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Emmi Johannsen

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Beschreibung

Mordsparty auf Borkum


Caro Falk amüsiert sich bestens auf der großen Party, die jedes Jahr im Sommer am Borkumer Nordstrand gefeiert wird. Traditionell endet das Fest mit dem Fallschirmspringen der Inseljungs, die nacheinander neben dem großen Strandfeuer landen. Bis auf einen. Sein Schirm öffnet sich nicht, ungebremst stürzt der junge Mann in den Tod. War es wirklich ein Unfall, so wie die Polizei vermutet? Immerhin war der Tote ein erfahrener Springer - und hatte viele Feinde, wie Caro bald herausfindet. Dann macht Jan Akkermann, Caros Partner in allen kriminalistischen Angelegenheiten, auf der Beerdigung des Toten eine unheimliche Entdeckung. Spätestens jetzt gibt es keinen Zweifel mehr, dass die beiden Hobbydetektive einem heimtückischen Verbrechen auf der Spur sind ...


Caro Falk und Jan Akkermann ermitteln in ihrem dritten Fall

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Inhalt

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Über dieses Buch

Mordsparty auf Borkum

Caro Falk amüsiert sich bestens auf der großen Party, die jedes Jahr im Sommer am Borkumer Nordstrand gefeiert wird. Traditionell endet das Fest mit dem Fallschirmspringen der Inseljungs, die nacheinander neben dem großen Strandfeuer landen. Bis auf einen. Sein Schirm öffnet sich nicht, ungebremst stürzt der junge Mann in den Tod. War es wirklich ein Unfall, so wie die Polizei vermutet? Immerhin war der Tote ein erfahrener Springer - und hatte viele Feinde, wie Caro bald herausfindet. Dann macht Jan Akkermann, Caros Partner in allen kriminalistischen Angelegenheiten, auf der Beerdigung des Toten eine unheimliche Entdeckung. Spätestens jetzt gibt es keinen Zweifel mehr, dass die beiden Hobbydetektive einem heimtückischen Verbrechen auf der Spur sind …

Caro Falk und Jan Akkermann ermitteln in ihrem dritten Fall

Über die Autorin

Emmi Johannsen ist das Pseudonym von Christine Drews. Mit ihren Romanen, ihren Thriller und Krimis konnte sie bereits etliche Leser im In- und Ausland begeistern, auch als Drehbuchautorin ist sie erfolgreich. Doch mit Mordseeluft erfüllt sie sich einen ganz besonderen Traum: Inspiriert von ihrer liebsten Urlaubsinsel schreibt sie nun als Emmi Johannsen eine humorvolle Krimireihe um Caro Falk und Jan Ackermann, die gemeinsam auf Borkum Verbrecher jagen.

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Originalausgabe

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Volker Jarck, Otterndorf

Umschlaggestaltung: Massimo Peter-Bille unter Verwendung von Illustrationen von

© shutterstock: David Carille | E. O. | gmstockstudio | r.classen | Sergey Ginak | Timchig | gresei | JOESCH | tyle Travel Photo

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-2094-6

luebbe.de

lesejury.de

1

Die blonden Haare reichten ihr fast zu den Hüften. Sie trug eine abgeschnittene Jeans, die so kurz war, dass er gar nicht mehr woanders hinschauen konnte. Dazu ein bauchfreies Oberteil in knalligem Pink. Keine Frage, sie war das schönste Mädchen, nicht nur heute Abend am Strand, sondern vermutlich auf ganz Borkum. Er wusste, dass er mit dieser Meinung nicht allein dastand. Alle starrten sie an, auch seine beiden besten Freunde ließen sie nicht aus den Augen.

Hatte er eine Chance bei ihr? Ja, bestimmt. Seit einer Weile lief es eigentlich recht gut, sie hatten sich schon öfter allein unterhalten, einmal hatte er sogar ihre Hand genommen. Vielleicht waren sie noch kein richtiges Paar, aber weit davon entfernt waren sie nicht mehr.

Jedenfalls würde er nicht zulassen, dass jemand anders sie bekam. Niemals würde er das zulassen.

Er wusste, dass er ein Frauentyp war. Er hätte jede von ihren Freundinnen haben können, egal ob Ona, Sande oder eine von den anderen Perlen, die ihm dauernd Blicke zuwarfen. Früher hatte er jedes Wochenende eine Neue, er hatte sich aussuchen können, mit welcher er in den Dünen verschwinden wollte. Aber die Zeiten waren vorbei. Er wollte keine andere mehr. Er wollte nur noch sie.

Lachend warf sie ihre Mähne in den Nacken und sah zu ihm rüber. Sie schaute ihn direkt an, auch als sie langsam durch den Sand auf ihn zukam und sich zu ihm an das kleine Lagerfeuer setzte, das sie einige Meter neben dem großen Scheiterhaufen angezündet hatten, der erst am Samstag brennen sollte.

»Ich liebe die Borkumer Inseljungs«, sagte sie.

»Ich bin bei den Inseljungs«, antwortete er in flirtendem Ton.

Wieder lachte sie. »Ich meinte eher: geil, wie die Jungs die Strandfete immer organisieren. Das ist doch eine irre Arbeit.«

»Ich weiß. Wie gesagt, ich gehöre zu denen.«

»Ich freu mich jedenfalls auf Samstag.«

»Frag mich mal.«

Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie seine zwei besten Freunde näher kamen. Die wollten sich jetzt doch nicht ernsthaft dazusetzen? Und ihn bei dieser Sache stören? Das würde er nicht zulassen!

»Sollen wir ein bisschen spazieren gehen?«, fragte er deshalb schnell.

Er griff nach der Flasche Wodka, die noch verschlossen neben ihm im Sand lag. Wenn sie die tranken, würde das die Stimmung weiter lockern. Vom Fetenplatz bis zum Meer war es ein ganz schönes Stückchen, nichts als weißer Strand, mit ein paar Dünen, hinter denen sie …

»Nee, für heute hab ich genug!« Sie grinste, offensichtlich war sie schon ein bisschen angeheitert. Amüsiert zeigte sie auf die Wodkaflasche. »Vielleicht am Samstag?«

»Unbedingt!« Er reichte ihr die Hände und zog sie aus dem Sand. »Soll ich dich nach Hause bringen?«

»Mein Rad steht auf der Promenade.«

Er bestand darauf, sie zu ihrem Fahrrad zu begleiten. Gemeinsam gingen sie an seinen Kumpels vorbei. Er war sich sicher, dass sie die Blicke der Jungs nicht bemerkte, zumal sie Ona und Sande fröhlich zum Abschied winkte. Grinsend sah er seine Freunde an und machte mit der Hand eine Bewegung über seinen Hals, um ihnen zu signalisieren, dass sie nicht mehr im Spiel waren.

