Schatten über dem Mars - Thomas T. C. Franke - E-Book

Schatten über dem Mars E-Book

Thomas T. C. Franke

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Beschreibung

ONLY eBook - Mohlberg SF - Ad Astra – Chet Morrows Weg zu den Sternen erschien als Serie innerhalb der Utopia-Hefte 1967/68, musste aber nach 21 Heften abgebrochen werden. Die Ursprungsserie wurde als Paperback nachgedruckt, der hier vorliegende Band ist das erst neue Abenteuer von Chet Morrow, damit wird die ursprüngliche Geschichte fortgesetzt: Die Crew der HORIZONT unter Commander Chet Morrow kehrt nach ihrer Alpha-Centauri-Mission zurück zur Erde, dabei gibt es für alle einen Schock: Die Erdoberfläche ist durch Einschläge in großen Teilen zerstört worden, allein auf dem Mars, der seit zwei Generationen besiedelt wird, gibt es eine funktionierende Verwaltung. Zugleich aber versucht eine Verbrecherorganisation, das Chaos auszunutzen, der Anführer der Gangster nennt sich Roter Milan. Chet Morrow fliegt zusammen mit seinem Freund Tom Atkins mit einem Dyna auf den Mars, um Kontakt aufzunehmen. Dabei geraten sie in einen Hexenkessel der Gewalt, sie lernen aber auch neue Verbündete kennen, es ist eine Gruppe Dyna-Pilotinnen. Zusammen mit ihnen startet Chet dann zum Saturnmond Japetus, auf dem eine UNO-Basis besteht. Deren Kommandeur Anatoli Anduri plant von dort aus einen Schlag gegen den Milan, die Bande hatte zuvor eine alte Forschungsstation auf dem Mond Enceladus übernommen. Die Basis wird von schwerbewaffneten Söldner verteidigt, es kommt zu einem heftigen Gefecht …

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SCHATTEN ÜBER DEM MARS

AD ASTRA - CHET MORROWS WEG ZU DEN STERNEN, NEUE ABENTEUER

BUCH 1

THOMAS T.C. FRANKE

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

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Copyright © 2024 BLITZ-Verlag  

Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

In Zusammenarbeit mit

Heinz Mohlberg Verlag GmbH, Pfarrer-Evers-Ring 13, 50126 Bergheim

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

Die Printausgabe des Buches ist am 18.02.2011 im Mohlberg-Verlag erschienen.

ISBN: 978-3942079266

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7592-0143-0

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INHALT

Vorwort

Was zuletzt geschah

Schatten über dem Mars

Vorschau

Ad Astra – Chet Morrows Weg zu den Sternen Zusammenfassung der ersten 11 Bände der Mohlberg-Ausgabe

Über den Autor

VORWORT

Eine vor Jahrzehnten eingestellte Heftromanserie, einst erfunden von H. G. Francis und Thomas R. P. Mielke, neu zu beleben: Dies haben sich einige Autoren auf die Fahne geschrieben, nachdem der Nachdruck der ziemlich unbekannten SF-Serie als Paperback im Mohlberg-Verlag erfolgreich war. Neu beleben, es hört sich so einfach an, es war allerdings eine knifflige Aufgabe. Als die Serie innerhalb der Utopia-Heftromanreihe nach 21 Heften abgebrochen werden musste – sehr rüde, wie man heute weiß – schrieb Francis ein drastisches Ende für seine Helden: Die Horizont erblickt bei ihrer Rückkehr aus dem System Alpha Centauri eine weitgehende zerstörte Erde …

Verleger Heinz Mohlberg hatte sich nach längeren Gesprächen vor Beginn der Fortsetzung dazu entschieden, es mit kürzeren Zyklen zu versuchen, die jeweils zwei oder drei Bände umfassen sollten. Der Paperback-Band Nr. 12 war somit das erste Buch mit völlig neuen Geschichten um Chet und seine Mitstreiter, die unmittelbar an das Ende im Heft ansetzten. Schließlich haben uns Francis und Mielke trotz des fürchterlichen Endes zum einen viele Überlebende hinterlassen, deren Geschichte wir erzählen können. Zum anderen haben wir ja noch die Geheimnisse der Großen und ihrer Helfershelfer zu lüften – es gibt also eine Menge Stoff. Bis heute (Anfang 2024) sind wir bei Band 39 angelangt, weitere Romane sind bereits verfasst.

Zugleich freuen wir uns, dass es ab sofort E-Book-Fassungen unsere Geschichten geben wird. Vorerst ist daran gedacht, allein die neuen Geschichten herauszugeben. Für alle Leser, die gerne den Überblick über die ersten Schritte von Chet Morrow ins All erhalten möchten, gibt es am Ende dieses Bandes eine Zusammenfassung aller 21 Hefte, die in den elf Paperbacks nachgedruckt wurden.

Noch ein Tipp von mir zu den Dynas, die schließlich im Mittelpunkt der Serie stehen: Francis hat diese Schiffe noch vor der echten Mondlandung 1969 beschrieben. In den Büchern wird von uns Autoren immer wieder der Vergleich zu einem Space Shuttle der NASA gezogen. Inzwischen gibt es tatsächlich reale Dynas, sie sind auch weltraumtauglich, haben in unseren Augen nur einen kleinen Makel: sie fliegen unbemannt. Wer einmal wissen will, wie sich Francis seine Dynas vorstellte, der findet in allen Suchmaschinen unter dem Stichwort X-37 B (für Boeing) dazu verblüffende Bilder.

Thomas T. C. Franke

WAS ZULETZT GESCHAH

Die Horizont unter Commander Chet Morrow ist das erste Raumschiff der Erde, das im frühen 22. Jahrhundert erfolgreich ein anderes Sonnensystem erreicht. Die Mission nach Alpha Centauri muss aber nach einigen Monaten vorzeitig abgebrochen werden – die Besatzung versucht, so schnell wie möglich zurück zur Erde zu kommen. Denn sie wollen Terra unbedingt warnen vor einer großen Gefahr: Während der Mission sind Chet und seine Leute auf geheimnisvolle Wesen getroffen, die sich die Großen nennen. Und diese haben bereits zuvor versucht, die Erde anzugreifen, mit der Hilfe von Alliierten. Warum die Wesen, von denen es nur ungenaue Bilder gibt, die Menschen so sehr hassen, dass sie ihnen mit Vernichtung drohen, ist unklar. Aber die Großen zeigen, dass sie selbst vor dem Einsatz von Atomwaffen nicht zurückschrecken. Diese werden auf einem der beiden bewohnbaren Planeten des Systems Alpha Centauri eingesetzt – und zwar von vogelähnlichen Wesen, die von den Menschen Geierköpfe genannt werden – und die im Auftrag der Großen handeln.

Noch etwas Überraschendes haben die Menschen auf dem dritten Planeten des Systems entdeckt: Dort leben neben einheimischen Intelligenzen auch Nachfahren von Römern. Ihre Vorfahren waren Teil einer römischen Legion, sie wurden vor fast 2000 Jahren von der Erde entführt. Offenkundig dient dieser Planet den Großen als gigantisches Experimentierfeld.

Bevor die Crew der Horizont aber alles untersuchen kann, werden sie Augenzeugen einer Raumschlacht mit dutzenden Schiffen. Wer dort genau gegen wen kämpft, bleibt unklar, aber von einem der überlegenen Schiffe erhält die Horizont eine eindeutige Drohung – es ist einer der Großen, der erneut mit der Vernichtung der Erde droht, dabei sogar englisch spricht. Das heißt, die Großen kennen die Erde.

Mit Blick auf die Raumschlacht erkennt Commander Morrow zudem, dass egal, welche Seite gewinnt, diese jeweils deutlich stärker ist als die Horizont. Deswegen bricht Chet Morrow die Mission abrupt ab, das Schiff beginnt direkt die Heimreise. Bei einem unfreiwilligen Zwischenstopp erhalten sie eine weitere düstere Warnung, dass der Erde die Zerstörung drohe. Diese Drohung stößt ein menschenähnliches Alien aus, es nennt sich übersetzt der Wissenssammler. Ihm können die Menschen nur knapp entkommen.

