Nonni und Manni - Zwei isländische Knaben - Jón Svensson - E-Book

Nonni und Manni - Zwei isländische Knaben E-Book

Jón Svensson

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Beschreibung

Es sind die kleinen und großen Abenteuer, die Nonni und seinen jüngeren Bruder Manni zusammenschweißen. Und so ist Manni auch an Jonnis Seite, als sie sich auf einem Boot raus auf das Meer begeben, die Natur erleben, interessante Menschen kennenlernen und in große Gefahr geraten, aus der sie nur gerade so gerettet werden. ZUM AUTOR: Jón Stefán Sveinsson (1857 – 1944) war durch seine Nonni-Bücher einer der in Deutschland bekanntesten isländischen Schriftsteller. Er veröffentlichte seine Werke weltweit unter dem Namen Jón Svensson. Im Jahr 1870 verließ er Island. In Frankreich – nach dem deutsch-französischen Krieg - nahm er den katholischen Glauben an und trat in den Jesuitenorden ein. Seit 1906 schrieb er die 12 "Nonni-Bücher" über seine Jugend auf Island und sein späteres Leben und Wirken in Europa, USA und Japan in deutscher Sprache. Sie wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt.

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Seitenzahl: 78

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Jón Svensson

Nonni und Manni

Zwei isländische Knaben

Saga

Vorwort des Verfassers

Seitdem diese Erzählung auch in deutscher Sprache erschienen ist, habe ich von deren Lesern eine solche Menge liebenswürdiger Zuschriften erhalten, daß es mir leider unmöglich wurde, für eine jede einzeln zu danken. Es sei mir deshalb gestattet, all den freundlichen Briefschreibern, den großen und den kleinen, an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen.

Jon Svensson

1. Die Zauberflöte

In der Zeit, wo ich als elfjähriger Knabe noch in meiner Heimat lebte, in der kleinen, lieblichen Stadt Akureyri, am herrlichen Golf Eyjafjördur auf Nord-Island, kam eines Tages ein Mann zu uns auf Besuch. Sein Name war Arngrim.

Er war etwas verwandt mit unserer Familie und wurde deshalb besonders freundlich aufgenommen.

Obgleich dieser Besuch kein wichtiges Ereignis war, so sollte er doch von den entscheidendsten Folgen für mein ganzes zukünftiges Leben sein.

Nachdem er sich gestärkt hatte, fragte Arngrim, ob er uns etwas auf seiner Flöte vorspielen solle.

„O ja“, antworteten alle einstimmig.

Ich wurde sehr neugierig; denn bisher hatte ich ein solches Instrument noch nicht gesehen.

Arngrim zog ein feines Lederfutteral hervor, legte es feierlich auf den Schoß und öffnete es.

Da kam eine prachtvolle, schwarzpolierte Flöte zum Vorschein.

Sie lag in mehreren Teilen da und mußte erst zusammengesetzt werden.

Als er dies besorgt hatte, setzte er das sonderbare Ding an den Mund, feuchtete seine Lippen an und begann zu spielen.

Ich war entzückt. Die lieblichen Töne bezauberten mich förmlich. So etwas Schönes glaubte ich nie gehört zu haben.

Arngrim spielte übrigens auch meisterhaft.

Das Flötenspiel war seine Leidenschaft; er sagte, daß er nie auf Reisen gehe ohne sein Instrument mitzunehmen.

Vor dem Spiel erklärte er jedesmal den Sinn der Melodie.

Wir bekamen die verschiedensten Stücke zu hören, deutsche, dänische, französische und englische.

Einige von diesen Melodien machten einen so tiefen Eindruck auf mich, daß sie für immer in meinem Gedächtnis haften blieben.

Ich wurde mehr und mehr für diese wunderbare, weiche Musik begeistert.

Es war ja auch die erste musikalische Unterhaltung in meinem Leben.

Am Abend, als alle schon zur Ruhe gegangen, schlich ich in das Zimmer unseres Gastes und bat ihn, mich seine Kunst zu lehren.

Arngrim war über meine jugendliche Begeisterung sehr erstaunt, faßte meine Hände und sagte:

„Mein kleiner Freund, das hätte ich nicht erwartet; aber leider kann ich nur diese eine Nacht hier bleiben. Deshalb wird die Zeit kaum hinreichen, dich zu unterrichten.“

„O, ich werde mir schon Mühe geben, lehre mich heute abend wenigstens noch die Anfangsgründe.“

„Jetzt? Heute abend, wo alle schon zur Ruhe gegangen sind? Glaubst du, das dürfen wir tun?“

„Ja, das dürfen wir wohl. Wir können ja ganz leise spielen.“

Arngrim wunderte sich über meinen Eifer und ging darauf ein, mir die einzelnen Griffe zu zeigen.

