Die Kriminalistinnen. Acht Schüsse im Schnee - Mathias Berg - E-Book

Die Kriminalistinnen. Acht Schüsse im Schnee E-Book

Mathias Berg

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Beschreibung

Ein ungewöhnlicher Mordfall und eine aufregende Zeitreise – angelehnt an einen wahren Fall! Februar 1970: Der Millionär Theo Ellerbeck wird vor seiner Villa mit acht Schüssen getötet. Er hinterlässt eine schöne Ehefrau sowie eine auffällig schweigsame Tochter. Ellerbeck war allseits beliebt und hatte großen Einfluss in der Düsseldorfer Kulturszene. Wer profitiert vom Tod des Mannes, der offenbar keine Feinde hatte? Lucia Specht und ihre Kolleginnen vom Düsseldorfer Präsidium übernehmen den Fall und stoßen auf Ungeheuerliches in vornehmen Kreisen.

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Seitenzahl: 481

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Mathias Berg wurde 1971 in Stuttgart geboren und schreibt seit seinem vierzehnten Lebensjahr. Nach dem Studium der Soziologie in Bamberg und London wurde er PR-Redakteur und arbeitete in der Werbung und im Marketing. Mathias Berg ist verheiratet und lebt in Köln.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und die Darstellung der vorkommenden Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

© 2024 Emons Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: arcangel.com/Aimee Marie Lewis

Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von finken & bumiller | buchgestaltung und grafikdesign

Lektorat: Dr. Marion Heister

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-98707-137-9

Originalausgabe

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Dieser Roman wurde vermittelt durch

die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

I am out with lanterns looking for myself.

Emily Dickinson

Teil 1

Andere Herren

1

Freitag, 27.Februar 1970

Der Himmel über dem Friedhof war bleistiftgrau und schwer. Ich stand mit meinen Kolleginnen von der Kripo auf dem Düsseldorfer Zentralfriedhof und war für einen Augenblick von einer Bewegung abgelenkt. Einem Schatten. Mein Blick wanderte über die Reihen der schwarz gekleideten Menschen, der uniformierten Schultern und gesenkten Köpfe zu dem ausgehobenen Grab. Zu dem Pfarrer mit der roten Nase, der beim Sprechen Wolken ausspuckte, und zu den Sargträgern und Friedhofsgärtnern, die in ihre Fäuste pusteten. Von dort schweifte mein Blick weiter über die Reihen der Grabsteine, die wie alte Zähne in der Erde steckten, zu den unteren Zweigen einer Tanne. Und während ich den Sermon des Pfarrers nur noch entfernt wahrnahm, entdeckte ich dort drei Krähen.

Große Tiere. Schwarz und unheimlich. Todesboten. Unglücksbringer.

Mit ihrem glänzenden Gefieder und ihren spitzen Schnäbeln standen sie dicht beieinander, hüpften auf der Stelle und blickten in unsere Richtung. Legten ihre Köpfe schief, als wollten sie sagen: Den beerdigt ihr hier? So einer war das?

Die drei Krähen taten so, als sei das mühsame Auffinden von Nahrung in diesen kalten Tagen ihre einzige Beschäftigung. Aber ich glaubte ihnen nicht. Selbst Krähen gegenüber war ich nach meinem ersten Jahr als angehende Kriminalwachtmeisterin misstrauisch geworden.

Ihr führt doch was im Schilde, wie ihr da zusammensteht.

Es war an dem Tag wieder knapp über null Grad, und ich spürte meine Zehen nicht mehr. Auch mein Herz war kalt, denn ich stand am Grab eines Menschen, für den ich nichts empfand, und heuchelte Ergriffenheit. In mir war nur eine Erinnerung an einen alten tiefen Schmerz, und der galt meiner Mutter, die vor über zehn Jahren vor meinen Augen zu Tode gekommen war. Aber für die Person, die an diesem Februartag beerdigt wurde, war nichts da, und ich schämte mich, weil ich mir gefühlskalt vorkam.

Jürgen Potthoff war allein gestorben. Er hatte es so gewollt.

Niemand aus dem Präsidium hatte Potthoff in den letzten Monaten seines Lebens mehr besuchen dürfen. Aber sie erzählten sich, es gäbe ein Foto von ihm, wie er auf dem Sterbebett lag und aussah wie eine reife Pflaume, die auf dem Fensterbrett in der sengenden Sonne vergessen worden war. Klein und zusammengeschrumpelt. Auf einem weißen Betttuch, in seitlicher Lage, wie ein Embryo. Alle Kraft und Energie herausgepresst, in einem langen, ermüdenden Prozess, der unumkehrbar war. Und das musste das Schlimmste für Potthoff gewesen sein, für diesen zähen und unerbittlichen Leiter der Mordkommission, der seine Untergebenen streng ausbildete und nichts dem Zufall überließ. Er musste jegliche Kontrolle abgeben. Sein eiserner Wille brachte ihm gar nichts. Der Krebs hatte sich wie ein Parasit in seinen Körper eingenistet und ihn aufgefressen. Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Potthoff hatte nur noch ein knappes halbes Jahr gehabt, und als ich vergangenen Sommer mit ihm in der Mordkommission gearbeitet hatte, wusste er es bereits. Er hatte es mir an meinem letzten Tag zugeflüstert, als sei es ein Abschiedsgeschenk. Eine Losung. Als würde es rückwirkend die Dinge in ein anderes Licht stellen. Aber das tat es nicht. Ich hatte die Zeichen bemerkt, aber für mich behalten. Vor einer Woche war Potthoff also gestorben. Allein. In dem Moment, als seine Frau aus dem Sterbezimmer ging, um die Schnittblumen wegzuwerfen, die er nicht mehr sehen wollte. So erzählten sie es sich.

»Wahre Helden«, sagten die Männer, »sterben allein.«

Wir sechs Frauen standen frierend in einer Reihe, eng beieinander, die sechs Kriminalistinnen in Ausbildung vom Polizeipräsidium Düsseldorf. Ich in der Mitte, mit einem dunkel gemusterten Kopftuch auf dem blonden Schopf und in dem hellen Wintermantel, den ich mir geleistet hatte. Links von mir Ruth, mit streng aus dem Gesicht gekämmten dunklen Haaren, in einem aschefarbenen Mantel, und daneben Mieze, deren rote Locken so lebendig leuchteten, dass es fast unanständig war. Rechts von mir, Schulter an Schulter, stand Lilli, in einen großen Schal gehüllt, mit der ich gerade im Sittendezernat arbeitete, und daneben die große Renate, die sich eine schwarze Baskenmütze tief ins Gesicht gezogen hatte. Am rechten äußeren Rand stand Petra, die Älteste von uns, mit einem Damenhut mit Schleier auf dem Kopf wie bei einer Hollywoodbeerdigung, worüber wir uns bereits auf dem Weg lustig gemacht hatten.

Ein helles Glöckchen erklang.

Die vier Sargträger ließen den glänzenden schwarzen Sarg an den Bändern langsam in die Erde nieder. Ein Schluchzen ertönte, während der Pfarrer einen Segen sprach. Potthoff hatte Glück, dass sie ihn heute beisetzen konnten. Der Boden war durch den lang anhaltenden schneereichen Winter so gefroren gewesen, dass sie nur mit größter Mühe und unter Einsatz eines Baggers ein Loch ausheben konnten. Kurz war überlegt worden, seinen letzten Willen zu ignorieren und ihn einzuäschern, aber seine Frau hatte eisern an dem Wunsch festgehalten. Es sollte genau so sein, wie er es befohlen hatte. Selbst über den Tod hinaus reichte sein langer Arm.

Ruth knuffte mich in die Seite. Ein Mann mit langen weißen Haaren, die er in einem Pferdeschwanz trug, trat in einem schwarzen Mantel aus der Menge hervor, stellte sich neben das Grab, klemmte eine Geige unter sein Kinn und begann eine traurige Melodie zu spielen.

»Das auch noch«, flüsterte Ruth mir zu und verdrehte die Augen.

»Den Geiger bestellen sie für jede Beerdigung, kostet fünfundzwanzig Mark«, raunte ich ihr zu. »Elke hat es mir verraten. Ist ein ehemaliger Polizist. Ist über einen Mordfall verrückt geworden. Jetzt spielt er nur noch Geige.«

»Das werde ich überprüfen«, erwiderte Ruth.

»Schschscht«, machte Lilli und strafte uns mit Blicken, zog ein weißes Taschentuch hervor und tupfte sich die Nase.

Ich blickte über die Reihen der Trauernden vor mir und lauschte der Melodie, die der Geiger spielte, und da öffnete sich in mir eine Tür, und eine alte Trauer kam wie eine Welle angerollt. Ich schluckte hohl, starrte zu Boden, und mit einem Mal war ich bei der Beerdigung meiner Mutter vor elf Jahren.

»Das ist zu groß für dich«, hatte Tante Hedwig, Mutters ältere Schwester, am Morgen der Beerdigung zu mir gesagt, als ich in einem schwarzen Kleid meiner Mutter in die Küche kam, das ich unten mit der Schere abgeschnitten hatte, weil es zu lang war. Das Kleid, das mein Vater mir besorgt hatte, wollte ich nicht anziehen, weil mich der Stoff kratzte.