Als die Crew sich schließlich ihrem Heimatplaneten nähert, nehmen die Bordkameras verstörende Bilder auf. Das schlimmste Szenario ist eingetreten, die Erde ist von dichten Wolken aus Asche und Staub umgeben. Offensichtlich gab es den Einschlag eines Kometen auf der Erdoberfläche, mit fürchterlichen Folgen weltweit. Alle Besatzungsmitglieder sind schockiert und traumatisiert, schließlich haben sie bei der Katastrophe Freunde und Familie verloren – womöglich jeden Menschen, den sie beim Aufbruch ins All zurückließen. Es dauert mehr als einen Tag, bis sich die Besatzung so weit gefasst hat, um über das weitere Vorgehen beraten zu können. Sie stellen schnell fest, dass der Einschlag bereits Monate her ist. Aufgefangene Nachrichten zeigen: Die erste Hilfe für die Überlebenden auf der Erde kam vom Mars, der seit rund 100 Jahren kolonisiert wird. Die Menschen dort leben in Kavernen oder Kuppeln, es sind aber nur wenige Hunderttausend. Auf den Mars wurden nach dem Einschlag zwar Überlebende gebracht, doch der Nachbarplanet kann natürlich längst nicht alle aufnehmen.

Die Crew der Horizont beginnt, alle Infos über die Katastrophe zu sammeln, um helfen zu können. Dabei sind sie auf sich allein gestellt, die für sie zuständigen UNO-Stellen auf der Erde sind ebenso zerstört, wie große Teile der Welt.

Allein auf dem Mars gibt es funktionsfähige Behörden, die allerdings unter einer weiteren Bedrohung stehen: Denn in den Botschaften, die die Horizont auffängt, ist ständig die Rede von einer mächtigen Verbrecherorganisation, die das Chaos auszunutzen versucht. Dabei ist es den Verbrechern sogar gelungen, einen Dyna Carrier in ihre Gewalt zu bringen, der zusätzliche Zerstörungen auf der Erde anrichtete.

Da die Menschen auf der Erde angesichts der Katastrophe alle Hände voll zu tun haben, auch nur das Überleben sicherzustellen, beschließt der Commander der Horizont, sich selbst ein Bild von der Lage auf dem Mars zu machen, um etwas gegen die Verbrecher zu unternehmen. Während sein Schiff weiter in Richtung Erde unterwegs ist, fliegt Chet Morrow zusammen mit seinem Stellvertreter Tom Atkins in einem Dyna – ein shuttleähnliches Beiboot – voraus zum Mars. Dort hält sich nach allen erreichbaren Informationen der Kopf der Verbrecherorganisation auf, der sich „Roter Milan“ nennen lässt. Kurz nach der Landung erhalten Chet und Tom erste Hinweise.

* * *

„Und hier erfahren wir was über den Milan?“ Tom Atkins sah sich eifrig um.

„Nicht so laut“, brummte Chet Morrow, brachte dabei die Zähne kaum auseinander. Der Kapitän der Horizont war besorgt. „Verdammt, du weißt doch, hier haben selbst die Wände Ohren. Willst du Spitzel auf uns aufmerksam machen?“

Er sieht erschöpft aus, dachte Tom, sogar das Rasieren hatte Chet die letzten Tage vergessen. Oder war es Absicht? Wollte er nicht gleich erkannt werden?

Zwei Tage waren sie nun auf dem Mars, zwei Mann und ein Dyna, sozusagen Undercover. Direkt von der Erde waren sie hierhergekommen, von einem verwüsteten Planeten, der fast keine Ähnlichkeit mehr aufwies mit der blauen Perle, die sie gekannt hatten – auf die sie sich so unbändig gefreut hatten nach den Monaten ihrer Mission. Nicht nur die Zeit stimmte für Chet und Tom nicht mehr. Der Schock beim Eintreffen, das Chaos, die Zerstörung, es war kaum zu ertragen, Tom sah auf seine Hand. Eigentlich müsste sie zittern.

Ihm fiel nur ein Wort ein, wenn er an das Schicksal der Erde dachte. Wahnsinn!

Doch das brachte ihn und Chet jetzt nicht weiter. Dazu war ihre Mission zu wichtig. Je eher sie sich in Gedanken von der alten Erde lösten, desto besser, wusste Tom. Doch den dumpfen Schmerz wurde er nicht los. Vielleicht kann ich ihn wenigstens betäuben.

„Hey, Barkeeper, einen Whiskey, oder was ihr dafürhaltet“, verlangte Tom laut, Chet zuckte erneut zusammen.

„Tom, hör auf damit, aufzufallen. Wofür haben wir uns extra die Klamotten geliehen?“

Aber der Lärm in der Kneipe – was auf dem Mars so als Kneipe durchging – verhinderte, dass Toms Spruch auffiel. Sein amerikanisch gefärbtes Englisch verriet ihn sonst immer sofort als alten Erdenbürger. Wer länger auf dem Mars lebte, sprach ein Gemisch aus Englisch, Russisch und Chinesisch. Ursprünglich war der große Raum der Tank einer alten Rakete gewesen, so war der erste Nachschub von Terra zum Mars gebracht worden, es gab also keine geraden Wände, alles war gerundet. Der Name der Kneipe: ›Das Fass‹, es passte bestens.

Dem Eingang gegenüber hatte der Besitzer aus Schrott-Teilen eine Theke gezimmert, dahinter standen auf einem Regal Flaschen mit und ohne Etiketten. Stühle gab es nicht. Und die Tische bestanden aus am Boden festgeschweißten Metallstücken, obendrauf runde Plasscheiben.

Wenigstens gab es so Abstellflächen für die Drinks. Dafür klebte der Boden vor Dreck, verschüttetem Alkohol und undefinierbarem braunen Zeug, es war das, was einem auf dem Schwarzmarkt als Kautabak angeboten wurde. Zigaretten waren reiner Luxus. Und solange die Versorgungslage angespannt war, würde es sie auf dem Mars nicht wieder geben. Noch etwas, dem viele Menschen nachtrauerten.

„Whiskey? Woher sollen die hier Whiskey haben?“ Chet schaute Tom an.

„Wenn es importierte Flaschen wären, dann könntest du den Drink nicht bezahlen. Aber was ich da so sehe, sieht mir nach ›Moonshine‹ aus …“

„Moonshine?“ Tom setzte seinen ›Was meinst du denn jetzt‹-Blick auf.

Chet winkte ab. „Uralter Begriff, Tom. Schwarzgebrannter Schnaps hieß früher so. Also jedenfalls da, wo ich herkomme …“

Tom wusste, Chet stammte aus Mississippi, auch dieser einst schöne Landstrich war verwüstet. Das hatten die Bilder aus dem Orbit nur zu deutlich gemacht.

„Jedenfalls, von dem Fusel sollten wir in jedem Fall die Finger lassen. Also: Nur bestellen, nicht trinken.“

„Schon gut, schon gut, hab’ verstanden“, Tom hob die Hände. „Wenn wir überhaupt bedient werden …“

Chet hörte nicht mehr hin, sah sich vorsichtig um. Vor ein paar Stunden hatte er einen Tipp bekommen. Ein Harry wollte ihm Informationen übergeben, natürlich unauffällig. So viel wussten Chet und seine Mannschaft inzwischen: Mit dem Roten Milan war nicht gut Kirschen essen, selbst das war eine grobe Untertreibung. Brutal sorgten dessen Handlanger für Gehorsam. Wer mit den Behörden sprach, musste mit dem Schlimmsten rechnen, Menschenleben zählten für die Bande nichts.

