Schamanische Heilung - Monnica Hackl - E-Book

Schamanische Heilung E-Book

Monnica Hackl

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  • Herausgeber: Ansata
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Die faszinierenden Möglichkeiten schamanischer Heilkunst

Schamanische Techniken zählen zu den ältesten Heilmethoden der Menschheit. Dass sie auch im modernen Leben wirkungsvoll eingesetzt werden können, beweist dieses Buch. Gerade bei körperlichen oder psychischen Erkrankungen, wo Schulmedizin und Psychologie an ihre Grenzen stoßen, eröffnet die schamanische Heilung faszinierende Möglichkeiten. Mit einer Fülle von Fallbeispielen aus eigener Praxis schildert Monnica Hackl den Ablauf einer schamanischen Heilbehandlung. Sie zeigt deren Chancen auf und beschreibt, wie krank machende Blockaden gelöscht, negative Energien aufgelöst und verlorene Seelenanteile zurückgeholt werden können. Besonderes Augenmerk wird auf das Zusammenspiel mit der Schulmedizin gelegt: Zahlreiche Erfahrungsberichte von Ärzten belegen eindrucksvoll die Wirksamkeit der schamanischen Heilkunst.

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Seitenzahl: 393

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Monnica Hackl

Schamanische

Heilung

Therapie an der Wurzelvon Krankheit und Trauma

Mit einem Vorwort von Dr. Rainer Wander

Ansata

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Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden.

Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr.

Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder

Schäden, die aus den im Buch gemachten praktischen Hinweisen

resultieren, eine Haftung übernehmen.

Ansata Verlag

Ansata ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Erste Auflage 2012

Copyright © 2012 by Ansata Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Alle Rechte sind vorbehalten. Printed in Germany.

Redaktion: Dr. Diane Zilliges

Einbandgestaltung: Guter Punkt, München,

unter Verwendung von Motiven von © David Edwards /

National Geographic / Getty images (oben);

© Dean Pennala / shutterstock (unten)

Gesetzt aus der 11/15,1 Punkt Meridien LT Std

von Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

ISBN 978-3-641-07549-1

V003

www.ansata-verlag.de

Siehe, ich gab dir eine Tür,

die immer offen steht,

und die niemand zu schließen vermag.

Offenbarung des Johannes 3,8

Inhalt

Vorwort

Was dieses Buch will

1 Wie ich zum Schamanismus kam

Erste Erfahrungen mit schamanischer Therapie

Schamanisches Sehen

2 Was ist Schamanismus?

Wie erkennt man einen echten Schamanen?

Die älteste »Religion« der Welt

3 Schamanische Trance

Die schamanische Reise

Die Kraft der Unterscheidung

Die Kraft des Handeln

Der gesunde Ausgleich

4 Die Geheimnisse der Unteren Welt

Die Reise in die Untere Welt

Das Krafttier finden

Die Wesenheiten der Unteren Welt

Der Abstieg in die Untere Welt: praktische Übungen

5 Die Geheimnisse der Mittleren Welt

Steinelesen

Baumgespräche

Überblenden

6 Die Geheimnisse der Oberen Welt

Die Suche nach dem geistigen Lehrer

Fehleinschätzungen der Oberen Welt

Der Flug in die Obere Welt: praktische Übungen

7 Schamanisch Heilen

Was geschieht bei einer schamanischen Behandlung?

Meine Praxis: abendländisch-christlicher Schamanismus

Das Zellgedächtnis des Körpers

Das Löschen von Blockaden

8 Früheres Leben oder Genealogie: die Epigenetik

Helen Keller und Stephen Hawking

Frau Muth

9 Seelenverlust und Soulretrieval

Wie eine Seele verloren geht

Die Praxis der Seelenrückholung

10 Verstorbene Seelen

Fegefeuer und Hölle, unruhige Geister und Besetzungen

Ahnenverehrung

11 Geister und schädliche Kräfte

Das Böse in der Welt

Schädliche Kräfte erkennen

Hilfe bei Angriffen

Rezepte zur Soforthilfe

12 Schamanismus und Schulmedizin

Wertvolle Zusammenarbeit

Berichte von Medizinern

13 Schamanismus im christlichen Abendland

Erstaunliche Übereinstimmungen

Christliche Schamanen

Zum Abschluss

Meine ganz persönlichen Literaturempfehlungen

Literatur

Über die Autorin

Vorwort

Monnica Hackl hat in diesem Buch in subtiler Präzision eines der ältesten Heilverfahren, den Schamanismus, der immer wieder als okkult eingeschätzt und deswegen abgelehnt wurde, auf eine fundierte, nachvollziehbare Grundlage gestellt, genau untersucht und ausführlich erklärt.

Die heutige Realität ist: Alle Ärzte, Physiotherapeuten, Heilpraktiker und Behandler haben Patienten, denen sie nicht ausreichend helfen können. Wenn alle klinischen und technischen Untersuchungen keine Hinweise geben, wird symptomatisch und psychosomatisch gedeutet. Auch die Psychotherapie, als alleinige Heilmethode angewandt, hat hohe Versagerquoten.

Häufig wird übersehen, dass der ungelöste, seelische Konflikt die höchste Priorität im Auslösen und Unterhalten von Krankheiten hat. Dem Patienten unbewusste, fremde Belastungen oder gar Besetzungen sind dabei nur mit besonderen Techniken oder Ritualen erkennbar und lösbar. Wir wissen heute alle, dass der Geist die Materie verändern kann, wenngleich nur teilweise geklärt ist, wie es funktioniert. Dass es funktioniert, ist belegt, und das schamanische Heilen ist ein wertvolles Beispiel dafür.

Wer sich mit tiefer Hingabe für sein eigenes und/oder das Wohl seiner Patienten einsetzen möchte, wem Geist und Spiritualität nicht fremd erscheinen, der sollte die Inhalte und Strategien dieses Buches in sein Leben und sein Behandlungsprogramm für sich und seine Patienten aufnehmen. Es ist unbedingt lesenswert und für das Verständnis der schamanischen Heilweisen unverzichtbar.

Medizinalrat Dr. med. Rainer Wander,

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Akupunktur nd Neuraltherapie

Was dieses Buch will

Mit diesem Buch möchte ich den Menschen zuallererst Mut machen und ihnen zeigen, dass es viele verschiedene Wege der Heilung gibt. Es ist einfach gut, etwas mehr zu wissen und neben der üblichen Medizin und Naturheilkunde weitere und anders geartete Methoden zu kennen, die auch dann noch helfen können, wenn Ärzte oder Therapeuten mit ihrem Latein am Ende sind. Ein Sprichwort sagt: »Wer als einziges Werkzeug einen Hammer hat, dem erscheint jedes Problem als Nagel.«

Eine richtig angewandte schamanische Behandlung kann das Ende eines jahrelangen seelischen Leidens einleiten. Es liegt mir sehr am Herzen zu betonen, dass ich im Interesse des Patienten und aus meiner eigenen Überzeugung heraus nicht gegen, sondern mit der Schulmedizin arbeite. Beide Methoden haben ihre Domäne und auch ihre Grenzen; das anzuerkennen, halte ich für wichtig. Es gibt Erkrankungen, die nur durch die klassische Medizin heilbar sind, und solche, die nur mit schamanischen Techniken geheilt werden können. Beide Methoden können zum Wohle des Patienten Hand in Hand angewandt werden. Davon zeugen auch die Berichte erfahrener Ärzte, die Sie ab Seite 247 in diesem Buch finden. Schulmediziner schreiben dort, was sie von schamanischen Behandlungen halten und welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Jede der beiden Disziplinen hat ihren eigenen Bereich und ihren Platz im weiten Feld der Medizin, und ein konsiliarischer Austausch tut den gemeinsamen Patienten nur gut. Vor allem naturwissenschaftlich orientierten Menschen wird dadurch überdies der Zugang zum Schamanismus und seinen Heilmethoden erleichtert.

