Psychologie für die Seele - Thomas Peddinghaus - E-Book

Psychologie für die Seele E-Book

Thomas Peddinghaus

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Beschreibung

Psychologie ist mehr als reine Statistik und Wissenschaft, mehr als regelmäßige Gespräche zwischen „Seelenklempnern“ und „Verrückten“. Sie ist der Schlüssel zu innerer Harmonie und Ganzwerdung – vorausgesetzt, sie wendet sich ernsthaft dem seelischen Befinden zu und erfasst den Menschen in seiner Ganzheit. Diese kleine Einführung in die Welt der Psychologie baut Brücken zwischen allgemeinen psychologischen Erkenntnissen und dem individuellen Bedürfnis nach Seelenheilung. Sie gewährt Einblicke in ihre Entwicklung als Wissenschaft, liefert Grundlagen und Denkanstöße für Interessierte und erweist sich als eindringliche Untersuchung des Individuums und der Gesellschaft von heute.

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Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Impressum:

© Verlag Kern GmbH, Ilmenau

© Inhaltliche Rechte beim Autor

Überarbeitete und erweiterte Neuauflage, April 2018

Autor: Thomas Peddinghaus

Cover/Layout/Satz: Brigitte Winkler, www.winkler-layout.de

Coverbild: Christian Reinhardt

Sprache: deutsch

ISBN: 978-3-95716-265-6

ISBN E-Book: 978-3-95716-283-0

www.verlag-kern.de

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Übersetzung, Entnahme von Abbildungen, Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, Speicherung in DV-Systemen oder auf elektronischen Datenträgern sowie die Bereitstellung der Inhalte im Internet oder anderen Kommunikationsträgern ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags auch bei nur auszugsweiser Verwendung strafbar.

Thomas Peddinghaus

Psychologie für die Seele

Eine psychosophische Reise zur persönlichen Entwicklung

Danksagung

Das Zustandekommen dieses Buches wäre ohne die Arbeit und Werke anderer Seelenforscher der Vergangenheit und der Gegenwart undenkbar gewesen. Daher möchte ich mich auf diesem Wege bedanken für all die wertvollen und wichtigen Anregungen, die ich durch diese Vordenker erhalten habe. Zusammen mit den zahlreichen Begegnungen mit anderen bemerkenswerten Menschen, sind sie es, die mich einerseits persönlich bereicherten und anderseits zum Verfassen dieses Buches inspirierten.

Thomas Peddinghaus

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

1. Einleitung

2. Die Geschichte der Psyche

3. Die Seelenkunde – Die Anfänge bis zur heutigen Zeit

4. Die Template der Psychologie

5. Vom Bewussten und Unterbewussten

6. „Nur das Bedeutende erlöst“ – Von der Seelenkunde zur Seelsorge

7. Die Psychologien der Lebensalter

8. Psychologie und persönliche Entwicklung

9. Fragen zur Selbsterforschung

10. Zum Ausklang

Literatur

Vorwort

Wenn Sie diese Zeilen lesen und sich überlegen, ob dieses Buch für Sie von Interesse sein könnte, beantworten Sie bitte folgende drei Fragen:

• Gibt es etwas in Ihrem Leben, das Sie verändern oder weiterentwickeln möchten?

• Gibt es etwas in Ihrer Persönlichkeit, das Sie verändern oder weiterentwickeln möchten?

• Gibt es etwas in Ihrem Leben oder Ihrer Persönlichkeit, das Sie verstehen und erklären möchten?

Falls Sie mindestens zwei der drei Fragen mit „Ja“ beantworten können, bestehen gute Aussichten, dass dieses Buch für Sie und Ihr Leben einen praktischen Nutzen bietet. Falls Sie keine der drei Fragen mit „Ja“ beantworten können, wäre der Kauf dieses Buches aller Wahrscheinlichkeit nach eine unnötige Geldausgabe.

Allein die Wahl eines solchen Buchtitels lässt jedoch darauf schließen, dass zumindest ein grundsätzliches Interesse daran besteht, sich näher mit Fragen zum eigenen Selbstverständnis und den Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung zu beschäftigen.

