Jeder für sich und Gott gegen alle - Werner Herzog - E-Book

Jeder für sich und Gott gegen alle E-Book

Werner Herzog

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Beschreibung

Die Lebenserinnerungen des großen Filmemachers Werner Herzog. - "Jetzt schon ein Klassiker.“ Daniel Kothenschulte, Frankfurter Rundschau

Werner Herzogs lang erwartete Erinnerungen erzählen ein Jahrhundertleben, wie es nicht einmal in einen seiner eigenen berühmten Filme passen würde. Ein immerzu hungriger Junge, mit der Mutter aus dem bombardierten München in ein bitterarmes Nest in den Alpen geflohen. Ein Jugendlicher, der ganz allein lostrampt und bald darauf im hintersten Ägypten im Fieberwahn auf den Tod wartet. Ein Liebender, ein Enthusiast, ein Getriebener: Ein Mann, der mitten im Dschungel leise auf den tobenden Klaus Kinski einredet, ein Mann, der weinend um seinen Freund Bruce Chatwin an dessen Sterbebett sitzt. Wüst und sanft, voller Lebensgier und Staunen über unsere Welt ist dieses Buch ein literarisches Ereignis.

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Das ist das Cover des Buches »Jeder für sich und Gott gegen alle« von Werner Herzog

Über das Buch

Zum 80. Geburtstag: die Lebenserinnerungen des großen Filmemachers Werner HerzogWerner Herzogs lang erwartete Erinnerungen erzählen ein Jahrhundertleben, wie es nicht einmal in einen seiner eigenen berühmten Filme passen würde. Ein immerzu hungriger Junge, mit der Mutter aus dem bombardierten München in ein bitterarmes Nest in den Alpen geflohen. Ein Jugendlicher, der ganz allein lostrampt und bald darauf im hintersten Ägypten im Fieberwahn auf den Tod wartet. Ein Liebender, ein Enthusiast, ein Getriebener: Ein Mann, der mitten im Dschungel leise auf den tobenden Klaus Kinski einredet, ein Mann, der weinend um seinen Freund Bruce Chatwin an dessen Sterbebett sitzt. Wüst und sanft, voller Lebensgier und Staunen über unsere Welt ist dieses Buch ein literarisches Ereignis.

Werner Herzog

Jeder für sich und Gott gegen alle

Erinnerungen

Hanser

Enkidu seufzte bitterlich und sagte:

»Gilgamesch, der Wachmann im Wald schläft nie.«

Gilgamesch antwortete: »Wo ist der Mann,

der zum Himmel emporklimmen kann?«

Vorwort

Ursprünglich sollte mein Film Aguirre, der Zorn Gottes so enden: Das Floß der spanischen Eroberer hat bloß noch Tote an Bord, als es die Mündung des Amazonas erreicht, nur ein sprechender Papagei ist noch am Leben. Als die Flut des Atlantiks das Floß wieder in den gewaltigen Strom zurücktreibt, schreit der Papagei ohne Ende »Eldorado, Eldorado«. Erst beim Drehen fand ich eine viel schönere Lösung: Das Floß ist von Hunderten kleiner Affen überrannt, und Aguirre fantasiert ihnen etwas von seinem neuen Weltreich vor. Jüngst stieß ich auf eine unverbürgte Darstellung vom Ende des historisch verbürgten Aguirre. Von allen verlassen, nachdem er seine eigene Tochter ermordet hat, damit sie seine Schande nicht sehen muss, befiehlt er seinem letzten Getreuen, ihn zu erschießen. Der legt mit seiner Muskete an und schießt Aguirre mitten in die Brust. »Das war nichts«, sagt Aguirre. Er befiehlt, noch einmal anzulegen. Der Getreue trifft ihn ins Herz. »Das sollte genügen«, sagt Aguirre und stürzt tot um.

Ich bin mir sicher, dass mit den Affen die schönste aller Alternativen den Film beendet, aber ich frage mich, wie viele Möglichkeiten, wie viele nicht gelebte Alternativen ich selbst ständig hatte, nicht nur bei der Erfindung von Geschichten, sondern im Leben selbst, ohne dass sie Wirklichkeit wurden, oder erst viele Jahre später.

Den Titel dieses Buches habe ich schon einmal für meinen Kaspar-Hauser-Film verwendet, aber fast niemand war in der Lage, ihn korrekt wiederzugeben. Ich mache hier einen zweiten Versuch. Möglich, dass er zu sehr nach mir als einem einsamen Einzelkämpfer klingt. Tatsache ist, dass ich fast immer Mitarbeiter um mich hatte, Familie, Frauen. Von ihnen allen, außer ganz wenigen, wird man in diesem Buch nichts erfahren. Sie alle waren ausnahmslos selbständig, stark, schön und intelligent. Ich wäre nur ein Schatten meiner selbst ohne sie.

Wohin hat einen, mich, das Schicksal verschlagen? Wie hat es dem Leben immer neue Wendungen gegeben? Vieles, sehe ich, ist aber auch konstant — eine Vision, die mich nie verlassen hat, und wie bei einem guten Soldaten auch das Gefühl für Pflicht, Loyalität, Courage. Ich wollte immer Außenposten halten, die von allen anderen schon fluchtartig verlassen worden sind. Wie viel war vorhersehbar? Von dem japanischen Soldaten Hiroo Onoda, der sich erst neunundzwanzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ergab, erfuhr ich, dass man bei abendlichem Licht eine Gewehrkugel, gezielt auf einen abgefeuert, wie ein Leuchtspurgeschoss erkennen kann. Man kann dann die Zukunft für einen Moment sehen.

Ich fand mich gerade mitten im Schreiben am Ende dieses Buches. Ich blickte hoch, weil ich vor dem Fenster etwas aufblitzen sah, etwas, was auf mich zuschoss, kupfern und hellgrün glänzend. Es war aber keine verirrte Feindkugel, sondern ein Kolibri. Ich entschloss mich in diesem Moment, nicht weiterzuschreiben. Der letzte Satz bricht einfach dort ab, wo ich gerade angekommen war.

1

Sterne, das Meer

Gegen Mittag endete das Weinen der Frauen. Einige hatten geschrien und sich an ihren Haaren gerissen. Als sie fort waren, ging ich hin. Es war ein kleiner Steinbau beim Friedhof, im Ort Chora Sfakion an der Südküste Kretas, nur ein paar Häuser auf den steilen Felsen verstreut. Ich war sechzehn Jahre alt. Eine Tür zu der winzigen Aussegnungshalle gab es nicht. Im Halbdunkel innen sah ich zwei Tote nebeneinander, so nahe, dass sie sich berührten. Es waren zwei Männer. Später erfuhr ich, dass sie sich in der Nacht gegenseitig getötet hatten; es gab in dieser abgelegenen, archaischen Gegend noch Blutrache. Ich erinnere mich nur an das Gesicht des Toten, der rechts lag. Es war bläulich wie Flieder und teilweise auch gelb. Auf den Nasenlöchern hatte er zwei sehr große Bäusche aus Watte, die von altem Blut getränkt waren. Eine Schrotladung hatte ihn in die Brust getroffen.

Bei Einbruch der Nacht fuhr ich aufs Meer hinaus. Ich arbeitete für ein paar Nächte auf einem Fischerboot; es mussten die wenigen Nächte um Neumond herum sein, wenn kein Mond schien. Ein Boot zog sechs Kähne, lampades, ins offene Meer hinaus, jeder mit nur einer Person bemannt. Dort wurden wir über einen Kilometer hinweg verteilt abgekoppelt und alleine gelassen. Die See war spiegelglatt, keine Wellen, das Wasser wie Öl. Dazu eine ungeheure Stille. Jeder Kahn hatte eine große Karbidlampe, die in die Tiefe des Meeres hineinleuchtete. Das Licht lockte Fische an und vor allem Tintenfische. Man angelte sie mit einer eigentümlichen Technik. Am Ende der Angelschnur war ein helles Stück Wachspapier befestigt, etwa in Form und Größe einer Zigarette. Das lockte die Tintenfische an, sie umfassten ihre vermeintliche Beute mit ihren Saugarmen. Damit sie sich besser festhalten konnten, war am Ende des leuchtenden Köders ein Kranz mit Drahtborsten befestigt. Man musste genau wissen, wie tief der Köder ins Wasser gesunken war, denn in dem Moment, in dem die Kalmare aus dem Wasser gehoben wurden, ließen sie sofort ihre Beute los und sich zurück ins Meer fallen. Die letzte Armlänge Leine musste man so beschleunigen, dass die Tintenfische mit einem Schwung im Kahn landeten.

Die ersten Stunden der Nacht wurden in reglosem Warten verbracht, bis irgendwann der künstliche Mond der Lampe seine Wirkung tat. Über mir war der Dom des Weltalls, Sterne wie zum Greifen, alles schaukelte mich sanft in einer Wiege der Unendlichkeit. Und unter mir, von der Karbidlampe hell erleuchtet, war die Tiefe des Ozeans, als setzte sich die Kuppel des Firmaments mit ihm zu einer Sphäre zusammen. Anstelle von Sternen waren dort überall silbern blitzende kleine Fische. Eingebettet in ein Weltall ohnegleichen, oben, unten, überall, in dem es allen Geräuschen den Atem verschlagen hatte, fand ich mich selbst auf einmal in einem unfassbaren Staunen wieder. Ich war mir sicher, dass ich hier und jetzt alles wusste. Mein Schicksal war mir offenkundig. Und ich wusste auch, dass es nach so einer Nacht kaum möglich sein würde, jemals älter zu werden. Ich war mir völlig sicher, ich würde mein achtzehntes Lebensjahr nicht erreichen, weil es, von solcher Gnade erleuchtet, niemals wieder gewöhnliche Zeit für mich geben konnte.