Glücklich schlenderte er neben ihr durch den Sand. Nach ein paar Metern drehte er sich noch mal um. Die Jungs standen am Rand des Fetenplatzes und starrten ihm nach. Und obwohl in ihren Blicken nichts Freundliches lag, triumphierte er innerlich.

Das schönste Mädchen der Insel gehörte ihm.

2

Die Geräuschkulisse, die vom Nordstrand über das Kite-Buggy-Areal bis hin zum Wellenstrand schwappte, löste bei Caro grundsätzlich ein wohliges Gefühl aus. Es waren die Geräusche des Sommers, die wunderbare Mischung aus Kinderlachen und Erwachsenengeplauder, untermalt vom Meeresrauschen und vom Kreischen der Möwen, für die die Saison im Pommes- und Waffelklauen auf Hochtouren lief. Die Schulferien in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen überlappten sich für einige Wochen, und man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass es die meisten Familien mit schulpflichtigen Kindern für den Urlaub nach Borkum gezogen hatte. Es gab kein einziges freies Bett mehr auf der Insel, und überall herrschte geschäftiges Treiben.

Caro liebte diese Stimmung. Nachdem sie im letzten Jahr ihre erste Hochsaison auf Borkum miterlebt hatte, wusste sie zwar, wie anstrengend es sein konnte, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein und die Wünsche und Launen der Urlauber auszuhalten. Aber so viele neue Menschen zu treffen, Gespräche mit Wildfremden zu führen und gleichzeitig mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die fast zu Freunden geworden waren, ließ sie den ganzen Stress vergessen. Es war Sommer, es waren Ferien, und überall waren Menschen. Es war herrlich.

Von der DLRG-Station hörte sie das Borkumlied, das das Ende der Strandüberwachung ankündigte. Auch ohne Uhr wusste sie, dass es somit kurz vor sechs war. Caro konnte nicht anders, als den Refrain gut gelaunt mitzusingen.

»Die Insel meiner Träume ist Borkum ganz allein, eine Nordseeinsel, ja, auch dort gibt’s Sonnenschein …«

Aila warf ihr von der Seite einen erstaunten Blick zu, in dem Caro einen Hauch von Missbilligung zu erkennen glaubte. Lächelnd ging sie in die Hocke und streichelte ihrer finnischen Lapphündin über das weiße Fell.

»Sag mir nicht, ich kann nicht singen, Süße.«

Aila jaulte auf, als wollte sie einen Wolf imitieren, und Caro musste lachen. Dann löste sie die Leine vom Halsband der Hündin.

»Wir sind weit genug vom Strand weg«, sagte Caro und kraulte Aila noch mal an deren Lieblingsstelle hinter dem Ohr. »Bevor du dich weiter über meine Sangeskünste lustig machst, kannst du besser ein bisschen frei laufen.«

Wie zur Bestätigung bellte die Hündin einmal kurz auf. Dann schnupperte sie über den Sand und lief ein paar Meter voraus, ohne ihre Nase noch einmal vom Boden zu heben.

Caro ließ ihren Blick über den weiten Strand schweifen und atmete tief durch. Es war ein anstrengender Tag am Flughafen gewesen, sie konnte sich nicht erinnern, jemals so viele Kunden an ihrem Kiosk bedient zu haben wie heute. Es war eine Wohltat, jetzt einfach nur in der puren Natur zu sein. Das Meer war von hier aus kaum zu sehen, mehrere Kilometer Sand lagen zwischen dem Dünenrand und der Wasserkante − fast wie eine Wüstenlandschaft, die immer wieder von Strandseglern durchquert wurde. Neben Sankt Peter-Ording konnte man nur auf Borkum Kite-Buggy fahren, kein anderer Ort bot diese Weite, die die Sportler dafür brauchten.

Caro schreckte auf, als Aila plötzlich lautstark bellte. Im selben Moment rannte die Hündin in einem solchen Tempo los, dass der Sand hinter ihr zu einer Staubwolke verweht wurde.

»Mist«, stöhnte Caro, als sie das Kaninchen sah, dem Aila auf den Fersen war. »Das kriegst du sowieso nicht!«, rief sie ihr noch hinterher, wohl wissend, dass das ihre Hündin nicht im Geringsten interessierte. »Komm zurück! Hier! Aila! Hiiiiier!«

Erwartungsgemäß überhörte Aila die Rufe, und Caro fragte sich, wie andere Hundebesitzer es schafften, dass ihre Tiere auf Kommando zu ihnen zurückkehrten, egal ob sie ein Karnickel oder eine überdimensionale Leberwurst gewittert hatten.

Caro lief los. Es machte sie etwas nervös, dass ihre Hündin im Affenzahn und ohne Leine durch die Dünen raste. Zum einen war das verboten, und zum anderen kannte sie ihre eigentlich recht treue Gefährtin nur zu gut. Sollte ein Kind plötzlich in den Dünen auftauchen und etwas Essbares in der Hand halten, dann würde Aila das Karnickel schlagartig vergessen und sich mit Begeisterung auf Eis oder Wurst stürzen, sie dem baffen Besitzer quasi im Flug entreißen und gierig mampfend davoneilen, während die Eltern des beklauten Nachwuchses in eine hysterische Schimpftirade verfallen würden, für die Caro durchaus Verständnis hatte. Dieses Szenario hatte sie nicht nur einmal mit Aila erlebt, und sie war beim besten Willen nicht scharf darauf, sich heute noch mal für das Benehmen ihrer Hündin entschuldigen zu müssen.

»Aila, verflucht! Hiiiier!«

Der Schweiß lief ihr den Rücken herunter, die Rennerei durch den Sand brachte sie an den Rand der Erschöpfung.

»Wieso hörst du denn nicht?« Weil du es nie mit ihr geübt hast, gab sich Caro selbst die Antwort. Hektisch eilte sie ihr durch die Dünen nach. Das Karnickel schlug noch ein paar bemerkenswerte Haken, bevor es zielstrebig in einen Turm aus kunstvoll aufgeschichteten Holzscheiten raste, der auf einer Ebene zwischen den Dünen errichtet worden war. Aila schien nicht eine Sekunde nachzudenken, und ohne ihr Tempo zu verringern, hetzte sie hinter dem Kaninchen in das Holz. Einen Augenblick später brach der meterhohe Holzturm lautstark in sich zusammen.