Der umfassende Hauptteil dieses Buches befasst sich mit der körperlichen und seelischen Heilung durch schamanische Methoden. Wo setzt die schamanische Behandlung an? Was kann sie bewirken und was nicht? Einem schamanischen Behandler geht es nicht einfach darum, lästige Symptome zu bekämpfen. Er versucht vielmehr, hinter die Dinge zu sehen, um die tatsächliche Ursache von Störungen und Leiden zu finden. Ihm stehen vielfältige Methoden zur Verfügung, wie das Löschen von Blockaden im Zellgedächtnis, die Abwehr von bösartigen Angriffen, das Zurückbringen von Seelenenergie und die Auflösung von erworbenen Belastungen. Ich zeige Ihnen die Grundzüge und Besonderheiten des Schamanismus auf, den Weg eines Schamanen und die verschiedenen Möglichkeiten einer schamanischen Heilung. All das wird an lebendigen Beispielen aus meiner Praxis erläutert, und Sie erfahren dabei viel Spannendes über die Möglichkeiten und Grenzen schamanischer Behandlungen. Wenn Sie lesen, inwiefern diese Art der Heilung den Patienten neue Lebensqualität, die Befreiung von langjährigen Blockaden und einen umfassenden Schutz bietet, sind Sie wahrscheinlich neugierig auf eigene Erfahrungen auf diesem Gebiet. Ich möchte Ihnen daher hier auch einige praktische Übungen mit auf Ihren Weg geben, mit denen Sie Ihre Lebenskraft stärken und sich vor negativen Energien schützen können. Beides wird immer wichtiger in unserer Zeit.

Ein besonderes Anliegen ist mir das Thema des letzten Kapitels. Entgegen der Auffassung vieler ist der Schamanismus keine exotische, kulturfremde Angelegenheit für uns Mitteleuropäer. Er findet sich nämlich seit Langem direkt vor unserer Haustür, und das im Gewand der christlichen Religion. Das Schlusskapitel erklärt daher die zahlreichen schamanischen Elemente, von denen diese Glaubensrichtung und die abendländisch-christliche Kunst durchdrungen sind. Nur wenige kennen sich damit aus, die Teilnehmer meiner Seminare sind immer wieder fasziniert von dem, was an schamanischem Wissen im Christentum zum Tragen kommt. Ist man sich darüber bewusst, kann jeder Besuch einer alten Kirche zu einem Abenteuer schamanischer Entdeckungen und zu einer Quelle der Kraft werden. Denn neben den heilenden Aspekten öffnet der Schamanismus auch die Augen für die anderen Welten: Er bereichert die Seele und treibt die spirituelle Entwicklung voran, wenn wir uns mit seinen Konzepten befassen und mit Respekt und Ehrfurcht durch die immer offen stehende Tür in seine Sphären gehen. Als lebendige Beispiele stelle ich Ihnen »christliche Schamanen« vor, was auch für Sie vielleicht eine echte Überraschung sein dürfte.

1 Wie ich zum Schamanismus kam

Schamanen, das waren bei uns in Deutschland eine Zeitlang jene Leute, die mit großen Lederhüten, Stirnbändern, Türkisketten und zahlreichen Amuletten bestückt schon durch ihr Äußeres kundtaten: »Seht alle mal her, ich bin etwas Besonderes.« Nein, sie interessierten mich wirklich nicht und ich hielt gar nicht viel von dieser Form der Selbstdarstellung. Als ich einmal zu einem Vortrag ging und während der gesamten Zeit eine junge Frau – sie sprach ein breites Niederbayerisch und trug einen Poncho aus den Anden mit dazugehörigem Stirnband – unaufhörlich vor sich hin trommelte und allen den Ratschlag gab, sie doch einmal aufzusuchen, denn sie sei eine Schamanin, war das Maß voll. Das war mehr, als ich ertragen konnte, schließlich war ich gekommen, um den Vortrag zu hören. Während ich ärgerlich vor mich hin brummelte, sprach mich eine andere Frau an: »Bevor Sie über Schamanen schimpfen, sollten Sie einmal einen Lehrgang besuchen, damit Sie wenigstens wissen, worüber Sie schimpfen!« Da musste ich wirklich lachen, denn sie hatte nicht unrecht, so genau wusste ich über den Schamanismus nicht Bescheid. Das wollte ich ändern. Verwandte und Freunde, denen ich von meinem Vorhaben erzählte, warnten mich: »Du kannst das natürlich tun, aber denke daran, dass es dein ganzes Leben verändern kann, und das vielleicht anders, als du denkst!«

Erste Erfahrungen mit schamanischer Therapie

Das war vor beinahe dreißig Jahren. Und sie hatten recht, denn der Schamanismus hat mein Leben wirklich in unglaublicher Weise grundlegend verändert, indem er Fähigkeiten in mir weckte und mir Aufgaben erteilte, mit denen ich nie gerechnet hatte. Er ist seitdem zu einer faszinierenden Bereicherung meiner Welt geworden.

Einige Jahre arbeitete ich damals bereits in meiner Naturheilpraxis und begann bald, zunächst vorsichtig, schamanische Elemente in meine Therapien einzubauen, wenn mir das Krankheitsbild und der Patient selbst dazu geeignet schienen. Als sich gute Erfolge einstellten, wurde ich mutiger. Durch die vielen Behandlungen bekam ich überraschende Einsichten und Erkenntnisse über die Ursachen von Blockaden im Zellsystem und die daraus folgenden seelischen oder körperlichen Leiden. Auf meinen Trancereisen in die Obere Welt zu meinem geistigen Lehrer – wir kommen auf all das noch genauer zu sprechen – wurde mir beispielsweise ein Gebet oder eine Art Zauberspruch geschenkt, mit dem ich solche Blockierungen auflösen konnte, und das deutlich spürbar für den Betroffenen. Das war ein echter Fortschritt in meiner Therapie, denn jetzt konnte ich den Patienten nicht nur neue Erkenntnisse vermitteln, sondern eine echte Befreiung von jahrelangen Blockaden bewirken.

Genau das ist das Besondere meiner speziellen schamanischen Behandlung: das definitive Löschen von Belastungen und das Zurückbringen von verlorenen Seelenteilen. Die vielen Einblicke in die Zellsysteme meiner Patienten zeigten mir auch, dass die Lösung ihrer Beschwerden nicht mit Methoden des Ethnoschamanismus zu erreichen war, denn sie trugen alle die Chiffren des kollektiven Unbewussten des Abendlands in sich. Ich hielt es für unpassend, ihnen auf dem sensiblen Gebiet der Heilung etwas Fremdes aufzupfropfen. Daher richtete ich meine Forschungen genau auf dieses Thema und erkannte die vielen schamanischen Elemente in der christlichen Kultur und Kunst, die uns lehren, wie Menschen unserer Breiten zu heilen und zu schützen sind.

Die Schulmedizin wird aufmerksam

Als zusätzliches und sehr wertvolles Geschenk betrachte ich es, dass nach dem Fall der Mauer renommierte Schulmediziner aus Ostdeutschland, die mich von meinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen her kannten, auf mich zukamen. Allen voran Dr. Rainer Wander, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuraltherapie und Akupunktur. Unter dem Motto: »Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob der Schamanismus wirklich etwas bewirken kann«, luden sie mich zu Seminaren ein, auf denen sie selbst die schamanische Heilarbeit erlernen wollten. Es begann ein spannendes Abenteuer, denn ich wurde geprüft und getestet. Sie öffneten mir daraufhin ihre Praxen beziehungsweise Kliniken und ließen mich Patienten mit problematischen Erkrankungen behandeln. Die Ergebnisse der schamanischen Arbeit kontrollierten sie anschließend mit schulmedizinischen Methoden. Durch diese Zusammenarbeit habe ich viel gelernt und auch viel an Sicherheit gewonnen. Denn schamanisch Reisen ist ein wenig wie Klavierspielen, je öfter man übt, desto besser wird es.