In meinem Beruf als Psychologe werde ich immer wieder damit konfrontiert, dass allein die Erwähnung meiner Berufsbezeichnung bestimmte Reaktionsweisen bei meinen Mitmenschen hervorruft. Das Spektrum reicht dabei von dem achtsamen „Oha“ eines offensichtlich sich mit Vorsicht wappnenden Zeitgenossen bis hin zum erschrockenen „Owehoweh“ eines Betroffenen, der Schlimmeres befürchtet. Anscheinend existiert heutzutage in vielen Köpfen die Vorstellung von der Psychologie als einer problembehafteten Nabelschau, durch deren Mangel gedreht selbst die Harmlosesten unter uns ihre wahren Untiefen erkennen und offenbaren. Gemäß dem Motto „Auch wenn du vorher kein wirkliches Problem hattest – spätestens nach einem Gespräch beim Psychologen wirst du eins haben“ erscheint der Kontakt zur professionellen Psychologie eher angst- und problembesetzt als erleichternd oder gar befreiend.

Vielleicht trägt ja der moderne Psychologie’betrieb’ mit zu diesem Bilde bei. Man könnte tatsächlich den Eindruck gewinnen, bei einer psychologischen Beratung oder Psychotherapie gehe es in erster Linie um die Wiederherstellung einer verloren gegangenen Arbeits- und Lebenstüchtigkeit, d.h. einem seelischen Reparaturservice, wie er auch in dem Begriff vom ‚Seelenklempner’ zum Ausdruck kommt. Die Frage nach einer weiterführenden Orientierung in einer zunehmend sinnentleerten Welt taucht oft nur am Rande einer solchen ‚Behandlung’ auf.

Dabei kann gerade die Psychologie durch die Vermittlung von Einsichten in die Zusammenhänge des Lebens und Erkenntnis über den eigenen Standort in dieser Welt zu einer Lösung und Befreiung von persönlichen, aber auch gesellschaftlichen Zwängen führen. Durch ihre Art der Hilfestellung kann die Psychologie ein sehr wirksames Mittel zur Entdeckung und Entwicklung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten sein. Je bewusster und klarer wir über uns selbst werden, desto selbstbestimmter können wir über den Verlauf unseres eigenen Lebens entscheiden, bis hin zur Wahrnehmung und Erfüllung unseres spirituellen Weges.

Die Frage nach dem Sinn des irdischen Daseins scheint ein sehr menschliches Bedürfnis zu sein: Man bedenke die lange Geschichte der Versuche, das Rätsel des Lebens zu lüften, sowohl im großen, weltbewegenden wie auch im kleinen und sehr persönlichen Sinne. Ein kluger Mann hat einmal gesagt, der Sinn des Lebens bestehe darin, den Sinn des Lebens zu erforschen. So paradox es klingen mag, ist dennoch die eigene Lebenserfahrung wohl eine Bestätigung dieses Satzes: Man hat den Eindruck, man gelange niemals zu einer endgültigen Antwort auf diese Frage, zumindest nicht in diesem Leben.

„Es ist der Sinn meiner Existenz, dass das Leben eine Frage an mich hat. Oder umgekehrt: Ich selber bin eine Frage, die an die Welt gerichtet ist, und ich muss eine Antwort beibringen, sonst bin ich bloß auf die Antwort der Welt angewiesen.“

C.G. Jung, Erinnerungen

Dieses Buch ist ein Versuch, sich über den eigenen Platz in diesem Universum der Möglichkeiten klarer zu werden. Ich möchte dazu beitragen, die jedem Menschen innewohnenden Kräfte und Potentiale ein Stück weiter zu entdecken und freizusetzen. Als Mittel zum Zweck soll dabei die ‚Kunde von den Seelenvorgängen’, auch Psychologie genannt, dienen. Die Beschäftigung mit den psychologischen Seiten der Persönlichkeit wird dabei verbunden mit der Suche nach der eigenen Sinnhaftigkeit inmitten des vielfältigen irdischen Daseins. Es ist gleichzeitig der Versuch, das Bild von der Psychologie zu erweitern und über das Verständnis der menschlichen Verhaltensweisen hinaus einen Zugang zu den Lebenszusammenhängen, auch im spirituellen Sinne, zu schaffen.

Diese Art der Psychologie berührt daher ganz bewusst, über die Lehre (logos= Wort, Lehre) von den seelischen Zusammenhängen hinaus, die Weisheit (sophie= Weisheit) und Erkenntnis menschlicher Existenz und Spiritualität. Vielleicht wäre daher der schon von Rudolf Steiner verwendete Begriff der ‚Psychosophie’ angemessener. Die etwas mystische und nicht ganz zu begreifende Natur der Seele kommt schließlich schon in dem griechischen Wort psyche zum Ausdruck, was neben der bekannten Übersetzung mit Seele auch Atem oder Hauch bedeutet (oder auch Schmetterling!).