»Aila!!«

Kaninchen und Hund waren vom Holz begraben.

Hoffentlich ist ihr nichts passiert, dachte Caro, als sie fieberhaft die Holzscheite zur Seite räumte.

»Wo steckst du? Aila!«

Konnten die Scheite ein Tier erschlagen? Hoffentlich nicht. Aber verletzen bestimmt. Vielleicht war ihre Hündin ohnmächtig? Oder lag irgendwo blutend unter dem ganzen Holz und konnte sich nicht mehr selbst befreien?

Schließlich hörte Caro ein Fiepen, und nachdem sie noch einiges an Holz hinter sich geworfen hatte, sah sie endlich das wuschelige weiße Fell.

»Na Gott sei Dank! Alles in Ordnung, Mausi? Komm mal her, du Rübennase …«

Ihre Hündin war sichtlich erschrocken, schien aber unverletzt. Mit weit aufgerissenen Augen drückte sie sich in Caros Arm.

»Was machst du denn da, du hast doch noch nie ein Kaninchen gekriegt, was soll denn das Theater …«, murmelte sie, während sie Aila aus den Holzscheiten trug. Als Caro wieder den lockeren Sand unter den Füßen spürte, blickte sie auf und zuckte sofort erschrocken zusammen.

»Scheiße …«, sagte sie leise.

»Das kann man wohl laut sagen!«, schimpfte ein junger Mann, der die Arme voller Treibholz hatte. Gemeinsam mit vier weiteren Männern, die offensichtlich Holz und Geäst gesammelt hatten, blickte er Caro vorwurfsvoll an. Erst jetzt realisierte sie, dass sie auf dem Fetenplatz der Borkumer Inseljungs stand. Hier würde in ein paar Tagen die große Strandfete stattfinden, wie jedes Jahr in den Sommerferien. Traditionell wurde am Ende der Feier ein riesiges Strandfeuer angezündet, für das die Männer schon Wochen vorher Treibholz sammelten. Caro kannte einige der Inseljungs, die seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Borkumer Gemeinde waren, einheimische junge Männer, die sich bei der freiwilligen Feuerwehr oder der Seenotrettung auf Borkum engagierten und ohne die vieles auf der Insel nicht funktionieren würde. Hinnerks Inselclub unterstützte die Jungs und war auch an der Organisation der Strandfete beteiligt. Seit Tagen suchte ihr Schwiegervater die alten Rezepte von seiner verstorbenen Frau Lefke heraus, um Kuchen und Salate für die Feier vorbereiten zu können.

»Jungs, das tut mir echt leid«, sagte Caro mit Blick auf den eingestürzten Scheiterhaufen. »Aber so brennt er doch bestimmt auch.«

Olaf Venne sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Olaf war einer der wenigen Inselpiloten und gleichzeitig Leiter der Fallschirmgruppe. Sie kannte ihn vom Flughafen, wo er regelmäßig einen Kaffee bei ihr am Kiosk trank und sich von Inge anflirten ließ. Ihre Kollegin stand ganz offensichtlich auf den gut aussehenden Mann, der Caro manchmal an einen Piloten aus einer Fernsehserie erinnerte. Braun gebrannt und durchtrainiert, immer einen flotten Spruch auf den Lippen und bester Laune. Im Moment ließ die allerdings zu wünschen übrig.

»Das Feuer sollte aber aussehen wie ein brennender Leuchtturm«, sagte er, und der genervte Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Hast du eigentlich eine Vorstellung davon, wie lange wir gebraucht haben, um den so aufzutürmen?«

»Tut mir leid, Olaf.«

»Du hast deine Töle nicht im Griff«, sagte er.

Caro, die Aila immer noch auf dem Arm hatte, streichelte der Hündin über den Kopf. »Ich weiß. Aber sag nicht Töle, das hört sie nicht gerne.«

Olaf rollte mit den Augen. »Soll das ein Witz sein?«

»Ehrlich gesagt ja.« Caro grinste ihn an. »Ich wollte dich aufheitern.«

»Hm.«

Caro wurde wieder ernst. Offensichtlich war Olaf nicht nach Scherzen zumute. »Es tut mir wirklich leid. Kriegt ihr das bis Samstag wieder hin?«

Olaf warf einen Blick zu einem der anderen Männer, die neben ihm standen. »Roland, kriegen wir das bis Samstag wieder hin?«

Der angesprochene Roland zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber sich einfach nur lapidar zu entschuldigen kann irgendwie nicht reichen.«

»Ich habe mich nicht lapidar entschuldigt, sondern aufrichtig«, entgegnete Caro, die langsam fand, dass die Männer übertrieben. Ein bisschen Holz war zusammengekracht, meine Güte, das war doch kein Weltuntergang. »Ich kann den Turm leider nicht alleine wieder aufbauen, sonst würde ich es machen. Ich kann mich nur entschuldigen.«

»Nö. Du könntest noch ein paar Extrakuchen backen«, meinte Roland.

»Das mache ich gerne«, sagte Caro versöhnlich. »Ich backe eine extra Sanddornsahnetorte nur für euch, okay?«

Langsam schien sich auch Olaf wieder beruhigt zu haben. »Aber mit Sanddornlikör, nicht mit Sirup.«

»Versteht sich doch von selbst«, antwortete Caro. »Wir freuen uns schon alle riesig auf das Fest. Mein Sohn kann es gar nicht mehr abwarten. Und euer Strandfeuer ist echt immer das Highlight des Abends.«

Erneut verzogen die Männer ihre Gesichter. »Da haben wir jetzt ja noch einiges zu tun«, sagte Roland und begann, die Holzscheite wieder einzusammeln und aufzutürmen. »Das wird noch Stunden dauern.«

»Äh … Ja … Noch mal sorry.« Caro setzte Aila auf den Boden und leinte sie an. »Wir sehen uns morgen am Flughafen«, sagte sie zum Abschied zu Olaf. Der nickte und warf ihr erneut einen bösen Blick zu, der zu Caros Erleichterung so übertrieben war, dass sie sich ein Lachen nur mit Mühe verkneifen konnte. Olaf grinste ihr zu und ging dann theatralisch seufzend wieder an die Arbeit.

Mit schlechtem Gewissen machte sich Caro auf den Heimweg. Ob sie mit Aila doch mal eine Hundeschule besuchen sollte? Aber würde das Tier dann besser hören, sobald es ein Kaninchen oder eine Bratwurst sah? Vorstellen konnte sie sich das nicht. Aber vielleicht sollte sie es auf einen Versuch ankommen lassen.