Schamanisches Grundwissen

Wie aber fing es bei mir an? Nach der Begegnung auf dem von der Trommelnden gestörten Vortrag hörte ich bald von einem Seminar, einer Art Einführungskurs in den Schamanismus. Heute weiß ich, dass ich von Glück reden kann, einen seriösen Einstieg in dieses Metier erfahren zu haben. Eine meiner größten Überraschungen auf diesem Kurs war, dass ich schamanisch »sehen« konnte, und zwar sofort. Dabei war ich doch eigentlich gekommen, um den ganzen Unsinn zu widerlegen und nicht, um schließlich als »Bekehrte« dazustehen.

Uns wurde erklärt, dass es drei Welten gibt: die Untere, Mittlere und die Obere Welt. Der Schamane bereist während seiner Trance hauptsächlich die Untere, um mit den Geistern der Tiere und Pflanzen zu kommunizieren. Und in diese sollten wir dann auch reisen. Dafür sollten wir uns einen natürlichen Eingang, vielleicht unter einem Baum oder in einer Höhle vorstellen, uns gedanklich in ihn hineinbegeben, um dann senkrecht hinunter in die Untere Welt zu gelangen. Dort unten würden wir sehr wahrscheinlich unser Krafttier treffen, das für die schamanische Arbeit unerlässlich sei. Wir legten uns also auf unsere Matten und warteten darauf, dass die Leiterin die Trommel schlug, damit wir für unsere Aufgabe die nötige Konzentration halten konnten.

Ich hatte mir schon eine Höhle, die ich tatsächlich einmal besucht hatte, ausgesucht, und auch für mein Krafttier hatte ich mich schon entschieden, denn für mich als Katzenliebhaberin kam nur ein Tier der Katzengattung infrage, vielleicht ein kleiner Panther oder Leopard.

In Gedanken stieg ich in die dunklen Räume der Höhle, und plötzlich endete die Imagination: Ich roch Erde und Stein, fühlte eine kühle Feuchtigkeit und hörte das Tropfen von Wasser, das vom Felsen sickerte. Ich sah Moos, das an einigen Stellen wuchs, und es drängte mich hinabzusteigen, in die untere Welt, immer tiefer hinunter. An einer Biegung versperrte mir ein riesiger Bison den Weg, dessen zottiges Fell bläulich und phosphoreszierend schimmerte. Er schnaubte und schüttelte den mächtigen Schädel. Ich versuchte mich an verschiedenen Seiten um ihn herumzudrücken, aber er presste mich sanft an die feuchten Wände der Höhle. Es gab kein Vorbeikommen.

Das Trommeln ging zu Ende, ich hatte mein erhofftes Katzentier nicht getroffen, sondern war einfach in der Höhle stecken geblieben. Während ich den lebhaften Reiseberichten der anderen Teilnehmer lauschte, musste ich frustriert bekennen, versagt zu haben. Ich hatte in der Höhle festgesessen und war nicht in der unteren Welt angekommen wie alle anderen.

Drei Tage scheiterte ich an diesem Bison, und drei Tage dauerte es, bis ich endlich begriff, dass er mein Krafttier ist und mir aus der unteren Welt ein Stück entgegengekommen war, um mich abzuholen! Welch unglaubliche Freude durchströmte mich bei dieser Erkenntnis. Die Ereignisse in den anderen Welten überschlugen sich: Ich wurde gleichsam in die schamanischen Parallelwelten hineingeschleudert und lernte auf diesen inneren Reisen die wundersamsten Wesen und Orte kennen. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Da ich mich immer für die darstellende Kunst interessiert hatte, erkannte ich auch, dass viele der alten Künstler schon vor mir dort gewesen sein mussten, denn ich entdeckte Orte, Gebäude und Wesenheiten, die sie vor Hunderten von Jahren gesehen und auf Fresken oder in Stein wiedergegeben hatten. Ich war in meiner Welt angekommen!

Verbündete finden

Wir bekamen von unserer Lehrerin nun den Auftrag, schamanisch in der Natur zu arbeiten, um dort unsere Erfahrungen zu machen. Dazu sollten wir in der festen Absicht, einen Verbündeten zu finden, in die Landschaft hinausgehen. Unser erster Verbündeter wäre ein Baum. Wenn wir ihn gefunden hätten, würde er uns mit einem Geschenk zeigen, dass er uns angenommen hätte. So ein Geschenk könnte zum Beispiel ein Blatt sein, das auf uns herabfiel, ein Zweiglein oder ein Tannenzapfen. Es stehe uns völlig frei, in welche Richtung wir draußen gehen würden, wir hätten einige Stunden Zeit für diesen Auftrag. Da das kleine Seminarhaus mitten im einsamen Niederbayern stand, von Wald und Wiesen umgeben, war es kein Problem, in die Natur einzutauchen. Aber wohin sollte ich mich wenden?

Ich trat zum Hoftor hinaus und blieb stehen, ein kühler Windhauch streifte meine Wangen. Ich hatte den Impuls, diesem Wind zu folgen. Mein Blick für die Umgebung wurde plötzlich unscharf und wie getrieben folgte ich dem Sog des mit mir verbündeten Baumes, der mich zu sich zu rufen schien. Ich trabte über winterliche Wege, durch verschneite Felder und schließlich immer weiter in einen dunklen Fichtenwald hinein. Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen bog ich mit untrüglicher Gewissheit nach links ins immer dichter werdende Unterholz ab. Die Bäume wurden höher und das Unterholz immer dichter, aber ich kämpfte mich durch Schnee und Geäst, bis ich endlich auf Händen und Knien kriechend den Baum entdeckte. Tatsächlich, da vorn stand er, wie selbstverständlich erkannte ich ihn sofort: Es war eine kleine, junge Eibe, kaum größer als ich selbst.

An ihren Stamm gelehnt standen mitten in diesem unwegsamen, einsamen Gelände, das man nur kriechend erreichen konnte, zwei strahlende, große Dendritenplatten, wie durch Zauberhand an diesen Ort gebracht. Die Platten maßen etwa vierzig mal vierzig Zentimeter, der frische Kalkstein leuchtete hell im dunklen Dickicht. Atemlos kniete ich im Schnee vor diesem Baum, ging in ein inneres Gespräch mit ihm und übergab ihm meinerseits ein kleines Geschenk. Ein kleines Stückchen seiner roten Rinde hatte sich abgelöst und ich steckte es in meine Tasche. Noch einmal betrachtete ich das irreale Bild: das Dickicht, Reste von gefrorenem Schnee, den weinroten Stamm, die hellen Quadrate der beiden Steine mit dem für sie typischen Muster der Eisenablagerungen. Ich wusste sofort, dass nur die linke Platte für mich bestimmt war, die rechte durfte ich nicht anrühren. Dankend nahm ich die absonderliche Gabe der Eibe an, kroch zurück und machte mich auf den Weg zum Seminarhaus. In meinem Kopf arbeitete es: Die Platten waren von Menschenhand beschlagen, wer hatte sie an diesen Baum gestellt, welcher Mensch war den weiten Weg gegangen und durch das Dickicht gekrochen, um das zu tun – und warum?

