wieder fragte sich Chet das, während er durch die Trümmer irrte, Zula an seiner Seite. Da, ein Skaphander unter den Trümmern! Einer von Onkel Toljas Männern war hier eingeklemmt. Chet fühlte sich hilflos. Wenn nicht einmal der Raumanzug mit seinen verstärkten Muskeln sich befreien konnte, brauchten sie schweres Räumgerät. Vorsichtig probierte es Chet auf der Frequenz der Infanteristen, hörte aber nur ein lautes Fiepen. Störsender! Auch das noch.

Der Milan hatte, statt selbst in die Falle zu gehen, seinen Verfolgern einen empfindlichen Schlag versetzt, dabei nicht mal seine eigenen Gefolgsleute geschont. Es war kaum zu erwarten, dass die Männer, die hier Rauschgift verpackt hatten, bei der Explosion lebend davongekommen waren.

Er will keine Spuren mehr hinterlassen, nichts soll zum Milan selbst führen, schoss es Chet durch den Kopf, während er weitersuchte. Hinter sich hörte er laute Stimmen, weitere Polizisten und Rauminfanteristen kamen zur Unterstützung. Chet hörte in seinen Earplugs ein Durcheinander, er drehte sich um, funkte seine Kennung, gab sich zu erkennen.

„Morrow hier, wer führt das Kommando?“

Ein Rauminfanterist im Skaphander stürmte auf ihn zu, riss kurz das Visier auf. „Commander, ich bin’s, Dima, Leutnant Dima Jaschin. Gut, dass Sie da sind.“ Der junge Rauminfanterist vom Team Bravo, an dessen Seite Chet in der Milan-Basis gekämpft hatte, klang unsicher. Offenbar erhoffte er sich Anweisungen.

„Hier herrscht überall Chaos, dazu wird der Funk gestört, verdammt noch mal.“ Chet schaute sich erneut die Truppe an. „Da müssen wir jetzt durch. Lass ausschwärmen, wir müssen unbedingt die anderen Männer finden, und den Kameraden hier bergen“, er zeigte auf den eingeklemmten Skaphander. „Da geht es um jede Sekunde. Dawai! Dawai!“ Auch Chet konnte ein paar Brocken Russisch.

„Charascho, Chet!“ Dima hatte verstanden, stellte seinen Außenlautsprecher an, seine verstärkte Stimme dröhnte. „Gut, Leute, wir brauchen alles schwere Gerät genau hier. Und zwar blitzschnell, verdammt! Der Rest schwärmt immer zu zweit aus. Gebt Zeichen, brüllt meinetwegen, wenn ihr was gefunden habt!“ Ein lautes „Charascho!“ antwortete ihm.

Chet tippte Dima auf den Arm. „Wo waren Onkel Tolja und die anderen?“

Dima schaute sich unsicher um. „Das müsste, äh, da drüben in dem Gebäude, da ist die Einsatzzentrale.“

Chet hatte sich schon in Bewegung gesetzt, Dima folgte mit langen Sätzen. Zula musste abreißen lassen, schließlich schleppte sie das Medi-Kit mit sich. Chet setzte über Trümmer hinweg, ließ sich nicht aufhalten, zweimal brauchte er Dimas verstärkte Muskeln, um größere Teile anzuheben. Zum Glück lag niemand darunter. Die Schleuse des Bürogebäudes, das Martensson und Anduri als Zentrale gedient hatte, war nahezu zerstört. Chet bahnte sich seinen Weg, Dima und Zula im Schlepptau, drinnen herrschte niedriger Atmosphärendruck. Wer jetzt keinen Duster trägt, ist in wenigen Minuten tot. Chet sprang die Treppen hinauf, Dima überholte ihn gerade im zweiten Stock, da sah Chet einen Menschen auf den Absatz, verkrümmt lag er dort.

„Onkel Tolja!“ Erst da merkte Chet, dass er geschrien hatte, der General rührte sich nicht, Zula kniete sich neben Onkel Tolja.

„Puls ist schwach, aber er lebt. Schätze, er ist durch den Explosionsdruck gestürzt.“ Zula schaute vorsichtig auf das Gesicht, verschob kurz den Duster, tastete dann den Kopf des Generals ab. „Aha, mindestens eine Beule gibt das. Kann auch gut eine Gehirnerschütterung sein. Und womöglich hat er etwas gebrochen, so wie er daliegt. Ich kümmere mich drum.“ Sie setzte den Duster wieder korrekt auf Onkel Toljas Gesicht.