»Du bleibst besser zu Hause«, sagte Hedwig in strengem Ton und mit missbilligendem Blick auf das Kleid und murmelte ein »leeve Jott« auf Kölsch hinterher. Da schrie ich los, dass meinem Vater angst und bange wurde.

»Lass das Kind in Ruhe, es ist schon schlimm genug«, flehte er, am Ende seiner Kräfte, von tiefer Traurigkeit beschattet, die ihn nie wieder verlassen sollte, außer wenn er trank und mit dem Phantasiebild meiner Mutter in der Küche tanzte und gegen Tisch und Stühle rumpelte. Und er trank und tanzte oft.

Ich brüllte Tante Hedwig an, dass sie mir gar nichts zu sagen hätte, und begann mit Fäusten auf sie einzuschlagen, und sie hob nur abwehrend die Hand und kreischte, und mein Bruder Henning ging dazwischen und schlug mir auf die Finger, und dann war Ruhe, und alle sahen sich betroffen an.

»Lucia kommt mit zur Beerdigung, und damit Schluss«, sprach mein Vater ein Machtwort und stampfte mit seinem gesunden Bein auf.

Mutters Beerdigung auf dem Friedhof Segeroth in Essen war ein einziges Geheule, mit einer großen Traube Menschen, die hinter uns gingen. Die Sargträger waren Kumpel meines Vaters, kräftige Jungs, die den Sarg schulterten. Vater humpelte, wir Kinder folgten. Henning neben mir, er hatte seine Mütze abgenommen und knibbelte mit den Fingern an deren Innenseite. Ich setzte einen Schritt vor den anderen und presste die Zähne aufeinander. Ich war mir sicher, dass meine Mutter woanders war, aber mit Sicherheit nicht in dieser dämlichen Holzkiste, hinter der wir herschritten. Wut packte mich, Schimpfwörter fluteten mein Hirn, weil ich nicht glauben wollte, dass sie tot war. Mein Vater stolperte und fiel der Länge nach hin. Ein Raunen ging durch die Trauergemeinde, und wir wollten ihm aufhelfen.

»Legt mich doch zu ihr«, flüsterte er.

Er hatte seinen rechten Unterschenkel im Krieg verloren. Meine Mutter, ein kölsches Mädchen, war während des Kriegs ins Ruhrgebiet geflüchtet, und dort hatten die beiden sich kennengelernt. Verliebt. Verlobt. Verheiratet. Er arbeitete in der Zeche als Aufzugführer, mein Bruder folgte ihm später und schuftete unter Tage bei zweiundvierzig Grad. Ein begehrter Arbeitsplatz mit einer ordentlichen Bezahlung im jungen Nachkriegsdeutschland.

In dem Moment wurde mir schlagartig bewusst, dass ich meinen Vater auch noch verlieren könnte, und das durfte nicht sein.

»Wir dürfen jetzt nicht aufgeben«, presste ich unter Tränen hervor, die mir die Wangen herunterliefen. »Mama würde uns auslachen, wie wir hier am Boden liegen.«

Das wirkte.

»Recht haste«, sagte er leise, und stumme Tränen liefen sein Gesicht hinab. Wir packten ihn unter der Achsel und zogen ihn hoch. Vater legte seine schwere Hand auf meinen Kopf. »Kommt«, sagte er mit brüchiger Stimme, »geben wir eurer Mutter das letzte Geleit.«

Tränen fluteten meine Augen, und ich sah den Friedhofsboden nicht mehr scharf. Der Geiger spielte die letzten Töne für Potthoff, und ich blickte durch den Tränenschleier auf die Gestalt, die da plötzlich neben seinem Grab stand. Bildschön. Makellos. Mama. Sie trug das dunkelblaue Sommerkleid mit den weißen Punkten, wie auf dem Foto, das auf meinem Nachtisch stand. Die Haare schön frisiert und taftfixiert, die Lippen rot. Sie sah mich mitleidig an, und ich hörte ihre helle Stimme in meinem Ohr.

Ach, Kind, nun mach es dir doch nicht so schwer. Kümmere dich lieber mal um die Wahrheit.

Ich blinzelte die Tränen in meinen Augen weg, blickte schnell zu Ruth neben mir, aber die hatte offenbar nichts mitbekommen. Auch Lilli wirkte in Gedanken versunken, und ich sah wieder nach vorne, aber meine Mutter war verschwunden. Der Geiger schloss den Geigenkasten und klopfte sich die Schneeflocken vom Mantel.

»War’s das?«, fragte Ruth neben mir, und ich hörte die Ungeduld in ihrer Stimme. »Mir ist kalt.«

»Ich denke schon. Reicht jetzt auch«, sagte ich und zurrte mein Kopftuch fester.

Die Frau von Potthoff warf mit einer Schaufel Erde auf den Sarg, ging in die Knie, und ihr Sohn stand neben ihr, legte seinen Kopf auf ihre bebenden Schultern.

»So eine Beerdigung ist etwas Furchtbares«, flüsterte Lilli.

Nach und nach gingen die Trauergäste in der ersten Reihe zu der Witwe, kondolierten und liefen im Gänsemarsch in Richtung Ausgang.

»Müssen wir auch kondolieren?«, fragte Lilli.

»Nein, wir waren mit dabei. Das ist genug«, meinte ich.

»Es wird Zeit für den Leichenschmaus«, raunte Petra uns vom Rand zu und deutete mit ihrer Hand eine Trinkbewegung an.

»Ach, die Garbo kann ja sprechen«, meinte Ruth süffisant, und Petra streckte ihr die Zunge heraus.

»Lasst uns gehen, ich brauch ’nen Schnaps«, seufzte Mieze, »solche Sachen gehen mir immer an die Nieren.« Sie hob den Kopf und sah in den Himmel. »Geht dieser Winter nie zu Ende? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich in drei Monaten in einem weißen Kleid heiraten soll.«

»Unvorstellbar. Beides«, meinte Renate. »Überleg dir das gut mit der Ehe. Gefängnis mit drei Buchstaben«, raunte sie ihr zu und spähte zu Petra, die sie strafend ansah.

Wir wandten uns bereits zum Gehen, als ich bemerkte, dass mir jemand unauffällig zuwinkte und auf mich zukam.

»Da ist Otto«, meinte ich, und die anderen blieben kurz stehen und sahen sich um.

Ruth sah den Kollegen Otto Hagedorn mit einem finsteren Blick an. »Lasst uns gehen«, sagte sie mürrisch und ging mit den anderen weiter.

Ich blieb als Einzige stehen. Otto kam in einem beigefarbenen Trenchcoat mit extrabreitem Revers auf mich zu, zog seine rechte Hand aus der Manteltasche und reichte sie mir.

»Möchtest du noch mit mir sprechen?«

»Hallo, Otto«, erwiderte ich und schüttelte seine Hand. Sie war warm.

»Du siehst aus wie ein Filmstar, mit diesem Kopftuch über den blondierten Haaren und dem hellen Mantel.«

»Ja, die Kollegen nennen mich bereits scherzhaft die Denöff vom Rhein«, erzählte ich mit einem Lächeln.

»Dir geht’s gut, das freut mich. Sag mal, was ich mich immer mal wieder gefragt habe: Hat sich in der Mordsache Nadja Christensen eigentlich noch mal was getan?«

»Nein, der Fall wurde geschlossen. Ungelöst. Wie ist es in Köln?«, fragte ich.

»Wilder Westen. Es ist wie Klein-Chicago am Rhein. Diebstahl, Erpressung, Mord. Wir haben alle Hände voll zu tun und könnten Verstärkung gut gebrauchen.« Er sah mich auffordernd an. Otto war im vergangenen Sommer nach Köln versetzt und befördert worden.

»Gemach. Erst mal muss ich die Ausbildung abschließen. Hier in der Hauptstadt geht es doch gepflegter zu.«

»Wo bist du gerade?«

»Bei der Sitte.«

Er deutete mir an, dass wir den Trauermarschierenden folgen sollten. »Kommst du klar? Ich meine, mit den Kollegen?«

Wir gingen nebeneinanderher, und ich zog ein Eukalyptusbonbon aus meiner Manteltasche. »Es gibt Kollegen, die sich darüber lustig machen, dass meine Dienstwaffe in meiner Handtasche zwischen Lippenstiften und Tampons liegt. Solche Kollegen werden wir sehr lange noch ertragen müssen. Und Kollege Potthoff war ein Paradebeispiel dafür. Aber das hat sich ja jetzt erledigt.«

»Potthoff war nicht verkehrt«, setzte Otto an, und es klang wie eine Verteidigung. »Aber seine Methoden waren fragwürdig. Ich habe darüber nachgedacht. Falls ich einen Fehler gemacht habe, so tut es mir leid, Lucia.«

Ich rollte das Bonbon aus dem knisternden Papier und steckte es mir in den Mund. Schob es von links nach rechts, um Zeit zu schinden. Es schlug gegen meine Zähne, und ich ließ einen Moment verstreichen, während der Schnee unter unseren Schuhen knirschte.

»Danke, Otto, aber wir müssen nach vorne schauen, nicht nach hinten.«

Otto nickte. »Wenn du mal Hilfe brauchst, meine Tür steht offen.«

Ich nehme dich beim Wort.