Als sie eine gute halbe Stunde später nach Hause kam, fand sie Hinnerk und Justus schwitzend in der Küche. Ihr Schwiegervater steckte buchstäblich bis zu den Ellenbogen im Kuchenteig, während ihr Sohn den Sanddorn auf dem Herd einkochte, immer wieder Zucker nachschüttete und die dampfende Masse verrührte.

»Machst du Marmelade?«, fragte Caro, nachdem sie die beiden begrüßt hatte. Aila stürzte sich durstig auf ihren Wassernapf und schlabberte ihn in wenigen Augenblicken leer. Dann stellte sie sich neben Hinnerk und versuchte, ihn durch Telepathie zur Abgabe von etwas Teig zu bewegen.

»Gelee«, antwortete Justus. »Den verkaufen wir auf der Strandfete.«

»War Justus’ Idee«, sagte Hinnerk und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Um noch mehr Geld für unser Projekt zu sammeln.«

»Super!« Caro strich ihrem Sohn liebevoll über den Rücken. Dass er sich so für den guten Zweck einsetzte, erfüllte sie mit Stolz. Es war nicht selbstverständlich, dass ein elfjähriger Junge Geld für die Unterstützung der Seemannswitwen sammelte. Seit etlichen Jahren half Hinnerks Inselclub den Familien, deren Männer auf See geblieben waren. Die gesamten Einnahmen der Strandfete waren dafür gedacht.

»Du kriegst Bauchschmerzen, wenn ich dir was von dem Teig gebe«, sagte Hinnerk zu Aila, die inzwischen ihre Pfoten auf die Arbeitsfläche gelegt hatte und auf zwei Beinen neben ihm stand. Fiepend warf sie ihm einen herzzerreißenden Blick zu. »Der Hund bettelt zu viel«, wandte sich Hinnerk an Caro und steckte Aila ein kleines Stückchen Kuchenteig ins Maul.

»Du lässt dich aber auch immer wieder weichkochen«, meinte Caro. »Bitte keinen Teig, davon wird ihr wirklich schlecht.«

»Dann sag ihr, sie soll mich nicht so angucken«, grummelte Hinnerk.

»Aila, guck Opa nicht so an!« Schwanzwedelnd ignorierte die Hündin die Aufforderung. Caro seufzte. »Ich habe überlegt, ob ich mit ihr mal in die Hundeschule gehe.«

Hinnerk schüttelte lachend den Kopf. »Dass man für alles einen Profi braucht, ist echt so eine Marotte von euch Städtern. Als wenn man einen Hund nicht selbst erziehen könnte!«

»Na ja, du wirst ja auch sofort weich, wenn sie dich mit ihren braunen Augen anschaut.«

»Ich hab ihr ein Mal Kuchenteig gegeben!«

»Du gibst ihr dauernd was, Opa«, mischte sich nun auch Justus ein. »Wenn du abends vorm Fernseher Chips isst, legt Aila immer ihren Kopf auf dein Knie, und dann ist die Tüte ganz schnell leer.«

»Psst!« Hinnerk warf seinem Enkel einen drohenden Blick zu. »Das sollte doch unser Geheimnis bleiben!«

Caro rollte mit den Augen. »Chips verträgt sie nun wirklich nicht, Hinnerk!«

»Dann gewöhn ihr halt das Betteln ab!«

»Hundeschule?«

Hinnerk seufzte. »Die Marion hat eine. Meistens macht sie die nur von Ostern bis Herbst auf, damit die Urlauber mit ihren Tieren kommen können.«

Justus tunkte einen Löffel in den köchelnden Gelee, pustete kurz an der klebrigen Masse und probierte sie dann vorsichtig. »Aber Aila ist doch inzwischen erwachsen«, sagte er schmatzend. »Erwachsenen kann man doch sowieso nichts mehr abgewöhnen.«

»Wie kommst du denn darauf?« Caro strich sich über ihr blau-weiß gestreiftes Sweatshirt. »Hast du mich in Berlin vielleicht jemals in solchen Klamotten gesehen?«

»Nö.«

»Siehst du. Ich hab’s mir auch abgewöhnt, in teuren Designersachen und auf High Heels rumzulaufen. Obwohl ich schon erwachsen bin.«

»Na ja, vermutlich würde man dich auch für vollkommen irre halten, wenn du mit hohen Hacken am Strand entlangwackeln würdest.«

»Was meinst du mit vollkommen?« Caro legte einen bedrohlichen Unterton in ihre Stimme, und Justus unterdrückte ein Lachen.

»Dass es womöglich noch schlimmer werden könnte«, antwortete er feixend.

Caro nahm sich rasch ein Stück verbrannten Kuchenteig, den Hinnerk aus der bereits benutzten Form gekratzt hatte, und warf es laut lachend nach ihrem Sohn. Wie ein Ziegenbock sprang Aila in die Luft und schnappte sich den vermeintlichen Leckerbissen noch im Flug. Eine Sekunde später hatte sie den Teig verschlungen und sprang aufgeregt bellend um Caro und Justus herum, die sich gegenseitig durchkitzelten.

Hinnerk rollte mit den Augen.

»Wir haben noch eine Menge zu tun, Kinder!«, sagte er mahnend. Da niemand auf ihn hörte, stellte er die Teigschüssel zur Seite und stürzte sich mit klebrigen Händen auf seinen Enkel, der kurz darauf zu Boden ging und sich lachend von Mutter und Großvater durchkitzeln ließ, während Aila ihm über das Gesicht schleckte.

3

Angenehme fünfundzwanzig Grad zeigte das Thermometer, als Caro am nächsten Morgen über den Giloweg zum Flughafen radelte. Eine bessere Temperatur gab es nicht, und wenn es nach ihr ginge, dann würde es den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht kälter werden. Und auch nicht wärmer. Denn auf die unerträgliche Hitze, die sie im letzten Jahr hier hatten, war sie nun auch nicht scharf. Aber dieser Sommer schien deutlich angenehmer zu werden. Manchmal gab es zwar sehr heiße Tage, aber im Großen und Ganzen war es borkumgerecht warm. Auch wenn das bedeutete, dass man abends nicht ohne Sweatshirt an den Strand konnte, liebte Caro dieses Wetter.

Während sie mit Schwung den Dünenweg rauf und runter radelte und die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut genoss, hatte sie ihre Kopfhörer im Ohr und telefonierte mit Marion Schmittlich, der Besitzerin der Hundeschule. Vielmehr versuchte sie es.