2

El Alamein

Vor einiger Zeit fand ich in Unterlagen eine Postkarte meiner Mutter, datiert auf den 6. September 1942, mit Bleistift geschrieben. Die Briefmarke mit dem Portrait von Adolf Hitler ist bereits mit aufgedruckt. Der Stempel ist klar erkennbar: München, Hauptstadt der Bewegung. Die Karte ist adressiert an Herrn Prof. Dr. R. Herzog u. Fam. in Großhesselohe vor München. An meinen Großvater Rudolf Herzog also, den Patriarchen der Familie. Meinen Vater benachrichtigte meine Mutter offensichtlich nicht.

»Lieber Vater«, schreibt sie an meinen Großvater. »Ich teile Dir mit, dass ich gestern Abend einen Sohn geboren habe. Er soll den Namen Werner tragen. Mit schönen Grüßen, Liesel.« Mein Name, Werner, war ein Akt der Auflehnung gegen meinen Vater, der für mich den Namen Eberhard bestimmt hatte. Mein Vater war zum Zeitpunkt meiner Geburt als Soldat in Frankreich, nicht etwa an irgendeiner Front, sondern, weil er sich zu drücken verstand, in der Etappe, wo der Nachschub verteilt wurde, vor allem die Nahrungsmittel. Gezeugt hatte er mich während seines letzten Urlaubs vom Kriegsgeschehen kurz nach Neujahr. Meine Mutter fand später heraus, dass er die erste Hälfte seines Urlaubs von zehn Tagen zuvor bei einer Geliebten verbracht hatte und erst danach bei ihr auftauchte.

Ich wurde geboren genau vor dem entscheidenden Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Im Osten versuchte die deutsche Wehrmacht Stalingrad einzunehmen, was innerhalb weniger Monaten zur katastrophalen deutschen Niederlage im Osten führen sollte, und in Nordafrika versuchte der deutsche General Rommel bis El Alamein vorzustoßen, was bald zu einem ähnlichen Debakel für das sogenannte Tausendjährige Reich führen würde. Später in meinem Leben, als ich dreiundzwanzig Jahre alt war und die USA Hals über Kopf verließ, weil ich meinen Visa-Status verletzt hatte und nach Deutschland ausgewiesen worden wäre, floh ich nach Mexiko, wo ich irgendwie Geld verdienen musste, um zu überleben. Ich arbeitete bei Charriadas, der mexikanischen Form des Rodeos, als eine Art Clown in der Arena, ritt auf jungen Stieren, obwohl ich zuvor noch nie auch nur auf einem Pferd gesessen hatte. Ich trat unter dem Künstlernamen El Alamein auf, weil niemand meinen Namen richtig aussprechen konnte und man mich der Einfachheit halber El Aleman nannte, der Deutsche. Ich aber bestand auf El Alamein, weil ich doch zum Ergötzen des Publikums bei jedem Auftritt schwer gebeutelt wurde, in stiller Erinnerung an die deutsche Niederlage in der Wüste Nordafrikas. Jeden Samstag konnte man diese Niederlage erneut bestaunen, besser gesagt die Verletzungen, die ich mir unweigerlich zuzog.

Nur zwei Wochen nach meiner Geburt wurde die Hauptstadt der Bewegung, München, von einem der frühen Luftangriffe getroffen. Meine Mutter lebte in einem kleinen Dachatelier mitten in der Stadt, in der Elisabethstraße 3. Dreizehn Jahre später würden wir in eine Pension im selben Haus ziehen, nur ein Stockwerk tiefer, wo ich dann den Wüterich Klaus Kinski bei seinen Tobsuchtsanfällen kennenlernte. 1942 aber, noch vor meiner Erinnerung, wurden ringsum viele Gebäude dem Erdboden gleichgemacht, und auch das Haus, in dem ich gerade zu leben begonnen hatte, wurde stark beschädigt. Meine Mutter fand mich in meiner Wiege, bedeckt von einer dicken Schicht von Glasscherben, Ziegeln und Schutt. Ich war völlig unverletzt geblieben, meine Mutter aber, in ihrem Schrecken, nahm meinen älteren Bruder Tilbert und mich und verließ die Stadt und floh in die Berge nach Sachrang, dem abgelegensten aller Orte in Bayern, in einem schmalen Tal direkt an der Grenze zu Österreich gelegen. Dort wuchs ich auf. Meine Mutter kannte dort ein paar Menschen und fand durch sie eine Bleibe auf dem außerhalb des Dorfs gelegenen Bergerhof — nicht auf dem Hof selbst, sondern im sogenannten Austragshäuschen, einem winzigen daneben gelegenen Bau, in dem nach bayerischer Sitte das alte Bauernpaar sein Auskommen findet, nachdem es den Hof an den ältesten Sohn übergeben hat. Wir bewohnten das Untergeschoss, über uns war eine Flüchtlingsfamilie aus dem norddeutschen Hameln einquartiert.

Von meinem Vater und seiner Familie werde ich noch erzählen. Zuerst aber zur Familie meiner Mutter, den Stipetićs, die aus Kroatien stammten, ursprünglich aus dem dalmatinischen Split, und später nach Zagreb umgesiedelt waren, zu einer Zeit, in der die Stadt noch Agram hieß. Meine Vorfahren dort waren im 19. Jahrhundert hohe Verwaltungsbeamte und Militärs und mein Großvater ein Major im habsburgischen Generalstab, den ich aber nie kennenlernte, weil er bereits starb, als meine Mutter erst achtzehn Jahre alt war. Ihren Erzählungen nach hatte er einen Hang zum surrealen Witz, zum Absurden. Zwei Jahre lang war er in Üsküp stationiert, dem heutigen Skopje, und trug dort die gesamte Zeit über immer nur einen Handschuh. Später, im Kaffeehaus in Wien, zog er vor dem Ober seine Offiziershandschuhe aus und hatte zum Erstaunen aller eine tief braungebrannte und eine schneeweiße Hand. Wie in rebellischer Auflehnung spielte er in voller Galauniform mit Straßenjungen Murmeln und tat sich mit bizarren, unmilitärischen Taten hervor. Dieser kroatische Teil meiner Familie war nationalistisch gesinnt, wollte die Unabhängigkeit Kroatiens von der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Diese Bestrebungen mündeten später in den Faschismus. Mit Unterstützung Hitlers übernahm in Kroatien ein Poglavnik, ein Führer, die Macht für drei Jahre, und erst bei Kriegsende war Schluss mit dem Spuk.

Meine Großmutter war eine Bürgerliche aus Wien, zu der meine Mutter nie ein inniges Verhältnis hatte, weil sie sich ihr Leben lang nicht für das Bürgertum erwärmen konnte. Ich kannte die Großmutter nur von wenigen Besuchen her, und in meiner Erinnerung ist nur lebendig, wie ich sie, ihrem Tod bereits nahe, mit meiner Mutter in einem Pflegeheim besuchte. Die Großmutter war verwirrt und bat mich um ein Glas Wasser, das ich am Waschbecken für sie füllte. »Eine Delikatesse«, wiederholte sie immer wieder, nahm kleine Schlucke, dankte mir immer wieder für die so außerordentliche Delikatesse.

Lotte, die jüngere Schwester meiner Mutter, geriet nach dieser österreichischen Großmutter und hatte daher wenig innere Nähe zu meiner Mutter. Lotte war eine durchaus warmherzige Frau mit zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter. Der Sohn, mein Cousin, ein paar Jahre älter als ich, mit dem ich mich gut verstand, spielte eine Rolle in einem dramatischen Moment meines Lebens, als ich mit dreiundzwanzig das erste Mal aus den USA zurück nach Deutschland kam. Meine erste große Liebe war dort zu Hause geblieben, aber zu dem Zeitpunkt war unser Verhältnis schon lange problematisch, weil ich in diesen Jahren eine rasante Entwicklung nahm, die ihr fremd war. Ich hatte sie kennengelernt, als ich im Betrieb ihrer Eltern, einer kleinen Metallfabrik, in Nachtschicht als Punktschweißer arbeitete. Damit hatte ich bereits in meiner Zeit auf dem Gymnasium angefangen, weil ich Geld für meine ersten Filmproduktionen brauchte. Vielleicht aus Verunsicherung, weil ich ihr bei meiner Abreise keine Verlobung angetragen hatte, heiratete sie während meiner Zeit in den USA meinen Cousin, ohne es mich wissen zu lassen. Bei meiner Rückkehr kam sie gerade erst von ihrer Hochzeitsreise zurück und brannte dennoch mit mir für ein paar Tage durch, aber weder sie noch ich hatten es in uns, das Geschehen zu wenden. Weil sie nicht direkt zu ihrem Mann, meinem Cousin, zurückwollte, brachte ich sie zu ihren Eltern, die mich mit ihren vier Söhnen erwarteten. Vielleicht waren es auch nur drei, meine Erinnerung bauscht sie zu einer echten Übermacht auf. Ich wollte meine Geliebte nicht einfach vor der elterlichen Haustür abladen, ich war bereit, mich zu stellen. Ihre Brüder, kraftstrotzende bayerische Rohlinge, die alle Eishockey spielten, hatten die Drohung ausgesprochen, mich beim ersten Auftauchen umzubringen. Ihre Eltern stießen zu Recht ähnliche Drohungen aus. Ich aber fürchtete mich nicht und betrat ihr Haus. Mit meinem Cousin hatte ich am Tag zuvor eine merkwürdige Begegnung gehabt, meine Geliebte zwischen uns beiden Männern hin- und hergerissen. Ich bin mir noch heute sicher, dass es keine Handgreiflichkeiten gab, nicht die geringste Berührung, aber ich hatte danach dennoch ein geschwollenes Jochbein wie von einem heftigen Schlag. Erst vier Jahrzehnte später hatte ich bei einem Familiengeburtstag ein flüchtiges Treffen mit ihm, aber wir kamen uns nie wieder näher, obwohl wir es beide wollten.