Wir blieben stehen. Ich ahnte, dass es ihm auf den Lippen lag zu fragen, wie es Ruth ginge, die ihm die kalte Schulter zeigte. In solchen Dingen konnte sie unerbittlich sein. Otto liebte Ruth, das wusste ich wohl.

Frag mich jetzt nicht, Otto, bitte nicht. Lass es sein.

Er holte Luft, um etwas zu sagen, aber schloss seinen Mund wieder. »Ich muss los.« Er reichte mir zum Abschied die Hand. »Viel Erfolg, Lucia.«

»Dir auch«, erwiderte ich und lief meinen Kolleginnen hinterher.

»Was wollte er?«, fragte Ruth streng, während wir zum Parkplatz gingen.

»Nur Hallo sagen«, erwiderte ich. »Mehr nicht.«

Ruth stieß abfällig die Luft aus. »Heuchler«, keuchte sie.

Ich bin ja selbst keinen Deut besser.

Von wegen, nie in die Vergangenheit blicken, nur nach vorne. Lachhaft war das. Ich fasste mir ein Herz und fragte Ruth.

»Ich brauche deine Hilfe. Könntest du mich mit Johannes Wegener bekannt machen?«

Ruth blieb abrupt stehen und schaute mich mit großen Augen an. »Mit unserem Kriminalpsychologen? Gefällt er dir?« Sie sah sich nach ihm um. Er ging einige Meter von uns entfernt, in einem edlen dunkelblauen Mantel. Ruth absolvierte gerade ihre Station in der Mordkommission und hatte ihn bereits kennengelernt.

»Nicht jetzt«, zischte ich.

Ruths Blick war eine Mischung aus Belustigung und Freude. Ich konnte ihre Gedanken lesen: Entwickelst du nach der letzten Schlappe endlich wieder ein Interesse an Männern und bist nicht nur an Büchern, Filmen und Catherine Deneuve interessiert? An Tanzengehen, Martinis und Französischpauken für den Sommerurlaub in Frankreich?

Johannes Wegener war nicht unattraktiv. Ein Mann Anfang dreißig, neu im Polizeipräsidium, mit einem bübischen Lächeln und einem feinen, selbstsicheren Auftreten. Rotblondes Haar. Eine angenehme Ausstrahlung. Ich hatte ihn bei einer Veranstaltung im Foyer des Präsidiums erlebt, wo er einen leidenschaftlichen Vortrag über den aktuellen Stand der Forschung zur Tätermotivation in den USA gehalten hatte.

»Nein, ich will ihn im Fall meiner Mutter wegen eines Täterprofils befragen«, sagte ich kleinlaut. »Vielleicht ergibt sich ein Ansatzpunkt für mich.«

»Bist du dir sicher, dass du dafür bereit bist?« Sie nahm meine Hände und hielt sie fest. »Du musst es wirklich wollen. Es kann schmerzhaft werden. Dessen musst du dir bewusst sein.«

Ich dachte an die Altakte von dem Fall, in der ich letztes Jahr ängstlich geblättert hatte, als seien die Seiten vergiftet gewesen, und an den Moment, als ich die Akte weggelegt hatte. Weil ich mich davor fürchtete, die Details zu erfahren, die Dokumentation ihres Leids, mit Fotos und Berichten, die seit so vielen Jahren geduldig auf Papier standen. Und ich dachte an das Gesicht, das ich letztes Jahr in einem rauschhaften Moment gesehen hatte: das Gesicht des Täters.

»Es wird Zeit, die Wahrheit herauszufinden«, sagte ich und fand, dass ich dabei tapfer klang. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was auf mich zukäme und was für eine Wahrheit ich aus dem Dunkel ans Licht zerren würde.

Aber ich war bereit, den Weg zu gehen. Ohne Wenn und Aber.

2

Nach der Beerdigung strömte die Trauergesellschaft in den Trompeter, eine gutbürgerliche Gaststätte, die von der rundlichen Rosi mit strengem, aber liebevollem Regiment geführt wurde und nur wenige Gehminuten vom Präsidium entfernt lag. Für viele Polizisten stellte der Trompeter eine zweite Kantine und Heimat dar, mit Hausmannskost, frisch gezapftem Alt und viel Gesprächsstoff an den blank gewetzten Tischen. Als wir sechs Frauen den Trompeter betraten, ruckten die Köpfe herum. Normalerweise pfiffen uns ein paar Kollegen zu, und Ruth hob dann stets beschwichtigend die Hand und rief: »Wir kommen in Frieden.«

Aber heute war es anders. Sie nickten uns nur knapp und anerkennend zu. Mit versteinerten Gesichtern.

»Meine Täubchens«, begrüßte Rosi uns mit einem vollen Tablett in der Hand und winkte uns mit der freien Hand zu einem spärlich besetzten Tisch. »Macht mal Platz für die Damen«, forderte sie die Kollegen auf, die sie großäugig anschauten. Wenn eine Frau so mit ihnen umspringen durfte, dann nur Rosi, mit ihrem Herzen aus Gold. An dem Tisch wurden schnell sechs Plätze freigemacht. Toni, der ebenfalls die Ausbildung mit uns absolvierte, saß auch am Tisch. »Italo-Toni«, weil er unübersehbar einen italienischen Vater haben musste, anders ließ sich der südländische Einschlag mit den tiefschwarzen Haaren und den olivgrünen Augen nicht erklären.

»Ciao ragazze. Ultima saluti«, begrüßte Toni uns, als seien wir alle seine Principessas, und ich sah dabei die eifersüchtigen Blicke der Kollegen, wie sie die Augen zu Schlitzen verengten und ihre Blicke sagten: Wie dieser junge Kerl die Damen anflirtet, einfach unverschämt. Toni legte demonstrativ seinen Arm um mich.

»Toni, lass das«, flüsterte ich.

»Was ist los, bella?«

»Die Kollegen gucken schon.«

»Na und?« Er hob sein Bierglas und nickte den anderen zu.

Ich mochte es nicht, wenn Toni sich so männlich plump benahm, weil ich wusste, dass er auch anders sein konnte. Höflich. Freundlich. Witzig. Aber wenn die Kollegen um ihn herum waren, riss er gern billige Witze und machte schlüpfrige Bemerkungen.

»Pass auf, dass du keine Neider provozierst«, flüsterte ich, und er lächelte, strich sich durch seinen dichten Schnäuzer.

»Und wenn schon. Gibt nur eines, Freund oder Feind. Capisci?«

Die Stimmung war gedrückt, und viele saßen still da und starrten in ihr Bier, andere unterhielten sich leise. Immer mehr Kollegen kamen herein, mit stillen Gesichtern, weiß wie Taschentücher, fuhren sich durch die vom Schnee benetzten Haare, schüttelten ihre dunklen Mäntel aus und hängten sie an die Haken. Sie stellten und setzten sich, wo noch Platz war, und warteten in stiller Andacht darauf, dass etwas geschah.

Rosi wusste ihre Gäste zu führen. Sie verteilte Teller mit Frikadellen, Gürkchen, Brot und Senf auf den Tischen und ging anschließend mit einem Tablett voller Schnapsgläser umher und rief: »Vom guten Potthoff für euch. Vor ein paar Monaten war er noch bei mir und hat seinen Leichenschmaus besprochen. Ich soll euch schön grüßen. So jung kommen wir nicht mehr zusammen.« Rosi erhob selbst ein Schnapsglas und blickte einmal in die Runde. Alle starrten sie an. »Er hat mir gesagt, ich soll euch was Starkes ausschenken. Ihr würdet das schon vertragen, ihr Memmen. Auf Potthoff!«

Da war er. Der erste befreiende Lacher.

»Auf Potthoff!«, riefen sie mit donnernden Stimmen und hoben die Gläser, und schon hob sich auch die Stimmung. Der Alkohol entspannte, und als die ersten Anekdoten durch den Raum flogen, kam die gute Laune zurück, ansteckend wie ein glimmendes Feuer. Es wurde gelacht, Tränen wurden aus den Augenwinkeln gewischt. Kollegen standen mit ihren Biergläsern beieinander, die Arme kameradschaftlich um die Schultern gelegt. In einer Ecke wurde leise ein Lied angestimmt. Renate, die neben mir saß, biss ein großes Stück von einer Frikadelle ab. Das lange Ding hatte immer Hunger und schlang wie ein Hund.

»Kauen nicht vergessen«, raunte ich ihr zu.

Sie schob den Bissen in eine Backentasche. »Ich habe einen Kohldampf, das kannst du dir nicht vorstellen«, erwiderte sie und kaute angestrengt.

Mir war nicht nach Essen. Ich nuckelte an dem zweiten Altbier, das Rosi mir zwinkernd vor die Nase gestellt hatte. Auf mich, die Jüngste in der Truppe, hatte sie ein besonderes Augenmerk, und ich mochte ihre kümmernde, mütterliche Art, weil mir meine eigene Mutter fehlte.

»Hättest du die Tage Zeit für mich?«, fragte ich Mieze, die gegenüber von mir saß.

