Underworld Chronicles - Verflucht - Jackie May - E-Book
SONDERANGEBOT

Underworld Chronicles - Verflucht E-Book

Jackie May

0,0
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Norah Jacobs weiß Bescheid über die tödliche Unterwelt, die voll ist von gefährlichen Kreaturen. Ihre paranormalen Fähigkeiten haben sie immer geschützt - bis eines Nachts der mächtigste Vampir der Stadt ihre Kräfte entdeckt und einen Auftrag für sie hat. Norah gelangt in die düstere Welt unterhalb von Detroit und findet in Troll Terrance und dem attraktiven Nick schnell Verbündete. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Und Norah muss sich fragen, wem sie überhaupt trauen und wie zum Teufel sie lebend aus dieser Situation herauskommen kann ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 361

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Titel

Impressum

LiebeLeserInnnen

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Triggerwanung

Hinweis TEIL

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Don’t Rush Me«

Für die Originalausgabe:

Copyright ® 2018 by Jackie May

Published by arrangement with Bookcase Literary Agency

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright ® 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Kerstin Ostendorf, Bonn

Covergestaltung: Alexander Kopainski unter Verwendung von Motiven: © shutterstock/BG Plus 2; © shutterstock/In Art; © shutterstock/Rabilbanimilbu; © shutterstock/SWEviL; © shutterstock/tomertu; © shutterstock/xpixel; © shutterstock/Nadia Chi; © shutterstock/camilkuo; © shutterstock/andreiuc88; © shutterstock/Mario Pantelic; © shutterstock/Svetlana Rib; © shutterstock/Olesia Bilkei; © shutterstock/Barashkova Natalia

eBook-Erstellung: 3w+p, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0448-9

www.one-verlag.de

www.luebbe.de

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Dazu findet ihr eine Triggerwarnung auf S. 295.

ACHTUNG: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer Team vom ONE-Verlag

Für Kelly. Das hier hab ich nur für dich geschrieben!

Kapitel 1

Es beginnt immer mit einem Kribbeln im Nacken, das sich über meine Arme ausbreitet und dort eine Gänsehaut hinterlässt. Schließlich nistet es sich als ungutes Gefühl in meinem Magen ein, und ich weiß sicher: Jemand Böses ist im Anmarsch. Es sind einfache, vage Vorahnungen, dass etwas Übles, Gefährliches bevorsteht. Und ich habe gelernt, diesem Gefühl zu vertrauen.

Ich sehe mich im Bus um und überlege, wer das Problem sein könnte. Abgesehen von ein paar Leuten auf dem Heimweg nach einem langen Arbeitstag sitzen hinten noch ein paar Typen, die auf Krawall aus sind. Das ist nichts Ungewöhnliches im öffentlichen Nahverkehr von Detroit, also habe ich mir beim Einsteigen nichts weiter dabei gedacht, aber offensichtlich ist einer von ihnen auf mich aufmerksam geworden. Er starrt mich dauernd an, und als er mitbekommt, dass ich in seine Richtung schaue, nickt er mir zu. »Hey, Baby, warum kommst du nicht zu mir nach hinten, und wir lernen uns ein bisschen besser kennen?«

Soll ich antworten oder besser nicht? Was provoziert ihn weniger? »Ich habe einen Freund.« Das ist eine Lüge. Ich bin Single. Aber es ist der unverfänglichste Weg, dem Mann vor seinen Kumpeln einen Korb zu geben.

Ich schaue schnell weg und hoffe inständig, dass er nicht einer dieser hartnäckigen Typen ist, der mir auch noch seine Freunde auf den Hals hetzt.

»Ach, komm schon, Baby, sei doch nicht so. Dein Freund ist schließlich nicht hier.«

Na toll. Er wird mich nicht in Ruhe lassen. Aber ich bin fast da. Wenn ich es schaffe, aus dem Bus auszusteigen, ohne dass es Ärger gibt, kann ich den einen Block bis zu meiner Wohnung laufen und mich einschließen, bis die Gefahr vorbei ist.

Mein Handy gibt ein Geräusch von sich, als mir die Person, die ich wohl am ehesten von allen als einen Freund bezeichnen kann, eine Textnachricht schickt.

SorcererX:P? Bist du da? Wohin bist du verschwunden? Alles okay?

P ist die Abkürzung von PsychoPsychic. Es ist mein Username in ein paar paranormalen Online-Foren, in denen X und ich uns regelmäßig herumtreiben. Wir kennen einander nicht persönlich, also sprechen wir uns einfach mit unseren Pseudonymen an. Ich bin P, er ist X.

PsychoPsychic:Alles bestens. Werde nur auf dem Heimweg von so einem Typen belästigt. Aber keine Sorge. Der ist harmlos, und ich steige beim nächsten Halt aus.

SorcererX:Sei vorsichtig. Wenn er mit dir aussteigt, ruf die Polizei. Und schreib mir, wenn du heil angekommen bist.

Seine Antwort bringt mich zum Lächeln.

PsychoPsychic:Mach ich.

Während der Bus sich meiner Haltestelle nähert, hört der Typ hinten mit seinen Versuchen auf, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber das ungute Gefühl im Magen wird stärker. Ich bin immer noch in Gefahr. Ich atme tief durch und bemühe mich, einigermaßen ruhig zu bleiben. In Panik zu geraten wird mir nicht helfen. Wenn er mir aus dem Bus folgt, muss ich bei klarem Verstand sein.