Dennoch, manche wehrten sich gegen den Milan, einen sollten Chet und Tom hier treffen. Die Frage war: Wie erkennt man in diesem Dunst und Lärm den Richtigen? Im Gewühl vor der ›Polizeiwache‹ – das kam einem Polizei-Hauptquartier am nächsten – war Chet ein Diskpaper zugesteckt worden, darauf nur ein Satz: „Informationen im ›Fass‹, spreche Sie an, Harry.“

Also waren sie jetzt hier, nach Harry zu fragen war sinnlos, eher noch gefährlich. Es hieß also warten für die beiden Freunde.

„Wenn wir wenigstens was zu trinken bekämen. Bier gibt’s da drüben, sieht nicht mal so schlecht aus“, meinte Tom. „Ich geh’ an die Theke.“

Tom schlängelte sich vorsichtig an ein paar Marsarbeitern vorbei, die musterten ihn misstrauisch. Es waren ›echte Eingeborene‹, die ihr ganzes Leben auf dem vierten Planeten verbracht hatten. Sie waren – kein Wunder bei gerade 0,38 G – eher lang und hager, oft geradezu dünn. Bei Letzterem spielte auch die verzweifelt schlechte Versorgungslage eine Rolle, dicke Menschen waren zur Seltenheit geworden. ›Erdies‹ oder ›Terries‹, wie die Raumfahrer genannt wurden, waren jedenfalls auf den ersten Blick erkennbar – wie auch die Flüchtlinge: Sie waren erkennbar gedrungener als die geborenen ›Marsianer‹.

Tom hatte es gerade an die Theke geschafft, plötzlich wurde es neben ihm richtig laut. Es ging um drei Mädchen, Frauen, verbesserte sich Tom, unauffällig wirkten sie auf den ersten Blick, sie trugen verschossene graue Overalls. Nein, hey, das war mal UN-blau.

Mit der Beobachtung war Tom aber nicht allein, die Frauen standen um einen der ›Tische‹, hatten drei Gläser Undefinierbares vor sich stehen. Ein langer Lulatsch, unverkennbar ein echter Marsianer, war die Lärmquelle. Direkt vor einer der jungen Frauen hatte er sich aufgebaut, Tom hörte nur Terrie-Schlampe und war schon auf dem Weg.

Lancelot ist schließlich mein zweiter Vorname.

Alles roch nach Gewalt, Tom spürte es. Mit dem rechten Zeigefinger tippte der Lulatsch jetzt an die Schulter einer der Frauen, die schaute ihn ruhig an. Tom sah einen braunen Pferdeschwanz, sie war etwa einsfünfundsiebzig, nicht hübsch, wirkte aber ausgesprochen zäh. Das Auffälligste waren ihre … Ohren! Das sah auch der Lulatsch so.

„Hey, Segelohr. Damit du das auch ja richtig verstehst: Wir wollen dich hier nicht!“

Brüllendes Gelächter tobte rund um ihn, allerdings klang es mehr wütend denn belustigt. UN-Angehörige, auf dem Mars schon früher nicht besonders gut angesehen, waren seit dem Kometeneinschlag hier ein rotes Tuch, als trüge die Raumflotte die Verantwortung für die Katastrophe, einfach, weil sie es nicht hatten verhindern können.

„Wieso nehmt ihr nicht eure hübschen Ärsche fix in die Hand und verschwindet pronto?“ Lulatsch hatte die Hand erhoben, die zweite junge Frau trat an die Seite ihrer Freundin.

„Hey, Durak, lass uns gefälligst in Ruhe!“

›Nummer zwei‹ trug schwarze, kurze Haare, ihr etwas kantiges Gesicht war nicht zu übersehen, sie war unüberhörbar eine Russin. „Durak“, so viel verstand Tom, hieß Trottel oder Idiot. Die Forsche, noch größer als die zuerst Angepöbelte, wirkte neben den Marsianern untersetzt. Tom schätzte, dass sie aber reichlich Muskeln besaß. Der Lulatsch war nicht beeindruckt, dafür hatte er den Ausdruck verstanden. „Oh, oh, sollte das eine Drohung gewesen sein?“

Der Ring um die Frauen wurde enger, Lulatsch besaß Verbündete.

„Normalerweise schlagen wir keine schwachen Frauen. Für dich mach ich aber gern ‘ne Ausna…“

„Aber ich schlage Männer!“

Die Russin trat wuchtig auf seinen Fuß, Lulatsch heulte auf, Segelohr verpasste ihm darauf einen derben Schlag. Das wirkte wie ein Startschuss, sofort war Bewegung in der Kneipe, gleich mehrere Gefechte waren im Gang, manche wollten den Frauen an den Kragen, andere attackierten die Lulatsch-Kumpane. Das Motto hier schien: Jeder gegen jeden. Tom versuchte, sich zu den Frauen durchzuwühlen.

Wenigstens mischten doch nicht alle Kneipenbesucher mit bei der Keilerei. Mancher stand nur da und glotzte, hielt dabei krampfhaft den Drink fest. Ein paar Ellbogenstöße später stand Tom hinter zwei Marsianern, die gerade versuchten, Lulatsch zu rächen, erfolglos. Die Frauen teilten heftig aus, auch die Dritte mischte mit.

Ist die niedlich. Eine Rothaarige mit Sommersprossen.

Tom registrierte es im ersten Augenblick. Im zweiten war er verliebt …

Mit Tritten in die Kniekehlen brachte er die Möchtegern-Rächer aus dem Gleichgewicht. Die Russin – hat die einen Schlag am Leib –, schickte einen der Jungs darauf in die Horizontale. Der andere hob abwehrend die Hand, wackelte, setzte sich dann friedlich zu seinem gestürzten Kumpel, tätschelte dessen Backe.

„Spassiba“, rief die Russin Tom dankend zu, ein weiterer Lulatsch-Kumpan attackierte sie von der Seite. Tom konnte nicht helfen, zwei Mann warfen sich auf ihn, zu dritt wälzten sie sich auf dem Boden.

Verdammt, wo bleibt Chet? Tom verzweifelte fast. Einen Gegner hatte er im Schwitzkasten. Der andere schlug weiter zu.

Wenn man den Kumpel mal braucht …

Plötzlich war Toms hartnäckiger Gegner k.o. Tom sah nach oben, kniff ein Auge zu, das höllisch weh tat. Chet musterte ihn grimmig, massierte eine Hand.

„Kannst du dich nicht einmal aus so was raushalten?“

„Aber Chet, ich musste doch …“, den Frauen helfen, wollte Tom sagen. Es knallte gewaltig, das ganze Fass dröhnte, die Kontrahenten hielten inne. Tom ließ den zweiten Faustkämpfer aus dem Schwitzkasten. Einen Moment war nur Stöhnen und Keuchen zu hören. Alles blickte zur Theke, ein Bärtiger stand auf dem Tresen, hielt einen Revolver in der Hand.

„Okay, das reicht, Leute! So lang’ ich hier das Sagen habe, kriegt jeder einen Drink. Jeder, verstanden, ihr Idioten?“ Grimmig schaute er auf das Durcheinander.

„Und nun bleibt friedlich. Wer das nicht befolgt …“ Der Bärtige hob sein Schießeisen, es war illegal, wie vieles auf dem Mars. Aber manchmal notwendig. Leise setzten erste Gespräche ein, einige Kämpfer erhoben sich stöhnend, Lulatsch und seine beiden Freunde blieben sitzen. Betasteten vorsichtig Gesichter und Rippen. Die Russin stellte sich vor das Häufchen Elend.

„So, Towarischtschis, hoffe, es hat gereicht. Legt euch nicht wieder mit den Amazonen an!“

Amazonen? Tom ließ sich von Chet aufhelfen, jetzt musste er sich unbedingt bei dem schlagkräftigen Trio vorstellen. Vor allem natürlich bei der süßen Rothaarigen.

„Hey, Leute, der kommt nicht zu sich.“ Ein Mann lag auf dem Boden, daneben kniete eine Bedienung. „Oh, Gott, er atmet nicht.“ Die Kellnerin schaute entsetzt hoch. Gäste drängten sich um sie. Keiner griff ein, alles glotzte nur. Chet zwängte sich durch.