Sie fuhr durch ihre roten Locken, hob fragend das Kinn und legte den Kopf leicht schief. Senkte die Stimme. »Natürlich. Worum geht’s?«

»Die Sache mit meiner Mutter. Gehst du mit mir die Akte durch?«

Beide Augenbrauen schnellten aufgeregt nach oben. »Aber sicher. Wann du willst, jederzeit. Wollen wir uns morgen treffen? Auf Kaffee und Kuchen? Und dann sehen wir uns die Akte an?«

»Abgemacht.«

Ruth stieß mich unter dem Tisch an. Sie rollte mit den Augen und deutete zur Seite. Der Kriminalpsychologe war hereingekommen. Dr. Johannes Wegener. Er zog seinen Wollmantel aus und suchte nach einem freien Haken, sah auf die überquellenden Kleiderhaken und legte den Mantel säuberlich über seinen Unterarm. Mit seinem fein geschnittenen Gesicht und der schmalen Nase hatte er etwas Aristokratisches, das so gar nicht in diese Runde passte. Aber genau das gefiel mir.

»Komm, ich mach euch bekannt«, sagte Ruth. »Jetzt oder nie.«

Ruth und ich erhoben uns von unseren Plätzen und schlängelten uns durch die eng stehende Meute der trinkenden Kollegen. Aus einem Lautsprecher erklang mit einem Mal »Wunder gibt es immer wieder« von Katja Ebstein, und die Ersten hakten sich ein und begannen zu schunkeln.

Wunder gibt es immer wieder.

Wenn sie dir begegnen, musst du sie auch sehen.

Wegener stand etwas verloren da.

»Ach, der feine Herr Wegener kommt auch noch«, witzelte Kollege Müller von der Mord, der neben ihm stand. Ein kleiner, stämmiger Mann mit dicken Backen und schweren Lidern unter spitzen Augenbrauen, die aussahen, als habe ein Kind ein Dach gezeichnet. »Nicht, dass Sie uns hier noch heimlich in den Kopf gucken.« Er lachte dreckig.

»Und was genau sollte ich da bei Ihnen finden, was nicht ohnehin schon alle wissen?«, fragte Wegener zurück und erntete Lacher und einen anerkennenden Schlag auf die Schulter. Jemand reichte ihm ein volles Bierglas. Er nahm es, prostete der Runde zu und trank es in einem Rutsch aus.

»Hoho, der Herr Doktor hat aber einen Durst«, witzelte Müller weiter.

»Na, läuft die Witzemaschine?«, fragte Ruth. »Da kommt aber heute noch was Besseres heraus.« Sie nickte Müller zu, der sie belämmert anstarrte. »Wird schon werden«, frotzelte Ruth weiter, und der Kollege machte »Pah«. »Kennt ihr den Witz?«, fragte Ruth, und sie riefen: »Erzähl!«

Währenddessen sah ich Dr. Wegener an. An seiner Oberlippe klebte noch Bierschaum, und ich deutete mit meinem Zeigefinger auf meine Lippen. Er war eine Sekunde irritiert, verstand dann und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

»Danke, sehr nett«, sagte er.

»Hallo, ich bin Lucia Specht. Kriminalbeamtin in Ausbildung, eine Kollegin von Ruth Bellroth.«

Er nickte freundlich. »Freut mich. Ich bin Johannes Wegener. Und sag bitte nicht Herr Doktor zu mir. Sag Johannes. Wir sind schließlich Kollegen.«

»Aber sicher, Herr Doktor«, bestätigte ich, und er lachte auf.

Ein Kellner kam mit einem vollen Kranz frisch gezapfter Biere, und ich fischte zwei heraus und gab Johannes eines. Ein Bier konnte ich noch trinken, aber mehr nicht, denn ich hatte später noch eine Schicht zu arbeiten. Die Arbeitszeiten bei der Sitte waren anders als bei der Mordkommission.

Wir stießen an und sahen uns direkt in die Augen. Selten hatte ich jemand gesehen, der ein so offenes und interessiertes Gesicht hatte. Seine Augen waren groß, hatten die Farben von Murmeln, und es schien, als leuchteten sie in mich hinein.

Johannes nahm einen Schluck. »Ist nicht leicht, mit diesem Schlag von Männern zurechtzukommen«, meinte er und sah sich dabei um.

»Wir Frauen kennen das. Da hilft eine Ölhaut, an der alles abperlen kann.«

»Bei mir werden die Männer schnell unsicher, betrachten mich als eine Bedrohung, werden feindselig, weil sie mich nicht einschätzen können. Sie denken, ich hätte qua meiner Ausbildung eine Fähigkeit, die sie enttarnen könnte. Ihre Defizite ans Licht bringen. Ich bin deswegen heute hergekommen, damit sie mich mal kennenlernen und verstehen, dass ich nicht sonderlich anders bin als sie.«

Und ob du anders bist als sie.

»Nun, du bist außerhalb ihres Männerbunds, das erschwert die Sache«, bemerkte ich.

»Gut erkannt«, erwiderte er mit einem anerkennenden Nicken.

Ruth stand plötzlich neben mir und legte ihren Arm um mich. »Na, ihr habt euch schon bekannt gemacht. Johannes, ich wollte dir meine Kollegin Lucia vorstellen.«

»Das hat sie bereits selbst übernommen, sie ist ja schon groß. Nicht wahr?«

Wir lächelten uns an.

Ruths Blick wechselte zwischen uns. »Okay, ich kürze die Sache ab«, meinte sie, und ich erstarrte. Ruths direkte Art wirkte auf manche Personen verstörend oder stieß sie vor den Kopf. Aber Johannes sah uns beide mit einem leicht belustigten Zug um den Mund an. »Mein Kollegin Lucia könnte in einer Sache einen kriminalpsychologischen Rat brauchen, eine Familienangelegenheit. Ein ungelöster Fall.«

»Ich hätte es nicht schöner ausdrücken können«, murmelte ich und bemerkte, dass mir das Blut in die Wangen schoss. Das war der Moment, in dem ich dringend einen tiefen Zug von einer Zigarette gebraucht hätte.

Johannes taxierte mich, ließ einen Moment verstreichen, bevor er geräuschvoll die Luft durch die Nase einsog. »Heute und hier ist der falsche Ort und der falsche Zeitpunkt«, sagte er, und ich nickte schnell. »Aber wie wäre es Montag zum Mittagessen? Bevor dich deine eigene Courage wieder verlässt.«

Ich lachte unbeholfen. Ruth riss auffordernd die Augen weit auf und kniff mich in den Rücken, ohne dass er es sah. Es tat weh, und ich funkelte sie böse an.

»Ja, das wäre fein, so machen wir es«, sagte ich zu Johannes, und wir drei stießen mit unseren Gläsern an. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich in der Magengegend.

»Abgemacht«, bestätigte Johannes. »Gibt’s hier auch etwas zu essen? Ich bemerke gerade, dass mir der Alkohol viel zu schnell ins Hirn saust.«

»Ja, Frikadellen«, erklärte ich.

»Komm mit an unseren Tisch, ich stelle dich den anderen Hexen vor«, meinte Ruth und ging vor.

Johannes deutete mir an, dass ich vorgehen möge. Ich bedankte mich und sah ihn über die Schulter noch einmal an. Er lächelte, und ich fand, dass er ausgesprochen charmant war.

Aber da war etwas in seinem Blick, das ich nicht deuten konnte.

Eine Kleinigkeit, die mich irritierte. Ich hatte das Gefühl, dass es da ein Geheimnis gab, das er sorgfältig umschiffte. Weglächelte. Überstrahlte. Das er hinter seinem Lächeln verbarg.

3

Es war kurz vor zweiundzwanzig Uhr an diesem Freitagabend. Als wir den Laden in der Altstadt betraten, schmeckte ich immer noch den Kaffee auf meiner Zunge, den wir bei Dienstbeginn getrunken hatten. Lilli und ich hatten uns schick gemacht, trugen beide einen kurzen Wildledermini und hübsche Stiefel sowie dünne Rollis dazu, mit Metallschmuck an den Ohren, und wirkten wie fröhliche, gut gelaunte junge Menschen, die ausgehen und Spaß haben wollten.

Aber das waren wir nicht.

Wir waren die, die den anderen den Spaß versauten und ihnen in die Suppe spuckten. Ihnen Ärger machten.

Der Laden war ein Tanzlokal, in dem sich vor allem junge Menschen unter zwanzig tummelten. Ein in die Jahre gekommener Beatschuppen mit schwarz getünchten Wänden, einer Spiegeldecke und einer Tanzfläche in der Mitte des Raumes, um die Sitzecken gruppiert waren. Dort standen sie, die Teens der Stadt. Lachten. Lagen sich in den Armen. Saßen auf Stufen nebeneinander wie Schulkinder, beobachten andere und kicherten. Oder sie standen lässig da, taten erwachsen, als ginge sie das ganze Treiben hier nichts an. Rauchten. Schwenkten Bierflaschen. Die Jungs blickten mit desinteressierter Miene auf die anderen herab. Die Mädchen waren stark geschminkt, um ihre Minderjährigkeit zu übertünchen und ihren Gesichtern die Reife zu geben, die sie nicht besaßen.

Die Musik war laut. Gerade lief »Venus« von Shocking Blue. Ich sang den Refrain leise mit, »I’m your Venus, I’m your fire, at your desire«, und beobachtete die tanzenden Mädchen, die ihre Arme im flackernden Licht zur Decke streckten.