„Okay, wo sind Leutnant Thoeni und Martensson, der Polizist?“ Chet blieb ungeduldig, Dima schaute sich um, dann rannte er noch ein Stockwerk höher. Hier lag die Zentrale, überall gab es Trümmer.

„Es muss noch eine Explosion gegeben haben, direkt im Gebäude, verdammt.“ Dima hielt sich nicht auf, er riss das schräg hängende Schott mit einem Ruck endgültig aus den Angeln. Chet schaute sich im Raum um. Zwei Männer lagen auf dem Boden, bewusstlos oder tot.

„Zula, wir brauchen dich hier!“ Erneut hatte der Commander gebrüllt, jetzt kniete er neben den Männern, suchte den Puls von Sten Martensson. Nichts, verdammt, verdammt, verdammt! Hastig suchte er bei Giorgio Thoeni. Der atmete noch, aber der Herzschlag war schwach. Verflucht schwach! Dima Jaschin riss einen Duster aus seiner Außentasche, behutsam legte er die Maske an. Wenigstens ersticken würde Thoeni nicht. Chet stand auf. Hört das denn nie auf? Zula berührte ihn leicht am Arm.

„Chet, du kannst mir hier nicht helfen, ich brauche aber Sanitäter, um die Verletzten abzutransportieren.“

„Okay, klar, Zula. Hab’ verstanden. Ich werde sie lotsen, bin schon unterwegs.“

Chet warf zum Abschied einen Blick auf Sten Martensson. Sie hatten sich kaum gekannt, aber Chet hatte dem so brummig wirkenden älteren Polizisten vertraut, völlig vertraut. Der Mann hatte es ehrlich gemeint mit seinem Kampf gegen das Verbrechen. Auch auf seinen Vorschlag hin hatte Martensson seinen neuen Posten erhalten. Und damit fühlte sich Chet mitverantwortlich für dessen Tod. Wenigstens eines aber konnte er tun: Er konnte den Kampf gegen den Milan erfolgreich beenden, auch wenn das weitere Opfer kostete. Chet probierte es kurz mit einer Vid-Verbindung, doch der Störsender blockierte jede Fernkommunikation. Was besitzt der Milan denn noch alles? Also musste alles direkt von Mund zu Mund gehen. Chet sprang die Treppen herunter, auf dem dritten Absatz saß General Anduri, wirkte noch sichtlich mitgenommen. Der General hob kurz den Arm, wollte aufstehen, zuckte dann aber zusammen. Chet blieb einen Moment stehen.

„Onkel Tolja, bleib bloß sitzen, ich hole Hilfe. Und später müssen wir uns mal ernsthaft unterhalten. Über dich! Du kannst dich nicht immer wieder in die Gefahr stürzen.“

Onkel Tolja sah Chet nur kurz an, wollte lässig abwinken, setzte zu einer Erwiderung an. Seine Geste blieb ein müdes Winken, er bekam gerade einmal einen Krächzer heraus. Wenigstens schien er nicht ganz so schwer verletzt zu sein, wie sein Adjutant. Chet schüttelte den Kopf. „Lass es, Onkel Tolja, wir reden später.“

* * *

Das breite Gesicht des Milan verzog sich zu einem leichten Grinsen.

„Okay, abschalten“, sagte er, sein Adlatus nickte, tippte kurz auf seinen Armbandcomp. Mit einer nichtssagenden Kurz-Nachricht wurde der Störsender dazu gebracht, sich auszuschalten, eine Überladung führte dazu, dass die Teile des Senders sich in diesen Sekunden quasi auflösten. Nur keine weiteren Spuren hinterlassen, dachte der Milan, richtete sich in seinem Sessel auf.

Endlich haben wir es diesem aufgeblasenen Gouverneur, seiner Polizeitruppe und vor allem diesen verfluchten Rauminfanteristen gezeigt, dass sie nicht mit uns spielen sollten.

Der Triumph war allerdings teuer erkauft worden. Der Adlatus des Milan blieb derweil stumm, er verhielt sich deutlich anders als der jüngst getötete Schattenmann.

Aber wenn Porfirio weiter solche guten Operationen hinlegt, soll es mir recht sein. Der Milan ballte kurz die Fäuste, als er an seine jüngsten Rückschläge dachte. Langsam gingen ihm die Ressourcen aus.