Auf dem langen Rückweg durch den kalten Wintertag fühlte ich mich von einer ganz frischen und heiteren Kraft beflügelt. Als ich an einem eisernen Kreuz, das von zwei Thujen umrahmt war, vorbeikam, hielt ich ein paar Minuten inne. Auch hier hinterlegte ich ein kleines Geschenk und nahm mir die Spitze eines winzigen Thujenzweiges mit.

Wieder zurück sollten wir in einer schamanischen Reise das Wesen unseres Baumverbündeten sehen. Zwei grundverschiedene Wesenheiten, eines engelsgleich und das andere mehr tierähnlich, ließen mich an der Korrektheit meiner Reise zweifeln. Ich konnte absolut nicht feststellen, welches nun das Wesen meiner kleine Eibe war. Da sich beide Wahrnehmungen auf meiner Reise stetig abwechselten, konnte ich mich nicht entscheiden. Enttäuscht setzte ich mich auf. Als ich bemerkte, dass ich neben dem Rindenstückchen der Eibe auch die winzige Thujenrispe, die ich ganz vergessen hatte, in meiner Hand hielt, durchlief mich ein ehrfürchtiger Schauer. Die Wesenheiten beider Bäume hatten sich mir gezeigt!

Eine Woche später kehrte ich zu meiner Eibe, an der mein Geschenk gelehnt hatte, zurück. Wieder fand ich wie von selbst den Weg zu ihr. Doch auf dieses Erlebnis war ich nicht vorbereitet: Noch stand die rechte Dendritenplatte an ihrem Fuß, aber sie war zerschlagen, ein tiefer Riss durchtrennte sie und der obere Teil stand nur noch aufrecht, weil zentimeterdickes Moos darauf wuchs. Außerdem war der kurz zuvor noch frische, leuchtende Stein ganz dunkel vor Flechten und Algen. Ein kühler Energiestrom fuhr mir durch den Körper und ließ mich erschauern. Meine Haare stellten sich auf. War ich in eine andere Zeit oder ein Zeitenloch hineingeraten? Unmöglich, dass dieser Prozess der Verwitterung in nur wenigen Tagen vor sich gegangen war!

Das Geschenk der Eibe, meine Dendritenplatte, steht übrigens seit damals im Sprechzimmer meiner Praxis. Jedes Mal, wenn ich sie ansehe, fühle ich ihre ungelösten Rätsel: Wer hat die beiden Steinplatten an den Stamm des Baumes gestellt und warum? Wer kroch auf allen vieren durch das Dickicht, um das zu tun? Und wie konnte die zurückgelassene Platte in kurzer Zeit so stark verfallen und moosüberwuchert zerbrechen?

Rechtes Handeln

Noch eine Erfahrung machte ich an diesem Wochenende. Ich lernte, dass im Schamanismus rechtes Handeln wichtig ist. Das kam so: Unsere Lehrerin erklärte uns das »Körpersehen«. Wir sollten mit unserem Nachbarn, während wir auf einer Decke lagen, längs der Körperseiten Kontakt halten und dann in ihn hineinsehen. Bei diesem Bodycheck könne man erkennen, ob gesundheitliche Störungen vorliegen. Während ich mich auf die Reise in meinen Partner machte, wurde ich von einer Stelle im Inneren seiner Nase angezogen. Deutlich wie auf einem Röntgenbild konnte ich dort zwei Polypen sehen. Nun wird im Schamanismus während solcher Trancereisen meist getrommelt, damit die Reisenden die Aufmerksamkeit besser halten können, so auch hier. Die Lehrerin pflegte etwa eine halbe Stunde pro Reise zu trommeln. Ich hatte meinen »Befund«, die Nasenpolypen, allerdings schnell festgestellt und langweilte mich, denn sonst konnte ich nichts Auffälliges mehr im Körper des jungen Mannes bemerken. Aufstehen war nicht erlaubt, und so kam mir die Idee, mir vorzustellen, wie ich die Polypen entfernen würde. Ich malte mir dabei eine nach allen medizinischen Regeln ausgeführte Operation aus, die Polypen wurden mit einer Drahtschlinge entfernt und die Wunde verätzt. Jede einzelne »Operationsphase« beobachtete ich genau. Nachdem ich mit allem fertig war, begutachtete ich noch einmal die Nase meines Nachbarn: Vor meinem geistigen Auge sah das Naseninnere jetzt gut aus und der Atem ging freier. Als das Trommeln endlich zu Ende war, hatte ich mir wenigstens auf diese Art und Weise die Zeit vertrieben.

Als ich der Gruppe schildern musste, was ich gesehen hatte, war der junge Mann ziemlich erstaunt, denn er hatte tatsächlich Polypen in der Nase, die ihm das Atmen bisweilen schwermachten. Wohlweislich hatte ich verschwiegen, dass ich ihm an seiner Nase herumgedoktert hatte. Ich spürte nämlich, dass es ganz und gar nicht in Ordnung war, ungefragt solche Handlungen vorzunehmen. Doch einige Stunden später bekam er heftiges Nasenbluten, bei dem auch Klümpchen und Gewebeteile ausgeschieden wurden. Da ich während der Mittagspause unterwegs war, bekam ich von all dem nichts mit. Bei meiner Rückkehr hörte ich von dem Vorfall. Die Lehrerin fing mich sofort ab und fragte, ob das irgendetwas mit meiner Reise zu tun haben könnte. Der Junge hätte nämlich den starken Verdacht, das Nasenbluten könne nur daher kommen. Ich muss gestehen, dass ich hier schwindelte und ganz unschuldig tat, so erschrocken war ich. In der Tat konnte ich es nicht glauben, dass meine geheime »Operation« etwas mit der Bluterei zu tun haben könnte. Nachträglich schäme ich mich nicht wenig wegen dieser Geschichte, denn es war zweifellos falsch und voreilig, ohne um Erlaubnis zu bitten und ohne nachzufragen, derart einzugreifen. Ich habe es später auch nie wieder getan und arbeite nur schamanisch, wenn ich einen persönlichen Auftrag dazu habe.

Zwei Tage später rief mich der junge Mann an, um mir mitzuteilen, er atme jetzt wieder ungehindert und frei und sei sicher, dass die Blutklumpen seine Polypen gewesen seien. Und was ich denn gemacht hätte? »Nichts«, sagte ich feige und wusste innerlich, dass ich »es«konnte. Die schamanische Welt hatte mich angenommen. Diese Welt war eine überaus sinnvolle, denn ich konnte Schönheit, Kraft und Heilung für mich und andere darin finden.