Meine Geliebte bis zu dieser ersten Reise von mir in die USA stand später wie unter einem Fluch, zog das Unglück immer wieder an. Sie hatte zwei Kinder mit meinem Cousin, aber die Ehe ging in die Brüche. Auch weitere Verbindungen von ihr zu anderen Männern endeten unglücklich. Sie stürzte sich schließlich von der Großhesseloher Brücke hinab in den Tod. Auf alten Fotos von ihr und mir sehen wir stets vollkommen unbeschwert aus, von einer Leichtigkeit getragen, hinter der das kommende Unheil nicht zu ahnen war. Mich bedrückt noch heute, dass ich sie in meiner Zeit in den USA schon irgendwie verlassen hatte, ohne den Mut aufzubringen, offen mit ihr zu sein. Frauen waren in meinem Leben oft mit Dramen verbunden, was wohl daher kam, dass immer tiefe Gefühle eine Rolle spielten. Aber das grandiose Mysterium und die Agonie der Liebe habe ich nie ganz verstanden. Ich hatte einfach fast nie oberflächliche Beziehungen. Der Dämon der Liebe hat mich vor sich hergetrieben, aber ohne Frauen wäre mein Leben ein Nichts gewesen. Manchmal stelle ich mir eine Welt vor, in der es keine Frauen gibt, nur Männer. Eine solche Welt wäre unerträglich, armselig, von einer Leere in die nächste taumelnd. Aber ich hatte auch viel Glück, vermutlich mehr, als ich verdient habe.

Meine Familie väterlicherseits bestand aus Akademikern. Ihre Wurzeln liegen im Schwäbischen, aber ein Zweig der Familie waren Hugenotten mit Namen de Neufville, die vermutlich Ende des 17. Jahrhunderts als französische Protestanten vor der Verfolgung nach Frankfurt geflohen waren. Mein weiter reichender Stammbaum hat mich nie sonderlich interessiert, aber ich erinnere mich, dass mein Vater Forschungen betrieb, denen zufolge wir mit dem Mathematiker Gauß sowie mit diversen anderen historischen Berühmtheiten und letztlich sogar mit Karl dem Großen verwandt sein sollten, doch gilt das statistisch gesehen vermutlich für die meisten Deutschen und Franzosen. In Wahrheit ging es meinem Vater mehr darum, uns Bedeutung zuzumessen, die wir aber nicht hatten. Einen meiner Halbbrüder, Ortwin, den ich kaum kenne und der sich in der Welt herumtrieb und für ein halb betrügerisches Branchenadressbuch arbeitete, trug mein Vater als Forschungsreisender in den Stammbaum ein, als handle es sich bei ihm um einen neuen Alexander von Humboldt. Der ältere dieser beiden Halbbrüder, Markwart, den ich etwas besser kenne — allerdings waren beide fürs Leben gezeichnet, weil sie anders als ich das Unglück hatten, bei meinem Vater aufzuwachsen —, ist der Einzige von uns Geschwistern, der ein Studium abschloss. Er studierte katholische Theologie und schrieb seine Doktorarbeit über religionsphilosophische Deutungen der angeblichen Höllenfahrt Christi.

Ella, meine Großmutter väterlicherseits, eine große, stattliche Frau, die allein durch ihre Charakterstärke immer mehr in die Rolle eines Oberhaupts des gesamten Familienclans hineinwuchs, erlaubte mir einen tiefen Einblick in die Geschichte meiner Familie, oder besser gesagt, einen Tunnelblick, ein Bohrloch in die Tiefe des Lebens von lediglich zwei Personen, meiner Großmutter selbst und ihrer Großmutter, meiner Ururgroßmutter. Nur diese einzige Sonde in die Tiefe meines Stammbaums hat mich immer beschäftigt. Sie selbst schrieb Memoiren: »Meinen Kindern und Enkeln«, und darunter: »So, so, neugierig seid Ihr und wollt wissen, wie der Großvater die Großmutter nahm.« Darunter: »Weihnachten 1891.«

Die Erinnerungen meiner Ururgroßmutter gehen bis in das Jahr 1829 zurück. Sie wuchs in Ostpreußen auf. »Mein liebes Töchterchen«, schreibt sie, die Großmutter meiner Großmutter, »als ich Dir im Sommer meine Erlebnisse und Erinnerungen aus der alten Heimat brieflich mitteilte, schriebst Du mir, Du würdest Dich freuen, wenn ich einige Geschichten aus meiner Kindheit, die ich Euch mitgeteilt, aufschreiben würde. Meine erste selbstbewusste Erinnerung reicht bis in mein drittes Jahr zurück. Ich denke, es muss 1829 gewesen sein. Da sehe ich mich in Gedanken in unserem Wohnzimmer in Schloss Gilgenburg. Meine Mutter, deren Züge mir aber nicht im Gedächtnis geblieben sind, sitzt auf einem Fenstertritt, da die Fenster ziemlich hoch vom Boden waren, auf ihrem Stuhl vor ihrem Nähtisch mit einer Handarbeit beschäftigt; ich klettere mühsam auf den Tritt und auf den Stuhl; hinter der Mutter stehend suche ich nach Kinderweise ihr Haar zu ordnen und zu streicheln. Dann kommt wieder ein Tag, der mir wie heute vor Augen steht und den ich nie vergessen werde — da bin ich im Schlafzimmer der Mutter, es ist vormittags, sie hat das Bett verlassen und liegt auf dem Sofa, ich spiele neben ihr; es muss wohl noch jemand im Zimmer sein, denn ich höre sagen: ›Sie ist ohnmächtig geworden‹, und höre nach Leuten rufen, die kommen, sie aufheben und aufs Bett legen. Dann höre ich rufen: ›Eine Kohlenpfanne, die Füße zu erwärmen.‹ Es wurden die Füße gerieben und gewärmt, aber es war vergebens, sie wurden nicht mehr warm. — Es war, wie ich später hörte, der erste Tag, an dem sie das Bett verlassen hatte nach der Geburt eines Söhnchens. Das Brüderchen war tot, und ich erinnere mich, dass ich gerufen wurde, um es mir anzusehen.«

»In Vaters Besitzungen«, schreibt sie — sie muss damals etwa sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein —, »mit ihren großen Wäldern gab es zu damaliger Zeit auch noch viel wildes Getier. Wildschweine in großen Eichenwaldungen und auch noch ziemlich viel Wölfe. Manchmal, wenn wir abends durch den Wald fuhren, stutzten die Pferde, und wenn man sich umsah, funkelten im Gebüsch ein paar grünliche Augen. Jährlich wurde eine große Wolfsjagd abgehalten. Die Regierung hatte eine Belohnung für jeden Wolf ausgesetzt, der geschossen wurde. Solange es noch Wölfe gab, waren natürlich auch noch Junge vorhanden. Die Förster fanden zuweilen auf ihren Streifzügen durch den Wald ein Wolfslager mit Jungen. Gingen die Alten dann des Abends auf Nahrung aus, holten die Förster die Jungen, steckten sie in einen Sack, kamen zu uns und schütteten sie im Zimmer bei uns aus, wo wir Kinder dann vor Vergnügen herumhüpften und mit den Wölfen spielten und sie neckten, dass sie laut aufheulten. Das Ende war ihr Tod. Ohren und Klauen wurden auf ein Stück Pappe geheftet, und ging diese mit einer Beglaubigung an die Regierung ab, wurde die Prämie ausgezahlt. Die Wölfe waren so dreist, dass sie manchmal bis in die Gärten kamen und sich eine Gans holten oder auch dem Schäfer ein Schaf aus der Herde. Meine Ziege (mit der ich innig befreundet war) ereilte auch dieses Schicksal. Den Hirten gelang es noch, mit Geschrei und dem Hund den Wolf zu verjagen, aber dem armen Tier war die Gurgel schon durchgebissen. Da Pferde und Vieh im Sommer zur Nacht in den Grasgarten getrieben wurden, mussten auch Maßnahmen gegen die Wölfe getroffen werden. Wenn die Tiere abends vom Felde kamen, wurden sie mit einem übelriechenden Öl eingeschmiert, ich glaube, es wurde ›Franzosenöl‹ genannt, das den Wölfen sehr zuwider sein sollte. Dem Rindvieh am Kopf und zwischen den Hörnern, da sie sich bei der Verteidigung mit den Hinterteilen zusammenstellten und sich mit den Hörnern verteidigten. Den Pferden wurden Schwanz und Hinterteil eingeschmiert, da sie sich mit den Köpfen zusammenstellen und durch Ausschlagen der Hufe den Angriff der Wölfe abwehren. Trotzdem erinnere ich mich, dass ein Pferd des Morgens vorgeführt wurde, dem das Hinterteil ganz zerrissen und zerfetzt war, so dass es abgestochen werden musste …«