„Verdammt, lasst mich durch!“

Er kniete sich hin, drückte beide Hände auf die Brust des Liegenden, setzte zur Ersten Hilfe an, da sah er den dünnen Streifen Blut. Chet öffnete die Jacke des Liegenden, sah ein hauchdünnes Loch und Verbrennungen. Das wenige Blut auf dem Hemd sagte alles: Nadlerschuss aus nächster Nähe, keine Chance für das Opfer! Und Chet sah noch etwas, etwas, was der Tote in der Hand hielt: Ein Metallstück mit dem Umriss eines Raubvogels. Auch einige Gäste sahen es.

Das Zeichen des Roten Milan!

Erschreckte Rufe, fast ruckartig wandten sich die meisten ab. Einen Drink hatten sie gewollt, etwas Unterhaltung, mit dem Milan wollte keiner etwas zu tun haben.

Bis auf den Mörder.

Chet stand auf, schaute rundum.

Verdammt, wer von euch hat den armen Jungen erschossen?

* * *

„Alpha, hier ist das Nest. Kommen!“

Der dunkel gekleidete Mann in dem dreckigen Büro sah nicht auf. Die Füße lagen auf dem Vid-Tisch, leise sagte er nur: „Hier Alpha! Kommen!“

Die Sprachsteuerung funktionierte perfekt, die Gegenseite würde die Kennung erhalten.

Es würde allerdings eine Weile dauern mit der Antwort. Die genaue Lage des ›Nestes‹ – was für ein passender Name für einen Raubvogel – kannte selbst der ›Schattenmann‹ nicht. Aber wenn die Verzögerung korrekt war, war es leicht auszurechnen. Entweder war das Nest in einem Raumschiff mit festem Orbit oder auf einem Mond, und zwar verdammt nah beim Saturn.

Der Dunkle hatte die Zeit, sich seine Rechtfertigung zu überlegen. Zumindest einen Erfolg konnte er melden. Harry, den Verräter, den Möchtegern-Verräter, den hatte sein Mann erledigt, gerade noch rechtzeitig. Die Raumfahrer tappten also weiter im Dunklen. Es war allerdings verdammt gefährlich gewesen. Hätte jemand mit Mumm genauer hingesehen … Doch die Schlägerei hatte seinem Killer die Chance eröffnet, die er brauchte.

Das Nest meldete sich erneut: „Habe die Meldung erhalten. Gute Arbeit. Ich hoffe, es wird keine weiteren Verräter geben, Alpha. Und vor allem keine Spuren.“

Die Stimme, selbst elektronisch verändert, wirkte drohend. Der dunkel gekleidete Mann nickte unmerklich. Nein, in der Kneipe werden sie nichts sagen, wenn sie das Zeichen sehen.

Und die örtliche Polizei würde sich bestimmt nicht einmischen. Blieb ihm nur noch eines zu tun, es musste heute noch erledigt werden.

„Ich habe einen weiteren Auftrag für Sie“, unterbrach die kalte Stimme seine Gedanken.

Ist das der Chef selbst, oder sein engster Capo

Der Schattenmann zuckte die Schultern. Unwichtig! Wollte er weiterhin ein gutes Leben auf dem Mars führen, hatte er zu gehorchen.

Keiner auf dem Planeten soll es wagen, sich dem Milan oder mir in den Weg zu stellen.

Der Schattenman hörte konzentriert zu, natürlich machte er sich keine Notizen. Nichts durfte als Beweis übrigbleiben. Die Stimme aus dem Nest beendete ihre Anweisungen, Schattenmann verzog das Gesicht. Dafür mussten seine Handlanger reichen. Seine abschließende Antwort war eindeutig: „Verstanden! Ende und Aus.“

Jetzt hatte er noch etwas zu erledigen, mit eigenen Händen. Mit fast mechanisch wirkenden Bewegungen setzte er sich den ›Duster‹ auf, der ihm gestattete, draußen zu atmen, wandte sich zum Ausgang. Hinter der Schleuse parkte sein Gyro, er stieg auf der Beifahrerseite ein, nickte dem Fahrer zu. Der blieb stumm, fuhr einfach los. Genauso wollte er es: effizient, ohne Geschwätz. Wer zu viel quatscht, gefährdet die Organisation.

Alle seine Mitstreiter kannten die Devise, Verstöße dagegen wurden bestraft. Ein leichtes Lächeln hatte sich auf das Gesicht des Dunklen verirrt. Bestrafung, die behielt er sich selbst vor. Der Gyro hielt, der Fahrer blieb auch jetzt stumm, schaute ihn nur fragend an. Kurz musste sich der Dunkle zusammennehmen, Ablenkung schadete nur. Der Schattenmann biss sich kurz auf die Lippen, rückte dann die Duster-Maske, die er selbst im Gyro getragen hatte, noch mal zurecht, dann stieg er aus.

Es war eine Fabrikhalle, bisher stand nur das Aluplas-Gerippe und das Fundament, derzeit wurde hier nicht gebaut. Doch heute Nacht würde es einen kleinen Baufortschritt geben, zumindest eine Art Grundstein würde er legen.

Drei Mann erwarteten ihn im Innern, zwei trugen wie er ihre Duster, ihre Mienen waren nicht zu erkennen.

Ich wette, sie versuchen, unbeteiligt zu schauen. Aber sie sind verdammt noch mal nervös.

Der dritte Mann atmete keuchend. Der Sauerstoff-Gehalt der Luft auf dem Mars war viel zu gering für Menschen, in der Halle war die Atmosphäre gerade mal einen Hauch dicker als draußen, etwa so, wie im Hochgebirge auf der Erde. Der dritte Mann bemühte sich trotz seiner Atemnot, dem Schicksal trotzig ins Gesicht zu blicken.

Der Schattenmann nickte nur, seine Untergebenen brauchten keine lauten Befehle. Nicht zum ersten Mal waren sie bei einer Bestrafung dabei, deswegen hatten sie ihren bisherigen Spießgesellen auf einer Kiste mit Plastbändern fixiert. Was die Handlanger nicht wussten: Wie lange sich der Schattenmann diesmal Zeit lassen würde mit der Bestrafung. Zückte er den Nadler, ging es schnell. Der Gangster stellte sich vor den Mann ohne Maske.

„Jerry, du hast uns schwer enttäuscht. Du hast für Harry gebürgt, hast mit ihm gearbeitet. Warum hast du nicht bemerkt, dass der Junge falschgespielt hat, uns verraten wollte?“

Jerry versuchte, ruhig zu bleiben, dabei schaute er auf die Hand des Dunklen, sah ein Metallstück. Ein Skalpell! Jerry versuchte verzweifelt, sich loszureißen. Doch gegen die Fesseln hatte er keine Chance, zudem hielten die Schläger seinen Kopf fest.

„Ich hab’ es nicht gewusst mit Harry. Ehrlich!“, brüllte Jerry los. Ein heißer Schmerz durchfuhr ihn. Die Hand … nein, das Skalpell war kurz in Jerrys Gesicht gefahren.

„Das war ein kleiner Vorgeschmack“, sagte der Schattenmann, Jerry wand sich verzweifelt.

„Du erzählst mir besser alles über Harry. Und dann, vielleicht, lassen wir dich leben.“

Jerry versuchte, den Schmerz zu ignorieren.

„Ich hab’ euch doch alles gesagt“, schrie er, während Blut über seine Wange strömte. „Dieser verdammte Harry, das war nur ein kleines Licht. Er hat überhaupt nichts … ahhhh!“

Schattenmann trat einen Schritt zurück. „Okay, das war ein Teil deiner Nase. Nur ein winziges Stück. Doch die Nase ist bei deinen Worten immer länger geworden, Pinocchio“, sagte der Dunkle. „Also, zum letzten Mal: Ich will alles wissen!“

Diese kleinen Gangster sind so was von durchschaubar.