Zielsetzung dieses Buches ist es also, dem interessierten Leser die Möglichkeiten zu zeigen, die in der Psychologie als einem Mittel zur Erreichung eines sinnerfüllten Zustandes liegen, einem Zustand, der in dem Begriff des ‚Seelenheils’ so schön zum Ausdruck kommt.

„Da die Religion unstreitig eine der frühesten und allgemeinsten Äußerungen der menschlichen Seele ist, versteht es sich von selbst, dass jede Art von Psychologie,…, nicht darum herumkommt, wenigstens die Tatsache zu beachten, dass Religion nicht nur ein soziologisches oder historisches Phänomen ist, sondern für eine große Anzahl von Menschen auch eine wichtige persönliche Angelegenheit bedeutet.“

C.G. Jung, Psychologie und Religion

1. Einleitung

„Erkenne dich selbst!!“ Dieser Satz gilt wohl nicht erst seit dem Orakel von Delphi für Menschen aller Epochen als grundlegende Aufforderung zur Bewusstwerdung der eigenen Rolle inmitten dieser irdischen Existenz. Als Adam dank Evas (und der Schlange) aktiver Mithilfe sich seiner selbst bewusst wurde, begann sich ein Rad der beständigen Selbsterforschung und -befragung zu drehen, das seitdem nicht mehr zur Ruhe gekommen ist.

Hölderlin sprach Jahrhunderte später noch immer vom Menschen als dem „letzten unerforschten Kontinent“. Und selbst heute, in unserem vorgeblich so aufgeklärten Zeitalter, scheinen sich die Menschen mehr denn je mit den großen Sinnfragen des Lebens zu beschäftigen – trotz oder gerade wegen der vielen ‚bahnbrechenden’ Erkenntnisse der Wissenschaften. Die Bücher zum Thema ‚Spiritualität und Lebensberatung’ füllen meterweise die Regale in Bibliotheken und Buchhandlungen.

Die Frage, die sich bei jedem Erkenntnisgewinn dieser Art unweigerlich stellt, ist die Frage nach dem Nutzen für das eigene Leben: Wohin führt diese Erkenntnis? Führt sie zu einer inneren und äußeren Befreiung des Menschen von seinen Zwängen, Ängsten und Zweifeln hin zu seinen Wünschen, Hoffnungen und Visionen? Kann sie dazu beitragen, den Menschen zu befähigen, seine persönliche Entwicklung voranzutreiben, die in ihm schlummernden Potenziale freizusetzen?

Psychologie als wissenschaftliche Disziplin entstand am Ende des 19. Jahrhunderts, zur Blütezeit des industriellen Zeitalters. Deutet dieser zeitliche Zusammenhang auf die Zunahme der seelischen Nöte in einer sich immer schneller entwickelnden, technisierten Welt? Konnte der Einzelne mit der um ihn herum ablaufenden Entwicklung nicht mehr Schritt halten? Wurde seine Lage in einer immer anonymer werdenden Gesellschaft beklemmender und sinnentleerter? Verlagerte sich gleichzeitig die notwendige zwischen-menschliche Hilfe und Unterstützung weg vom Familienverband hin zu professionellen Helfern in Form von Psychiatern und Psychologen? An welchem Punkt der Geschichte stehen wir schließlich heute am Anfang des 21. Jahrhunderts?

Solcherlei Fragen stehen am Anfang dieser Reise durch die Möglichkeiten einer Wissenschaft und Lehre, deren wahres Potenzial heutzutage nur ansatzweise genutzt wird. Den Menschen als ein spirituelles Wesen wahrzunehmen, entsprechende Hilfestellung zur Wiedererlangung der Stimmigkeit mit sich selbst zu bieten und das Gefühl von einem Aufgehobensein in einem größeren Ganzen zu vermitteln – diese Art der ‚Seelsorge’ findet zumindest in den klassischen Psychologie- und Therapiekreisen nur selten und sehr bedingt statt. Der immense Zulauf, den so genannte esoterisch gefärbte Beratungs- und Therapieformen während der letzten Jahre in der industrialisierten Welt verzeichnen, ist wohl Ausdruck dieser mangelhaften Entsprechung des Angebots der klassischen Psychologie auf der einen mit den Bedürfnissen der ‚Klienten’ auf der anderen Seite.