»Ich kann Sie kaum verstehen!«, rief Marion Schmittlich am anderen Ende der Leitung. »Wer ist da?«

»Caro Falk!«

»Cola Light?«

Kurz vor der großen Aussichtsdüne hielt Caro an. Es war einfach unmöglich, auf dem Fahrrad ein Telefonat zu führen. Der Nordseewind wehte so stark, dass mehr als ein lautes Rauschen vermutlich kaum zu hören war. Wie oft hatte sie in Berlin auf dem Fahrrad gesessen und telefoniert? Dauernd. Und eine Autofahrt ohne Telefonat war früher kaum denkbar gewesen. Sie musste sich immer noch daran gewöhnen, dass gewisse Sachen hier einfach nicht möglich waren. Dazu zählten Telefonate auf dem Fahrrad genauso wie perfekt gestylte Bob-Frisuren, die sie früher immer getragen hatte. Beides wurde von der allgegenwärtigen Borkumer Brise sofort zerstört.

»Entschuldigung, ich war auf dem Rad.«

»Sie telefonieren auf dem Fahrrad?« Die Stimme von Marion Schmittlich ließ keinen Zweifel daran, für wie dämlich sie die Idee hielt.

»Ich habe jetzt angehalten.« Caro stellte sich erneut vor und fragte nach einem Platz in der Hundeschule.

»Haben Sie ein bestimmtes Problem mit dem Hund, das Sie gerne beheben möchten?«

»Er hört nicht. Vielmehr sie.«

»Gar nicht?«

»Na ja.«

»Können Sie am Montag gegen siebzehn Uhr vorbeikommen? Dann kann ich mir den Hund mal anschauen und entscheiden, in welche Gruppe er kommt.«

»Sie.«

»Meinetwegen.«

»Heißt das, Sie nehmen nicht jeden Hund auf?«

»Das heißt, dass ich ihn mir anschauen muss und dann entscheide. Bei bissigen Kampfhunden wird es zum Beispiel schwierig.«

»Aila ist doch kein Kampfhund!«

»Schön.« Marion Schmittlich gab ihr noch die Adresse durch und beendete dann das Telefonat.

Als Caro kurz darauf am Flughafen ankam und ihr Fahrrad abstellte, sah sie schon durchs Fenster, dass Inge in Schwierigkeiten steckte. Normalerweise ließ es ihre Kollegin ruhig angehen, saß gemütlich hinter dem Ticketschalter und schnabulierte Schnapspralinen. Aber im Moment schien Inge ziemlich in Wallung geraten zu sein. Mit hochrotem Kopf lief sie vom Kiosk zum Ticketschalter und wieder zurück, während Arne, der Geschäftsführer des Flughafens, aufgeregt auf sie einredete.

»Guten Morg…«

»Gut, dass du kommst!«, unterbrach Inge sie, der die Schweißperlen auf der Stirn standen. Ihre weit geschnittene Bluse war von einem pinken Flamingo-Muster bedeckt, das ihrer Gesichtsfarbe im Moment ziemlich nahekam.

»Was ist denn los?«, fragte Caro und legte ihre Sachen am Kiosk ab.

»Arne steigert sich da total in was rein!« Inge warf ihr einen intensiven, fast flehenden Blick zu, und Caro verstand. Ihre Kollegin brauchte mal wieder Hilfe.

»Ich steigere mich also in was rein?«, regte Arne sich auf. »Ü-ber-haupt nicht! Ich sehe nur die Fakten!«

»Fakten, Fakten! Wahrscheinlich hat Roland das einfach missverstanden!«

Wenn Inge behauptete, dass jemand anders etwas missverstanden hatte, dann wusste Caro sofort, dass ihre Kollegin Mist gebaut hatte. Aber sie wusste auch, dass Inge eine Seele von Mensch war und ihre Art von Mistbauen in der Regel immer auf ein Versehen zurückzuführen war.

»Kann ich helfen?«, fragte Caro mit bewusst sanfter Stimme.

»Die liebe Inge hat mal wieder Selbstbedienungsladen gespielt«, sagte Arne. Er war sichtbar wütend. »Eben hat Roland von den Inseljungs angerufen und sich für die großzügige Getränkespende bedankt. Von der ich komischerweise gar nichts weiß!«

Okay, dachte Caro. Inge hat sich also am Kioskbestand bedient und die Sachen für die Strandfete gespendet. Das war nett von ihr gemeint, aber natürlich nicht hinzunehmen. Woanders nannte man so etwas Diebstahl.

Fieberhaft überlegte Caro, wie sie ihrer Kollegin helfen konnte. »Entschuldige, Arne, das hatte ich vergessen, dir zu erzählen«, sagte sie betont locker, »bezahlt hab ich die Getränke. Ich schreib dir das noch mal in den Monatsabschluss rein, dann behältst du den Überblick.«

Arne sah sie ungläubig an, und auch Inge machte große Augen, fing sich aber schnell wieder.

»Du hast drei Kästen Limo und drei Kästen Bier verschenkt?«, sagte Arne, der ihr augenscheinlich kein Wort glaubte.

Meine Herren, warum musste Inge denn gleich solche Unmengen hier rausschleppen? War doch klar, dass das auffällt, dachte Caro. »Ich hab vergessen, es dir zu sagen. Sorry, mein Fehler. Das Geld ist aber in jedem Fall in der Kasse.«

Arne machte ein skeptisches Gesicht. »Auch wenn ich jetzt sofort nachzählen würde?«

»Ja, sicher. Du kannst dich auf mich verlassen.« Caro bemühte sich um eine Unschuldsmiene.

»Das will ich hoffen.« Arne atmete tief durch, und langsam kehrte wieder seine normale Gesichtsfarbe zurück. Dann warf er Inge noch mal einen strengen Blick zu. »Du kannst froh sein, dass ich Caro eingestellt habe«, sagte er wissend.

»Bin ich ja auch. Aber ich verstehe nicht, warum ich immer den Ärger bekomme, wenn andere …«

»Inge!« Jetzt klang Arne wie ein schimpfender Vater.

»Schon gut«, sagte Inge kleinlaut, der klar zu werden schien, dass jedes weitere Wort von ihr überflüssig war.

Kopfschüttelnd ging Arne in sein Büro, und nicht weniger kopfschüttelnd blickte Caro Inge an.