Ich blieb bis tief in die Nacht bei ihm und übte ununterbrochen.

Zuletzt dachte ich, ich hätte es vorläufig weit genug gebracht, das Übrige würde ich schon selbst lernen.

Darauf hub ich an:

„Mir scheint, das Flötenspiel ist das Schönste, was ich je gehört habe.“

„Du hast recht, mein Junge. Ein gewisser, geheimnisvoller Zauber liegt in diesen Tönen, nicht einmal die Tiere widerstehen ihnen. Man kann Schlangen, Ratten, selbst die Fische im Meere damit bezaubern. In einer Stadt Deutschlands, erzählt man, habe einmal der sogenannte ‚Rattenfänger von Hameln‘ durch sein Flötenspiel es dahin gebracht, daß die Ratten von allen Seiten herbeikamen und ihm nachliefen.“

Ganz verwundert sagte ich:

„Die Ratten, das verstehe ich. Aber kann man auch wirklich die Fische im Meere, wie du sagst, durch das Flötenspiel herbeilocken?“

„Jawohl, mein Freund.“

„O, dann sage mir doch, wie man das anzufangen hat!“

„Man fährt nach einer einsamen Stelle auf dem Meere, bleibt still liegen und fängt an zu spielen, am besten in langgezogenen, durchdringenden Tönen. Wenn man das einige Zeit fortsetzt, so werden die Fische an die Oberfläche gelockt, von allen Seiten schwimmen sie langsam heran, lauschen und lauschen und folgen dem Boote, wohin es auch treibt.“

„Ist das möglich? Und glaubst du, sie würden auch von mir sich locken lassen?“

„Gewiß, mein Junge, wenn du nur die richtigen Töne triffst.“

Unterdessen war es sehr spät geworden. Deshalb mußte ich mich beeilen zu Bett zu kommen.

In der Nacht träumte ich nur vom Flötenspiel.

Ratten und Schlangen gibt es auf Island nicht, dagegen Fische in Menge.

Das Meer rings umher und die Fjorde wimmeln davon.

Mein Entschluß stand fest: ich wollte mir eine Flöte verschaffen und die Fische herbeilocken.

Kaum war Arngrim am folgenden Tage abgereist, als ich auch schon in das Zimmer meines Vaters trat.

Er saß an seinem Schreibtisch.

Sofort kam ich mit meiner Bitte heraus:

„Vater, ich habe so große Freude am Flötenspiel; bitte, gib mir Geld, um eine Flöte, wie Arngrim eine hat, zu kaufen.“

Er machte große Augen, legte die Feder weg, drehte sich auf dem Stuhle um und sagte:

„So, eine Flöte willst du dir kaufen? Weißt du auch, daß die viel Geld kostet? Ich meine, es ist das Beste, wir warten etwas damit. Später können wir wieder darüber sprechen.“

„O Vater, dann kann ich mir ja eine billigere kaufen. Ich möchte mich so gern im Flötenspiel üben.“

Der Vater lächelte und sagte:

„Nun, mein Junge, wenn du ein solches Verlangen darnach hast, so magst du in die Stadt gehen und dir eine kleine Blechflöte kaufen. Sag nur, man möge sie auf meine Rechnung schreiben.“

Ich dankte ihm und eilte in die Stadt. Eine Viertelstunde später hatte ich eine niedliche Zauberflöte aus Blech.

Jeden Tag übte ich mich nun mit solchem Eifer, daß ich bald alle mir bekannten Melodien spielen konnte.

Besonders verlegte ich mich darauf, die langgezogenen, durchdringenden Töne zu lernen.

Hätte ich damals geahnt, welch schreckliche Leiden diese meine „Zauberflöte“ einige Tage später über mich und meinen kleinen Bruder bringen sollte, ich hätte sie auf der Stelle ins Feuer geworfen.

Doch ich ahnte nichts Böses und ging deshalb fröhlich und munter den Gefahren entgegen, die auf mich lauerten ...

2. Auf der Reede

Eine Schwierigkeit war noch zu überwinden. Ich mußte mir die Erlaubnis verschaffen auf den großen Fjord hinauszufahren.