„Haben wir noch genügend Vorräte für die nächsten Wochen?“

Es würde eine Weile dauern, sein jüngstes – und hoffentlich sicheres – Versteck auszurüsten, um dort mit der Produktion neu beginnen zu können. Wir hätten uns nicht nur auf Enceladus verlassen dürfen. Aber der Mangel an Wasser auf dem Mars war eben ein Problem gewesen. Nun, demnächst hoffentlich nicht mehr.

„Ganz klar, nein, Professore!“

Der Milan schreckte aus seinen Gedanken auf. Verdammt, dass er mich immer an unsere Probleme erinnern muss.

Der Mitarbeiter blickte nach unten, traute sich nicht, seinem Boss in die Augen zu schauen. Nur zu gut wusste er, zu was der Milan in seiner Wut fähig war. Porfirio lebte lange genug im Umfeld des Milans. Und er hatte verdammt wenig Lust, als Vogelfutter zu enden.

„Nach dem Ausfall der Grundsubstanz haben wir kaum genug Zeug hier, um die verbliebenen Dealer eine Woche lang zu beliefern.“

„Okay, dann streck das Zeug eben weiter, immer weiter. Verdoppele meinetwegen den Preis. Aber diese Geschichte ist erst einmal zweitrangig, die Süchtigen laufen uns nicht weg. Wir müssen weiter zuerst zuschlagen, dürfen diesem General keine weitere Chance lassen, uns zu jagen. Treffen wir deren Köpfe, dann besitzen wir schnell wieder die Oberhand, Porfirio. Und da ist ja noch unser zweites Projekt. Es wird ihnen das Genick brechen!“

* * *

Chet nahm einen Schluck Latte furioso. Ich muss aufpassen, dass ich nicht süchtig nach dem Zeug werde. Denn bald haben wir keine Kaffeebohnen mehr. Er blickte sich in der Runde um, auch drei Stunden nach der fehlgeschlagenen Razzia war allen Beteiligten die Erschütterung anzusehen. Onkel Tolja saß Chet gegenüber, sein linker Arm steckte in einer Schiene. Elle und Speiche hatte er sich gebrochen beim Sturz, dies hatte Zula noch diagnostiziert, dazu kam eine zum Glück nur leichte Gehirnerschütterung. General Anduri trank ausnahmsweise keinen heißen Kaffee, beschränkte sich auf Wasser, denn er wollte angesichts der Medikamente, die ihm Zula verpasst hatte, einen klaren Kopf bewahren. Was ihm schwerfiel, angesichts der Verluste. Passend zu seinem Namen noch grimmiger gab sich gerade Steingrimur Halvorsson. Der vollbärtige Isländer und Gouverneur des Mars hatte bereits den dritten Furioso vor sich stehen, er wirkte aufgedreht. Halvorssons Zwilling Barny Owl, der ebenfalls bärtige Triebwerksingenieur der Horizont und zugleich Chets Stellvertreter, wirkte ebenfalls fertig.

Ganz anders die beiden Frauen am Tisch: Letta Huo, die Chefin der Wissenschaftler an Bord des Schiffes. Die Japanerin näherte sich gerade wieder ihrem Kampfgewicht von 80 Kilo. Ob sie ihre traumatischen Erfahrungen mit dem Killer des Milan überwunden hatte? Das fragten sich die meisten am Tisch, aber niemand stellte diese Frage laut. Klar war: Letta war verändert. Ihr verletzter Finger war längst verheilt, doch ihre frechen Sprüche waren nicht mehr von der Güte wie bislang. Seit sie das Krankenhaus verlassen hatte, stürzte sie sich in ihre Arbeit, blieb dabei oft seltsam unpersönlich. Nicht einmal ihr alter Rivale Sir Hektor, mit dem sie sich so gerne gekabbelt hatte, konnte sie mehr aus der Reserve locken. Chet machte sich ernsthaft Sorgen um sie. Leider haben wir ganz andere Probleme, die derzeit Vorrang haben.