»Drei Kästen Limo und drei Kästen Bier?«, meinte Caro ungläubig. »Und du dachtest, das merkt er nicht?«

»Aber es ist doch für den guten Zweck. Was muss dieser Roland auch noch hier anrufen und sich bedanken? Ich hatte ihm doch gesagt, er soll es für sich behalten. Der ist auch echt ein Arsch.«

»Weil er sich für eine Spende bedankt? Ich weiß nicht.«

Inge grummelte etwas vor sich hin und ging zurück zu ihrem Ticketschalter. »Danke jedenfalls«, sagte sie dann noch leise.

»Gerne. Aber das Geld zahlst du in die Kasse, klar?«

»Logisch.«

Caro wunderte sich kurz, warum Inge so schnell einlenkte. Das war eigentlich gar nicht ihre Art. Aber dann sah sie den Grund dafür. Er kam durch die Eingangshalle und ging geradewegs auf Inge zu. In seinem eng anliegenden weißen Pilotenhemd und der schmal geschnittenen Hose kam Olafs durchtrainierte Sportlerfigur noch besser zum Vorschein. Inge musterte ihn unverhohlen und strahlte ihn an. Olaf hielt eine Kladde in der Hand, die er ihr genervt auf den Tresen knallte.

»Wie soll ich am Samstag nach Norderney fliegen, wenn ich zeitgleich mit meinen Fallschirmjungs aus dem Flugzeug springe?«

»Äh …« Inges Strahlen verschwand schlagartig. Mit einer schnellen Handbewegung schnappte sie sich Olafs Kladde und studierte den Flugplan.

»Am Samstag ist die große Strandfete, falls du das vergessen haben solltest.«

»Ich weiß, ich weiß …« Inges Augen flogen hektisch über den Flugplan.

»Und ich bin der Leiter der Fallschirmgruppe, falls du das vergessen haben solltest.«

»Nein, habe ich auch nicht. Bei der Fete springst du doch immer als Erstes.«

»Ganz genau. Diesmal werde ich mit einer Borkumfahne in der Hand neben dem Strandfeuer landen«, erklärte Olaf nicht ohne Stolz und fügte mit einem Seitenblick zu Caro hinzu: »Wenn die Holzscheite bis dahin wieder ordentlich aufgetürmt worden sind und die ganze Chose überhaupt brennt.«

»Bestimmt!«, meinte Caro. »Hoffentlich landest du dann nicht in den Flammen.«

Olaf lachte. »Ich habe über fünfhundert Sprünge hinter mir. Wenn ich jetzt noch im Feuer lande, hab ich’s nicht anders verdient.« Dann wandte er sich wieder an Inge. »Jedenfalls kann ich nicht springen, wenn ich zur selben Zeit nach Norderney fliegen muss.«

»Natürlich nicht. Da muss sich irgendwo der Fehlerteufel eingeschlichen haben. Ich kümmere mich sofort darum.« Inge sah Olaf in bester Lady-Diana-Manier an und machte sich dann erstaunlich schnell an die Arbeit.

»Kann ich euch noch irgendwie bei den Vorbereitungen helfen?«, fragte Caro, während sie Olaf einen Kaffee einschenkte, den dieser dankbar annahm. »Ich habe das Gefühl, ich könnte noch ein bisschen was wiedergutmachen.«

»Eigentlich ist alles gut organisiert«, antwortete Olaf und nippte an seinem Kaffee.

»Wenn es an dem Abend noch etwas zu tun gibt, sprich mich gerne an.«

»Mach ich.« Olaf gab ihr den leeren Kaffeebecher zurück und bedankte sich. »Ach, vielleicht lässt du deinen wohlerzogenen Hund zu Hause.«

»Sie kommt jetzt in die Hundeschule.«

»Schön. Aber bis Samstag dürfte sie es ja noch nicht draufhaben, zu gehorchen. Oder gehört sie zu den schlaueren Hunden?«

Caro atmete tief durch. Früher hatte sie es immer albern gefunden, wenn jemand eine so enge Beziehung zu seinem Hund aufgebaut hatte, dass er Kritik an dem Tier nicht mehr vertragen konnte. Inzwischen ging es ihr nicht anders.

»Ob du’s glaubst oder nicht, ja, Ailas Rasse zählt zu den schlauen Hunderassen. Aber keine Sorge, ich hatte nicht vor, sie mitzubringen. Auf laute Musik und großes Feuer steht sie nämlich nicht so.«

»Gut!« Olaf zwinkerte ihr fröhlich zu. »Wenn Inge jetzt noch den Flugplan ändert, steht einem gelungenen Fest ja nichts mehr im Wege.«

Wie von Zauberhand tauchte Inge genau in dem Moment neben Olaf auf. Lächelnd legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und reichte ihm mit der anderen einen Zettel.

»Der aktualisierte Flugplan«, flötete sie und schmachtete Olaf dabei so offensichtlich an, dass es Caro fast unangenehm war. Sie war beim besten Willen nicht spießig und hatte nicht das geringste Problem damit, dass Inge als verheiratete Frau einen fast zwanzig Jahre jüngeren Mann anflirtete, aber dieses ungehemmte Abscannen von Olafs Körper würde im umgekehrten Fall, wenn eine junge Frau von einem deutlich älteren Mann so betrachtet werden würde, eindeutig unter me too fallen.

»Danke, Inge«, sagte Olaf, dem die Blicke entweder nicht auffielen oder egal waren.

»Ich finde es wahnsinnig mutig, dass du mit der Flagge in der Hand springen willst«, sagte Inge fast hauchend.

»Warum flüsterst du so?«, fragte Olaf ehrlich erstaunt, und Caro wurde klar, dass er Inges Flirten überhaupt nicht als solches wahrnahm. »Bist du erkältet?«

Inge stieg die Röte ins eh schon rosige Gesicht. Sie räusperte sich demonstrativ. »Äh, ja, Frosch im Hals, tut mir leid.« Dann lächelte sie ihn wieder an. »Trotzdem mutig mit der Flagge. Pass bloß auf dich auf!«

Olaf war sichtlich gerührt. »Du bist wirklich wie eine Mutter zu mir, Inge«, sagte er und tätschelte ihr die Wange.

Caro konnte sehen, wie die Stimmung ihrer Kollegin kippte.

»Ich bin bitte wie zu dir?« Inges Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, und ihr Gesicht wurde dunkelrot.