Wir gingen an die Theke, und der Barmann, die älteste Person im Raum und offensichtlich der Besitzer des Tanzlokals, hob den Kopf und legte seine brennende Zigarette im Aschenbecher ab.

»Die Damen«, begrüßte er uns grinsend. »Was darf es sein?« Sein Blick wechselte von einer zur anderen. Er schnappte sich ein Handtuch und begann, Gläser zu polieren. Eine Übersprungshandlung.

Ob er den Braten riecht?

»Ach, irgendwas Starkes«, sagte Lilli mit kieksender Stimme und sah ihn mit ihrem unschuldigen Schulmädchengesicht an. Sie war kaum geschminkt, die Haare brav gescheitelt, nur die Lippen glänzten silbern. Sie wirkte wie ein junges Gör, das hungrig nach Abenteuern war.

»Bist du denn schon alt genug für Hochprozentiges?«, fragte er, senkte den Kopf und sah sie streng an.

»Dann eine Fanta«, meinte sie schnell, öffnete ihre Handtasche, klappte einen kleinen Spiegel auf und zog sich sorgfältig die Lippen nach.

Er sah uns skeptisch an. »Und für Sie?«, fragte er und taxierte mich. Mich siezte er weiterhin. Die erste Freundlichkeit war verschwunden, sein Blick hatte etwas Grollendes bekommen.

»Ich geh mal auf die Toilette«, meinte Lilli lapidar, stand auf, schulterte ihre Handtasche. »Bis gleich«, raunte sie mir im Vorbeigehen zu, ließ ihren Blick über die ahnungslosen feiernden Menschen schweben und folgte dem kleinen Schild mit der goldenen Aufschrift »Toiletten«, das über dem Durchgang klebte. Wir waren ein eingespieltes Team.

Ich trat einen Schritt näher an die Theke. Hob dem Barkeeper meine Dienstmarke entgegen. Er starrte darauf, hörte auf zu polieren, zerknüllte das Geschirrtuch und warf es zur anderen Seite der Theke, wo eine blonde Thekenkraft irritiert zu ihm herübersah.

»Specht. Sittenpolizei. Schalten Sie die Musik aus und das Licht an. Dies ist eine Überprüfung zur Einhaltung des Jugendschutzgesetzes.«

»Ernsthaft?«, fragte er.

Ich sah ihm direkt in die Augen. »Sehe ich aus, als ob ich Scherze mache?«

Er zögerte einen Moment und schien unsicher, ob das Ganze nicht doch ein Witz war. Ich hielt ihm weiterhin meine Dienstmarke entgegen und schaute ihn scharf an. Er sah zum Durchgang und bemerkte die beiden Kollegen in Uniform, die jetzt erschienen und den Ausgang blockierten.

»Wir warten«, sagte ich, griff in meine Handtasche und holte das Gesetzbuch hervor. Er schielte darauf. »Das kennen Sie sicherlich auswendig«, meinte ich.

Er schlug mit der flachen Hand einmal auf den Tresen und rief seiner Kollegin zu: »Lola, stell die Musik aus und mach das Licht an!«

Sie sah mit einem fragenden Gesichtsausdruck zu ihm herüber, eine Flasche Mariacron in der Hand und eine brennende Kippe im Mundwinkel.

»Mach schon!«, rief er ihr verärgert über die Musik zu. Er wusste, dass ein saftiges Bußgeld auf ihn warten würde.

Sekunden später ging schlagartig das Licht an, und die Musik verstummte. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Das helle Arbeitslicht offenbarte die Hässlichkeit des Schuppens. Der Schutz der Dunkelheit war verschwunden. Ein paar Jungs verstanden sofort, was passierte, und versuchten, sich an den uniformierten Kollegen vorbeizumogeln. Zwecklos.

»Ausweiskontrolle!«, riefen die Polizisten.

Ein mürrisches Raunen ging durch den Raum. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie zwei Mädchen sich hinter der Bar duckten und durch eine Hintertür verschwanden. Ein Mädchen rief: »Lassen Sie mich durch, fassen Sie mich nicht an!«

Ich lehnte mit dem Rücken an der Bar, die Ellbogen aufgestützt, und beobachtete die Menge der jungen Menschen. Mittlerweile konnte ich gut erkennen, wer von denen nachher in der Minna saß und wer nicht. Ich erkannte die Zeichen von Nervosität, sah das Getuschel, den verzweifelten Versuch, aus der Nummer schadfrei herauszukommen.

»Ihren Ausweis bitte«, sagte der eine Polizist. Er hieß Fred Stein.

»Ich zeige Ihnen meinen Ausweis nicht«, patzte eine junge Blondine ihn an und umarmte sich dabei selbst in ihrem dünnen kurzen Kleid. Sie fror jetzt schon, und wir waren noch nicht mal draußen. Die Türen des Tanzlokals standen auf, und eisige Winterluft zog herein.

»Kein Problem. Sie kommen mit auf die Wache. Dort nehmen wir Ihre Personalien auf.«

Blondie klappte den Mund auf und zu und sah zu ihrer Freundin, die den Kopf schüttelte.

Stein dirigierte Blondie zur Seite. »Die Nächste. Ausweiskontrolle!«, rief er.

Lilli erschien mit zwei Mädchen von der Toilette. »Netter Versuch, Mädels«, sagte sie zu ihnen. »Sechzehn!«, rief sie mir zu und ging vor die Tür, wo der Bus bereitstand.

»Fräulein Specht?«, rief Fred Stein mich zu sich.

Ich löste mich von der Bar, und erst jetzt erkannte die Meute, wer da an der Bar gestanden hatte. Eine Polizistin. Zeit für meinen Auftritt. Den konnte ich mittlerweile im Schlaf.

Ein Raunen ging durch den Raum. »Wer ist das?«, wisperte jemand. »Ist die auch ein Bulle?« – »Eine Frau? Bestimmt nicht.« – »Die ist doch vom Jugendamt.«

»Schämt euch!«, rief eine junge Männerstimme mir zu.

»Warum macht ihr das? Ihr wart auch mal jung!«, krakeelte ein junges Mädchen.

»Jetzt beruhigen wir uns mal!«, rief ich laut. »Ich sage euch, wie der Abend endet. Wer unter achtzehn Jahren ist, kommt mit auf die Wache und wird den Eltern zugeführt. Warum? Wer unter achtzehn Jahren alt ist, darf nach zweiundzwanzig Uhr nur in Begleitung eines Erwachsenen unterwegs sein. Und bevor die Frage kommt, wo das steht: Im Gesetzbuch steht’s. Hier.« Ich hielt das aufgeklappte Buch hoch. »Wer von euch noch fähig ist zu lesen, kann das Jugendschutzgesetz gerne bei mir einsehen.«

»Bei dir würde ich noch mehr einsehen!«, rief ein junger Mann aus der Deckung der hinteren Reihe und erntete einen Lacher.

»Ein frommer Wunsch. Aber ich stehe nicht auf junges Gemüse.«

»Probier’s doch mal aus!«, rief er zurück.

»Ihren Ausweis werde ich mir ganz genau ansehen«, meinte ich, erhob mahnend einen Zeigefinger, und nun bekam ich meinen Lacher.

»Ihr schützt uns gar nicht, ihr macht uns nur Ärger!«, rief einer mit heiserer Stimme. »Wer sind Sie überhaupt?«

»Ich bin die Sittenpolizei!«, rief ich zurück. »Und wer sind Sie?«

Ein Raunen ging durch den Raum. Fred Stein neben mir reichte mir einen Ausweis.

»Was meinen Sie?«, fragte er und deutete auf ein junges Ding, das mich mit mürrischem Blick ansah.

Ich blätterte den Ausweis auf. Sah mir das schwarz-weiße Passfoto an. Ausgestellt auf den Namen Michaela Ellerbeck. Neunzehn Jahre alt. Ich betrachtete die Stempel. Eigentlich sah alles korrekt aus, aber etwas stimmte nicht mit dem Papier. Ich rieb es zwischen den Fingern.

»Nehmen wir mit aufs Revier. Vermutlich eine Fälschung«, entgegnete ich.

Stein steckte den Ausweis in einen Umschlag der Polizei.

»Ist konfisziert«, sagte ich zu ihr. »Sie fahren mit zur Überprüfung aufs Revier, gehen Sie vor die Tür zu den Kollegen.«

»Aber ich bin schon neunzehn und habe einen Ausweis. Was soll das?«, rief sie aufgebracht und schaute zu ihrer Freundin, die sie ängstlich ansah.

Michaela Ellerbeck wirkte lolitahaft, wie sie ihren Rücken durchdrückte und den Kopf verdrehte. Posen, die sie reizend aussehen lassen sollten. Kokett. Reif. Verspielt. Sie war kleiner als ich, trotz hoher Schuhe. Hatte langes braunes Haar, das sie in Wellen trug. Sie hatte etwas Apartes und zugleich Kindliches an sich.

Fred führte sie und ihre Freundin unter Protest nach draußen. Ich sah ihr hinterher, wie sie auf ihren weißen Schuhen mit dem Keilabsatz widerwillig folgte, in ihrem Goldlamékleid, ein Minikleid, das nicht billig war. Das war nicht von C&A, sondern teure Boutiqueware. Düsseldorfer Schick. Mittlerweile hatte ich einen Blick dafür entwickelt.