Er blickte zur letzten Teilnehmerin der Konferenz: Linda Moham. Chet war noch immer befangen ihr gegenüber, gerade in der Öffentlichkeit. Dass wir miteinander geschlafen haben, muss wirklich nicht jeder wissen. Hoffentlich sagt sie nicht irgendetwas wie Darling oder Liebling. Doch die ehemalige Agentin ließ sich nichts anmerken, vielleicht sogar ein paar Grad kühler als zuletzt gab sie sich ihm gegenüber in der Öffentlichkeit, so kam es Chet zumindest vor. Fast war es so, wie am Anfang ihrer Bekanntschaft. Sicher lag das auch an ihrer neuen Rolle, eigentlich war es ja ihrer alte: Linda war wieder im Geheimdienst-Fach. Nur einige zum Schweigen verpflichtete Besatzungsmitglieder wussten davon, dass Simon Weißkamm am Leben war und als ihr Chef agierte. Undercover baute der General sein Netz auf, um den Milan zu fangen. Linda fungierte an Bord als seine Stellvertreterin, per Armbandcomp hielt sie Verbindung. Für die Runde war General Weißkamm nur als Stimme präsent, diese klang so verzerrt, dass ihn sicher niemand darüber identifizieren konnte. Doch all ihre Versuche, die Operation Neuer Anfang geheim zu halten, waren soeben gescheitert, mit fatalen Folgen.

„Wie sieht es aus?“ Chet stellte die gefürchtete Frage, Onkel Tolja verzog das Gesicht.

„Verdammt, ich habe einen meiner Jungs verloren, drei liegen auf der Krankenstation. Allein Giorgio … also er wird wieder auf die Beine kommen, er ist zäh. Diesmal kann es aber Wochen dauern. Und ob er jemals wieder richtig diensttauglich wird, es ist unklar.“ Onkel Tolja rieb sich kurz die Stirn. „Und dann die Polizisten. Da war nicht nur der arme Sten, Gott hab ihn selig! Draußen sind noch zwei weitere gute Jungs gestorben. Verdammt, ich will wissen, wie das passieren konnte!“

„Wir sind dabei, das zu untersuchen, General. Genaues kann ich bisher nicht berichten.“ Der Gouverneur schaute sich in der Runde um. „Leute, wir müssen von einem Maulwurf ausgehen, irgendwo in unserer Befehlskette sitzt er und hat die Operation an den Milan verraten. Da bin ich sicher.“

Onkel Tolja ballte die Fäuste. „Meine Jungs waren es nicht, da leg ich meine Hand ins Feuer. Das muss bei der Polizei passiert sein, verflucht noch eins!“ Es sah aus, als ob der General auf den Gouverneur losgehen wollte. Barny Owl bemühte sich um Ruhe. „Bitte, General, Vorwürfe bringen uns nicht weiter.“

Linda hob kurz die Hand. „Ich glaube, W. will uns etwas sagen.“

Die Abkürzung von Weißkamms Namen kam Chet reichlich theatralisch vor, wie in alten Action-Vids. Aber Weißkamm bestand darauf, dass nur wenige Menschen von seiner Identität wussten, nicht einmal jeder am Tisch kannte sie. Und seinen Aufenthaltsort kannten noch weniger Menschen.

„Bitte hören sie mir gut zu.“ Die Stimme hätte Chet nicht erkannt, Weißkamm klang wie ein junger Mann. „Ich möchte unsere direkten Kontakte auf ein Minimum beschränken. Daher nur ganz kurz mein Rat: Bisher haben Sie alle sich stets im großen Rahmen abgesprochen, das hat es unserem Feind erleichtert. Wir müssen die Bereiche deutlich trennen, es dürfen nur wenige Informationen ausgetauscht werden. Ich habe Linda bereits instruiert über meine Vorschläge. Bitte hören Sie ihr gut zu. W. Ende.“

Gouverneur Halvorsson runzelte die Stirn. „Es gefällt mir gar nicht, dass ich hier praktisch von einer Stimme Ratschläge annehmen soll. Es wär mir lieber, wenn ich Näheres wüsste.“

„Gouverneur, darüber können wir vielleicht gleich im Anschluss unter vier Augen reden.“ Linda klang souverän. „Wir haben es dem Milan und seinen Handlangern zu leicht gemacht, uns auszurechnen. Da, wo Sie, General Anduri und Commander Morrow auftauchten, da gab es die großen Razzien. Sie müssen sich künftig viel mehr im Hintergrund halten.“

„Aber …“ Onkel Tolja kam nicht dazu, seine Einwände auszuführen, Linda unterbrach ihn.

„Oh, ich weiß. Wer wie Sie so gerne im Feld steht, dem fällt das schwer, General. Aber ich hoffe, Sie werden einsehen, dass es so nicht weitergeht.“

Die Stimme aus dem Lautsprecher übernahm wieder.