Olaf schien noch nicht zu ahnen, dass er auf direktem Weg in die Hölle war. »Du erinnerst mich manchmal voll an meine Oma, das war auch so eine ganz Liebe.«

»Okay, okay!« Caro machte einen Schritt nach vorne, sodass sie nun zwischen Inge und Olaf stand, damit die ihm nicht im nächsten Augenblick den Schädel einschlagen konnte. Während ihre Kollegin noch nach Luft schnappte, zog Caro den Piloten vom Kiosk weg. »Ich würde gerne noch was mit dir wegen Samstag besprechen«, log sie und fügte noch leise hinzu: »Du erinnerst mich übrigens manchmal an meinen Uropa. Der hat auch kein Fettnäpfchen ausgelassen.«

»Wieso Fett…« In dem Moment schien Olaf ein Licht aufzugehen. »Ach so …« Betroffen drehte er sich noch mal zu Inge um. »Du hast natürlich viel weniger Falten als meine Oma, das ist doch wohl sonnenklar!«

»Oh Mann!«, stöhnte Caro. Wenn das so weiterginge, würde es hier noch Mord und Totschlag geben.

4

Am Samstag strahlte die Sonne vom knallblauen Himmel, und Caro hatte das Gefühl, als würde jeder Borkumer im Laufe des Nachmittags Kuchen und Salate zum Festplatz schleppen. Der ein oder andere gönnte sich zwischendurch schon mal ein kaltes Bierchen, und die Stimmung war bei allen gut.

Jan half ihr gerade, die letzte Fuhre zu den Zelten zu tragen, die zum Schutz vor der Sonne oder vor einem möglichen Regenschauer über den Tischen aufgebaut worden waren, auf denen die verschiedenen Leckereien angeboten werden sollten. Manchmal überraschte es sie selbst, wie sehr ihr Jan Akkermann in den letzten drei Jahren ans Herz gewachsen war. Dass sie heute so ein eingespieltes Team waren, hätte sie damals nicht für möglich gehalten, als sie beide den Mord an dem Klinikchef aufgeklärt hatten. Durch Zufall hatten sich ihre Wege gekreuzt, und zunächst hatte sie sich eher widerwillig Jans Detektivarbeit angeschlossen. Eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erwiesen hatte.

Schmunzelnd musterte sie ihn. Jan trug nur rote Badeshorts, die zusammen mit seinem braun gebrannten und durchtrainierten Oberkörper für ein überzeugendes Baywatch-Flair sorgten. Caro war sich nicht sicher, ob er die unzähligen Blicke der anderen bemerkte. Frauen aller Altersklassen lächelten ihm angetan zu, während die Männer ihn entweder bewusst übersahen, was eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit war, oder spöttisch die Nase rümpften und einen Spruch machten.

»Du kriegst noch ’nen Sonnenbrand, Akkermann!«, rief ihm einer der Surflehrer zu, der mindestens genauso durchtrainiert war wie Jan, seinen Astralkörper aber lieber mit einem T-Shirt verhüllte.

»Ich hab mich eingecremt!«, rief Jan zurück.

»Was machst du eigentlich, um so ein Sixpack zu kriegen?«, fragte Caro und hoffte im selben Atemzug, dass die Frage nicht irgendwie komisch klang.

»Jedenfalls nicht so viel Kuchen essen, wie ihr gebacken habt. Sechs Torten!« Jan war sichtlich beeindruckt. »Hat Hinnerk ein schlechtes Gewissen gehabt?«

»Hinnerk nicht«, antwortete Caro und erzählte ihm von dem Missgeschick, das Aila passiert war.

»Deshalb hättest du dir keinen Kopf machen müssen«, meinte Jan. »Fast jedes Jahr stürzt das Ding kurz vor dem Fest zusammen. Dafür braucht es keine Aila, dafür reicht ’ne ordentlich steife Brise.«

»Die Jungs haben so getan, als wenn so was noch nie vorgekommen wär.«

»Da haben sie dich verarscht. Glaub mir, ich war lange genug selbst bei dieser Truppe. Ich bin beim traditionellen Vorglühen schon mal in den Stapel reingestolpert. War auch kein Weltuntergang.« Jan erklärte ihr, dass der Abend vor der Fete, wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen waren und die Borkumer Inseljungs auf ihrem Festplatz zusammensaßen, normalerweise immer in einem gewaltigen Absturz endete. »Und irgendein Depp latscht dann halt in den Scheiterhaufen.« Jan grinste. »Liegt bei mir allerdings schon Jahre zurück«, fügte er noch hinzu.

Caro warf einen Blick auf das Feuerholz, das wieder akkurat zu einem Turm aufgeschichtet war. »Jedenfalls scheinen sie es wieder hingekriegt zu haben.«

»Ja klar. Das ist eine Sache von zwei Stunden. Kein Hexenwerk. Deshalb hättest du jedenfalls keine sechs Kuchen backen müssen.«

Caro stellte das letzte Kuchenblech auf einen der Tische. Eine ältere Frau, die zu den Matrosenwitwen zählte, fragte nach der Sorte, und als Caro »Sanddornsahnetorte« sagte, verzog sie spöttisch das Gesicht.

»Und wo ist bitte schön die Sahne?«

»Ach ja, die war bei dieser Fuhre leider aus. Also ist es Sanddornsahnetorte ohne Sahne.«

»Auf einem Backblech.«

»Okay. Sanddornkuchen.«

»Aha.« Die strenge Miene der alten Dame änderte sich in ein gütliches Lächeln. »Sie haben sicher Ihr Bestes gegeben. Danke für die Spende.« Mit diesen Worten steckte sie ein kleines Papierschild in den Kuchen, auf dem »Stück 2,50« stand, nahm es nach kurzem Überlegen wieder heraus und ersetzte es durch ein anderes Schildchen, auf dem »Stück 1,50« zu lesen war.

Caro seufzte. »Sie machen es einem nicht leicht«, sagte sie leise zu Jan. Der lachte laut auf.

»Nein, die Borkumer machen es keinem Zugezogenen leicht. Müsstest du inzwischen wissen.«

»Ich bin jetzt im dritten Jahr hier! Da sollte ich doch wohl als Borkumerin zählen!«

Jan sah sie an, als hätte sie sich gerade zur Kanzlerkandidatin erklärt. »Wenn deine Familie in der fünften Generation hier ist, dann darfst du dich Borkumer nennen.«

Caro rollte mit den Augen. »Das ist ja schlimmer als in Köln. Da reicht die dritte Generation. Vorausgesetzt, alle Kinder wurden innerhalb der alten Stadtmauern geboren.«

Caro erinnerte sich daran, dass ihre Mutter früher häufig davon erzählt hatte, wie die Wehen eingesetzt hatten und Caros Vater mit ihr auf der Rückbank des hellblauen VW-Käfers über die Mülheimer Brücke auf die andere Rheinseite gerast war, nur damit seine Tochter auch ja im Klösterchen zur Welt kam, wie die Klinik in der Südstadt von allen Kölnern genannt wurde.