Sie hatten Schiss, wollten aber immer ein paar Informationen zurückhalten, um sich ihr armseliges Leben zu erkaufen. Und jedes Mal redeten sie ununterbrochen, sobald etwas mehr Blut floss. Als ob mich das beeindrucken würde.

Kaum 15 Minuten später schaute der Killer auf das blutige Bündel. Als er gedroht hatte, Jerry würde einen Finger nach dem anderen verlieren, hatte der losgeplappert, es war nicht wirklich viel gewesen, was er wusste. Harry hatte wohl wirklich auf eigene Faust gearbeitet, es gab keine weiteren Verräter – zumindest Jerry hatte keine Ahnung. Natürlich hatte ihm das nicht geholfen. Zum Finale hatte der Schattenmann seinen Nadler gezogen, da hatte Jerry nur kurz gewimmert ...

Der Schattenmann nickte den Handlangern zu, sie würden sich nun um die Leiche kümmern. Ein Teil des Fundaments fehlte noch.

Für ihn zählte nur eines: Die Organisation durfte sich keine Schwächen leisten. Und wenn es Derartiges gab, musste es eben bestraft werden. Er übernahm es in der Regel selbst.

Macht zwar nicht ganz so viel Spaß, wie mit Frauen, aber… .

* * *

Im ›Fass‹ waren Chet und Tom mit den drei Amazonen inzwischen nahezu allein. Die Leiche hatte der Barbesitzer vorsichtig mit einer Plane abgedeckt, die CSI-Leute mochten das nicht, wusste Chet, so konnten DNS-Spuren nicht richtig ›gelesen‹ werden. Das Problem war: Spuren würde hier wohl niemand ernsthaft untersuchen, dafür hatte der Mars praktisch keine Ressourcen. Außerdem war da noch das Zeichen, das viele zurückschrecken ließ, Polizisten machten da leider kaum eine Ausnahme. Colm McCready, der bärtige Barbesitzer, hatte das Chet gesagt, als er das verfluchte Zeichen des Milan entdeckt hatte.

„Hier haben die Leute inzwischen viel zu viel Angst. Und die Polizei? Die ist mit dem ganzen Chaos völlig überfordert, können Sie vergessen.“

Die meisten Kneipengänger waren fluchtartig verschwunden. Niemand hatte etwas gesehen von dem Mord, oder wenn doch, dann wurde aus Furcht geschwiegen.

Chet nickte. „So was scheint nicht das erste Mal passiert zu sein.“

Der Commander wurde immer wütender.

„Verdammt, wir können doch nicht einfach zulassen, dass hier Verbrecher regieren!“

Der Barbesitzer zuckte die Schultern.

„Hier geht einfach zu viel den Bach runter. Die Mars-Regierung, na ja, also, der Gouverneur und seine Berater, sie wollen bestimmen, wie es weitergeht. Das Problem ist nur: Das wollen die Überlebenden auch, dann sind da noch die Einheimischen, aber auf die will keiner richtig hören. Und dann haben sich Überlebende von Amerikanern, Russen“, hier schaute er vorsichtig zu den Amazonen, „Chinesen und alten Europäern zerstritten. Keiner hat wirklich mehr uneingeschränkte Autorität.“

Chet wandte sich um, tatsächlich kam doch eine Polizeistreife durch die Schleuse. Aber wie es der Wirt vorausgesehen hatte: Die beiden müden Officers warfen kaum einen Blick auf die Leiche, dann kam der Ältere an die Theke, musterte Chet eingehend.

„Sie haben also diese tödliche Kneipenschlägerei gemeldet. Können Sie uns mehr dazu sagen?“

Chet war nahe daran, laut loszulachen.

„Nein, Officer. Ich kannte weder den Mann, noch habe ich gesehen, wie es passierte. Und Sie scheinen mir auch nicht übermäßig daran interessiert zu sein, etwas herauszufinden.“

„Wie kommen Sie denn da drauf, Raumfahrer?“

Das letzte Wort hatte der Polizist mit spürbarer Verachtung in der Stimme ausgesprochen.

„Kommen Sie, Officer! Sie haben doch das Zeichen hier gesehen. Verdammt, Sie wissen, was hier los war, aber ich sage es gerne laut: Ein Killer hat den armen Jungen da drüben beseitigt. Der Junge wollte uns etwas mitteilen. Und jeder, der vielleicht etwas mitbekommen hat vom Mord, der hat jetzt Angst, mit uns zu reden. Wenn selbst die Polizei sich nicht mehr ernsthaft darum bemüht …“

Der ältere Polizist hatte bei den wütenden Worten seinen Kopf leicht zur Seite gedreht. Jetzt schloss er einen Moment seine Augen.

„Verdammt, Raumfahrer!“ Das Wort klang jetzt nicht mehr abfällig. „Was soll ein kleiner Bulle wie ich denn machen? Natürlich werde ich es melden, wir werden auch Spuren untersuchen. Aber ich wette: Wir finden nichts Verwertbares. Den armen Jungen haben sicher ‘ne Menge Leute angefasst. DNS von allen Besuchern? Kriege ich sowieso nicht. Und der Nadler … Es war doch ein Nadler?“

Chet nickte.

„Tja, da werden wir auch nichts Verwertbares finden. Es gibt praktisch keine speziellen Charakteristika für Nadler. Tja, wenn es eine richtige Schusswaffe gewesen wäre.“

Der ältere Polizist blickte auf McCready. Der hatte seinen alten Revolver offen im Hosenbund stecken. Schließlich wandte sich der Polizist ab, ging zu seinem jüngeren Kollegen.

Kurz darauf erhielten sie Verstärkung, aber das Untersuchungsteam nahm nur kurz Vids auf vom Tatort, sowie von der Leiche. Dann transportierten sie den Körper ab.

Chet drehte sich um. Tom winkte ihn zu dem Tisch, wo er mit den drei Amazonen plauderte.

Immer der alte Tom. Nicht mal jetzt lässt er das Flirten.

Chet musterte die Frauen, die ihrerseits ihn neugierig anblickten.

„Ich bin Commander Morrow …“

Chet musste nicht mehr sagen. Normale Vid-Zuschauer im ganzen System hatten nie erfahren, was es mit der Mission der Horizont auf sich hatte. Aber in der Flotte wussten viele, wohin sie damals gestartet waren. Die junge Frau, die so unfein als Segelohr beschimpft worden war, hielt ihm die Hand zur Begrüßung hin. Eindeutig. Sie musste aus Europa stammen.

„Ich bin Svetlana, also … äh … Leutnant Svetlana Bachmann, Commander, ursprünglich aus Deutschland. Genauer: Deutsche Luftwaffe. Wir haben uns länger nicht mehr so förmlich vorgestellt, Sir.“

Während Chet ihre Hand ergriff – und feststellte, dass sie ordentlich zudrückte, wies Svetlana auf die Schlagkräftige neben ihr: „Das ist Rus, also richtig Ruslana Achmetowa.“ Die kantige junge Frau blickte Chet offen ins Gesicht.

„Sähr erfreut, hätten wir wohl früher gesagt.“

Absicht oder nicht: Rus sprach das Englisch kehlig.

„Ich bin, also ich war auch Leutnant. Und zwar zuletzt in der russischen Luftwaffe. Jetzt ist das alles irgendwie unwichtig. Nennen Sie mich einfach Rus, reicht vollkommen.“

Chet schaute die Russin vorsichtig an: „Kampfsportlerin?“

„Ja … äh, auch“, meinte Ruslana, grinste jetzt. „Meine Muskeln kommen vom Bobfahren. Ich war die Anschieberin.“

Chet nickte, es erklärte einiges. Die dritte Frau war die ganze Zeit von Tom belagert worden.

Er himmelt sie an wie ein Welpe sein Frauchen.

Svetlana übernahm auch diese Vorstellung. „Und das ist Alexandra – genannt Sandy – Lyle. Schottin, Sir!“

Die nächsten Tage werde ich von Tom jede Einzelheit über diese junge Dame erfahren. Und zwar immer und immer wieder.