Ich rate jedem dringend davon ab, ohne genaue medizinische Kenntnisse und vor allem ohne Erlaubnis des Patienten dergleichen zu tun! Zu diesem Thema möchte ich ein passendes Erlebnis schildern: Jahre später hatte ich ein kleines Lipom, eine harmlose Fettgeschwulst, in meiner Achselhöhle. Es war so groß wie eine Kirsche, völlig ungefährlich und störte mich nicht weiter. Ich überlegte, ob ich es mir nicht, um in Übung zu bleiben, schamanisch verkleinern könnte, und machte mich ans Werk. In verschiedenen Reisen erreichte ich, dass es schließlich nur noch so groß und flach wie eine Linse war. Leichtsinnigerweise erzählte ich einer meiner Schülerinnen davon. Sie war sofort Feuer und Flamme und wollte unbedingt ihre eigenen Heilerfähigkeiten an mir ausprobieren. Wieder war ich unbedacht genug und stimmte zu. Zwei Tage später erwachte ich mit heftigen Schmerzen in der Achselhöhle, sie war gerötet, heiß und so stark angeschwollen, dass ich den Arm nicht in einer natürlichen Stellung halten konnte. Und da rief auch schon meine Schülerin an. In begeisterter Stimmung fragte sie, wie es mir ginge, denn sie hätte den Rest des Lipoms entfernt. Als ich sie fragte, wie sie es denn gemacht habe, wurde mir einiges klar: »Ich habe auf meiner Reise einen Holzpflock genommen und ihn immer wieder in die Achselhöhle gestoßen, so lange, bis alles weg war.«

Mittlerweile war meine Lymphdrüse in der Achselhöhle zur Größe einer Birne angeschwollen, und ich bekam Fieber. Damit war nicht zu spaßen. Ich meldete mich noch am selben Tag bei einem Internisten an, der ebenfalls an meiner schamanischen Ausbildung teilgenommen hatte. Ich verriet ihm nicht, was ich vermutete, sondern zeigte ihm nur den kranken Arm, mit der Frage, woher das denn kommen könnte. Er sah sich den Schaden eine Zeitlang an und sagte: »Wenn ich nicht wüsste, dass das unmöglich ist, würde ich denken, es hätte Ihnen jemand mit einem stumpfen Gegenstand, zum Beispiel einem Stock, in die Lymphdrüsen gestoßen. Nur so kann eine derartig schwere Schwellung zustande kommen. Aber so etwas kann natürlich nicht sein.« Als ich ihm dann die »Heilbehandlung« meiner Schülerin schilderte, war seine Antwort: »Mit einem Messer kann man Brot schneiden – und jemanden umbringen. Warum sollte es nicht möglich sein, einem Menschen auch mit Schamanismus zu schaden, ob nun absichtlich oder unabsichtlich? Sind Sie selbst noch nicht auf diesen Gedanken gekommen?«

Die Schwellung brauchte Monate, um wieder abzuheilen und noch heute ist von diesem Prozess eine drei Zentimeter lange Narbe unter meinem Arm zu sehen. Guter Wille und Begeisterung allein sind eben nicht ausreichend, um zu heilen. Nicht umsonst müssen alle professionellen Therapeuten eine lange Ausbildungszeit auf sich nehmen, in denen sie die Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren ihrer Disziplin kennenlernen.

Die dunkle Seite

Nur einige Monate später kam ich dann auch selbst mit der dunklen Seite des Schamanismus in Berührung. Lange wehrte ich mich dagegen, daran zu glauben, und wäre von allein auch nicht auf die Idee gekommen, dass sie überhaupt existieren könnte. Ich hatte bis dahin nur die angenehmsten und wunderbarsten Erfahrungen mit den schamanischen Welten und ihren Wesenheiten gemacht. Die Reisen dorthin waren für mich etwas Heiliges.

Nun aber passierte Folgendes: Eine Kursleiterin hatte uns ermuntert, sie anzurufen, falls wir mit unseren schamanischen Erfahrungen nicht mehr weiterkämen. Tatsächlich wurde sie von einem ziemlich begabten Schüler regelrecht mit Fragen gelöchert. Je länger sie den Schüler kannte, desto spärlicher und unbefriedigender fielen dann aber ihre Kommentare aus. Er erzählte mir als einer Kollegin, dass er sie eines Abends zufällig in einem feinen Restaurant traf, in dem er mit einigen Freunden zum Abendessen war. Sie sei lächelnd an seinen Tisch gekommen, hätte ihn überschwänglich begrüßt und ihm empfohlen, ihr soeben erschienenes Buch zu kaufen, das sie über ihre schamanischen Erfahrungen geschrieben hatte. Obwohl er in angenehmer Gesellschaft gewesen war, fühlte er sich mit einem Mal krank. Das sei so blitzartig geschehen, dass er an einen vorübergehenden Infekt gedacht habe. Morgen würde es ihm schon wieder besser gehen, dachte er. Aber es kam anders. Eine fortschreitende Schwäche ergriff ihn. Er fühlte förmlich, wie mit jeder Minute ein Tropfen seiner Lebenskraft mehr versickerte. Dazu kam eine lähmende Angst über ihn, die nicht mehr von ihm wich und ihn Tag und Nacht belauerte. Eine ganz unheimliche Stimmung.

Er erzählte weiter, dass er sich das Buch besorgt habe. Beim Lesen sei er mit einem Male wie von einem dumpfen Schlag in den Solarplexus getroffen worden, und ihm wurde übel. »Ich wusste plötzlich, dass auf den nächsten Seiten etwas Böses über mich stehen würde, obwohl das völlig absurd war«, berichtete er. Zwei Seiten später traute er seinen Augen nicht, da war tatsächlich von ihm die Rede, durch Beruf und Wohnort war er leicht zu identifizieren. »Da stand ganz detailliert geschildert, was sie von mir hielt: Man müsse mich zerstören, und ich solle nie Erfolg haben«, berichtete er atemlos und voller Empörung. »Sie hat auch noch beschrieben, was sie schamanisch gegen mich unternehmen würde!«

Ich hielt den Atem an und konnte nicht glauben, was ich da hörte. Bis wir die ganze Tragweite des Geschehens begriffen und ein Gegenmittel gefunden hatten, vergingen einige Tage. Danach aber fühlte sich mein Kollege wieder so gesund wie zuvor.

Was war geschehen? Die tödliche Schlange Neid hatte ihren Kopf erhoben: An seinen freimütigen Erzählungen und Fragen hatte diese Frau erkannt, dass dieser Mann in der anderen Realität an Orten war und mit Wesenheiten Kontakt hatte, die sie nicht einmal kannte, obwohl sie selbst schon jahrelang Kurse gab. Leichtsinnigerweise hatte mein Kollege ihr all seine Reisen ausführlich geschildert. Das war zu viel für sie. Was sie nicht hatte, durfte auch kein anderer haben!

In die sonnige schamanische Welt war ein Schatten gefallen. Die bittere Erkenntnis, dass es möglich war, einen Menschen energetisch anzugreifen und zu verletzen, brachte mich letztlich dazu, den Personen zu helfen, denen etwas Ähnliches geschehen war. Das diesbezügliche Wissen und meine Fähigkeiten habe ich mittlerweile dreißig Jahre lang ununterbrochen ausbauen und zum Wohl meiner Patienten anwenden können. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, ob derartige Schauergeschichten tatsächlich in eine seriöse Praxis passen. Die Antwort ist: leider ja. Meiner Meinung nach gibt es schon genug Unglück und Leid auf dieser Welt, dem wir schicksalhaft ausgeliefert sind, weil wir in einem bestimmten Land wohnen oder Familienschicksale mittragen müssen. Da ist es wirklich nicht nötig, seinen Mitmenschen eine Extraportion Schwierigkeiten zu bereiten. Doch es passiert. Während meiner langjährigen schamanischen Arbeit in eigener Praxis, in vielen Arztpraxen und auf einigen Intensivstationen, die meine Dienste anforderten, habe ich es erfahren müssen. Es gibt immer wieder Patienten, die durch negative Energien anderer – Neid, Hass oder Missgunst – so sehr belastet sind, dass sie krank werden.

Die Schulmediziner luden mich nicht in ihre Praxen ein, weil sie ihren Patienten etwas Exotischen anbieten wollten, sondern weil sie spürten, dass trotz ihres hervorragenden Wissens auf dem Gebiet der konventionellen Medizin und der Naturheilkunde unsichtbare Blockaden ihre Behandlung behinderten. Mit meinen schamanischen Kenntnissen konnte ich oft die Ursache für ein Therapiehindernis finden und auflösen, sodass die ärztliche Behandlung von da an erfolgreich war. Manchmal sah ich die Patienten nicht persönlich, sondern bekam auf dem Bildschirm ein Röntgenbild gezeigt und wurde gebeten festzustellen, weshalb beispielsweise ein Zahnimplantat nicht hielt.