Kann es daher gelingen, das zweifelsohne vorhandene Potenzial der Psychologie, mit all ihren brillanten Werkzeugen der Analyse und des besseren Verstehens, mit der Idee einer Hinführung zu Seelenheil und spirituellem Wachstum zu verbinden? In unserem Kulturkreis wird diese Aufgabe noch immer eher dem geistlichen, sprich kirchlichen Bereich zugewiesen.

Ich bin davon überzeugt, dass gerade in dieser Verbindung des Seelischen mit dem Geistlichen für jeden Menschen ein Schlüssel zur Erlangung und Wiederherstellung seiner ganzheitlichen Gesundheit und Intaktheit liegt. Wahrhafte Inspiration und Beseeltheit sind die beste Garantie für körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit, ganz gemäß dem wunderbaren Satz (wiederum von C.G. Jung)

„Nur das Bedeutende erlöst“.

C.G. Jung, Psychologie und Religion

Begleiten Sie mich daher, liebe Leserin und lieber Leser, bei dieser Reise durch die verschiedenen Etappen psychologischer Erkenntnis, die ich mit einem kleinen Ausflug in die griechische Mythologie beginnen möchte. In der Geschichte von „Eros und Psyche“ wird nämlich ein interessantes Licht auf das mögliche Wesen auch der menschlichen Psyche geworfen.

2. Die Geschichte der Psyche

Die von dem römischen Dichter Apuleius überlieferte Geschichte der Psyche, die als Königstochter den Liebesgott Eros zum Mann erhält, kann als bildhafte Darstellung der Suche der Seele nach der göttlichen Liebe gesehen werden. Gleichzeitig stellt sie wohl eine der tiefgründigsten Parabeln der Beziehung zwischen den Geschlechtern dar, die jemals verfasst wurden. Die Entdeckung einer neuen, bewussten Weiblichkeit und ihre Vereinigung mit der geläuterten Männlichkeit kann vielleicht gerade in der heutigen Zeit der ‚inneren und äußeren Befreiung der Geschlechter’ und der dazugehörigen allgemeinen Rollenverwirrung als wertvolle Orientierungshilfe dienen.

Als die jüngste der drei Töchter des Königs Apollon war Psyche von solcher Schönheit, dass sich die Menschen vom Kult der Göttin Aphrodite abwandten und das Mädchen zu verehren begannen. Sie selbst wünschte sich jedoch lieber Heiratsanträge, statt wie eine Göttin verehrt zu werden. Aphrodite war so erbost über diese Art von Konkurrenz, dass sie als Strafe ihrem Sohn Eros befahl, Psyche in das hässlichste Geschöpf verliebt zu machen, das er finden könnte.

Als Eros jedoch Psyche erblickte, war es um ihn selbst geschehen und er verzichtete darauf, den Befehl auszuführen. Er bat Apollon, Psyches Vater, ihr durch ein Orakel zu sagen, dass sie sich zur Ehe bereit machen und in ihr Hochzeitsgewand gehüllt auf eine einsame Bergspitze steigen solle, wo ein böser Geist sie zur Frau nehmen würde.

Psyche tat, wie ihr geheißen, wurde jedoch statt von einem „bösen Geist“ von einer sanften Brise vom Berg gehoben und in ein verborgenes Tal geweht, wo sie vor einem Feenpalast mit Toren aus Edelsteinen und Fußböden aus Gold stand. Sie ging hinein und unsichtbare Geister waren ihr dienstbar. Eine freundliche Stimme führte sie umher und gebot ihr, sich nicht zu fürchten.

Als es Nacht wurde, ging sie zu Bett und Eros legte sich in menschlicher Gestalt zu ihr. Er sagte, dass er nun ihr Mann sei und dass sie glücklich und in Frieden leben werde. Dies allerdings sei nur dann der Fall, so lange sie nicht herauszufinden versuche, wer er sei und wie er aussähe. Wenn sie diesem Gebot zuwiderhandle, werde ihr gemeinsames Kind die Unsterblichkeit verlieren, die ihm von Geburt an verliehen sei.