„Bitte bleiben Sie im Hintergrund, lassen Sie ihre Teams den Job machen. Und um nicht so einfach ausrechenbar zu sein, setzen Sie die Infanteristen ab jetzt auch in Routineoperationen ein. Der Gegner darf nicht gleich wissen, dass etwas Wichtiges ansteht. Die Rauminfanteristen müssen alltäglich werden bei den Einsätzen. Nur dann haben wir vielleicht demnächst wieder eine Chance, diese Mistkerle zu überraschen.“

Die Stimme aus dem Armbandcomp schwieg einen Moment, wartete Weißkamm jetzt auf Widerspruch? General Anduri schaute nur düster auf den Comp, enthielt sich aber jedes Kommentars, dafür mischte sich Letta ein.

„Na schön, W. Aber viel wichtiger ist doch: Wo verdammt ist die undichte Stelle?“

„Ich habe geahnt, dass die Frage kommen würde. Leider habe ich derzeit nicht die geringste Vorstellung. Aber wir arbeiten dran. Bis dahin kann mein Rat nur lauten: Informieren Sie so wenige Personen in ihrem Umfeld, wie es geht. Sickert dann noch etwas durch, ist viel leichter zu verfolgen, woher der Verrat kam. Keine Bange, wir kriegen ihn oder sie, niemand macht so etwas, ohne Spuren zu hinterlassen.“

Onkel Tolja hatte sich innerlich mit seiner Rolle in der zweiten Reihe noch längst nicht abgefunden.

„Das heißt also, ich soll bis dahin hier im Warmen sitzen, während meine Jungs und das Täubchen unten jeden Tag ihren Hintern riskieren? Nitschewo! Das könnt ihr mir nicht antun!“ Wieder ertönte die Antwort aus dem kleinen Lautsprecher.

„Nun, wenn ich das richtig mitbekommen habe, General, müssen Sie eh einige Tage kürzertreten nach der Verletzung. Nutzen Sie die Zeit zur Erholung und zum Pläneschmieden.“

Onkel Tolja war nicht völlig überzeugt, brachte aber ein brummendes „Charascho“ über die Lippen.

„Noch etwas: Wir sollten unsere Operationen trennen, meine Herren. Dadurch erschweren wir es dem Gegner, unsere nächsten Züge vorherzusehen. Die Polizei bleibt in der Verantwortung des Gouverneurs, Sie sorgen für den anhaltenden Druck auf die Handlanger des Milan. Die Infanterie verstärkt sie, zeigt sich ständig auf den Straßen, hält sich aber – da sind Sie der Spezialist, General Anduri – für einen großen Schlag bereit. Vielleicht, hoffentlich wird es diesmal der entscheidende. Und Commander Morrow: Sie würde ich gerne beim Bereich der Bergung als Mitverantwortlicher sehen. Gerade wenn es um die Dynas geht …“

Chet musste sich zurückhalten, beinahe hätte er laut „Verstanden, Herr General“ gesagt. Er schaffte es noch, zu hüsteln, sagte lediglich: „Einverstanden. Machen wir es so. Aber da wäre noch ein Problem. Was machen wir, wenn die Mao Zedong erneut auftaucht?“

Der chinesische Carrier hatte bislang zweimal den Weg der Horizont gekreuzt. Beim Gefecht um Enceladus waren zwei gegnerische Dynas vernichtet und ein dritter schwer angeschlagen worden. Damit war der Milan-Verbündete leider längst nicht aus dem Spiel, vor allem, weil Chet derzeit über gerade einmal vier einsatzfähige Dynas verfügte, wobei das hochgestapelt war. Sie brauchten dringend Ersatzteile.

„Ich denke, da gibt es eine einfache Lösung, Commander. Linda wird Sie ihnen skizzieren.“

Letta lachte kurz. „Sie klingen wie ein alter Bekannter, W. Fehlt nur noch, dass Sie sagen: Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen!“

Darauf schwieg die Stimme aus dem Comp. Weißkamm hütete sich, darauf einzugehen, schon gar nicht, wenn die Gefahr bestand, abgehört zu werden. Die Sitzung endete kurz darauf, Chet hatte keine Chance, mit Linda zu sprechen, der Gouverneur nahm sie nun in Beschlag. Chet entschied sich deswegen für einen Besuch auf der Krankenstation.