Schamanisches Sehen

Bei der schamanischen Arbeit ist es wichtig, auf eine bestimmte Weise sehen und unterscheiden zu können. Weshalb ich so gut schamanisch sehen kann, erklärt mein Mann auf folgende Weise: Ich habe es meiner Mutter zu verdanken. Sie war eine erfahrene Radiologin, damals gab es in Deutschland nur drei Frauen in diesem Beruf, die ihr eigenes Röntgeninstitut leiteten. Meine Heimatstadt wurde im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört, Wohnraum war knapp, und so lebte unsere Familie in den Nebenräumen ihrer radiologischen Praxis. Das bedeutete, dass ich etwa fünf Jahre meines Lebens im Röntgenzimmer schlief, den Schwestern beim Röntgen »half« – und kurz und gut voller X-Ray bin! Man könnte meinen, dass das tatsächlich zu außergewöhnlichem schamanischem Sehen führt – eben wie auf einem Röntgenbild. Eine nette Bestätigung dieser Theorie fand ich in dem Buch »Der große Entwurf« des berühmten Physikers Stephen Hawking. Dort schreibt er auf Seite 91: »Außerirdische, deren stammesgeschichtliche Entwicklung sich unter dem Einfluss von Röntgenstrahlen vollzog, dürften also gute Berufsaussichten beim Sicherheitsdienst von Flughäfen haben.« So weit wollen wir nicht gehen, aber der große Physiker meint damit, dass Personen, die über einen längeren Zeitraum hinweg einer Röntgenstrahlung ausgesetzt wurden und sich daran anzupassen vermochten, eventuell durch die Gegenstände hindurchsehen könnten.

Das bedeutet keinesfalls, dass Sie jetzt danach trachten sollten, sich exzessiv bestrahlen oder durchleuchten zu lassen, um ein besonders guter Schamane zu werden! Das verträgt sicherlich nicht jeder Organismus. Und es ist zum Glück auch gar nicht nötig, zu so drastischen Mitteln zu greifen, denn es gibt verschiedene ungefährlichere Methoden, um diese innere Sehkraft zu entwickeln. Beispielsweise mithilfe von Trommeln oder Rasseln lässt es sich üben und erreichen. Wie die Praxis aussehen kann, erfahren Sie in den weiteren Kapiteln. Letztlich ist es immer gut, sich bewusst zu sein, dass jeder von uns auch ein visuelles Gedächtnis hat und sich an Erlebnisse oder beeindruckende Szenen in seinem Leben mühelos in Form von Bildern erinnern kann.

2 Was ist Schamanismus?

Ich habe Ihnen nun meinen ganz persönlichen und überraschenden Einstieg in die schamanischen Welten geschildert. Heute glauben erstaunlich viele Menschen, über Schamanismus Bescheid zu wissen und selbst Schamanen zu sein. Das kommt vor allem daher, dass der Schamanismus keine Schriftkultur hat. Es gibt keinerlei schriftliche Zeugnisse über die Kosmologie und die Methodik. Der einzige Nachweis der schamanischen Riten und der besonderen Sicht auf das Universum sind die künstlerischen Darstellungen, die uns die frühen Schamanen hinterlassen haben. Die Schriftlosigkeit bietet natürlicherweise ein weites Feld, in das alle möglichen Interpretationen hineingepackt werden können. So sind beispielsweise viele Menschen der Meinung, dass alle Schamanen Indianer seien. Jede Woche höre ich mindestens einmal den Satz: »Ich komme zur schamanischen Behandlung, weil ich mich für die Indianer interessiere.«

Unsere Kenntnisse beziehen wir heute aus den Medien, vor allem aus dem Fernsehen, das immer wieder Dokumentationen schamanischer Rituale aus exotischen (und nicht nur indianisch geprägten) Ländern zeigt: Da werden zum Beispiel lebendige Meerschweinchen über einen kranken Körperteil gerieben, dann werden die Tiere aufgebrochen, und aus ihren Eingeweiden erkennt der Schamane die Krankheit und liest den Weg der Heilung. Schamanen fallen nach ekstatischen Tänzen und aufrüttelnder Trommelmusik, oft auch nach der Einnahme berauschender Substanzen in Trance. Dann sprechen die Geister durch sie hindurch und überbringen Botschaften an die Umstehenden.

Diese sehr beeindruckenden Rituale finden meist nachts statt, der Heiler weilt währenddessen in tiefer Trance, um mit den Geistern zu kommunizieren. Geheim gehaltene Zubereitungen von psychoaktiven Pflanzenstoffen, deren Rezeptur nur einige wenige Eingeweihte kennen, versetzen nicht selten den Schamanen in die Lage, in andere Welten zu reisen. Auch Alkohol kann dabei eine Rolle spielen. Als akustische Tranceinduktion dienen rhythmische, mantraähnliche Gesänge, und vor allem treibt der stetige Schlag der Trommel die Anwesenden immer weiter und tiefer in die Trance hinein. Alle Teilnehmer, vor allem die Kranken, sind nicht mehr bei sich selbst, sondern ganz und gar gefangen von dem magischen Geschehen um sie herum. Schon das allein ist ein mächtiges Instrument zur Selbstheilung. Kaum einer, der je einer solchen Sitzung beigewohnt hat oder sie auch nur auf dem Bildschirm oder der Leinwand sieht, bleibt davon unberührt. In welcher Weise auch immer: Die einen sind fasziniert und hingerissen von diesen geheimnisvollen Methoden, andere wieder fühlen sich abgestoßen von so viel archaischer Fremdheit. Letztere fragen sich, was es mit unserer modernen Welt zu tun hat, längst vergangene und überholte Riten zu praktizieren, die in keiner Weise mehr zeitgemäß sind.

Tatsächlich ist der Schamanismus eine der ältesten Methoden der Menschheit mit Gott, dem Jenseits, der Welt der Verstorbenen und Geister in Berührung zu kommen. Schamanische Erfahrung ist die Grundlage aller Religion, die von der Vorgeschichte bis weit in unsere Kultur hineinreicht, wie wir in der abendländischen Kunst, auch der christlichen, noch heute sehen können. Vor allem ist der Schamanismus aber ein langer und mühsamer geistiger Einweihungsweg, den jeder Praktizierende wohl oder übel gehen muss – oder müsste, denn die Realität sieht heute oft anders aus. Dieser Punkt wird nur ungern beachtet, weil die Entwicklung zum Schamanen immer auch Anstrengung und Verzicht bedeutet. Ohne sie ist das Scheitern am eigenen Ego schon vorprogrammiert. Während früher die Schamanen nur einen oder wenige Schüler hatten, deren Eignung und Fähigkeiten sie sorgfältig prüften, so zeigt sich heute ein ganz anderes Bild: vielfältigste Seminare und Ausbildungsgruppen, dazu allerlei Autodidakten.

Wie erkennt man einen echten Schamanen?