Um Gesellschaft zu haben, ging ich erst zu meinem jüngeren Bruder Armann und sagte ihm:

„Hör, Manni (dies war sein Kosename, wie Nonni der meine), hast du Lust, morgen mit mir eine Kahnfahrt auf dem Fjord zu machen?“

„Ja, gern. Aber was willst du da?“

„Etwas ganz Besonderes. Ich will den Fischen auf meiner Flöte etwas vorspielen.“

„Wie! Du willst den Fischen etwas vorspielen auf deiner Flöte? Glaubst du denn, daß sie darauf hören?“

„Jawohl, und du wirst etwas Seltsames zu sehen bekommen. Ich werde die Fische herbeilocken. Aber du darfst nichts davon sagen, sonst bekommen wir von Mutter die Erlaubnis nicht.“

Manni versprach es.

Jetzt ging ich zur Mutter und bat sie, am andern Tag zum Fischen hinausrudern zu dürfen.

Die Mutter gestattete es, doch unter der gewöhnlichen Bedingung, daß gutes Wetter sei und daß wir uns nicht zu weit vom Strande entfernten.

Diese Bedingung war mir nicht nach dem Sinn; ich wollte ja weiter fahren als gewöhnlich. Doch ließ ich nichts merken und dankte ihr.

Das war ein Fehler, für den ich bald schwer büßen sollte.

Am folgenden Tag war herrliches Wetter, Sonnenschein und vollständige Windstille.

Der Himmel war blau und die Luft gesättigt mit dem Duft unzähliger wilder Blumen.

Wie froh waren Manni und ich! Es war ja ein Wetter, wie wir es nicht besser wünschen konnten.

Schon zeitig richteten wir alles her.

Wir schoben unser kleines rot und grün bemaltes Boot ins Wasser.

Ich nahm meine Angelschnur mit, an deren Ende eine kleines Bleifischchen befestigt war. Aus seinem Maul hingen zwei Angeln.

Als Lockspeise band ich vorläufig an beide ein rotes Läppchen, an das die Fische gern anbeißen.

Eben wollte ich meinem kleinen Bruder helfen ins Boot zu steigen, da kam eine alte Frau daher; es war die Witwe Thordis.

Man nannte sie allgemein die alte Wala (Vala). Diesen Namen gaben die Normannen in heidnischen Zeiten ihren Wahrsagerinnen.

Thordis war aber keine Wahrsagerin, sondern eine gute und fromme alte Frau.1

„Wohin wollt ihr, Kinder?“ fragte sie.

„Wir wollen auf den Fjord, um zu fischen.“

Thordis sah die Flöte, die aus meiner Tasche hervorlugte.

„Willst du draußen auch auf der Flöte spielen?“

Ich wurde etwas verlegen und sagte:

„Ja, so nebenbei.“

Thordis schaute mich scharf an und sagte:

„Ich weiß nicht, woher es kommt, ich fühle mich sehr besorgt um euch zwei; doch“, fügte sie langsam hinzu, „ich hoffe, Gott wird seine schützende Hand über euch halten.“

Bei diesen Worten wurde mir etwas sonderbar zumute. Nach einer Pause fuhr die Alte fort:

„Hör, Nonni, wollt ihr diese Fahrt nicht lieber aufgeben?“

„Warum denn?“ fragte ich.

Auf meinen kleinen Bruder schauend antwortete sie:

„Es möchte euch schlecht gehen; es ist doch gefährlich für zwei kleine Knaben, allein auf den Fjord hinaus zu fahren.“

Ich wurde etwas nachdenklich und dachte schon daran, auf die Fahrt zu verzichten. Da rief Manni:

„Aber sollen wir nicht bald abfahren?“

„Ja“, antwortete ich unwillkürlich, „jetzt fahren wir, Manni.“

Ich suchte meiner Angst Herr zu werden und sagte zu Thordis:

„Wir möchten diese Fahrt doch nicht gern aufgeben. Schon lange haben wir uns darauf gefreut, und unsere Eltern haben es erlaubt.“

„Nun, in Gottes Namen“, sagte die Alte, „aber fahrt wenigstens nicht über die Landzunge Oddeyri hinaus, haltet euch zwischen den Schiffen auf der Reede; da habt ihr Platz genug, euch umherzutummeln.“

„Wir wollen schon vorsichtig sein“, antwortete ich.