Laut sagte Chet: „Das mit dem Sir brauche ich wirklich nicht. Und was den Commander angeht: Ich weiß gar nicht, was der Dienstgrad heute wert ist. Hier wohl so ziemlich gar nichts, habe ich den Eindruck. Nein, sagen Sie einfach Chet zu mir, es wird reichen.“

Das Trio nickte, Tom platzte heraus: „Mensch, Chet! Die drei können Dynas fliegen!“

Das war doch mal eine Überraschung, Chet lächelte die jungen Frauen an, schaute dann Richtung Theke. Der Besitzer blickte nur demonstrativ auf seinen Armbandcomp.

Feierabend, sollte das wohl heißen.

„Chet“, sprach ihn Svetlana von der Seite an. „Würden Sie uns zu unserem Stützpunkt begleiten? Wir haben hier eine Basis. Sie war noch nicht fertig, als die Katastrophe …“ Svetlana stockte.

„Also, was ich sagen will: Das, was von der militärischen UN-Organisation auf dem Mars weiterhin funktioniert, das finden Sie dort.“

Chet blickte zu Tom, der hatte kaum zugehört, so fasziniert war er von der jungen Schottin.

„Warum nicht“, sagte Chet, packte Tom, der etwas überrascht aufsah, am Ärmel.

„Komm Tom, wir gehen. Keine Angst, du kannst dich gleich weiter unterhalten. Und Sie …“, wandte sich Chet an Svetlana. „Sie können mir vielleicht ein bisschen was über ihren Hintergrund verraten.“

Vor der Schleuse setzten alle schnell ihre Duster, die Staubschutz-Masken mit der Sauerstoff-Patrone, auf, bevor sie die Schleuse öffneten. Chet wies auf den kleinen blauen Jeep, den hatte er sich für ihre Unternehmung geliehen. Svetlana, scheinbar die Anführerin des Trios, nickte. „So was Ähnliches haben wir auch.“

Sie zeigte auf einen bullig wirkenden silberfarbenen Mars-Rover.

„Vielleicht etwas passender für die Strecke als ihr Jeep. Und wir haben alle Platz.“

Chet nickte. Svetlana tippte auf ihren Comp. Die Lichter am Rover gingen an, er setzte sich vorsichtig in Bewegung, rollte direkt auf die Fünf zu und blieb kurz vor der Gruppe stehen. „Ist offen“, sagte Svetlana und stieg vorne ein.

„Wollen Sie mein Co sein für die Rückfahrt?“

Chet musste lächeln. „Co war ich lange nicht, aber in diesem Falle gerne.“

Hinten machte es sich Tom gemütlich, als Hahn im Korb natürlich, saß zwischen Sandy und der schlagkräftigen Rus. Svetlana tippte den Kurs ein, gab eine kurze Meldung an die Basis durch.

„Wir sind auf dem Weg zurück, mit Gästen.“

Offensichtlich kannte sie der weibliche Wachoffizier, sofort kam die Rückfrage: „Svetlana, Port Hope hier. Was meinst du denn genau mit Gästen?“

Svetlana lächelte.

„Das ist Megan. Also Oberleutnant Megan Riordan. Sie ist eine von uns Amazonen.“

Dann antwortete sie ruhig, betonte die Worte: „Ich bringe Commander Chet Morrow mit. Bevor du nachfragst: Ja, genau den. Und einen weiteren Offizier seiner Besatzung. Alarmiere schon mal den Rest. Das wird noch ein interessanter Abend, wir sind in einer halben Stunde da. Svetlana, Ende!“

„Das höre ich jetzt nicht zum ersten Mal, das mit den Amazonen. Was hat es denn damit auf sich?“

„Tja“, sagte Svetlana. „Da muss ich ausholen. Vor vier Jahren …“

* * *

„German Airforce, German Airforce, hier Goldenheart Leader. Wiederhole: Goldenheart Leader, kommen! Verdammt noch mal, kommen!“

Da unten klingen sie aber dringend. Svetlana meldete sich. Unten in den sanften, grünen Hügeln lag die Patrouille unter Beschuss.

„Goldenheart Leader, hier German Airforce Thunder Alpha, sind in zwei Minuten …“, in Reichweite wollte sie sagen. Aber das stimmte nicht. Erst seit drei Monaten durfte der frischgebackene Oberfähnrich Bachmann den Cobra-Aufklärer fliegen, den Standard-Jet der Europäer. Dass sie gleich zum Einsatz kommen würde, hatte sie überrascht. Es gärte wieder einmal in Afrika, Mittelpunkt war der Kongo. Diesmal zeigte die UNO rasch und energisch Flagge angesichts eines Rebellen-Aufstands, tausende Soldaten waren mit ›robustem Mandat‹ losgeschickt worden. Der Anteil der Deutschen: Vier bewaffnete Aufklärer und Bodenpersonal.

„Thunder, hab’ euch auf dem Display. Könnten Unterstützung echt dringend gebrauchen!“ Goldenheart klang gestresst, Svetlana glaubte, auf der Frequenz Schüsse zu hören. Sie wusste, es waren Schweden und Norweger in ihren Doggern, diesem Zwischending aus Panzer und Hovercraft, die dort ausharrten.

„Fünf Minuten bis zur Ankunft der Kavallerie!“

Überhaupt nicht vorschriftgemäß mischte sich Achim Rolland, Pilot des zweiten Aufklärers, per Funk ein, er hielt den Kontakt mit den Bombern.

„Thunder Alpha, Thunder Alpha, fünf Minuten haben wir nicht mehr. Die haben uns in der Zange. Haben hier Verwundete, zwei Dogger sind ausgefallen.“ Goldenheart hatte mitgehört. Und die Jungs da unten brauchten jetzt Hilfe. Dumm nur, dass ihre Aufklärer nur den schwachen Laser als Bewaffnung hatten. Statt Bomben trugen dieCobras hochauflösende Vid-Kameras unter den Flügeln, die alles in Echtzeit aufnahmen und übertrugen. Svetlana sah das Drama fünf Kilometer unter sich, eingespielt auf das HUD. Tiefer durfte sie nicht gehen, Vorschrift. Sie fühlte sich hilflos.

Verdammt, irgendwas müssen wir machen

„Okay, Thunder Bravo“, das war Achims Rufzeichen, „ich geh’ runter, Thunder Alpha, Over!“, schnitt sie jeden Einspruch ab.

Das „negativ, negativ, bleiben sie auf Höhe, Thunder Alpha“ der Basis und auch Achims „bist du wahnsinnig“, nichts davon wollte sie hören, sie nahm die Nase des Jets runter, stieß beim rasanten Flug steil hinab durch die Schallmauer. Wird unten ordentlich rumsen, wusste Svetlana. Vielleicht verwirrtees die Angreifer kurz, sollten die Rebellen ruhig an Bomber glauben. Doch der Gegner reagierte schnell. Schon flog Svetlana Leuchtspur entgegen, abgefeuert von Super-Kalas, schätzte sie. Sie war noch zu hoch, also kaum in Gefahr. 8000, 7500, 7000 Fuß, rasend schnell veränderten sich die Anzeigen, jetzt wurde es brenzlig.

Rot, rot, rot im Display! Sprit wird knapp, realisierte Svetlana. Aber sie hielt ihren alten Vogel auf Kurs. Komm schon, komm schon! Nur ein paar Sekunden!

Grün blinkte der Laser, Freund-Feind-Kennung aktiv! Die Cobra feuerte, unten gab es ein, zwei Explosionen, Svetlana riss den Jet direkt wieder hoch, drei Sekunden, vier Sekunden vergingen. Gut so, sie war wieder außer Reichweite der Rebellen. Und Laser hatten die nicht.

„Jaaa, gut gemacht, German Air Force! Das hat gesessen!“

Brüllend laut kam es aus dem Funk, Goldenheart klang zufrieden.