Ich ging vor die Tür, die Hände in den Manteltaschen, denn es waren wieder Temperaturen um den Gefrierpunkt. Vor dem Etablissement hatte sich eine kleine Horde junger Leute versammelt, die denen, die in die Minna einstiegen, zuriefen: »Lasst euch nicht unterkriegen!«

Lilli verfrachtete die zwei Mädchen, die sie auf der Toilette aufgegriffen hatte, in den Wagen. »Je länger ihr euch wehrt, umso länger dauert die ganze Überprüfung.«

»Bitte lassen Sie uns gehen, wir waren doch schon auf dem Nachhauseweg«, bettelten sie.

»Wer’s glaubt, wird selig. Und mein Vater ist der liebe Gott«, entgegnete Lilli. »Rein mit euch.« Während sie sprach, kamen Atemwolken aus ihrem Mund. »Verdammt kalt«, murmelte sie und nickte mir zu.

Ich stieg in die Minna ein und gab dem Fahrer ein Zeichen. Er startete den Motor. Drehte die Heizung auf. Wir ließen die aufgegriffenen Jugendlichen immer erst im kalten Wagen warten. Eine Viertelstunde. Die Kälte zermürbte sie, und wenn die Heizung endlich anging, waren sie stets auf merkwürdige Weise erleichtert, dass wir zur Wache fuhren, der Abend bald ein Ende fand und sie nach Hause durften. Ich sah mich um.

»Wir fahren zur Wache, dort werden Ihre Personalien überprüft. Ihre Eltern werden über den Vorfall in Kenntnis gesetzt.«

Ich blickte in die Gesichter der jungen Mädchen, denen die Enttäuschung und die Angst ins Gesicht geschrieben standen. Mit ihren roten Nasen drängten sie sich wie junge Enten aneinander und wärmten sich gegenseitig. Michaela saß direkt hinter mir, neben ihrer Freundin von eben. Aufrecht, den Kopf hoch oben tragend, und tat, als friere sie nicht. Sie hatte etwas Widerspenstiges und Bockiges an sich und sah mich mit einem spöttischen Blick an.

»Warten Sie nur, mein Vater ist gut bekannt mit dem Polizeidirektor. Sie werden sich noch wundern«, sagte sie und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht.

Im Gegenteil. Du wirst dich wundern, Schätzchen, wenn wir herausfinden, dass dein Ausweis gefälscht ist.

»Fahren wir los«, sagte ich zu dem Fahrer, und er fuhr an, während draußen die Meute aus Protest pfiff und johlte.

Eine Stunde später war Michaela Ellerbeck als Einzige übrig und saß im Befragungszimmer. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich während der ganzen Zeit nicht verändert und blieb die stoische Fassade eines bockigen Kindes. Die anderen Mädchen waren längst abgefertigt und nach Hause eskortiert worden. Zu den Eltern zurückgebracht.

Lilli und ich setzten uns zu ihr. Ich legte ihr den Ausweis auf den Tisch.

»Fräulein Ellerbeck, woher haben Sie diesen Ausweis?«, fragte ich.

»Na, vom Amt«, erwiderte sie.

»Leider nein. Der ist nicht vom Amt.«

»Nicht?«

Sie stellte sich doof. Aber das würde sie nicht weit bringen.

»Wie viel haben Sie dafür bezahlt?«

»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«

»Da kann ich helfen. Sie sind ziemlich sicher minderjährig und waren mit einem gefälschten Ausweis ohne Begleitung eines Erwachsenen nach zweiundzwanzig Uhr in einem Tanzlokal, was gegen das Jugendschutzgesetz verstößt. Darüber müssen wir Ihre Eltern unterrichten.«

»Meine Eltern? Tun Sie das doch!«, rief sie. »Aber lassen Sie mich damit in Ruhe.«

»Damit nicht genug. Das ist Urkundenfälschung. Sie haben sich eine billige Fälschung andrehen lassen. Was haben Sie dafür bezahlt? Und wo haben den Ausweis her?«

Michaela verschränkte die Arme vor der Brust und zog ein mürrisches Gesicht. Da war nichts herauszuholen. Sie würde es mir nicht verraten.

»Nun, dann führen wir das Gespräch an der Stelle mit Ihren Eltern fort«, erklärte ich.

Michaela Ellerbeck sah auf ihre schmale Armbanduhr, die teuer aussah. »Wenn Sie Glück haben, sind die zu Hause«, sagte sie in besserwisserischem Tonfall und stand abrupt auf. »Gehen wir?«, fragte sie fordernd. »Ich bin müde und möchte jetzt gehen.«

Mit dir werden wir noch Spaß haben, Schätzchen.

Ich fuhr mit einem Polizisten und der minderjährigen Michaela Ellerbeck zu ihrem Elternhaus. Sie und ihre Eltern wohnten im Norden, im Stadtteil Rath, nicht gerade das Villenviertel, wo Häuser mit herrschaftlichen, verwinkelten Fassaden im Laternenlicht groß und mächtig wirkten. Aber zwischen den einfacheren Wohnhäusern entlang der Reichswaldallee blitzten doch ein paar Gründerzeitvillen auf, mit dichten Hecken, auf denen der Schnee aufgetürmt lag, mit schmiedeeisernen schwarzen Gattern an beleuchteten Auffahrten, wo in großen Fenstern Lampen mit weißen Stoffschirmen standen und ein warmes Licht verbreiteten. In einem dieser Schmuckstücke lebten die Ellerbecks. Wir parkten den Dienstkäfer auf dem Gehweg, in einer Schneelücke. Niemand wusste in diesem Winter, wo er die überall zu Bergen aufgetürmten Schneemassen lassen sollte.

Wir hatten Glück. Michaelas Vater, Theo Ellerbeck, war in der Tat zu Hause. Er reagierte auf die Türklingel und sprach mit uns über die Gegensprechanlage. »Kommen Sie bitte herein«, bat er höflich.

Das Tor öffnete sich mit einem mechanischen Klicken. Michaela schritt voraus. Behäbig und widerwillig, als führten wir sie in einen Kerker. Schneeflocken rieselten vom Himmel und blieben auf der freigeschaufelten Auffahrt der Garage liegen. Theo Ellerbeck stand im hellen Licht des Hauseingangs und sah aus wie ein englischer Lord, in seiner grauen Stoffhose, dem Hemd, der Krawatte und der wollenen Strickjacke. Sein Gesicht war freundlich. Er lächelte Michaela an, die sich grußlos an ihm vorbeischob.

»Was ist passiert?«, fragte er mich.

Ich erklärte es ihm. Als ich den gefälschten Ausweis erwähnte, hob er eine Augenbraue und sah an mir vorbei, als lauerten Reporter zwischen den dunklen Tannen im Vorgarten.

»Bitte kommen Sie doch kurz herein«, sagte er und machte eine knappe einladende Geste.

Ich trat meine Schuhe an dem Fußabtreter ab und folgte ihm. Mein Kollege tat es mir gleich. Theo Ellerbeck führte uns in das angrenzende Wohnzimmer. Hier drin war es wohlig warm. Es roch nach Tabak und Holz. Mein erster Blick fiel auf den breiten Kamin, in dem ein knisterndes Feuer brannte. Funken stoben wie Glühwürmchen hervor und wurden am Kamingitter abgefangen. Auf dem Couchtisch standen ein fast leerer Cognacschwenker und eine eckige Flasche aus Kristallglas. Zudem ein Aschenbecher mit einem erkalteten Zigarillo.

»Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte er und deutete auf die große Sitzgruppe, auf der die gesamte Sitte Platz gefunden hätte.

»Danke, aber wir möchten Sie nicht länger als nötig aufhalten«, erwiderte ich und blieb stehen.

Michaela nahm, mit deutlichem Abstand zu ihrem Vater, auf dem Sofa Platz, schlug die Beine fest übereinander und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Etwas wenig Stoff bei den Temperaturen«, meinte er zu ihr und deutete auf das Goldlamé-Kleid.

»Mir gefällt’s«, murrte sie.

»Dass es schön ist, bezweifelt niemand«, entgegnete er. »Warst du allein dort?«, fragte er.

»Mit Helga«, erklärte sie schnell.

Er sah zu mir. »Kann ich den Ausweis einmal sehen?«

Ich reichte ihm den konfiszierten Ausweis. Er nahm ihn und beäugte ihn genau, drehte und wendete ihn. »Ich hätte die Fälschung nicht erkannt«, sagte er und gab ihn mir zurück. »Woran haben Sie es festgestellt?«

»Es ist das Papier«, erklärte ich.

Er gab ein wissendes »Ah« von sich und wandte sich Michaela zu. »Du hast dich zwei Jahre älter gemacht. Warum?«, fragte er in ruhigem Tonfall.

Sie wurde bockig. »Warum wohl?«, antwortete sie.

»Du bist siebzehn, in einem halben Jahr bereits achtzehn. Dann kannst du nach zweiundzwanzig Uhr ausgehen. Diese Sache hier wirft dich zurück. Wo hast du den her?«

Ich war erstaunt, wie gelassen er war. Er schrie sein Kind nicht an, und ich spürte auch keinen unterschwelligen Groll, der sich entladen würde, kaum dass wir zur Tür hinaus wären. Das hatten Lilli und ich schon oft erlebt. Mir taten die Jugendlichen leid, die nicht nur eine Standpauke zu erwarten hatten. Wir sahen oft Eltern, die in Morgenröcken mit müden Gesichtern um Fassung rangen, ihre Sprösslinge argwöhnisch ansahen, »Ich bin so enttäuscht von dir« zischten und uns mit drohenden Handbewegungen versicherten, dass dies ein Nachspiel haben würde. Aber hier war es anders.