Den Bergerhof in Sachrang empfand ich genauso als mit Gefahren durchsetzte Idylle, bloß als eine, die die Katastrophen, die Verwerfungen und Flüchtlingsströme des Zweiten Weltkriegs erzwungen hatten. Noch bevor ich selbst in die Schule kam, erinnere ich mich, hüteten mein älterer Bruder Till und ich die Kühe des Lang’schen Bauernhofs. Wir kleinen Kinder waren mit dem Bauernsohn Eckart befreundet, der bei uns nur der Butter hieß, weil ihn sein ihn dauernd brutal verprügelnder Vater den Rahm zu Butter schlagen ließ. Das Kühehüten brachte uns das erste selbstverdiente Geld, es war fast nichts, aber es bestärkte uns in unserem Gefühl der Selbständigkeit. Möglich, dass wir sogar noch früher Geld verdienten, als wir, im selben Alter, mit einem Haflingerpferd Bier und Limo hinauf auf den Geigelstein brachten. Links war ein Tragerl Bier und rechts ein Tragerl Limonade auf dem Rücken des Pferdes festgezurrt, und wir stiegen den weiten Weg fast im Laufschritt hoch bis auf den Oberkaser, eine Alm oberhalb der bewirtschafteten Priener Hütte. Der Höhenunterschied von Sachrang aus ist wohl achthundert Meter, und wir waren barfuß, weil wir im Sommer keine Schuhe hatten. Schuhe gab es nur im Herbst und im Winter bis Ende April, und in den Monaten ohne r, Mai, Juni, Juli, August, hatten wir auch keine Unterwäsche unter den Lederhosen. Heute gibt es eine Straße den Berg hinauf, aber damals rannten wir auf einem steinigen Pfad hoch und schafften die Tour dennoch in einer Stunde und fünfzehn Minuten. Touristen brauchen heute dazu fast vier Stunden. Am Oberkaser lebte eine Familie von Sennern, unter ihnen eine junge Frau, die Mare. Sie blieb als Einzige das ganze Jahr über dort, und es hieß, sie wolle mit dem Tal und den Menschen da unten nichts mehr zu tun haben, seit sie sich unten einmal verliebt hatte und verlassen worden war. Im Alter von einem Jahr hatte ihr Vater sie in einen Rucksack gesteckt und den Berg hochgetragen. Seitdem lebte sie dort oben und war nach ihrer Jugend in sechzig Jahren nur ein einziges Mal im Tal, weil sie eine Unterschrift für, glaube ich, eine Pensionszahlung leisten musste. Vor wenigen Jahren, kurz bevor sie starb, traf ich sie dort oben zusammen mit meinem jüngeren Sohn Simon. Sie war schon über neunzig Jahre alt und struppig und verwildert, obwohl sich Leute um sie kümmerten. Junge Männer von der Bergwacht, die in direkter Nachbarschaft eine Hütte hatten, sahen fast jeden Tag nach ihr. Einer von ihnen kämmte sie ab und zu, und es tat ihr gut, dass ein junger, starker Mann ihr Haar richtete. Sie überlebte Sommer und Winter, Regen und Stürme. Nicht allzu lange vor meinem Besuch bei ihr war die gesamte Sennhütte unter einer riesigen Lawine vollständig begraben worden, und die Männer von der Bergwacht hatten einen mehrere Meter tiefen senkrechten Schacht gegraben, bis sie die Mare lebend aus der noch weitgehend intakten Steinhütte herauszogen. Als ich sie traf, war gerade von einem sie rührend versorgenden Mann eine neue Heizung in ihre neue Hütte eingebaut worden, die sich je nach Temperatur automatisch ein- und ausschaltete, weil die Mare einmal fast erfroren in ihrem Bett gefunden worden war, und ein anderes Mal hatte sie sich mit brennendem Reisig selbst in Brand gesteckt. Die für sie zuständigen Behörden in Aschau berieten eingehend, ob man sie in ein Pflegeheim bringen sollte, aber sie weigerte sich standhaft, und man entschied, dass sie dort sterben dürfe, wo sie immer ihre Heimat gehabt hatte. Die Mare erinnerte sich nur noch vage an die beiden Jungens, die siebzig Jahre zuvor immer wieder mit dem Haflinger zu ihr gekommen waren. Manchmal bei schlechtem Wetter hatten mein Bruder und ich dort oben am Berg im Heu geschlafen und waren dann ganz früh am Morgen aufgebrochen, weil wir erst das Pferd zurückbrachten und unsere fünfzig Pfennige kassierten, ehe wir in die Schule liefen.

Weil der Weg auf die Hochalm scharfe Steine hatte, die man oft unter den Grasbüscheln nicht sah, waren unsere Füße immer aufgeschürft und blutig. Im Sommer, durstig geworden, drangen wir in den Stall der Schreck-Alm ein, und mein Bruder machte sich an eine Kuh heran, die er rasch melken wollte. Es war aber eine Jungkuh, die so heftig nach ihm trat, dass er rückwärts aus dem Stall geflogen kam. Von dieser Zeit in Sachrang her kann ich noch heute eine Kuh melken, und ich erkenne die anderen Menschen, die es können, so wie man manchmal einen Rechtsanwalt erkennt oder einen Metzger. Mein Wissen vom Melken kam mir viel später einmal bei Astronauten zu Hilfe, die zusammen die Crew eines Spaceshuttles gebildet hatten. Die Vorgeschichte dazu war meine Faszination für eine Mission zur Erforschung des Jupiter, welche ungeheuer schwierig und von Rückschlägen geprägt war. Die Raumsonde Galileo wurde 1989 nach vielen Verzögerungen und Planänderungen von einer Raumfähre aus tiefer ins All geschubst. Um die dazu nötige Geschwindigkeit zu erreichen, musste man die Sonde einmal um die Venus und zweimal um die Erde lenken, die Schwerkraft der beiden Planeten erzeugte einen Schleudereffekt. Dieses Unternehmen dauerte vierzehn Jahre, und am Ende der Mission, als die Sonde Galileo kaum noch über eigenen Treibstoff verfügte, entschloss sich die NASA2003, sie mit ihrer letzten eigenen Kraft aus der Umlaufbahn eines der Jupitermonde herauszulenken, um sie der Schwerkraft des Riesenplaneten preiszugeben. Man wollte den Jupitermond Europa, der von einer dicken Eisschicht überzogen ist und darunter vermutlich einen flüssigen Ozean und möglicherweise Formen von mikrobischem Leben enthält, nicht kontaminieren und ließ die Sonde Galileo darum in die Gase des Jupiter stürzen, wo sie als ultraheißes Plasma verglühte. Fast alle Wissenschaftler und Techniker, die an dem Unternehmen gearbeitet hatten, trafen sich zu diesem Sterben der Sonde im Mission Control Center im kalifornischen Pasadena, und ich hatte davon gehört. Ich wollte unbedingt dabei sein, weil ich wusste, dass viele der Beteiligten mit Champagner feiern würden, und viele, das sah ich voraus, würden trauern. Ich bekam keine Genehmigung, an dem Ereignis teilzunehmen, aber ich überkletterte den Maschendrahtzaun des Geländes, überwand jedoch die Wachmänner am Eingang in das Kontrollzentrum nicht. Ein Physiker, dem ich noch heute dankbar bin, erkannte mich, von den Sicherheitsleuten festgehalten, irgendwie und rief bei der Zentrale der NASA in Washington an. Dort waren durch reinen Zufall gerade die Entscheidungsträger in einer Sitzung, und der Chef der Behörde selbst wurde herausgerufen, weil ich versprochen hatte, ihn höchstens sechzig Sekunden zu belästigen. Ich hatte Glück. Er hatte einige meiner Filme gesehen und gab einfach nur die Order durch: »Lasst den Wahnsinnigen mit seiner Kamera hinein.« Mich beeindruckte an diesem Tag besonders, wie fast alle Beteiligten weinten, und dass sehr plötzlich, als man die Signale der Sonde noch gut empfangen konnte, auf einmal bekanntgegeben wurde, dieser Moment jetzt sei der Tod der Mission. Obwohl die Signale weiter hereinkamen, hatte man im Voraus gerechnet, weil die Sonde noch zweiundfünfzig Minuten lang Daten funkte. So lange waren die Signale der bereits Toten, der Verglühten, noch unterwegs, bis sie auf der Erde ankamen.

Das führte mich zu weiteren Nachforschungen. In einem Archiv fand ich wunderbare Filmaufnahmen auf 16-mm-Zelluloid, die die Astronauten während ihrer Arbeiten auf der Shuttle-Mission gedreht hatten. Ich vermute, es waren die einzigen Filmaufnahmen in diesem Format, die Filmrollen waren noch vom Kopierwerk in Plastik eingeschweißt, niemand hatte etwas daraus gemacht. Schon damals beim Start der Sonde 1989 hatte es natürlich Videoaufnahmen gegeben, und davor hat es möglicherweise 8-mm-Filme aus dem Weltall, aber bei dieser einen Crew gab es einen Astronauten, der sich für Film interessierte und Begabung hatte. Von ihm stammte das meiste Material, aber auch andere Crew-Mitglieder hatten gefilmt. Ich erwähne diesen Piloten, weil er Material von außergewöhnlicher Schönheit gedreht hatte, das mich tief beeindruckte. Er war Testpilot auf allen existierenden Flugzeugtypen der US-Luftwaffe und hatte als Kapitän auf einem Atom-U-Boot gedient.