Die ungetrübte Liebe zwischen Psyche und Eros währte nicht lange: Getrieben von eigener Neugier und beeinflusst vom zudringlichen Ratschlag ihrer eifersüchtigen Schwestern, nahm sie eines Nachts eine Öllampe mit zu Bett. Erschrocken vom Anblick der schönen Züge des schlafenden Liebesgottes verschüttete sie ein wenig vom heißen Lampenöl, woraufhin Eros erwachte. Er erkannte, dass Psyche nun wusste, wer er war und dass sein Geheimnis verraten war. Er erhob sich und flog davon.

Verzweifelt irrte Psyche in dieser Nacht umher auf der Suche nach Eros. Sie gelangte auf ihrer Suche schließlich zu dem Palast der Aphrodite. Diese erkannte in ihr die frühere Rivalin, machte sie zu ihrer Magd und stellte ihr aus Rache verschiedene, scheinbar unlösbare Aufgaben. Immer wieder kamen Psyche bei der Lösung dieser Aufgaben verschiedene „gute Geister“ zur Hilfe, so dass sie am Ende selbst den Gang in die Unterwelt meisterte. Auf dem Weg zur Oberwelt öffnete sie dann gegen wohlmeinenden Rat den von Aphrodite eingeforderten, mit Schönheit gefüllten Krug der Persephone und wurde von tödlichem Schlaf erfasst.

Zur gleichen Zeit trat Eros, der seine Gattin schmerzlich vermisste, vor den Thron des Zeus. Er berichtete seinen eigenen Ungehorsam und bat den Göttervater, sie dennoch seine rechtmäßige Gattin werden zu lassen. Zeus willigte ein.

Daraufhin eilte Eros zu Psyche zurück, fand sie jedoch leblos nach der Öffnung des versiegelten Kruges. Er erweckte sie mit göttlicher Kraft wieder zum Leben und trug sie empor zum Olymp, dem Götterhimmel.

Dort vergaß sogar Aphrodite ihren Zorn und alle Götter feierten die Hochzeit von Eros und Psyche. Zeus selbst reichte ihr einen Becher Nektar, der sie unsterblich machte.

Im Laufe ihrer Ehe gebar Psyche eine Tochter, Voluptas, die Göttin der Lust.

Bei aller ornamenthaften Ausschmückung, die auch diese griechische Sage auszeichnet, ist die Geschichte der Psyche eine wunderschöne Parabel über die Höhen und Tiefen eines menschlichen Seelenlebens. Ausgangspunkt ist dabei die nahezu göttliche Schönheit, die der Psyche (=Seele) ursprünglich innewohnt und zu Eigen ist. Im übertragenen Sinn könnte man vermuten, dass diese Schönheit, Anmut und Reinheit ursprünglich jeder menschlichen Seele gegeben ist. Doch so, wie es Psyche im weiteren Verlauf der Geschichte widerfährt, so geht es wohl den meisten von uns: Getrieben von fast zwanghafter Neugier und beeinflusst von inneren und äußeren ‚Ratgebern’ versuchen wir den Schleier des Nichtwissens zu lüften und erschrecken schon beim bloßen Anblick der sich uns offenbarenden Realitäten. Jeder, der schon einmal etwas tiefer in sich selbst und seine Umgebung hineingeleuchtet hat, kennt vermutlich diesen Moment des Erschreckens angesichts des Erkennens der tatsächlichen Hintergründe. Schon in der biblischen Geschichte der Verführung Adams und Evas durch die Schlange und die dadurch ausgelöste Bewusstwerdung ihrer selbst (mit all den damit verbundenen Konsequenzen) wird deutlich gemacht, dass diese Bewusstseinserweiterung des Menschen ein durchaus zweischneidiges Schwert sein kann.

Und dennoch: Trotz aller scheinbaren Rückschläge auf dem Weg der Bewusstwerdung und Erfüllung der eigenen Bestimmung gelingt es sowohl Psyche als auch Eros, aufgrund ihrer Hartnäckigkeit und ihrer Unermüdlichkeit sich bis hinauf in den Olymp, den Himmel der Göttlichkeit, zu schwingen. Wird uns damit angedeutet, dass auch wir potenziell in der Lage sind, durch beständige Verfolgung unserer Ziele und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den menschlichen und damit auch unseren eigenen Abgründen und ‚Unterwelten’ zur göttlichen Erfüllung zu gelangen? Haben auch wir auf unserem Wege zu unserer eigenen Selbsterfüllung die Wahl zwischen den ‚bösen’ und den ‚guten’ Geistern, die uns begleiten und auf unser Tun hin reagieren? Ist unserer Seele ein göttlicher Funke eingehaucht, den es zu schüren und zu entwickeln gilt?