Theo Ellerbeck faltete seine Hände zusammen. »Fräulein Specht, eigentlich weiß meine Tochter, wie die Rechtslage ist, und ich kenne ein solches Verhalten nicht von ihr. Ich bin daher erstaunt und würde das gerne morgen mit ihr besprechen. Unter vier Augen, wenn Sie erlauben. Jetzt, kurz vor Mitternacht, bringt das nichts mehr.«

»Natürlich«, versicherte ich ihm.

»Zu dem gefälschten Ausweis. Dieser Sache möchte ich nachgehen. Dazu werde ich morgen meinen Anwalt kontaktieren und mich dann auf dem Präsidium melden. Dass hier ein Vergehen vorliegt, ist ohne Zweifel. Es tut mir leid, dass Sie hierherfahren mussten, und ich danke Ihnen, dass Sie Michaela sicher nach Hause gebracht haben. Ich begleite Sie zur Tür.«

Er stand auf. Damit war das Gespräch beendet. Er war ein vollkommener Gentleman.

»Auf Wiedersehen«, sagte ich zu Michaela, und sie sah mich von unten an, ihr Blick eine merkwürdige Mischung aus Interesse und Ablehnung.

Da kommt noch was. Da ist noch nicht aller Tage Abend.

4

Samstag, 28.Februar 1970

Mieze und ich trafen uns am Samstagnachmittag im Café Kranzler auf der Kö, um die Altakte über den Fall meiner Mutter anzusehen. Die typische rot-weiße Markise war selbst im Winter herausgefahren und leuchtete von Weitem. Wir hatten Glück und ergatterten einen kleinen Tisch in der Nähe der Kuchentheke, bestellten ein Kännchen Kaffee und ein Stück Käsekuchen. Die Sahne sparten wir uns. Ich berichtete von meiner Nachtschicht und der vorwitzigen Michaela mit dem falschen Ausweis. Der Kaffee wurde zuerst gebracht. Mieze rührte mit dem Löffel in ihrer Tasse und erzählte von einem aktuellen Fall aus der Vermisstenabteilung, wo sie gerade arbeitete.

»Eine Sechsjährige. Beim Schlittenfahren verschwunden. In dem Gewusel fiel nicht auf, dass sie mit einem Mal weg war. Die Eltern suchten alles ab. Unterhalb des Bergs ist ein Flüsschen, und wir hatten eine schlimme Vermutung. Wir suchten alles ab, weil wir wussten, dass es zum Ertrinken nicht viel braucht. Aber sie war nicht dort.«

»Komm zum Punkt, Mieze«, sagte ich. »Das ist ja nicht auszuhalten.«

Sie lächelte. »Und weißt du, was das kleine Ding gemacht hat? Sie hat sich in ein parkendes Auto am Rande des Geländes gesetzt, weil ihr kalt war, und ist dort eingeschlafen. Auf der Rückbank. Der Fahrer hat es gar nicht bemerkt und fuhr mit ihr nach Hause. Erst in der Garage entdeckte er seinen schlafenden blinden Passagier.«

»Die Leute sollten anfangen, ihre Autos abzuschließen«, meinte ich tonlos und goss die Kondensmilch aus dem kleinen Silberkännchen in den Kaffee.

Mieze sah mich nachdenklich an. »Wollen wir starten?«

Ich schaute mich um, aber niemand nahm von uns Notiz. Die meisten Gäste legten eine Einkaufspause ein, stellten ihre Tüten und Taschen unter die runden Mahagonitische und plauderten. »Ich habe die Akte seit letztem Jahr nicht mehr angesehen«, sagte ich leise und legte sie auf den Tisch. »Aber jetzt wird es Zeit.«

»Wir gehen schrittweise vor«, sagte Mieze, klappte die Akte auf, überflog die Notiz der Staatsanwaltschaft zur Einstellung der Ermittlung und blätterte durch die Seiten. »Womit fangen wir an?«

Meine Mutter hätte gesagt: Mach das Unangenehmste immer zuerst. Dann haste das ausm Kopp.

»Mit dem Schlimmsten«, antwortete ich. »Dem Bericht der Rechtsmedizin.«

Der Dokumentation des Verbrechens an ihrem Körper. Mit den Zeugnissen der Gewalt. Der Rohheit. Mit den nicht zu leugnenden Fakten. Als meine Mutter starb, war ich zwölf Jahre alt gewesen. Sie war vor ihrem Angreifer geflüchtet, durch ein Gebüsch, auf die Straße gesprungen und von einem Laster überfahren worden. In meiner Vorstellung war sie zwar tot, aber merkwürdigerweise unversehrt, ihr Körper war so, wie ich ihn kannte. Wir hatten den gleichen Körperbau, die gleiche Form der Finger und Füße, die gleichen Nägel. Länglich. Schmal. Helle Haut. Dunklere Augenbrauen.

Mieze nahm die Fotos aus dem Umschlag. Schwarz-Weiß-Fotos. Ich war froh, dass es keine Farbfotos waren, denn das rückte sie aus der Realität heraus und machte sie künstlich, wie in einem Zeitungsartikel. Eine zweite Form von Realität. Eine Verfremdung. Mieze überflog den rechtsmedizinischen Bericht, ihre rot geschminkten Lippen bewegten sich dazu, ohne dass ein Laut aus ihrem Mund drang.

»Ganz sachlich die Fakten«, empfahl sie, wartete mein Nicken ab und legte los. »Vier Hämatome am Körper. Von Schlägen. Auf Brust, Nacken. Hals. Dann Stichwunden, aber nicht besonders tief. An Hals und Oberkörper. Fünf Stück. Die am Hals ist am tiefsten. Sie hat Kratzer an den Unterarmen und an den Beinen von den Zweigen des Gebüschs. Da sind Wunden an ihren Handinnenflächen und Knien, mit kleinen Steinen darin. Vermutlich ist sie gefallen und hat sich aufgestützt. Und eine Wunde im Gesicht, unterhalb des Auges, die stark geblutet hat.«

Ich sah Mieze fassungslos an. Hämatome? Stichwunden am Hals? Eine stark blutende Wunde im Gesicht, wiederholte mein Verstand.

Was erzählst du da?

»Mieze, da war kein Blut«, flüsterte ich und war mir meiner eigenen Erinnerung sehr sicher.

Mieze sah mich ernst an. Sie schob ein Foto zu mir und drehte es um die eigene Achse. Es war, als fiele die Welt wie in einem Kaleidoskop zusammen und als schöben sich die Teile zu etwas Neuem zusammen, zu einer neuen Realität, die nichts mit meiner Erinnerung zu tun hatte.

Ich starrte in das Gesicht meiner toten Mutter. Liegend. Auf dem Seziertisch der Rechtsmedizin. Mit geschlossenen Augen.

Die Kellnerin, eine ältere, hagere Frau mit schmalem schwarzem Rock und weißer Servierschürze, trat an unseren Tisch und servierte uns die bestellten Kuchenstücke. Sie sah dabei beiläufig auf die Fotos. Mieze bemerkte es und schob den Aktendeckel darüber. Der Kellnerin wich die Farbe aus dem Gesicht, und sie fasste sich mit den Fingern an den Kragen ihrer Bluse.

»Heilige Maria Mutter Gottes«, stieß sie hervor.

»Die kann uns jetzt auch nicht mehr helfen«, konterte Mieze, und die Kellnerin verschwand.

Ich zog das Foto unter dem Aktendeckel hervor und betrachtete es. Es war wie von Mieze beschrieben. Da war Blut, eine Wunde unterhalb des linken Auges, die Stiche an Hals und Oberkörper. Die Hämatome.

»Du hast sie anders in Erinnerung. Woran erinnerst du dich?«, fragte Mieze.

Ich nahm die Kuchengabel wie einen Taktstock in die Hand und dirigierte damit meine Gedanken. »In meiner Erinnerung kam sie aus dem Gebüsch geflüchtet. Ihre Haare hatten sich gelöst, waren wild durcheinander. Aber da war kein Blut. Ihr Gesicht war gehetzt, verzerrt, aber sie wirkte entschieden. Als sei sie sich sicher, dass sie ihrem Peiniger entronnen sei.«

Mieze beugte sich mir entgegen und legte ihre Hand auf meinen Unterarm. »Lucia, sie hätte es auch nicht geschafft, wenn sie den Laster gesehen hätte. Einer der Messerstiche hat ihre Halsschlagader getroffen. Dass sie es überhaupt durch das Gebüsch auf die Straße geschafft hat, grenzt an ein Wunder.«

Ich senkte die Stimme. »So hat sie in meiner Erinnerung nie ausgesehen. Nicht eine Sekunde lang.« Meine Hand zitterte, als ich die Kaffeetasse anhob und zum Mund führen wollte.

»Sollen wir aufhören?«, fragte Mieze.