Das Filmmaterial, wurde mir rasch klar, sollte zusammen mit Aufnahmen unter dem Eis der Antarktis das Rückgrat meines Science-Fiction-Films The Wild Blue Yonder bilden. Besser, die Aufnahmen sollten sich zu einer Story zusammensetzen, aus ihrer Eigendynamik heraus, fast wie von selbst. In der Geschichte sollten auch die Astronauten der Shuttle-Besatzung von damals auftauchen — sie waren ja inzwischen um sechzehn Jahre gealtert, aber laut meiner Story sollten sie mit so hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein, dass sich inzwischen auf der Erde 820 Jahre abgespielt hatten. Die Zeit war verzerrt. Sie kehren auf eine entvölkerte Erde zurück.

Es dauerte mehrere Monate, bis ich sie alle in Houston im Johnson Space Center treffen konnte. In einem großen Raum waren Stühle im Halbkreis aufgestellt, auf ihnen saßen die älter gewordenen Astronauten, als ich hineingeführt wurde. Ich wusste, dass sie alle hochqualifizierte Wissenschaftler waren, eine der beiden Astronautinnen war Biochemikerin, die andere Ärztin, einer der Männer einer der bedeutendsten Plasmaphysiker der USA — alles No-Nonsense-Professionelle. Als ich sie begrüßte, sank mir das Herz. Wie sollte ich diese Personen zu einer Darstellertätigkeit für einen wüst fantasierenden Science-Fiction-Film gewinnen? Ich erzählte ihnen knapp von meiner Herkunft aus den bayerischen Bergen und betrachtete dabei ihre Gesichter. Einer von ihnen, der Pilot, Michael McCulley, hatte klare, starke Züge, wie man sie aus Cowboyfilmen kennt. Ich sagte, eigentlich sei ich gar kein Geschöpf der Filmindustrie, sondern jemand, der in der Nachkriegszeit gelernt habe, Kühe zu melken. Noch heute ist mir in spätem Schrecken klar, wie ich mich um Kopf und Kragen hätte reden können, aber trotzdem erwähnte ich, dass ich durch meine Arbeit mit Darstellern und Gesichtern oft Dinge, die in Personen ruhen, erkennen könne. Ich sei etwa meistens in der Lage gewesen, Menschen zu erkennen, die Kühe melken könnten. Ich wandte mich an McCulley und sagte: »Sir, ich bin mir sicher, Sie können Kühe melken.« Der schrie auf, schlug sich auf die Schenkel, machte mit den Fäusten die Bewegungen des Melkens. Ja, aufgewachsen auf einer Farm in Tennessee, hatte McCulley das gelernt. Ich will mir gar nicht vorstellen, in welchen Abgrund der Peinlichkeit ich mich begeben hätte, hätte ich falschgelegen. Aber das Eis war gebrochen, und alle Astronauten, die auch auf dem 16-mm-Film zu sehen waren, nahmen als Darsteller an meinem Film teil, um 820 Jahre gealtert.

Wir Kinder in Sachrang lernten, Forellen mit bloßen Händen zu fangen. Forellen flüchten sich beim Auftauchen von Menschen unter Steine oder die überhängende Grasböschung des Ufers und verharren dort reglos. Fühlt man mit zwei Händen zugleich vorsichtig nach ihnen und packt dann entschlossen zu, kann man sie tatsächlich fangen. Oft, weil wir hungrig waren, fingen wir am Morgen auf dem Schulweg am Prienbach entlang ein oder zwei Forellen, setzten sie in einem flach gegrabenen Seitenbecken in Gefangenschaft und nahmen sie später auf dem Rückweg mit. Meine Mutter briet sie dann in der Pfanne. Ich erinnere mich, wie sie sich frisch getötet und ohne Kopf beim Braten krümmten. Manche, so sehe ich es vor Augen, hüpften sogar in der Pfanne. Unser Leben spielte sich fast ausschließlich im Freien ab, und unsere Mutter warf uns ohne Umstände jeden Nachmittag für vier Stunden aus dem Haus, auch im kältesten Winter. Bei Einbruch der Dunkelheit standen wir dann frierend vor der Haustüre, voll Schnee in den Kleidern. Genau um fünf Uhr ging die Türe auf, und unsere Mutter kehrte ohne jedes Zeremoniell den Schnee mit einem Reisigbesen von uns ab, ehe wir hineindurften. Sie hielt das Draußensein für gesund, und wir hatten eine herrliche Zeit, vor allem, weil es wie bei uns fast nirgends im Dorf Väter gab, alles war in einem Zustand der Anarchie im besten Sinne. Ich, allen voran, war heilfroh, dass wir keinen Feldwebel zu Hause hatten, der uns sagte, wie wir uns zu benehmen hätten.

Alles erfuhren wir ohne Anleitung.

Ich erinnere mich an ein totes Kalb, das vom benachbarten Sturmhof stammte und am Waldrand im Schnee lag. Mindestens sechs Füchse zerrten an dem Kadaver, und als ich hinging, flohen sie. Als mein Bruder um das tote Kalb herumlief, floh auf einmal ein Fuchs aus dem Inneren der Bauchhöhle ins Freie, duckte sich und sprang in geduckter Haltung davon. Füchse haben dieses Geduckte in ihrem Lauf, wenn sie überrascht werden. Als ich viel später, 1982, zu Fuß, immer genau der Grenze um Deutschland folgend, auf einem Waldweg ging, roch ich plötzlich vor mir, weil der Wind von dort zu mir hin wehte, ganz deutlich einen Fuchs, und als ich um eine scharfe Kurve bog, war er nahe vor mir, ahnungslos, ruhig schnürend. Ich holte ihn ganz leise gehend fast ein, da wandte er sich um und kauerte sich für einen Moment mit seinem hinteren Ende ganz tief, er schien zu horchen, ob sein stehengebliebenes Herz wieder zu schlagen beginne, und rannte erst dann davon, noch immer geduckt.

Nur im Herbst zur Brunftzeit der Hirsche musste man etwas vorsichtig sein. Ein Radfahrer wurde von einem wütenden Hirschen angefallen und flüchtete sich unter ein kleines Brückchen, wohin ihm der Wüterich folgte. Erst leere Konservendosen, die dort herumlagen und schepperten, vertrieben ihn. Es gab auch rätselhafte Begegnungen. Einmal, am helllichten Tage, mein Bruder ist Zeuge, war mit einem Mal der ganze Hang hinter unserem Häuschen voll von Wieseln, die alle in Richtung zum Bach hin rasten. Ich glaube nicht, das geträumt zu haben, obwohl das immer eine Erklärung sein kann. Wir hatten sonst allenfalls einmal ein einzelnes Wiesel gesehen, vielleicht auch zwei, damals aber müssen es viele Dutzend gewesen sein. Von Lemmingen kennt man diese Massenfluchten, nie in meinem Leben aber habe ich von so einem Verhalten bei Wieseln gehört. Einige von ihnen flohen zwischen die Stämme eines Holzstoßes, und ich wollte dort nachsuchen, aber ich fand keines von ihnen mehr. Die Umgebung war voller Rätsel. Auf dem Weg ins Dorf gab es auf der anderen Seite des Bachs einen Tannen-Hochwald, den Feenwald, den wir kaum je zu betreten wagten. In der Enge der Schlucht hinter dem Haus war ein Wasserfall, der eine Stufe hatte, bevor er in die Gumpe stürzte, die immer voll von eiskaltem, klaren Wasser war. Manchmal waren Baumriesen in dieses Wasserbecken gestürzt und gaben dem Ort etwas Urweltliches. Dort sah ich den Sturm Sepp, wie er sich splitternackt badete und mit einer Wurzelbürste den ganzen Körper abschrubbte. Er wirkte nicht wie ein menschliches Wesen, vielmehr wie ein alter Baumriese, an dem Flechten im Wind wehten.

3

Mythische Heroen

Der Sturm Sepp ist eine der mythischen Figuren unserer Kinderzeit. Er war ein Knecht auf dem direkt benachbarten Sturmhof. Im Alter war er ab der Hüfte fast waagrecht nach vorne abgeknickt. Er muss, für uns zumindest, die Größe eines Riesen gehabt haben, wie einer aus einer unbestimmbaren, dämmernden Vorzeit. Er hatte einen großen, grauen Rauschebart und meist eine ebenso große Pfeife im Mund hängen. Wie groß er sein musste, stünde er aufrecht, konnten wir an seinem Fahrrad erkennen. Der Sattel war so hoch über dem Rahmen angebracht, dass nur ein Hüne von dort aus die Pedale erreichen konnte. Der Sturm Sepp war sprachlos. Nie hörte ihn jemals je einer reden. Am Sonntag im Wirtshaus wurde ihm sein Bier hingestellt, ohne dass er es bestellen musste. Wir Kinder neckten ihn, und auf dem Schulweg, wenn er die Wiese auf der anderen Seite des Zauns mähte, vornübergebeugt, wie ein urtümliches Wesen, riefen wir: »Grüß dich, Sepp«, und wiederholten es immer wieder, um ihm ein Wort zu entlocken. Einmal, obwohl er ganz ruhig zu mähen schien, machte er abrupt mit der Sense einen wilden Streich gegen Brigitte, das Mädchen vom Bergerhof, das dem Zaun am nächsten war, und traf sie mitten am Körper. »Ha, du«, rief er aus, seine einzige sprachliche Artikulation in Jahrzehnten. Zum Glück durchschlug die Spitze der Sense nur ihr Blechgeschirr für die Schulspeisung. Von da an hielten wir Abstand. Wir reimten uns zusammen, dass der Sturm Sepp so stark und so schrecklich in der Hälfte gebeugt war, weil er vom Berg im Winter Baumstämme herabschleifte. Als einmal das Pferd zusammengebrochen war, hatte er sich selbst einen gewaltigen Baumstamm auf die Schultern geladen, von da an blieb er ab der Mitte nach vorne gebeugt.