Doch dann: „Thunder! Scheiße, sind wieder unter Beschuss, die sind echt wütend! Könnten noch mehr Unterstützung brauchen! Over!“

Svetlana zwinkerte, Schweißtropfen drohten ihr ins Auge zu laufen. Und immer noch zwei Minuten bis zur Ankunft der Kampfjets. Da: Noch ein rotes Licht, es zeigte einen Treffer im Flügel! Aber das verdammte Karbonteil hielt, auch die Elektronik funktionierte. Sie biss sich auf die Zunge. Und jetzt?

Aber eigentlich war es keine Frage, da sie schon mal hier war.

„Goldenheart, Goldenheart! Hier Thunder Alpha. Zieht die Köpfe ein!“

Sie war wieder auf Kurs. Den Jungs da unten war die Funkdisziplin längst egal. „Okay, okay, Mädchen! Erwarten dich, aber bitte schnell!“

Wieder stieß die alte Cobra nach unten, raste in höchstens 100 Metern Höhe auf das Gefecht zu. Unten musste es ohrenbetäubend laut sein.

Drei, zwei, eins, Laser: Feuer! Schon bin ich wieder weg …

Svetlana wollte durchatmen. Da ruckte die Cobra heftig. Rot! Rot! Rot! Das Display blinkte wie verrückt. Da bleibt mir nur eins.

„Thunder Alpha, Mayday, Mayday, Mayday! Ich steig’ aus!“

Die Bewegungen konnte sie im Schlaf. Hände weg von den Joysticks, Hebel am Sitz suchen, fassen, ziehen! Svetlana wurde es schwarz vor Augen. Dass die Kanzel mit Wucht zersplitterte, als sie mitsamt Sitz durchs Kabinendach geschossen wurde, das ahnte sie nur. Draußen riss es Svetlana mit Urgewalt zur Seite. Noch ein Ruck! Plötzlich Stille. Svetlana kriegte die Augen wieder auf, blickte nach oben. Großartig, wenigstens der Fallschirm ist offen. Das sollte doch mit dem Teufel zugehen …

Doch zum Durchschnaufen war keine Zeit. Verdammt nah war der Boden, überall Bäume, schon rauschten Blätter, wieder wurde sie herumgeschleudert. Noch ein Ruck – und dann himmlische Ruhe. Svetlana hatte aber noch das Rauschen in den Ohren, sicher das Adrenalin. Sie versuchte sich zu orientieren. Nicht, dass sie den Rebellen in die Hände fiel! Bis zum Boden waren es nur ein paar Meter. Gegen eben ist das doch ein Kinderspiel …

* * *

Chet runzelte die Stirn. „Hört sich wirklich nach einer Amazone an“, meinte er dann trocken.

Svetlana lachte kurz.

„Tja, wenn Sie es so sehen! Aber das war … öh … die Ouvertüre, danach hatte ich natürlich einen bestimmten Ruf weg“, sagte die junge Frau.

„Allerdings habe ich mir beim Runterpurzeln das Handgelenk gebrochen, damit war mein Einsatz beendet. Und dann hat mich mein Kommandeur in Laage – also das war einer der letzten Standorte mit den alten Jets in Deutschland – überrascht“, sagte Svetlana.

„Jedenfalls meinte der Commodore, bevor ich einen weiteren Totalschaden verursache, sollte ich lieber Astronautin werden, so wie mein Vater.“

Sandy mischte sich von der Rückbank ein: „Haben Sie die Debatte nicht mehr mitbekommen, damals vor Ihrem Start? Da kann ihnen Megan eine ganze Menge dazu erzählen. Eigentlich trägt Sie die Schuld, dass es die Amazonen überhaupt gibt“, sagte die Schottin. Bisher hatte sie Toms Avancen mit einem Lächeln erduldet.

* * *

Mit dem Ruf nach völliger Gleichberechtigung hatte es Donna Kleinman als junge Frau in den US-Senat geschafft. Die Mail einer Pilotin fachte den Kampfgeist der Senior-Senatorin ein letztes Mal an, Auslöser war Megan Riordan gewesen. Megan durfte Jets fliegen, die sogar an die Grenzen des Weltraums vorstießen. Sie gehörte stets zu den Besten, das gaben ihre Kameraden gerne zu. Aber ständig ins All? Das verhinderte die UN. Und nur ›mal eben‹ für kurze Missionen auf eine Raumstation mitkommen, das reichte der Pilotin nicht, sie wollte Dynas fliegen.

Die Senatorin schaffte es schließlich, die UNO mit dem Gleichstellungsvirus zu infizieren, kurz bevor Chet zum ersten interstellaren Flug aufgebrochen war, hatte es jedenfalls mächtig innerhalb der größten Organisation der Erde gebrodelt.

„Aber die Vereinten Nationen sind ja ein ganz besonderer Verein“, sagte Sandy.

„Nichts geht da einfach. Jeder misstraut jedem, so war das immer schon. Also, mit der Zulassung von Frauen zum Dyna-Programm, da gab es letztendlich einen typischen UN-Kompromiss.“

Grundsätzlich wurden dann Frauen zugelassen, drei Bündnisse durften ›ihre‹ Astronautinnen, Kosmonautinnen oder Taikonautinnen, wie China sie nannte, nominieren.

„Die Amerikaner holten die EU an Bord, dazu Mittel- und Südamerika“, sagte Svetlana. „Damit gab es die Ausbildungen in Port Dyna“, sie schaute Chet an. „Ja, wir haben auch General Weißkamm kennengelernt.“

Chet erinnerte sich natürlich an seinen alten Mentor. Und er wusste etwas, was die jungen Pilotinnen nicht einmal ahnten.

„Wir erhielten die ESA-Astronautenausbildung in Köln.“

Jetzt klang Svetlanas Stimme etwas belegt, die USA und die Europäer durften sechs Ausbildungsplätze besetzen, einer blieb für eine Afrikanerin.

„Zula und die anderen werden Sie gleich kennenlernen“, sagte Sandy.

„Und unsere glorreiche Weltraum-Nation Russland“, Ruslana, die zuletzt geschwiegen hatte, mischte sich mit ihrem speziellen Englisch ein, „hat natürlich die Beste der Besten entsandt: mich! Und der Kreml hat in seiner großen Bescheidenheit Indien einen Platz angeboten.“

Chet wusste noch nicht recht, woran er bei der burschikosen Frau war.

Ist sie immer so frech, missachtet sie alle Autoritäten einfach?

„Zuletzt haben die Chinesen und Japaner bei dem Programm mitgemacht“, Rus klang jetzt etwas distanziert.

„Gleich sind wir jedenfalls komplett“, sagte Svetlana. Gerade passierten sie eine automatische Wache, Zäune waren nicht zu sehen. Chet war aber sicher: Hier wurde von IF-Sensoren bis zum Lidar alles eingesetzt, um unerwünschte Besucher fernzuhalten. Svetlana stellte den Rover vor einer der größeren Baracken ab, das Areal hier war riesig, alles wirkte noch unfertig. Das Gebäude, das sie jetzt betraten, bestand aus einfachem, von der Erde stammendem Aluplas.

„Ja, hier ist relativ schnell eine Basis aus dem Boden gestampft worden. Willkommen in Port Hope“, sagte Svetlana. „Eigentlich ist der ganze Bereich nie so richtig fertig geworden.“

Chet nickte, vor dem Aussteigen aktivierte er wieder den Duster, dann eilte er wie die anderen in die Sandschleuse. Hier standen sie einen Moment lang still, feine Düsen bliesen den meisten Staub ab von der Kleidung. Im Innern war alles zweckmäßig eingerichtet, alles in grau-weiß. Abgeteilte Büros, Schlafräume für je zwei oder drei Personen, militärische Organisationen würden sich wohl nie ändern. Einzig aus dem Grau heraus stach ein grell bemaltes Schild, das Chet und Tom nicht übersehen konnten: ›Amazonien‹.