* * *

Johnny Marooney wischte sich kurz über die Augen. Der arme Kerl, der vor ihm lag, würde nie mehr richtig laufen können. Verdammt, ich kann es ihm nicht einfach ins Gesicht sagen.

Der Bordarzt der Horizont wandte sich vorsichtig ab, tätschelte die Schulter des jungen Mannes. „Äh, also Officer … Thomas Riedner. Thomas, Sie haben verdammtes Glück gehabt, dass Sie da unten überlebten, das wissen Sie doch?“ Der Polizist konnte nur kurz nicken.

„Ja, wir werden Sie in ein paar Stunden in den Autodoc stecken, dann sehen wir weiter. Bis dahin tun wir alles, um Ihnen die Schmerzen zu nehmen.“

„Und, Doc, wie stehen meine Chancen? Sagen Sie mir die Wahrheit, bitte!“

Marooney wandte sich einen Moment ab, atmete tief durch.

„Also“, er bemühte sich um ein Lächeln. „Sie hatten durch die Explosion zahlreiche Verletzungen, vor allem Schnitte durch die herumfliegenden Splitter. Einiges davon habe ich sogar aus Ihrem Magen entfernt. Keine Bange!“ Doc Marooney hob seine Hand wie für ein Pfandfinder-Ehrenwort. „Den Magen kriegen wir wieder perfekt hin, da werden Sie keinerlei Probleme bekommen. Allerdings, ihr rechtes Bein macht mir Sorgen. Wir müssten eigentlich die Reha abwarten. Aber das können Sie unter diesen Umständen hier auf dem Mars vergessen. Ich fürchte, das werden Sie nie wieder richtig belasten können. Sie brauchen künftig eine Schiene.“

„Aber, Doc. Es heißt doch, dieser Autodoc …“

„… kann Wunder bewirken?“ Marooney sah den jungen Mann an. „Leider nein! Der Knochen ist praktisch zerbröselt! Entschuldigung, wenn ich das so drastisch ausdrücke. Ja, den Knochen werden wir wieder heilen. Aber ganz ehrlich, es wird nie wieder so werden, wie bisher. Alles andere wäre gelogen, mein Junge.“

Thomas Riedner kämpfte sichtlich mit den Tränen, konnte mit der Situation nicht umgehen.

„Warum ich? Warum muss mir das passieren? Verdammt, dieser verfluchte Milan …“ Er ballte seine Fäuste. „Könnten Sie mich vielleicht jetzt ein bisschen allein lassen, Doc?“

Marooney schaute auf seinen Patienten, der nicht viel jünger war, als er selbst, dennoch verfiel er wieder in diesen typischen Ärztejargon, hinter dem er seine Unsicherheit verbarg.

„Ja, sicher, mein Junge. Wenn du noch etwas brauchst, ruf mich!“

Marooney wandte sich ab, der Vid-Schirm flackerte kurz, Marooney erkannte den Commander. „Doc, können Sie ein paar Minuten für mich opfern?“, fragte Chet.

Marooney pustete kurz durch, dann hatte er sich gefasst.

„Sicher, Commander, kommen Sie. Ich schieb sie dazwischen.“ Marooney drehte sich um. Thomas Riedner lag genauso da wie eben, nur seine Augen hatte er geschlossen.

Er will das mit sich allein auskämpfen. Spätestens ab übermorgen müssen sich die Psychos um ihn kümmern. Oh, verdammt, wir haben so wenige Möglichkeiten.

Auf dem Vid blinkte es, vor dem Schott zur Krankenstation stand der Commander. Marooney atmete noch einmal tief durch, zog seinen Medi-Kittel straff, dann berührte er den Sensor, der das Schott öffnete. Chet nahm sich Zeit, ließ sich von Marooney die Diagnosen erläutern, dann ging er zu dem Schwerverletzten, sprach ein paar Minuten mit Riedner, tätschelte etwas unbeholfen dessen Schulter, als er sich wieder abwandte. Auch Chet fiel derlei nicht leicht, aber es gehörte mit zu den Pflichten eines Kapitäns, auch wenn Riedner nicht zu seinem Kommando gehörte, wie der zweite Schwerverletzte.

„So, Doktor. Und was können Sie mir über Giorgio Thoeni sagen?“

Chet sah ihn an, Marooney blickte einen Moment auf den Boden, kaum schaffte er es, dem Commander in die Augen zu schauen. Dabei war es nicht seine Schuld, was jetzt kam.