Mysterien wie ihn gab es viele. Ob es eine Erinnerung ist, weiß ich nicht, aber ich sehe hinter dem Haus am Bach bei Einbruch der Dunkelheit einen Mann stehen. Gegen die Kälte hat er sich ein großes Feuer entzündet. Sein Gesicht ist davon rot gefärbt. Er starrt in die Flamme. Jemand sagt, er sei ein Deserteur, er werde am Morgen in die Berge fliehen. Kann ich mich daran erinnern, war ich da nicht zu jung für eine Erinnerung? Es gab auch eine Hexe, die mich holte und mit mir davonlief, aber meine Mutter holte sie ein und entriss mich ihren Klauen, und ab da würde ich sicher nicht mehr in die Hosen machen, würde rechtzeitig aufs Töpfchen gehen. Auf meiner rechten Hand hatte ich eine Sommersprosse, aber ich wusste, dies war die Stelle, wo mich die Hexe gebissen hatte. Dann war da noch eine Nacht, die es sicher in der Wirklichkeit gegeben hat, in der unsere Mutter meinen Bruder Till und mich aus den Betten riss und rasch in Decken wickelte, weil es draußen noch winterlich kalt war. Sie stieg mit uns den Hang ein Stück hoch, von wo aus wir eine gute Aussicht hatten. »Ihr müsst das sehen, Buben«, sagte sie, »die Stadt Rosenheim brennt.« Rosenheim wurde gegen Ende des Krieges in Brand gebombt, wie es hieß, von alliierten Bombern, die über die Alpen zu ihren Stützpunkten zurückflogen und wegen Schlechtwetter ihre Ziele nicht ausmachen konnten. Sie warfen angeblich ihre Bomben über der feindlichen deutschen Stadt ab, um die Fracht loszuwerden. Was wir als Kinder sahen, sehe ich noch heute. Am Ende des Tals, Richtung Norden, war der gesamte Himmel rot und orange und gelb glühend, aber es war kein Flackern wie von Feuern, sondern ein langsames Pulsieren des gesamten nächtlichen Firmaments, weil die Stadt Rosenheim vierzig Kilometer entfernt verglühte. Es war eine große Glut, die den furchtbaren Puls eines Weltuntergangs auf den Nachthimmel zeichnete. Rosenheim sagte mir damals nichts, aber ich wusste von diesem Moment an, dass es draußen, außerhalb unserer Welt, außerhalb unseres engen Tals, noch eine andere Welt gab, die gefährlich war, die gespenstisch war. Nicht, dass ich diese Welt gefürchtet hätte, sie machte mich neugierig.

Ein Rätsel, das mich bis heute beschäftigt, war ein Flugzeug, das lange über dem Berg hinter dem Haus kreiste, als suche es etwas. Dann, wir sahen das genau, warf es etwas ab, das mechanisch aussah, hell, wie aus Aluminium gebaut. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es an einem Fallschirm hing oder an einer Art Ballon. Es hatte eine Fahne als Markierung, die aber wie von Baumwipfel zu Baumwipfel zu wandern schien. Die Leute im Tal sahen es auch, und weil es schon zu Abend dämmerte, machte sich erst am nächsten Morgen ein Suchtrupp von Männern auf den Weg. Sie waren den ganzen Tag fort und kamen erst spät wieder vom Berg zurück, als es schon dunkel wurde. Wir waren neugierig, aber niemand wollte etwas sagen. Man hatte etwas Geheimnisvolles gefunden, wir durften es nicht wissen. War es etwas Militärisches? War es überhaupt etwas von dieser Welt, oder von einer fernen, fremden?

Aber auch die Idylle der Landschaft von Sachrang barg ihre Gefahren. Noch Jahre nach Kriegsende fanden wir Waffen, die von flüchtenden Soldaten weggeworfen oder versteckt worden waren. Als Deutschland, von allen Seiten eingekesselt, immer weiter durch die vorrückenden alliierten Truppen schrumpfte, blieben am Ende nur einige winzige unbesetzte Enklaven übrig, ich glaube, eine in Thüringen, eine im Norden bei Flensburg und ziemlich als Letztes Sachrang mitsamt Kufstein jenseits der Grenze in Österreich und dem nahen Kaisergebirge. Letzte Versprengte, aber auch Werwolf-Gruppen, die nach Kriegsende Partisanenoperationen durchführen wollten, kamen hier durch, warfen ihre Uniformen fort und tauschten sie gegen Zivilkleidung. Ihre Waffen versteckten sie im Heu oder unter Holzstößen. Von meiner Mutter weiß ich, dass es einmal einen großen Aufruhr am Bergerhof gab, als amerikanische Besatzungssoldaten Gewehre in der Scheune beim Bauern fanden. Der Bauer wurde mit Erschießung bedroht, und meine Mutter, die Englisch sprach, griff rettend ein. Er hatte tatsächlich von dem Versteck nichts gewusst. Ich selbst fand einmal eine Maschinenpistole unter einem Holzstoß und bin mir nicht sicher, ob ich die Waffe tatsächlich abfeuerte, aber ich stellte mir vor, mit ihr auf die Jagd zu gehen. Ich hatte einen Straßenarbeiter beobachtet, der mit einer Maschinenpistole in einen Schwarm von Krähen auf einem Acker hineinschoss, er tötete eine. Man rupfte sie und kochte sie in einem großen Topf zu einer Art Suppe. Weil ich hungrig war, gesellte ich mich zu den Arbeitern, und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich ein paar Fettaugen auf der Suppe schwimmen, eine Sensation. Vom Essen bekam ich aber trotzdem nichts ab. Später hantierten wir Kinder auch mit Karbid und erzeugten unsere eigenen Sprengstoffe. Am schönsten überhaupt war es, in einer Betonröhre, die unter der Landstraße hindurchführte, eine Detonation herbeizuführen. Wir standen auf der Straße oberhalb des Betonrohrs, und es war ein besonderes Gefühl, wenn uns die Explosion ein kleines Stück hochhob. Ich erinnere mich auch vage daran, dass uns unsere Mutter zusammenrief, auch unsere Freunde, und vor uns mit ihrer Pistole durch ein dickes Buchenscheit schoss. Auf der anderen Seite splitterte das Holz davon, vom Projektil zerfetzt. Das war so beeindruckend, dass es keine Verbote brauchte. Wir hatten verstanden. Von diesem Moment an war klar, dass wir niemals in unserem Leben mit einer Waffe auf einen Menschen zielen würden, geladen oder ungeladen. Nicht einmal eine Spielzeugpistole würden wir jemals auf jemanden anlegen.

Ich gehöre einer Generation an, die in gewisser Weise singulär in der Geschichte ist. Menschen vor mir haben große Umbrüche erlebt, etwa den von einer europäischen Welt in die Welt der Entdeckung Amerikas oder den von einer Welt des Handwerks in das Industriezeitalter, aber das war jeweils die Erfahrung eines einzelnen, großen Umbruchs. Ich aber sah und erlebte, obwohl ich selbst keiner bäuerlichen Kultur angehörte, wie die Felder mit Sensen per Hand gemäht wurden, wie das Gras gewendet wurde, wie die Heuwagen, von Pferden gezogen, mit großen Gabeln beladen und in die Scheune eingefahren wurden. Es gab Knechte, die wie die Leibeigenen in den fernen Feudalzeiten des Mittelalters arbeiteten. Dann sah ich zum ersten Mal einen mechanischen Heuwender, der, noch immer von einem Pferd gezogen, mit parallel montierten Gabeln das Heu hochwarf, ich sah einen ersten Traktor, ich sah mit Staunen die erste Melkmaschine. Das war der Übergang in die industrialisierte Landwirtschaft. Aber ich sah viel später auch Landwirtschaft auf riesigen Feldern im amerikanischen Mittleren Westen, wo gewaltige in Formation fahrende Mähdrescher viele Kilometer weite Felder abernteten. Kein Mensch störte die Monstren dort, obwohl noch jeder Mähdrescher bemannt war. Aber sie waren digital vernetzt, in jedem Cockpit befanden sich gleich mehrere Computerbildschirme, und die Steuerung verlief automatisch über GPS, das mathematisch perfekte Linien möglich machte. Hätte ein Mensch gesteuert, so hätten sich unweigerlich leichte Schlangenlinien eingeschlichen und den gesamten Konvoi in immer wildere Kurven gezwungen. Das Saatgut war genetisch manipuliert. Und vor wenigen Jahren dann habe ich die erste Roboter-Landwirtschaft gesehen, wo Menschen überhaupt nicht mehr vorkommen. Die Roboter setzen die Saat in den Gewächshäusern aus, wässern sie, regulieren die Beleuchtung und Temperatur, ernten und verpacken das fertige Produkt supermarktgerecht für die Abholung.