»Also, jedenfalls hat noch keine Zugezogene so viel gebacken wie du«, sagte Jan.

»Blödmann, eingeborener«, entgegnete Caro und ließ sich von Jans Grinsen anstecken.

Eine halbe Stunde, bevor es offiziell losgehen sollte, waren alle Ess- und Getränkestände bestückt. Jan hatte sich eine rote Sweatshirt-Jacke übergezogen, die bis zum Bauchnabel offen stand. Als Hinnerk mit Justus zu ihnen kam, starrten beide ungeniert auf Jans Sixpack.

»Ich will auch so was«, sagte Justus und zeigte auf Jans Bauch.

Caro strich ihm durch die blonden Haare. »Ich schätze, dann musst du jeden Tag hundert Sit-ups machen.«

»Es gibt Wichtigeres im Leben, mein Junge«, murmelte Hinnerk. »Glaub mir, ich bin auch ohne diese Muskelpakete klargekommen.«

Jan sah die anderen erstaunt an. »Warum ist denn mein Bauch heute so Thema?«

»Na ja. Du stellst ihn ja ordentlich zur Schau«, meinte Caro.

»Das hier ist ’ne Strandfete, das wisst ihr schon, oder?« Energisch zog Jan den Reißverschluss seiner Jacke hoch. »Aber wenn ihr mit so viel Haut nicht klarkommt, bitte.«

Caro lachte, während Justus Jan weiterhin nach Fitnesstricks für ein perfektes Sixpack ausfragte.

Das Fest begann mit einer Ansprache des Vorsitzenden der Inseljungs, der alle Urlauber und Einheimischen begrüßte und die Fete mit einem Appell eröffnete:

»Alle Einnahmen von heute fließen in die Unterstützung der Matrosenwitwen. Also haut rein, lasst es euch schmecken, und genehmigt euch ein Pils! Oder auch zwei!«

Alle klatschten, und sofort setzte Musik ein. Die Gäste strömten in Scharen über den Festplatz. Überall wurde gelacht und gegessen, getrunken und sogar getanzt.

Justus hatte seine halbe Klasse getroffen und war mit den anderen Kindern in den Dünen verschwunden. Hinnerk hatte Caro versprochen, ab und zu ein Auge auf die Kurzen zu werfen, damit sie keinen Quatsch machten. Auch wenn den Kindern auf der Insel praktisch nichts passieren konnte, im Blödsinnmachen waren die Kleinen inzwischen ganz groß. Und eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war es, aus einem Versteck in den Dünen kleine Brotkugeln auf die Handtücher schlafender Urlauber zu werfen, die daraufhin von mehreren Möwen attackiert wurden und nicht selten laut schreiend aus dem Schlaf hochschreckten. Ein Riesenspaß für die Kinder.

Caro stellte sich an der Bratwurstbude an, um für Hinnerk, Jan und sich selbst Würstchen zu holen. Die Männer wollten sich in der Zeit um die Getränke kümmern, und ein paar Minuten später saßen sie zu dritt im Sand, bissen in ihre Bratwürste, behielten dabei natürlich immer die Möwen im Auge und lauschten der Musik, während sie ab und zu einen Schluck aus ihren kalten Bierflaschen nahmen.

»Das ist der perfekte Abend«, sagte Jan schmatzend. Er sah rundum zufrieden aus.

»Finde ich auch«, stimmte Caro ihm zu. »Da hat sich der ganze Vorbereitungsstress doch gelohnt. Super Organisation, Hinnerk.«

»Danke. Ich weiß zwar nicht, wie ich jemals wieder vom Boden hochkommen soll, aber ich finde es auch toll.«

»Wir kriegen dich schon wieder auf die Beine«, meinte Jan lachend.

Caro winkte ihrer Freundin Tine und deren Mann Freddy zu, die auf der anderen Seite des Festplatzes an einer Fischbrötchenbude anstanden. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie sehen, wie die beiden alle Hände voll damit zu tun hatten, ihre vier Kinder abzufüttern. Als hätten die seit Tagen nichts zu essen bekommen, stritten sie darum, wer als Erster sein Brötchen bekam. Schließlich rannten sie mit den Leckerbissen in der Hand in die Dünen.

»Die sind lebensmüde«, sagte Freddy, als er mit Tine zu ihnen herüberkam. »Mit frischem Hering in die Dünen …«

»Die Möwen werden sich freuen«, meinte Jan.

»Mein Geldbeutel aber nicht. In ein paar Minuten brauchen die doch alle ein neues Fischbrötchen.« Freddy ließ sich neben die Männer in den Sand fallen und stieß mit ihnen an, Tine kniete sich zu Caro. Während die Männer sich sofort über irgendein verlorenes Spiel der deutschen Nationalelf austauschten, musterte Tine Jan unverhohlen.

»Sag mal, mit deinem Akkermann«, flüsterte sie Caro zu und warf einen vieldeutigen Blick zu Jan.

»Das ist nicht mein Akkermann«, gab Caro leise zurück, aber der Einwand schien Tine nicht im Geringsten zu interessieren.

»Keiner ist näher an ihm dran als du«, sagte sie. »Also, jetzt sag schon: Läuft da was mit deinem Akkermann?«

Caro zog erstaunt eine Augenbraue hoch. »Laufen im Sinne von körperlicher Anziehung?«

»Ja, was denkst du denn?!« Tine rollte mit den Augen. »Habt ihr schon …«

»Sex?«, entfuhr es Caro etwas zu laut. Die drei Männer drehten erstaunt ihre Köpfe zu ihnen.

»Worüber redet ihr denn?«, fragte Freddy neugierig. »Ich glaube, die beiden haben die interessanteren Themen«, sagte er zu Jan und Hinnerk.

»Ihr habt einen völlig falschen Eindruck«, entgegnete Caro. Dann beugte sie sich zu Tine. »Du spinnst doch wohl!«

»Muss ja nicht gleich das volle Programm sein … geknutscht?«

»Tine! Nein! Ich habe nicht das geringste Interesse an dem Mann!«, zischte Caro.

Tine grinste breit. »So ’n Blödsinn. Dein Interesse ist dir auf die Stirn geschrieben.«