„Sir, Leutnant Thoeni wird noch ein paar Stunden im Autodoc verbringen, dann muss er Platz machen für den jungen Polizisten da. Das Wichtigste: Thoeni wird überleben. Aber die Verletzungen waren schwer, verdammt schwer. Wo fange ich da nur an?“ Er wies auf den Vid-Schirm.

„Sehen Sie, er hat Splitter abbekommen im Gesicht, ich konnte gerade so beide Augen retten. Aber die Sehkraft auf seinem linken ist dauerhaft … nun, kaum mehr vorhanden. Und sie kommt wahrscheinlich nicht zurück. Dazu hatte er innere Verletzungen, seine Milz, die Lunge. Und dann die Beine, die waren …“

„Ich weiß, Doktor, ich war dabei.“

„Also zusammengefasst, Commander. Leutnant Thoeni wird überleben, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Nur … seine Karriere als Rauminfanterist wird er nicht fortsetzen können, das ist in meinen Augen sicher. Ja, wenn wir auf der Erde wären, mit all ihren Ressourcen …“

Chet schaute düster zu dem Autodoc hinüber. Metallisch glänzte die Außenhülle, es ähnelte fast einem gigantischen Geschoss, wären da nicht die zahlreichen Leitungen gewesen, die den Körper mit künstlichem Blut, Medikamenten und anderen Präparaten versorgten. Auf dem Bild sah es aus, als sei Thoeni in einen Kokon eingesponnen worden. Chet schauderte es einen Moment. Unwillkürlich erinnerte ihn die Anordnung an das Schiff des Wissenssammlers. Aber für solche Gedanken ist wirklich keine Zeit.

„So weit, so schlimm, Doktor.“ Chet wandte sich wieder an Marooney. „Und wo finde ich Svetlana … äh, ich meine Pilotin Bachmann?“

„Die wollte nicht so lange warten, aber sie hat noch gesagt, sie wolle verständigt werden, wenn Leutnant Thoeni aufwacht.“ Der Doktor zuckte kurz die Achseln. „Miss Moham hat die junge Dame abgeholt. Ich habe aber drauf bestanden, dass sie sich zumindest die nächsten Tage schont, ihre Gehirnerschütterung auskuriert. Bevor sie nicht von mir das Okay kriegt, wird sie keinesfalls wieder fliegen. Der Rest, also die Platzwunde, die war nicht der Rede wert.“ Chet nickte kurz, verabschiedete sich dann. Na schön, dann wagen wir uns mal in die Höhle der Löwin.

* * *

Chet stand vor dem Schott zu Lindas Unterkunft. Er zögerte. Und was sage ich ihr jetzt? Wieder kam bei ihm die alte Unsicherheit durch. Als Pilot machten ihm nicht viele etwas vor, was jedoch Zwischenmenschliches anging, da hatte er seine Probleme, große Probleme. Alles, was Tom Atkins so leichtfiel, damit tat er sich ungeheuer schwer. Ich hätte Tom mitbringen sollen. Als Eisbrecher! Chet hatte die Hand vor dem Schottsensor, da war der Eingang auch schon frei, ein fröhliches Stimmengewirr empfing ihn, Soprane und ein Bariton, natürlich war Tom längst hier. Vorsichtig trat Chet ein, Linda sah ihn als Erste.

„Schön, dass Sie auch einen Moment für uns Zeit haben, Chet.“ Sie funkelte ihn an.

Also Sie und Vorname. Na, wenigstens keine Vertraulichkeiten.

„Ja, also äh … Linda, ich wollte mich mal nach Svetlana erkundigen.“

Unschwer war die junge Deutsche zu erkennen, die es sich in Lindas Bett gemütlich gemacht hatte.

„Ist ja fast wie beim Klassentreffen. Es fehlt wirklich nur das A-Team.“ Tom musste natürlich seine Sprüche machen, er verließ kurz seine Freundin Sandy, die zusammen mit vier weiteren Amazonen den Bettrand bevölkerte. Ruslana Rus Achmetowa, die in den letzten Wochen kaum aus ihrem Skaphander gekommen war, seit sie als Rauminfanteristin wiederentdeckt worden war, dazu Zula Makombe, Malivia Mala Washington, die stillste der Amazonen und natürlich die Chefin: Megan Riordan, ebenfalls frisch zurück aus dem Krankenhaus.

---ENDE DER LESEPROBE---