Ähnlich habe ich auch riesige Umbrüche in der Kommunikation erlebt, von ihren archaischen Zeiten an. Ich erinnere mich an den Angestellten des Bürgermeisteramts in Wüstenrot in Schwaben, einige Stunden von München und Sachrang entfernt, wo ich später mit meinem Bruder ein Jahr lang bei unserem Vater lebte. Es gab dort im Ort einen Ausrufer oder Herold. Es gibt im Deutschen, glaube ich, gar kein Wort mehr dafür, im Englischen ist town crier noch geläufig. Ich erlebte leibhaftig, wie er durch das Dorf die Straße zum Raitelberg heraufkam und mit einer Glocke um Aufmerksamkeit läutete. Alle vier Häuser blieb er stehen und schrie »Bekanntmachung, Bekanntmachung« und verkündete Verordnungen und Termine der Verwaltung. Ich wusste von früher Kindheit an, was eine Zeitung und ein Radio war, obwohl wir nicht immer Strom hatten, aber nie sah ich einen Film, vom Kino hatte ich überhaupt keinen Begriff. Ich wusste nicht, dass es existierte, bis eines Tages ein Mann mit einem mobilen Projektor im einzigen Schulraum der Sachranger Dorfschule auftauchte und zwei Filme gezeigt wurden, die mich aber kein Stück beeindruckten. Telefon gab es bei uns im Dorf auch nicht, meinen ersten Telefonanruf machte ich im Alter von siebzehn Jahren. Fernsehgeräte gab es erst ab den sechziger Jahren, wir sahen in München im Stockwerk über uns bei der Familie des Hausmeisters zum ersten Mal eine Nachrichtensendung oder die Übertragung eines Fußballspiels. Ich habe den Beginn des digitalen Zeitalters miterlebt, das Internet, Inhalte, die mir nicht von Menschen, sondern von Algorithmen präsentiert wurden. Ich habe E-Mails erhalten, die von Robotern geschrieben wurden. Die sozialen Medien haben alle Kommunikation grundlegend verändert, auch wenn ich selbst keinen Gebrauch von ihnen mache. Videospiele, Überwachung, Künstliche Intelligenz, eine solche Dichte an radikalen Umbrüchen hat es in der Geschichte nie gegeben, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Generationen in der Zukunft so viele fundamentale Umwälzungen in einem einzigen Leben erleben werden.

Unsere Kindheit war archaisch. Wir hatten kein fließendes Wasser, wir mussten mit einem Eimer zum Brunnen draußen, und im Winter bei eisiger Kälte war er oft gefroren. Es gab nur ein an das Haus angebautes Plumpsklo, ein Brett mit einer Öffnung darin. Weil die Verschalung dieses Anbaus nicht gut verfugt war, gab es im Winter oft innen im Plumpsklo Schneewehen, und deshalb stellte unsere Mutter einen Eimer in den Flur. Wir benutzten den Eimer als Klosett, aber bei größerer Kälte gefror alles im Eimer zu einem soliden Klumpen. Geheizt werden konnte nur die Küche, die einen kleinen Herd hatte, der mit Holz betrieben wurde. Das anschließende winzige Zimmer, nur etwa zwei Meter breit, in dem mein Bruder und ich in Stockbetten schliefen, und das Schlafzimmer unserer Mutter hatten keine Heizung. Wir hatten auch keine richtigen Matratzen. Meine Mutter konnte keine kaufen und stellte ersatzweise selbst welche her. Sie füllte grobe Stoffsäcke mit Heu, das sie aus Farnkraut getrocknet hatte. Das Farnkraut allerdings, mit einer Sense geschnitten, hatte scharfe Spitzen, wo die Stängel schräg durchtrennt waren. In getrocknetem Zustand wurden diese Spitzen so hart wie scharfe Bleistifte, und wir wachten immer auf, wenn wir im Schlaf die Position wechselten. Getrockneter Farn presst sich auch in kurzer Zeit zu Ballen zusammen, und auch heftiges Aufschütteln kann dann nicht mehr verhindern, dass sich starre Kuhlen bilden, hart wie Beton. Wegen dieser Kuhlen habe ich meine gesamte Kindheit lang nie auf einer geraden Fläche geschlafen. Im Winter wurde es nachts manchmal so kalt, dass unsere Decken, die wir uns über die Köpfe zogen, dort zu solidem Eis gefroren, wo wir ein Atemloch gelassen hatten. Der Schlafraum war so eng, dass nur ein Stuhl zwischen Hochbett und Wand passte. Oben, knapp unter der Decke, gab es ein Brett, auf dem Äpfel gelagert waren. Es roch immer nach diesen Äpfeln. Sie schrumpelten im Winter und erfroren, aber sie waren immer noch essbar, wenn sie auftauten.

Ärztliche Versorgung gab es fast nicht, und meine Mutter wurde, obwohl sie es immer wieder zu erklären versuchte, für eine Ärztin gehalten, weil sie einen Doktortitel hatte. Den hatte sie sich aber als Biologin erworben. Ihr Doktorvater war der spätere Nobelpreisträger Karl von Frisch, ihre Dissertation hatte sie über das Gehör von Fischen geschrieben. Dazu spielte sie ihnen im Aquarium des Labors auf der Blockflöte Melodien vor, auf die hin die Fische zu reagieren lernten, entweder zu fliehen oder aber neugierig an der Oberfläche aufzutauchen, weil es bei einer bestimmten Melodie Futter als Belohnung gab. Im Dorf wurde bei Notfällen trotzdem immer nach ihr gerufen. Ein Nachbarsjunge, knapp vier Jahre alt, hatte sich zu einem großen Topf auf dem Herd emporgereckt, wollte ihn herunterholen, aber der Topf kippte, und kochendes Wasser ergoss sich über ihn, von der Kinnspitze den Hals und den Oberkörper herunter bis zu den Schenkeln. Die Verbrennungen waren furchtbar, meine Mutter wurde gerufen, als das Herz des Jungen schon nicht mehr richtig schlug. Sie war nicht zimperlich, setzte ihm eine Adrenalinspritze durch die Rippen direkt in den Herzmuskel. Er blieb am Leben. Jahre später zog er einmal mitten im Schulunterricht das Hemd für mich aus und zeigte mir seinen zernarbten Oberkörper. Die Kindersterblichkeit war hoch. Am Bergerhof verloren Beni, der junge Bauer, und seine Frau, die Rosel, ein Kind nach dem anderen direkt nach der Geburt. Sie litten an einer Unverträglichkeit des Blutes, die man heute durch eine sofortige große Transfusion einfach beheben kann. Schließlich adoptierten die beiden ein Mädchen, ein Besatzungskind, das Brigitte hieß. Sie gehörte zum engeren Kreis der Kinderschar um den Bergerhof. Ich erinnere mich, dass die Rosel wieder schwanger war und in Aschau noch ein Kind gebar und in einem Auto zurückgebracht wurde, und wie ich mich wunderte, wo denn das Kind war. Da kam auf einmal das Mädchen Brigitte weinend aus dem Bauernhof gerannt, stürzte sich an den Brunnentrog und wusch sich das Gesicht im kalten Wasser. So wusste ich, dass auch dieses Kind gestorben war, es war das achte in Folge. Danach gab es aber dann doch einen überlebenden Sohn, Benno, mit dem ich noch heute Kontakt habe. Brigitte wurde Kellnerin in einem Café in Aschau, aber sie starb noch ganz jung an Brustkrebs.

Mein Bruder Till und ich wuchsen in großer Armut auf, aber es fiel uns überhaupt nicht auf, dass wir arm waren, außer vielleicht in den ersten zwei, drei Jahren nach dem Krieg. Wir waren immer hungrig, und meine Mutter konnte nicht genügend zu essen heranschaffen. Wir aßen Salate aus den Blättern vom Löwenzahn, meine Mutter machte Sirup aus Spitzwegerich und frischen Sprösslingen von Tannenzweigen. Das Erste war eher Medizin für Husten und Erkältungen, das Zweite ersetzte den Zucker. Einmal nur in der Woche bekamen wir beim Bäcker im Dorf einen länglichen Brotlaib, eingetauscht für unsere Versorgungsmarken. Unsere Mutter ritzte mit dem Messer eine Markierung für jeden Tag, Montag bis Sonntag, aber das war pro Tag gerade genug für eine Scheibe Brot für jeden von uns. Wenn der Hunger ganz schlimm wurde, bekamen wir schon ein kleines Stück vom nächsten Tag, weil meine Mutter hoffte, sie würde noch irgendetwas anderes für uns zu essen finden, aber meistens war das Brot schon am Freitag aufgegessen, und die Samstage und Sonntage waren dann besonders schlimm. Meine intensivste Erinnerung an meine Mutter, auf immer in mein Gedächtnis eingebrannt, ist ein Moment, in dem mein Bruder und ich an ihrem Rock hingen und vor Hunger jammerten. Mit einem furchtbaren Ruck riss sie sich los und wirbelte abrupt herum, und sie hatte ein Gesicht so voll von Zorn und Verzweiflung, wie ich es nie vorher und auch nie später erlebt habe. Sie sagte ganz ruhig, vollkommen beherrscht: »Buben, wenn ich es mir aus den Rippen schneiden könnte, würde ich es mir aus den Rippen schneiden, aber das kann ich nicht.« Wir lernten in diesem Augenblick, niemals mehr zu jammern. Die Kultur der Wehleidigkeit ist mir zuwider.