„Die Jungs hier wollten uns am Anfang ein bisschen ärgern“, sagte Sandy dazu. „Da haben wir es einfach ignoriert. Na, und heute sind wir eigentlich stolz drauf.“

Svetlana übernahm wieder die Führung.

„Das war mal die Offizierskantine. Inzwischen ist es der Treffpunkt für alle Überlebenden“, wies sie auf einen kleineren Saal. Chet sah die für geringe Schwerkraft typischen Tische und Stühle mit den dünnen Beinen. An einer Wand war die Ausgabetheke für die Mahlzeiten, jetzt war dort natürlich alles verwaist, schließlich war es deutlich nach Mitternacht Mars Standard Time. Links an der Wand standen ein paar gemütlich wirkende Sessel, dazu sogar kleinere Sofas, auf denen ein paar Frauen gesessen hatten, die jetzt aufsprangen.

„Chet, ich darf ihnen die anderen Amazonen vorstellen“, sagte Svetlana halblaut. Es war ein halbes Dutzend. Die Erste, die sie erreichte, trug ein altes Sternenbanner-Badge neben den UN-Abzeichen auf der Schulter.

„Chet, das ist Oberleutnant Riordan, also Megan“, sagte Svetlana. Eine schlanke und ziemlich große Frau musterte Chet mit braunen Augen und einem leichten Lächeln, sie schien ihn gar um ein, zwei Zentimeter zu überragen. Chet versuchte sich unauffällig noch etwas aufrechter zu geben. Das Lächeln des weiblichen Offiziers wurde womöglich noch etwas breiter, rechts am Kinn hatte sie ein kleines Muttermal. Chet bemühte sich, darauf nicht zu sehr zu starren.

„Ich muss Ihnen momentan noch die linke Hand geben, Commander“, sagte sie jetzt mit einer ruhigen, etwas dunklen Stimme. Chet blickte verblüfft nach unten, nahm dann vorsichtig die ›falsche‹ Hand.

„Keine Angst, die ist nicht akut verletzt“, sagte Megan. Ähnlich wie Svetlana Bachmann wirkte sie autoritätsgewohnt. Dann schüttelte Chet reihum weitere Hände. So lernten er und Tom Atkins die Amazonen kennen: Malivia ›Mala‹ E. Washington – wofür das ›E‹ stand, verriet sie nicht. Die Afro-Amerikanerin stammte wie Megan aus der US Air Force. Mala machte einen erschöpften Eindruck, hielt sich aber aufrecht.

Sie ist wie wir alle traumatisiert von der Katastrophe. Aber sie will nicht bemitleidet werden.

Die nächste war die schwarzhaarige Anna-Maria ›Adrenalin‹ Cruz aus Mexiko. Klein, aber energisch, fiel Chet spontan zu ihr ein, nachdem er auch bei ihr einen harten Händedruck spürte.

Himmel, machen die alles zum Wettbewerb: Wer ist die Härteste?

Zulawesi ›Zula‹ Makombe aus Südafrika war die Älteste der Gruppe, sie besaß einen besonderen Hintergrund: „Ich bin Kinderärztin gewesen – und Hobbypilotin. So bin ich in das Programm gerutscht“, meinte die 37-jährige Afrikanerin bescheiden auf die Frage Chets.

Gar nicht wie eine Amazone sahen die beiden restlichen Frauen der Gruppe aus, fast schüchtern blieb Arwana Lal im Hintergrund.

„Unser Küken“, sagte die forsche Rus. Die gerade 26-jährige Inderin hatte sich als Triebwerksingenieurin für das Programm qualifiziert.

„Wenn das Barny Owl wüsste“, meinte Tom Atkins nur und grinste.

„Der kriegt einen Herzinfarkt, wenn ein Mäd… äh … eine Frau an seinem Antrieb rumbastelt.“

Zuletzt nickten Chet und Tom dann Aki Kawabata zu, einer stillen Japanerin. Sie war so was wie die Außenseiterin der Gruppe.

„Setzen wir uns doch“, hier übernahm Megan Riordan die Chefrolle.

„Tja Comm… äh … Chet“, entschuldigend blickte Megan in die Runde. „Ich denke, wir müssen uns da noch dran gewöhnen.“

„Außer Rus natürlich. Die hat es ja nicht so mit Autoritäten“, sagte Svetlana, was der Runde ein leichtes Lachen entlockte.

„Wir haben extra für so eine Gelegenheit etwas aufgespart“, sagte Megan, von der Chet und Tom jetzt wussten, dass sie aus Boston stammte. Und sie war – was Wunder bei dem Namen – irischstämmig. Natürlich hatte ihre männliche Verwandtschaft nahezu ausschließlich aus Kneipenwirten, Schwarzbrennern oder Polizisten bestanden. Manche Vorurteile hielten sich eben zäh, stimmten dafür wenigstens.

Megan hielt jetzt eine Flasche in der Hand, eindeutig war es eine echte Rarität von der Erde, kein Mars-Gebräu. Jetzt lächelten alle Amazonen, als Megan sagte: „Es hat uns früher geholfen, uns zusammenzuraufen.“ Dann verteilte sie den Inhalt der Flasche gleichmäßig großzügig auf die Gläser. Chet hob seines vorsichtig, schnupperte. Ja, das Etikett hatte nicht gelogen: Es war ein guter Bourbon. Sie nahmen alle einen Schluck.

„Sie wollen wissen, woher dieser Brauch stammt?“, sagte die bisher so zurückhaltende Aki Kawabata. „Ich denke, das ist wohl mein Part.“ Sie setzte ihr Glas ab. „Ihr habt mich damals ja für eine ziemliche Zicke gehalten. Okay, okay, okay! Ich war es ja auch“, sagte die Japanerin, blickte dann in die Runde.

„Also es fing auf dem Flugfeld von Port Dyna an, ich denke, sie haben auch Captain J. P. Riley gekannt, er war unser Ausbilder.“ Chet bejahte.

„Ich hatte das große Los gezogen“, meinte Aki. Sie durfte als Erste auf den Kommandantensitz beim Premieren-Trainingsflug der Frauen. „Anna, Svetlana und Sandy nahmen die übrigen regulären Plätze ein, wir sollten uns abwechseln. Wisst Ihr noch, wie eng das war?“, fragte Aki. Die anderen nickten. „Das ohnehin nicht üppige Platzangebot wurde durch den Captain eingeschränkt, er belegte den Notsitz hinter Pilot und Co.“

Svetlana sagte: „Ich glaube, wir haben alle nur eines gedacht: Wahnsinn, gleich sind wir im All! Und wir waren alle heiß drauf, den Dynazu fliegen.“

Beim Start vibrierte die Hülle, der Lärm machte den direkten Kontakt schwierig. „Wir konnten uns nur noch über die Earplugs in den Comsets verständigen“, sagte Aki.

„Der Start war noch okay“, erzählte Sandy. „Sie kennen das, vorsichtig mit den Kufen anrutschen, dann Vollschub geben.“

„Es hat alle ganz schön in die Sitze gepresst, ich fühlte mich glänzend“, sagte Aki. „Und dann habe ich mal probeweise die Nase der Maschine hochgerissen, fast wie bei einem klassischen Raketenstart. Bei Captain Riley kam das nicht gut an. ›Muss ich Sie an die Besprechung erinnern?‹, hat er laut über die Comsets gefragt, sodass es alle mithören konnten.“ Aki schaute in die Runde: „Hat mich wirklich maßlos geärgert, weil ich vor euch mein Gesicht verloren habe.“

„Sandy hat übernommen, ist brav geflogen“, sagte Aki. „Auch bei Svetlana gab es keine Beanstandungen. Alles problemlos.“

„Wie man es nimmt“, meinte die Schottin. „Ich habe unglaublich geschwitzt. Die Konzentration. Außerdem hatten wir die Grummand-Anzüge an, dabei war es nur ein Atmosphärenflug.“

„Ja, und dann kam Anna und übernahm den Joystick“, sagte Aki und blickte zu der kleinen Mexikanerin hinüber.

---ENDE DER LESEPROBE---