Schamanismus ist eine hochinteressante Angelegenheit für eine stattliche Anzahl von Menschen geworden. Dementsprechend viele Schamanen bieten ihre Dienste an, was teilweise groteske Züge annimmt. Als ich kürzlich in einer Therme herumplanschte, wurde über Lautsprecher den Badenden angeboten, sie schamanisch von ihrer größten Angst zu befreien. Nichts wie hin, dachte ich, immer bedacht, auf den neuesten Stand zu kommen. Da lagen wir nun, elf Personen in nasser Badekleidung, und wurden von einem »Schamanen« aufgefordert, uns in unsere größte Angst hineinzubegeben und dem Kosmos zu befehlen, sie von uns zu nehmen. Dazu rasselte und pfiff er vergnügt. Ich war baff, wie jemand so selbstsicher wagte, einen solchen Unsinn anzubieten. Und genau das ist es, was den Bedenken oder der Ablehnung von kritischen Menschen recht gibt. Deren berechtigte Fragen sind: Wie soll man sich im Dschungel schamanischer Anbieter von Heilung zurechtfinden? Wie kann man erkennen, welcher Heiler wirklich seriös ist? Mein erster Gedanke dazu ist: Ein echter Heiler macht mit Sicherheit keine Reklame, er mietet mit Sicherheit keine Zelte oder andere Lokalitäten, um Hunderte von Menschen quasi in einem Rutsch zu heilen. Und er gibt mit Sicherheit keine Statements von sich, dass alles nur psychisch sei und nur durch eine Heilung der Gefühle Krankheiten verschwinden würden. Auch Heiler, die versichern, noch nie einen Misserfolg gehabt zu haben, sind meines Erachtens zu meiden. Eine hypertrophe Selbsteinschätzung macht noch keinen Heiler. Dass eine Ausbildung dringend notwendig ist, möchte ich hier nicht unbedingt behaupten, denn es gibt immer wieder Naturtalente, die eine besondere Gabe haben, aber keine Ausbildung vorweisen können. Soweit sie ihr Talent verantwortungsvoll nutzen, ist nichts dagegen einzuwenden. Ich denke aber, dass jemand, der den Anspruch hat zu heilen, wenigstens gewisse anatomische und medizinische Kenntnisse haben sollte.

Es gibt Kriterien

Die Frage nach der Echtheit betrifft nicht nur den Schamanismus, sie zieht sich durch unser ganzes gesellschaftliches Leben hindurch. Ich frage an dieser Stelle mal etwas provokant, weshalb so wenige Menschen Pianisten werden möchten, aber eine ungeheure Zahl von Personen Schamanen oder Heiler werden will. Die Antwort darauf fällt nicht schwer: Ein Pianist muss täglich einige Stunden üben. Bevor er überhaupt konzertreif ist, wird er über Jahre langweilige Fingerübungen klimpern müssen. Und: Man hört jeden falschen Ton! Von dem berühmten ukrainischen Pianisten Vladimir Horowitz ist der Ausspruch überliefert: »Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich es. Übe ich zwei Tage nicht, merkt es meine Frau Wanda. Und wenn ich drei Tage nicht übe, merkt es die ganze Welt.« Im Schamanismus scheint das viel einfacher zu sein, man beruft sich auf die Eingebungen höherer Mächte, schildert seine visuellen Erfahrungen – und der nicht »sehende« Klient ist dem widerspruchslos ausgeliefert. Falls die Behandlung nicht wirkt, wird die Ursache vom Behandler weggeschoben, entweder auf das Karma oder darauf, dass der Klient eben noch nicht so weit ist, seine Heilung zuzulassen. Mich beschleicht immer wieder der Eindruck, dass eine große Zahl der New-Age-Schamanen als einzige Qualifikation ein paar Kurse und den Besitz einer Trommel oder eines Paares Greifvogelfedern vorweisen kann. Aber nicht nur das, in etlichen Büchern und Kursen über schamanisches Heilen wird Laien eine falsche Selbstsicherheit nach dem Motto »Do it yourself« vorgegaukelt, was zu fatalen Fehleinschätzungen der eigenen Fähigkeiten führt. Fatal deshalb, weil dadurch Patienten in Gefahr gebracht werden können. Das macht die echten Praktiker in den schamanischen Welten traurig, denn ihr Können wird dadurch angezweifelt und infrage gestellt. Sie fühlen sich in eine Ecke gedrängt, die ihre anstrengende und wertvolle Arbeit in eine undurchschaubare Grauzone abschiebt.

Hier zähle ich noch einmal Kriterien auf, an denen der Hilfesuchende einen »echten« und seriös arbeitenden Schamanen erkennt. Sicher ist das eine Person,

die keine unrealistischen Heilsversprechungen macht, die keine Reklame für sich macht,

die weder Macht noch Missbrauch am Klienten ausübt und ihn nicht an sich bindet,

die eine realistische, medizinische Einstellung zu ihrer schamanischen Arbeit hat,

die dem Patienten keine Schuld zuweist, wenn es mal nicht so klappt wie gewünscht,

die kritischen Fragen nicht ausweicht,

die logisch und realitätsbezogen arbeitet.

Nebenbei bemerkt, ein hundertprozentiger Anspruch auf Heilung besteht leider nie. Das ist ja in der Schulmedizin nicht anders. Es gibt so viele Genvarianten, daher wirkt dasselbe Medikament bei einer Person und bei einer anderen nicht. Und es gibt Prozesse, die ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr aufzuhalten sind. Bei jeder Operation kann zudem trotz des Könnens der Ärzte etwas schiefgehen. Die Menschen und ihre Körpersysteme funktionieren alle gleich und sind doch sehr verschieden. Die dabei waltenden Energien sind unberechenbar. Und das in beide Richtungen: Ein paar Mal sind Patienten von mir, trotz sehr ungünstiger Diagnose, wieder völlig gesund geworden. Anderen, mit leichteren Erkrankungen, war nicht zu helfen. So ist das Leben.

Der einsame Vogel

Als Kriterium für einen echten schamanischen Heiler schätze ich das berühmte Gedicht über die Eigenschaften eines Vogels sehr. Es wurde von dem spanischen Mystiker Johannes vom Kreuz geschrieben. Juan de la Cruz, so lautet sein spanischer Name, notierte es, wie viele seiner Gedichte, in den Kerkern von Toledo. Er war dort ins Gefängnis geworfen worden, weil er missgünstigen Ordensbrüdern ein Dorn im Auge war. Dieses Gedicht zieht den Leser sofort in seinen Bann, zum einen, weil es sehr rätselhaft und dann doch irgendwie verständlich erscheint, zum anderen, weil eine spürbar große Erfahrung darin verborgen ist, ein anziehendes und faszinierendes Geheimnis, das ergründet werden will.

Die Bedingungen eines einsamen Vogels sind fünf:

Die erste, dass er zum höchsten Punkt fliegt.

Die zweite, dass er sich nicht nach Gesellen sehnt,

nicht einmal seiner eigenen Art.

Die dritte, dass sein Schnabel gen Himmel zielt.

Die vierte, dass er keine besondere Farbe hat.

Die fünfte, dass er sehr leise singt.

Juan de la Cruz (1542–1591)

Dieses Gedicht lässt sich selbstverständlich in vielfältiger Weise interpretieren, denn der Autor will darin wohl die Erfahrung seiner mystischen Gottesbegegnung beschreiben. Für das Bild des Schamanen greifen wir heraus, dass er zwar die höchsten Ziele haben, aber zugleich völlig unauffällig leben sollte. Wenn man das Gedicht unter diesem Aspekt genauer betrachtet, bedeutet es nämlich, dass der Schamane ein ziemlich einsames und unspektakuläres Leben mit spirituell hohen Ansprüchen an sich selbst führen sollte. Das ist nun sicher keine interessante Sache und entspricht garantiert nicht den Gewohnheiten des 21. Jahrhunderts. Nur wenige Menschen sind bereit, so zu leben.

Für die Hilfesuchenden bedeutet das letztlich aber auch, dass es nicht einfach ist, einen echten Schamanen zu erkennen. Denn Juan de la Cruz stellt ganz deutlich zwei Bedingungen der Unauffälligkeit: keine besondere Farbe und ein leiser Gesang. Wenn wir diese Voraussetzungen in unsere moderne Zeit hineinkatapultieren, wirken sie störend wie erratische Blöcke. Die heutigen Bedingungen für jemanden, der gehört und gesehen werden will, lauten ganz anders: möglichst bunt, auch gern schrill zu sein und laut die Trommel, seine eigene Werbetrommel, zu schlagen.