Ich nippte an dem Kaffee. Dachte nach. Stellte die Tasse wieder ab. »Wir machen weiter. Jetzt gibt es kein Zurück.«

Mieze rückte mit ihrem Stuhl zu mir heran. »Gut. Du willst wissen, was passiert ist, und du hast alles Recht dazu. Mir ist etwas aufgefallen«, sagte sie. »Aber der Reihe nach. Gehen wir die Akte schrittweise durch.«

Wir saßen nebeneinander, zwei Kriminalistinnen, die sich eine alte Fallakte ansahen und nach Ermittlungsansätzen durchsuchten, die vorher nicht bedacht worden waren. Wir suchten nach einem losen roten Faden, dünn und unscheinbar, der zwischen den Leichenfotos, Zeugenaussagen und Berichten hervorlugte, wenige Millimeter lang, den wir nur mit spitzen Fingern herausziehen müssten, um die Sache aufzulösen. Aber so einfach war es nicht.

In dem Moment hörte ich jemand meinen Namen rufen.

»Lucia Specht! Lucia Specht!«, rief eine helle Stimme, und wir beide sahen uns verdattert an. Ein livrierter Junge lief mit einer kleinen Tafel herum, auf der mit weißer Kreide mein Name stand, unter einem gemalten Telefon.

So was gibt’s noch?

Mieze hob die Hand. »Schrei nicht so rum, wir sind ja nicht taub.«

»Fräulein Specht? Ein Telefonat für Sie. Es ist dringend.«

Mieze deutete mit dem Kinn auf mich. »Geh schon, Lucia, ich passe auf deine Sachen auf.«

Ich stand auf, und für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen. Der Junge ließ die Tafel sinken und lief in schnellem Schritt los, und ich folgte ihm auf meinen hohen Schuhen. Er führte mich zu einer Telefonkabine, die innen hellbraun getäfelt war, mit einer kleinen Schirmlampe über dem schwarzen Telefon, das an der Wand hing. Der Hörer lag obenauf. Ich betrat die Kabine, und der Junge zog die Tür hinter mir zu. Mein Herzschlag hatte sich gefühlt verdoppelt. Ich hielt mir den Hörer ans Ohr. Er war kalt.

»Specht?«

Ich war auf alles gefasst. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wer wusste, dass ich hier war, und mich ausrufen ließ. War Papa etwas zugestoßen?

»Warum dauert das so lange?«, hörte ich eine Frauenstimme am anderen Ende.

»Wer ist …«, begann ich, aber weiter kam ich nicht.

»Du musst sofort aufs Präsidium kommen, Lucia.«

Es war meine Kollegin Ruth. »Ruth? Was ist passiert? Warum lässt du mich in einem Café ausrufen? Woher wusstest du überhaupt, wo ich bin?«

»Ach, Süße, du hast es mir doch selbst erzählt. Und ich bin nicht doof. Du musst schnell kommen. Vor einer Stunde wurde Theo Ellerbeck vor seinem Haus auf offener Straße erschossen. Menden will, dass du dazukommst.«

»Aber warum? Ich bin bei der Sitte, nicht bei der Mordkommission.«

Für einen winzigen Moment war Stille in der Leitung.

Moment mal. Theo Ellerbeck? Der Mann, dem ich gestern Abend seine Tochter zurückgebracht habe?

»Was?«, rief ich. »Der wurde ermordet? Das kann doch nicht sein.«

Ruth lachte heiser. »Doch. Du musst kommen. Der Streifenwagen steht vor der Tür. Beeil dich. Die Tochter will nur mit einer einzigen Person sprechen. Und das bist du.«

Der Streifenwagen passierte die Straßensperre, und wir näherten uns in Schrittgeschwindigkeit dem Anwesen der Ellerbecks. Der VW-Bus der Spurensicherung stand schräg auf der Fahrbahn und verdeckte uns die Sicht auf die Auffahrt zur Villa. Ich erkannte alles sofort wieder, und trotzdem war alles anders.

»Weiter geht’s nicht«, sagte der Polizist, der mich gefahren hatte, und hielt an.

Ich stieg aus dem Wagen und ging auf den weißen VW-Bus zu, streckte den zwei Streifenpolizisten meine Dienstmarke entgegen. Sie nickten und ließen mich passieren. Mein Blick huschte über die Szenerie. Da stand Menden, der neue Leiter der Mord. Arthur Menden war neununddreißig Jahre alt. Ein Mann wie ein Bär. Groß. Massig. Breitschultrig, mit kräftigen großen Händen, in denen Kugelschreiber wie Mikadostäbchen aussahen, wenig Haaren auf dem Kopf, einem dunklen Vollbart und einer Stimme, die klang, als könnte er damit Bäume umsägen. Menden stand zusammen mit Ruth und Albert Lenzian, dem großen, stillen Kollegen mit den kräftigen Augenbrauen, die ihm stets etwas Grollendes verliehen. Sie sprachen leise. Neben ihnen, zu ihren Füßen, lag der Tote.

Wieder jemand, der auf der Straße gestorben ist.

Theo Ellerbeck lag auf dem Gehsteig vor seinem Anwesen. Bäuchlings. Die Arme links und rechts von sich gestreckt, in seinem eigenen Blut, das sich unter ihm wie ein dunkler Teppich auf dem Schnee ausbreitete. Er trug einen braunen Kamelhaarmantel, der auf dem Rücken von Einschusslöchern durchlöchert war, die fast schwarz schimmerten. Die Ledersohlen seiner Halbschuhe zeigten zu mir. Sein Kopf lag zur Seite geneigt, ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Ein Kollege aus der Rechtsmedizin kniete und fotografierte den Leichnam. Der Blitz flammte auf. Nun sah ich auch, dass das Blut weit in die Schneehaufen am Straßenrand gespritzt war.

Ruth stellte sich neben mich. Sie hatte rote Wangen. »Theo Ellerbeck. Dreiundvierzig Jahre. Unternehmer und ziemlich reich, wie du an der Villa hinter uns unschwer erkennen kannst. Acht Schüsse in den Rücken. Der Täter war im Wald dort drüben. Tatzeit circa fünfzehn Uhr.« Sie deutete am ausgestreckten Arm auf die andere Straßenseite zu dem angrenzenden Waldgebiet, in dem uniformierte Polizisten gebückt herumliefen und nach Spuren suchten. »Eine Passantin hat die Polizei gerufen. Die Ehefrau war zum Einkaufen auf der Kö, als es passiert ist. Sie ist vor fünfzehn Minuten zurückgekommen und schreiend zusammengebrochen. Wird gerade drinnen ärztlich versorgt. Die Tochter war zur Tatzeit allein im Haus. Ob sie es mit angesehen hat, wissen wir nicht. Sie spricht nicht mit uns und fragt nach dir.«

»Das sieht aus wie eine Hinrichtung«, sagte ich mit Blick auf die Leiche.

»Die Frage ist nur, wofür? Was hat er getan? Sehr rätselhaft. Komm mit, Menden will mit dir sprechen.«

Menden gab mir seine große Hand, und sie umschloss meine vollständig. Seine Stimme war leicht heiser. »Hallo, Fräulein Specht, danke, dass Sie gekommen sind. Wir benötigen Ihre Mithilfe in dem Fall. Kollegin Bellroth hat Ihnen ein paar Eckdaten gegeben?«

»Ja, ich bin grob im Bilde.«

»Sie hatten gestern Kontakt zu dem Opfer?«

Ich erzählte ihm, was gestern passiert war, als wir Michaela hierhergebracht hatten.

»Wirkte Theo Ellerbeck ängstlich? Gehetzt? Nachdenklich? Nervös?«

»Nein, das komplette Gegenteil. Sehr entspannt. Er war auch zu seiner Tochter nicht laut oder verärgert, zumindest nicht in unserer Gegenwart.«

Menden verengte die Augen. »Ist das nicht merkwürdig? Dass ihn das so kaltlässt, ihn gar nicht aufregt? Wie wirkte die Tochter?«

»Schnippisch. Arrogant. Eher genervt. Wie geht es ihr jetzt?«

Menden sah mich einen Moment lang nachdenklich an. Kratzte mit zwei Fingern seinen Vollbart. »Tja, Michaela Eller-beck sitzt in ihrem Zimmer und spricht nicht. Sie will nur mit Ihnen sprechen und mit sonst niemandem. Gehen Sie behutsam vor. Versuchen Sie herauszufinden, wie die familiäre Situation ist. Ein Arzt ist im Haus, aber die Tochter verweigert die Behandlung. Lassen Sie sich Zeit. Ruth meinte, Sie seien gut darin, Menschen behutsam zu befragen.«

Ich betrat das Haus. Den Flur. Das Wohnzimmer. Im Kamin brannte kein Feuer mehr. Der Raum wirkte vertraut auf mich. Das Sofa, der Couchtisch. Die Cognacflasche und das Glas waren verschwunden, der Aschenbecher geleert. Die Kissen auf dem Sofa sorgfältig aufgestellt. Hier herrschte Ordnung.

Ein Polizist führte mich einen Stock höher zu einem Zimmer. Auf einem Stuhl davor saß ein Notarzt, er hatte die Füße von sich gestreckt und las in einem Buch. Als ich kam, sah er auf.

»Sie ist hier, in ihrem Zimmer«, erklärte er.