Stadt ohne Wagen - Stephan Rammler - E-Book

Stadt ohne Wagen E-Book

Stephan Rammler

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Beschreibung

Die Geschichte von Städten ist auch und vor allem die Geschichte ihrer Transportsysteme. Stephan Rammler wirft einen Blick auf die Entwicklung und Herausforderungen der Urbanisierung, die vor allem die ärmeren Länder vor große strukturelle Probleme stellt. Ein Begleiteffekt der Urbanisierung ist dabei u.a. ein gesteigertes Verkehrsaufkommen in den Städten. Rammler nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Geschichte der Mobilität: Von der Pferdebahn, über die elektrische Straßenbahn bis hin zur S- und U-Bahn zeigt er die verschiedenen Entwicklungsphasen der Mobilität und skizziert Formen der zukünftigen Entwicklungen, bei denen vor allem die Art und Weise des Einsatzes digitaler Technologien und Medien im Fokus stehen wird. Rammler plädiert dafür, die Zukunft der Stadt insbesondere von dem Blickwinkel der Mobilitätsentwicklung aus neu zu überdenken: Ein Konzept für den Personen- und Gütertransport der Zukunft und die städtische Mobilität sei unerlässlich.

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Stadt. Ansichten.

 

Inhalt

Stephan Rammler | Stadt ohne Wagen. Eine kleine Geschichte urbaner Mobilität

Anhang

Der Autor

Impressum

Stephan Rammler Stadt ohne Wagen Eine kleine Geschichte urbaner Mobilität

Man kann die These vertreten, dass die in weiten Teilen verkehrsbedingte Unwirtlichkeit der Städte zum Misslingen unserer Gesellschaft beiträgt. Die Stadt als politische Arena, ökonomischer Schauplatz und kulturelles Labor lebt von der Qualität ihrer öffentlichen Räume. Anders formuliert: Je weniger die öffentlichen Räume von den negativen externen Effekten der fossilen Mobilität beeinträchtigt werden, desto besser gelingt die offene Bürgergesellschaft. Städte waren schon immer Mobilitätslaboratorien. Heute sind sie die Bühne, auf der der Abgesang von der (Auto-)Mobilität, wie wir sie kennen, inszeniert wird. Ob dieser am Ende als Drama oder als Lustspiel aufgeführt wird, ist eine noch offene Frage. Als Dienstleister für Lebensqualität werden die Städte sich aber zukünftig ganz sicher verstärkt um die Ermöglichung einer nachhaltigen Mobilität bemühen müssen. Der öffentliche Verkehr als Garant der kollektiven Daseinsvorsorge war und wird in diesem Sinne auch in Zukunft Teil einer funktionierenden öffentlichen Kultur und zugleich das Rückgrat aller integrierten und nachhaltigen urbanen Verkehrskonzepte sein.

Die Stadtmaschine – Mobilität im Spannungsfeld von Urbanisierung und nachhaltiger Entwicklung

»Am Anfang dieses Buches steht eine Stadt, die das Symbol einer Welt war. Es endet bei einer Welt, die in vieler Hinsicht eine Stadt geworden ist.«1 Treffender als mit diesem ersten Satz zu Mumfords Klassiker der Stadtgeschichte und Stadtforschung lässt sich auch heute noch die Gegenwart unserer Zivilisation nicht auf einen Nenner bringen: Es ist eine urbane Zivilisation mehr denn jemals zuvor. Immer schon waren die Städte die wichtigsten Experimentierräume gesellschaftlicher Modernisierung und Motoren der zivilisatorischen Entwicklung. Städte waren in allen Phasen gesellschaftlicher Entwicklung eine verbreitete, wenn auch nicht immer dominante Lebensform. Mit Beginn der industriellen Moderne und den mit ihr verbundenen, rapide wuchernden räumlichen, sozialen und mentalen Urbanisierungsprozessen tritt die städtische Lebensform dann ins Zentrum der gesellschaftlichen Produktions- und Wohnweise. Die Stadt wird zum Forum und Medium der industriellen Wirtschaftsform schlechthin. Mit allen bekannten Schattenseiten und kulturellen Erosions- und Verwahrlosungstendenzen. Sie ist in diesem Sinne eine »Stadtmaschine«: ein logistischer Apparat, ein gigantisches Räderwerk ineinandergreifender Systeme, Infrastrukturen und Funktionen zur gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnisbefriedigung. Heute hat diese Entwicklung einen Höhepunkt erreicht. Das Bevölkerungswachstum der nächsten Jahre konzentriert sich fast vollständig in den Stadtregionen der Welt. Seit 2008 leben erstmals in der Menschheitsgeschichte weltweit mehr Menschenin Städten als auf dem Land, und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Das Leben in urbanen Ballungsräumen wird also im 21. Jahrhundert die typische Existenzform für den überwiegenden Teil der Weltbevölkerung sein.