Ignatius von Loyola (1491–1556), ein spanischer Ordensmeister, spricht von der »Scham der Erfahrung«, die für ihn ein Echtheitskriterium für wahre spirituelle Erlebnisse darstellt. Auch dieses Kriterium trifft auf einen Schamanen zu: Wir »schämen« uns, von unserer Initiation zu erzählen und diese tiefen Erlebnisse öffentlich zu machen. Sie verlieren dadurch an Wert und Glaubwürdigkeit. Es ist wie mit einem kostbaren Schatz, den man auch nicht auf dem Marktplatz herumzeigt.

Die älteste »Religion« der Welt

Ich hatte davon gesprochen, dass der Schamanismus die älteste Vorstufe zur Religion ist. Schauen wir uns das genauer an: Nach vorsichtigen Schätzungen der Anthropologen wird Schamanismus seit etwa 70 000 Jahren praktiziert. Diese Angaben beruhen auf den großartigen Zeugnissen der prähistorischen Höhlenmalerei und anderen erstaunlichen Funden aus der Vorgeschichte. Schamanismus an sich stellt keine Religion mit starren Glaubensansichten dar, sondern bietet einen unmittelbaren Zugang zur Transzendenz, zum Göttlichen. Er ist damit die Basis der Religionen. Er galt und gilt als eine Möglichkeit, Gott näherzukommen und ihn zu erfahren. In den alten Stammeskulturen, die in der ganzen Welt, auch hier in Europa, existierten, war es die Aufgabe des Schamanen, zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt zu vermitteln. Seine Pflichten bestanden darin, für das Wohlergehen des Stammes zu sorgen, Kranke zu heilen, die Familien zu schützen, jagdbares Wild zu sichten und erzürnte Naturwesenheiten zu beschwichtigen.

Damals gab es kein künstliches Licht, keinen elektrischen Strom, keine allabendliche Wettervorhersage und keine Antibiotika, keinen Supermarkt, in dem man noch schnell Lebensmittel einkaufen konnte. Kurz: Es war ein Leben, wie wir es uns kaum mehr vorstellen können – und wenn, dann nur als vorübergehendes Abenteuer und nicht als Dauerzustand. Diese Menschen mussten sich jahrtausendelang auf andere Methoden verlassen, um am Leben zu bleiben, etwas zu essen zu haben oder im Krankheitsfall wieder gesund zu werden, und nicht zuletzt, um mit ihren Göttern in Kontakt zu treten.

Wenn ich auf meinen Seminaren die Teilnehmer frage, wie sie daraufkamen, sich schamanisch weiterzubilden, geben 97 Prozent von ihnen wie gesagt Antworten wie: »Ich mag die Indianer«, »Winnetou war schon immer mein Held«, »Die Indianer leben im Einklang mit der Natur, das ist Schamanismus.« Das ist natürlich eine sehr begrenzte Sicht der Dinge. Aber woher kommt der Schamanismus tatsächlich, wo hat er seinen Ursprung? Nicht bei den mittelamerikanischen Indianern, wie die meisten Menschen glauben, er kam vielmehr aus der oberen rechten Ecke der Weltkarte: aus dem äußersten Sibirien, aus Zentralasien und der Gegend um die Pole, von den Tungusen, den Evenken und den mandschurischen Völkern. Es sind Völker, deren Namen wir zuvor noch nie gehört haben. Obwohl es darüber natürlich verschiedene und differierende etymologische Meinungen gibt, erklärt sich sogar die Bezeichnung »Schamane« aus den Sprachen dieser Volksstämme: Die Silbe Sha bedeutet im Tungusischen »der Wissende« und in einer anderen dieser sibirischen Sprachen »der sich Erhitzende«. Beides trifft zu, denn ein Schamane weiß tatsächlich mehr als gewöhnliche Menschen, weil er hinter die alltägliche Wirklichkeit sehen und damit zum Beispiel Ursachen für eine Erkrankung erkennen kann. Gleichzeitig wird ihm auch warm, denn ohne Kraft, ohne innere Hitze und Energie, ist schamanische Arbeit undenkbar.

Die westlichen Forscher kamen zunächst am Nord- und Südpol oder in den sibirischen Ländern mit dem Phänomen Schamanismus in Berührung. Sie gingen sofort davon aus, dass es sich hier nur um psychisch gestörte oder gar geisteskranke Menschen handeln konnte. Mit großem Befremden betrachteten sie diese »Primitiven«, die zum Schlag der Trommel tanzten, dann um sich schlugen, wirre, unverständliche Laute ausstießen und schließlich wie betäubt zu Boden fielen. Daher bezeichneten die frühen Forscher, die über diese Phänomene berichteten, den Schamanismus auch zunächst als »zirkumpolare Hysterie«. Diese Ansicht hielt sich lange in der Wissenschaft, manche gingen sogar einen Schritt weiter und vertraten die Theorie, dass Schamanen nicht nur psychisch labil, sondern sogar psychotisch und mehrheitlich schizophren seien.

Erst in den letzten dreißig Jahren änderte sich das Bild, insbesondere durch die amerikanischen Forschungen der Psychologie über drogeninduzierte Grenzerfahrungen, zum Beispiel durch LSD. Besonders die populären Bücher des heute umstrittenen Autors Carlos Castaneda, die seine mehr oder weniger fiktiven Tranceerfahrungen mithilfe der psychedelischen Substanz des Peyotekaktus oder Psilocybin schildern, fanden eine breite Leserschaft. Sie machten den Schamanismus in gewissen intellektuellen Kreisen salonfähig und zu einer Sache, die alle haben wollten, die etwas auf ihre geistigen Fähigkeiten hielten. Der Schamanismus war im 20. Jahrhundert angelangt und für den modernen Menschen interessant geworden. Seine tatsächliche Verheißung, die Verbindung mit den anderen Welten, war allerdings gründlich missverstanden worden, denn die westlichen Menschen waren vor allem von der Idee fasziniert, mithilfe von psychoaktiven Pflanzen oder ähnlichen halluzinogenen Drogen ganz mühelos hinter bis dahin verschlossene Türen zu gelangen. Plötzlich entstand eine Fülle mehr oder weniger spannender und mehr oder weniger fiktiver Literatur, die sich mit angeblich authentischen Erlebnissen einiger New-Age-Persönlichkeiten befasste.

Zugegeben, auch ich habe damals diese spannenden Bücher mit Begeisterung verschlungen, die aber insbesondere Männer mit sich rissen. So wie sich in den 1960er-Jahren die intellektuelle Männerwelt als »Steppenwolf« empfand, der zur Isolation und zum unaufhörlichen Traben verurteilt war, fühlten sich jetzt die jungen Männer als zweite Castanedas, die mühelos von Wirklichkeit zu Wirklichkeit sprangen. Was auf der Strecke blieb, waren die warmen und tragenden menschlichen Beziehungen, für die in dieser Welt, die sich mit der Aura des Besonderen umgab, nun wirklich kein Platz war. Einige Jahre später wurde an diesem Gebäude gerüttelt: Der amerikanische Professor Richard de Mille wies nach, dass Castanedas »wissenschaftliche« Arbeiten und Feldforschungen reine Erfindung waren. Ähnlich erging es auch manch anderen Autoren, die sich in ihren Büchern als geprüfte und bewährte Schüler von authentischen, indigenen Schamanen ausgaben.