Die Armut war überall und fiel uns nicht als ungewöhnlicher Zustand auf, höchstens in seltenen Momenten. In der Dorfschule, diesem einen Raum für die ersten vier Klassen, in dem alle gleichzeitig unterrichtet wurden, gab es große Not leidende Kinder von den Einödhöfen, die noch höher über dem Tal gelegen waren. Eines von ihnen, der Hautzen Louis, kam immer zu spät, jeden Tag, ich glaube, er musste schon vor Morgengrauen zu Hause im Stall arbeiten, was ihn aufhielt. Im Winter kam er mit einem Rodelschlitten den Berg herunter, einen steilen Hohlweg, und war dann jeden Tag von Kopf bis Fuß von Schnee bedeckt. Der Unterricht hatte längst angefangen. Grußlos, den vereisten Schlitten hinter sich her ins Klassenzimmer schleifend, marschierte er an dem Fräulein Hupfauer, unserer Lehrerin, vorbei und hatte jeden Tag immer nur eine Erklärung: »Fräulein, mich hat’s geschmissen.« An sein Gesicht erinnere ich mich nicht mehr, aber an einen Tag im frühen Sommer, an dem der Louis seine Jacke anbehielt, die nach Stall roch, und das Fräulein ihm sagte, bei der Wärme solle er seine Jacke ausziehen, da tat der Louis so, als habe er die Aufforderung nicht gehört. Er reagierte auf die immer ärgerlicheren Anweisungen des Fräuleins nicht und bekam schließlich den Tatzenstock auf die Hände gehauen. Ich muss dazu sagen, dass das Fräulein Hupfauer eine wunderbare Person war, die es trotz vier Klassen gleichzeitig fertigbrachte, uns Wissen und Begeisterung und Neugier und Selbstsicherheit zu vermitteln. Der Tatzenstock gehörte damals zum allgemeinen Inventar der Erziehung und störte niemanden. Wir empfanden es als nichts Bemerkenswertes, dass wir bei schlechtem Betragen vorne auf der Stufe zum Pult zur Strafe knien mussten, und bei ganz schlechtem auf einem Holzscheit. Der Louis wollte noch immer seine Jacke nicht ausziehen, und wir alle im Raum, es waren wohl um die sechsundzwanzig Kinder, Jungen und Mädchen zwischen sechs und zehn, wurden aufmerksam. Das machte seine Not noch größer, und er fing lautlos zu weinen an. Die Stille seines Weinens krampft mir noch heute das Herz zusammen. Schließlich zog der Louis seine Jacke aus, und darunter trug er das einzige Hemd, das er besaß. Es war so zerwaschen und zerschlissen, dass es ihm bis zum Oberarm hinauf in Fetzen hing. Das Fräulein fing auch zu weinen an und zog ihm die Jacke wieder über.

Ich traf das Fräulein Hupfauer siebzig Jahre später erst jüngst wieder bei einem Klassentreffen in Sachrang. Sie trug inzwischen einen anderen Familiennamen, weil sie später geheiratet hatte und inzwischen verwitwet war. Aber im Alter von über neunzig Jahren war sie noch immer bedingungslos herzlich und begeisternd. Sie hatte damals in meiner Kindheit immer geglaubt, ich würde einmal ein besonderes Leben leben, meine Mutter bestätigte mir das mehrmals, als ich schon längst erwachsen war. Dabei deutete damals als Kind nichts auf etwas Ungewöhnliches hin, höchstens im Negativen. Ich war ein stilles Kind, eher verschlossen, zum Jähzorn neigend, in gewisser Weise gefährlich für meine Umgebung. Ich konnte lange Zeit vor mich hin brüten, weil ich herausfinden wollte, warum etwa 6 mit 5 multipliziert dasselbe ergab, wie 5 mal 6. Das galt sogar allgemein, 11 mal 14 hatte dasselbe Resultat wie 14 mal 11. Warum? In den Zahlen verbarg sich ein Gesetz, das ich so lange nicht begriff, bis ich es mir visualisierte, als würde man ein Rechteck mit Linien von 6 mal 5 Steinchen nebeneinander ausbreiten, und wenn man das Muster um eine Viertelumdrehung rotierte, wurde das Prinzip auf einmal augenscheinlich. Bis heute empfinde ich Erregung bei Fragen der reinen Zahlentheorie, wie etwa der Riemannschen Hypothese über die Verteilung von Primzahlen. Ich verstehe nichts, rein gar nichts davon, weil mir das mathematische Instrumentarium fehlt, aber ich glaube, dass sie die bedeutsamste aller offenen Fragen in der Mathematik ist. Ich hatte vor ein paar Jahren eine Begegnung mit dem wohl größten lebenden Mathematiker, Roger Penrose, und wollte von ihm wissen, wie er mathematische Probleme angeht, durch abstrakte Algebra oder in Form von Visualisierung. Für ihn ist es ausschließlich Visualisierung.

Aber zurück zu mir als Kind. In mir gab es etwas Düsteres. Obwohl ich mich nicht daran erinnere, schlug ich wohl mit einem Stein in der Hand zu, nicht nur einmal, und meine Mutter machte sich Sorgen. Ich war in mich gekehrt, still, aber etwas tobte in mir, etwas war in mir, das zur Sorge berechtigte. Ich bekam meinen Jähzorn erst durch eine Katastrophe für unsere Familie in den Griff. Ich muss schon dreizehn oder vierzehn Jahre alt gewesen sein, und wir lebten jetzt in München, als ich mit meinem älteren Bruder Till in Streit geriet. Wir waren immer, und sind es bis heute, bedingungslose Geschwister, aber es gab auch wilden Streit zwischen uns, wütende Schläge. Das war natürlich und akzeptabel. Aber in einem heftigen Streit, der sich, wie ich mich vage erinnere, um die Versorgung unseres Goldhamsters drehte, geriet ich außer mir vor Jähzorn und verletzte meinen Bruder mit einem Messer. Ein Stich traf ihn in die Handwurzel, er hatte eine Abwehrbewegung gemacht, ein zweiter in den Oberschenkel. Das Zimmer schwamm in Blut. Das Entsetzen über mich selbst erschütterte mich zutiefst. Schlagartig wurde mir klar, dass ich mich ändern musste, sofort, unverzüglich, und das bedeutete rigorose Disziplin. Der Vorfall war einfach zu ungeheuerlich. Ich hatte die größte nur denkbare Erschütterung verursacht, die die Familie hätte vernichten können. In einem knappen Familienrat entschieden wir uns, da die Wunden bei genauerem Hinsehen nicht wirklich bedrohlich waren, meinen Bruder nicht ins Krankenhaus zu bringen, um ihn ärztlich versorgen zu lassen, was sicher polizeiliche Nachforschungen nach sich gezogen hätte. Wir verbanden ihn und wischten das Blut vom Boden auf und waren bestürzt. Ich bin es noch bis heute, bis in die Knochen. Weil die Stichverletzungen nie genäht wurden, sind Tills Narben noch heute deutlich sichtbar. Ich bekam mich daraufhin in den Griff, mit absoluter Selbstdisziplin. Ein guter Teil meines Wesens bis heute ist nichts als nackte Disziplin. Aber zwischen Till und mir gibt es zugleich unverbrüchlich eine rohe, oft scherzhafte Rauheit, die unser inniges Verhältnis für Außenstehende manchmal unbegreifbar macht. Vor ein paar Jahren gab es ein Familientreffen an der spanischen Küste, wo mein Bruder damals lebte. Auf seine Einladung hin hatten wir einen herrlichen Abend in einem Fischrestaurant, wo mein Bruder Till, neben mir sitzend, den Arm um mich legte, als ich die Speisekarte studierte. Etwas fing zu qualmen an, etwas verursachte ein leichtes Stechen an meinem Rücken, bis ich plötzlich bemerkte, dass er mein Hemd mit einem Feuerzeug in Brand gesteckt hatte. Ich riss es mir vom Leib, und alle Anwesenden waren entsetzt, aber wir beide lachten schallend über den Scherz, den niemand zu verstehen vermochte. Jemand lieh mir für den Rest des Abends ein T-Shirt, und die Rötung auf der Haut meines Rückens wurde mit Prosecco gekühlt.

4

Fliegen

Ich wollte fliegen, schon von ganz früh an. Nicht fliegen mit einem Flugzeug, sondern einfach so, mit dem Körper, ohne Gerät. Wir waren alle schon früh auf Skiern, aber im Tal von Sachrang gibt es keine nennenswerten Abfahrten. Darum fingen wir mit Skispringen an, bauten uns selbst Schanzen und hatten denkwürdige Bruchlandungen. Bei einer solchen landete mein Bruder mit den Skispitzen im Schnee, die sich so tief hineinbohrten und stecken blieben, dass es ihn aus beiden Stiefeln riss. Er kam den Rest des Abhangs ohne Ski und ohne Stiefel herabgekollert. Ein Nachbarsjunge, Rainer, versuchte sich mit mir an der Sprungschanze abseits vom Dorf. Damals kam uns die Schanze groß vor, aber wenn ich sie heute sehe, ist sie armselig, winzig. Wir träumten davon, eines Tages Weltmeister zu werden, und liehen uns richtige Sprungski. Die aber waren 2,20