Damit wird auch über die Frage einer nachhaltigen Gesellschaftsentwicklung vor allem in den Städten der Zukunft entschieden. Seit Beginn der 1990er-Jahre bestimmt das Konzept der »Nachhaltigkeit« oder »Zukunftsfähigkeit« die gesellschaftspolitischen Debatten über den richtigen Weg in die Zukunft. Die in diesem Zusammenhang während des ersten entscheidenden Nachhaltigkeits- und Klimagipfels in Rio 1992 entstandene kommunalpolitische Weltbewegung der »Lokalen Agenda 21« stellte die Stadt bereits ins Zentrum der Bemühungen um gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit. Die Stadt ist heute prominenter Ort der Problementstehung und Problemaushandlung gleichermaßen. Hier werden die ökologischen, ökonomischen und sozialen Probleme verursacht, hier werden sie in der Lebenswirklichkeit manifest und schlagen sich sozial ungleich verteilt in einer häufig frappierend verminderten »Daseinsqualität« nieder, und hier ist der Ort ihrer politischen Bewältigung. Die Suche nach Möglichkeiten zur Integration der ökonomischen, ökologischen und sozialen Zieldimensionen einer zukunftsfähigen Gesellschaftsentwicklung spielt sich dementsprechend im Spannungsfeld der Neujustierung kommunaler Grundfunktionen ab: In der Vision einer sustainable city werden Mobilität, Energiesicherheit, gesundes Wohnen und Essen, Sicherheit, soziale und kulturelle Teilhabe mit wenig negativen externen Effekten für Umwelt und Gesellschaft bereitgestellt.

Global betrachtet sind die Ausgangsbedingungen hierfür allerdings denkbar schlecht: In den hoch industrialisierten Ländern Europas und Nordamerikas stagniert die Verstädterung quantitativ auf hohem Niveau und ist qualitativ durch den Begriff der höchst energieverbrauchsintensiven Suburbanisierung charakterisiert; gleichzeitig wachsen die Städte der Regionen nachholender Modernisierung in Asien, Südamerika, im Nahen und Mittleren Osten oft ziellos und ungeplant, organischem Wuchern gleich. Während der industrialisierte Norden in absehbarer Zeit mit massiven demografischen Schrumpfungs- und Alterungsprozessen – und allen damit eng verbundenen Problemen des Erhalts sozialstaatlicher und kommunaler Daseinsvorsorgesysteme – umzugehen hat, sind die Regionen rapider Urbanisierung vor die Herausforderung gestellt, solche Systeme überhaupt erst einmal zu installieren und dauerhaft funktionsfähig zu erhalten. Die ökologischen und energiepolitischen Probleme, die soziale Frage gesellschaftlicher Exklusion und armutsbedingter Verwahrlosung und Kriminalität, schließlich massive Wert- und Traditionsverluste sind vielfach ähnlich gelagert, nur unterscheiden sich die Ausgangsbedingungen zwischen Norden und Süden mitunter massiv, insbesondere auch hinsichtlich der Frage politischer Steuerung und Intervention.

Dennoch werden Urbanisierungsprozesse auch heute gemeinhin als zivilisatorischer Fortschritt verstanden und von den Regierungen weltweit angestrebt und befördert. Urbanität und Mobilität gelten weiterhin als Signum der Modernität von Gesellschaften. Tatsächlich liegt in den entwickelten kapitalistischen Gesellschaften der Prozentsatz der in Städten lebenden Bevölkerung mit 80 bis 90 Prozent auch im Vergleich mit anderen Gesellschaften am höchsten. Die Stadt verspricht weiterhin die Chance zur Partizipation an der gesamtgesellschaftlichen Reichtumsentwicklung. Um diese Teilhabe zu erreichen, setzen sich heute weiterhin immer mehr Menschen in Bewegung als jemals zuvor. Die damit verbundene Mobilisierung immer größerer Bevölkerungsteile, die sich aus den engen ländlich geprägten Lebensverhältnissen befreien, um sich in den städtischen Agglomerationsräumen neue Perspektiven zu erschließen, wird auch in Zukunft mit einem enorm gesteigerten Verkehrsaufkommen wegen massiver Pendelbewegungen verbunden sein. Die aus der Verbindung von Stadt- und Verkehrsentwicklung resultierenden problematischen Effekte werden dabei oftmals nicht gesehen oder nicht thematisiert. Ein Problembewusstsein für negative Begleiteffekte der Urbanisierung haben insbesondere jene entwickelten Länder, die auf die historische Erfahrung eines dynamischen Urbanisierungsprozesses im Rahmen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zurückblicken können. Dieser Epoche des Umbruchs ähnelt in vieler Hinsicht die heutige Situation in den sich entwickelnden Ländern, die seit einigen Jahren rapide Stadtentwicklungsprozesse erleben, welche allerdings den Urbanisierungsprozess des 19. Jahrhunderts in Geschwindigkeit und Ausmaß vielfach noch übertreffen.

Genau aus dieser historischen Erfahrung heraus erscheint es heute mehr als angebracht, die Zukunft der Stadt insbesondere von diesem Blickwinkel der Mobilitätsentwicklung aus neu zu überdenken. Die weltweit wachsende Bevölkerung, vor allem in den asiatischen und südamerikanischen Metropolen, macht ein Nachdenken über den Personen- und Gütertransport der Zukunft unerlässlich. Die städtische Mobilität von morgen ist ein Kernthema, das eingehender Diskussion und neuer Lösungsansätze bedarf, um zu tragfähigen Gesamtkonzepten nachhaltiger Stadtentwicklung überhaupt vorzudringen.

Denn Stadt und Verkehr, Immobilität und Mobilität stehen sich nicht prinzipiell unversöhnlich gegenüber, vielmehr verbinden sie sich miteinander und entfalten eine eigentümliche, einander bedingende Entwicklungsdynamik. Dementsprechend ist die Geschichte von Städten auch und vor allem die Geschichte ihrer Transportsysteme. Sie sind die Blut- und Nervenbahnen der Stadtkörper, von fundamentaler Bedeutung für jegliche weitere Entwicklung.

»Im Omnibus in die Moderne« – Urbane Verkehrssysteme im Spiegel gesellschaftlicher Modernisierung