Fragen wie diese waren und sind es wohl, die Menschen schon immer bewegten. Sie stellen die eigene Existenz in Frage und lösen damit oft eine Lawine von inneren und äußeren Ereignissen aus. Ein Leben ohne diese Art von Lebenselixier ist kaum vorstellbar, die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der Bewusstwerdung und der Weiterentwicklung.

Die Art und Weise dieser Bewusstwerdung unterscheidet sich im Laufe der Jahrhunderte, das Ziel war und ist wohl immer das gleiche: Die Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz, auch über das irdische Dasein hinaus, zu beantworten.

Im nächsten Kapitel möchte ich einen kleinen Ausschnitt geben aus der Vielfalt der Versuche, sich dieser Frage mit psychologischen Kenntnissen und Erkenntnissen anzunähern.

3. Die Seelenkunde – Die Anfänge bis zur heutigen Zeit

Dieser kleine Ausflug in die Geschichte erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist der Versuch, mit einer Art Zeitraffer durch die verschiedenen Stadien der Annäherung des Menschen an sein psychisches Erleben zu gehen. Dabei spannt sich der Bogen von den Anfängen der griechischen Philosophie über die religiöse Mystik des Mittelalters bis hin zu den ‚modernen’ wissenschaftlichen Ausprägungen der Psychologie. Die Beschäftigung mit der Psychologie beinhaltet eine Auseinandersetzung mit vielerlei, auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinenden Sichtweisen.

Die Anfänge

„Die Psychologie hat eine lange Vergangenheit, aber nur eine kurze Geschichte“.

H. Ebbinghaus

Im Vergleich zu anderen traditionellen Wissenschaften wie der Mathematik, der Physik oder der Philosophie ist die Geschichte der Psychologie tatsächlich überschaubar kurz: Von einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin kann eigentlich erst seit Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts die Rede sein. Wo andere Wissenschaften wie die Physik, Mathematik oder Philosophie auf eine jahrhundertelange Tradition und Überlieferung zurückblicken können, sind die aus der wissenschaftlichen Psychologie resultierenden Erkenntnisse eher in Jahrzehnten bemessen. Nichtsdestoweniger reichen die Wurzeln der systematischen Beschäftigung des Menschen mit dem Thema ‚Psyche’ sehr viel weiter zurück: In unserem abendländischen Kulturkreis – und darauf beschränken sich diese Ausführungen – kann der Beginn der systematischen und überlieferten ‚Seelenkunde’ bei den griechischen Vordenkern und Philosophen angenommen werden.

Als möglicher Urheber des Begriffes der ‚Psyche’ gilt der griechische Dichter und Philosoph Homer (8. Jahrhundert v. Chr.). Er verwendete ihn in seinen Dichtungen Illias und Odysee nach der Überlieferung in der Bedeutung von ‚Lebenshauch, Lebensatem’. Eine mit dem Leben untrennbar verbundene Energie, wenn nicht gar die das Leben an sich spendende Kraft, kommt darin zum Ausdruck. In den Jahrhunderten danach gab es in der ersten europäischen Hochkultur des antiken Griechenlands vielfältige Versuche, diesem scheinbar nicht ganz greifbaren Etwas der Seele einen Namen zu geben, der ihre Natur erfass- und erfahrbarer machte.

Von Diogenes, der die Seele als luftartig beschrieb, über Hippon, der sie als wasserartig wahrnahm, bis zu Heraklit, der in ihr einen Ausdruck des Feuers sah, veränderte sich ihre vorrangige Natur je nach Standpunkt des Betrachters.

Pythagoras war im 5. Jahrhundert v. Chr. einer der Pioniere nicht nur bei der Begründung der Philosophie als der ‚Liebe zur Weisheit’, sondern auch der Seelenkunde als einer Folge der geistigen Auseinandersetzung mit dem menschlichen Dasein:

„Die Reinheit der Seele kann durch Wissen und Erkenntnis erreicht werden.“

Sokrates brachte es im 4. Jahrhundert v. Chr. mit seiner berühmten Erkenntnis „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ auf den Punkt, dass das sittliche Ideal und damit die Verwirklichung der menschlichen Bestimmung auf Erden in erster Linie durch rationale (Selbst-)Erkenntnis zu erlangen sei.

Platon