»Hey, alles okay?« Beim Klang der fremden Stimme blicke ich von meinem Handy auf. Ein Typ auf der anderen Seite des Gangs sieht mich besorgt an. Wir haben beide gleichzeitig die Bibliothek verlassen, als diese zugemacht hat, und sind in den Bus gestiegen. Er ist mir vorher schon aufgefallen. Er ist süß, auf eine nerdig-schicke Art und Weise. Er ist groß und schlank, ein bisschen älter als ich – allerhöchstens fünfundzwanzig – und hat leicht gewelltes hellbraunes Haar und wirklich schöne bernsteinfarbene Augen. Ich habe ihn schon häufiger gesehen, seit ich meine derzeitige Wohnung so oft wie möglich vermeide und meine ganze Freizeit in der öffentlichen Bibliothek verbringe. Trotzdem haben wir noch nie miteinander gesprochen.

»Ja, alles gut«, sage ich.

Meine Antwort bringt ihn zum Lächeln, und er streicht sich die Haare aus den Augen. »Ich bin Oliver.«

Ich nicke, erwidere aber nichts.

Er versucht es erneut. »Ich kenne dich aus der Bibliothek.«

Ich kneife die Augen zusammen. Warum hat er sich genau diesen Moment ausgesucht – in dem sich meine Vorahnung meldet –, um so gesprächig zu sein, wenn er mir in den ganzen letzten Monaten immer nur heimlich Blicke zugeworfen hat und nie den Mut aufbringen konnte, mich anzusprechen? Könnte er die Person sein, vor der mich meine Gabe warnt? Das will ich nicht glauben, aber ich kann es auch nicht ausschließen.

Ich zwinge mich zu einem schwachen Lächeln und nicke erneut. »Klar. Der Computer in der Nähe des Wasserspenders. Ich frage mich schon seit Wochen, ob du Online-Collegekurse hast oder nur süchtig nach World of Warcraft bist.«

Meine Erwiderung scheint ihn zu überraschen. Denn normalerweise sagt meine Ausstrahlung eher: »Haltet euch bloß von mir fern.« Ja, ich bin eine Einzelgängerin, die andere Menschen wie die Pest meidet, aber ich bin nicht gemein. Es ist nur schwer, meine Gabe vor anderen zu verbergen, wenn ich bei jeder Berührung in ihren Kopf geworfen werde. Ich weiß nicht, warum ich diese Fähigkeiten habe oder wie ich zu ihnen gekommen bin, aber sie haben mich immer wieder gerettet, also beschwere ich mich nicht. Einsamkeit ist besser als der Tod.

Meine Freundlichkeit verleiht Oliver ein wenig Selbstvertrauen. Sein Lächeln wird eine Spur breiter, und in seine Augen tritt ein Strahlen. »Strafrechtskurse.« Grinsend fügt er hinzu: »Und Dragon Quest X. Nicht World of Warcraft.«

Ich lache auf. Ich kann nicht anders, auch wenn ich es verdächtig finde, dass er genau in dem Moment ein Gespräch anfängt, in dem sich meine Vorahnung bemerkbar macht. »Sehr gut. Ich bin Nora.«

Der Bus biegt in meine Straße ein, und das ungute Gefühl in meinem Bauch explodiert vor Intensität. Ich atme tief durch die Nase ein und langsam wieder aus.

»Bist du sicher, dass alles okay ist?«, fragt Oliver. »Du siehst aus, als würdest du gleich in Ohnmacht fallen. Soll ich dich vielleicht besser nach Hause begleiten?«

Die Frage lässt mich noch misstrauischer werden. Oliver wirkt harmlos, aber ich weiß genau, dass der Schein trügen kann, und meine Vorahnung wird immer stärker.

Mein Körper schreit mich geradezu an, mich in Sicherheit zu bringen. Jetzt zittern auch noch meine Hände, und an meinem Haaransatz bilden sich Schweißtropfen. »Das hier ist nicht deine Haltestelle«, sage ich kopfschüttelnd.

Er zuckt mit den Schultern. »Aber die danach. Das ist nicht so weit. Ich würde mich besser fühlen, wenn ich wüsste, dass du es sicher nach Hause geschafft hast.«

Jetzt macht er mich nervös. Ich muss allein aus diesem Bus aussteigen. »Es ist nur einen halben Block entfernt. Das schaffe ich schon. Aber danke.«

Die Hoffnung in seinen Augen wird ein wenig schwächer. »Okay. Wenn du dir sicher bist.«

Er wirkt aufrichtig, aber ohne ihn zu berühren, weiß ich es nicht mit Sicherheit. »Ja, bin ich. Danke.«

Der Bus kommt langsam und rumpelnd zum Stehen. Das ungute Gefühl im Bauch wird so stark, dass ich kaum noch atmen kann.

Der Kerl im hinteren Teil des Busses starrt mich wieder – jetzt sogar stirnrunzelnd – an, und auch Oliver beobachtet mich ganz genau. Ich kann nicht sagen, welcher von beiden die Gefahr darstellt. Ich muss hier raus. Leider bin ich so nervös, dass ich beim Aufstehen leicht stolpere. Oliver springt ebenfalls auf. »Bitte, lass mich dir helfen. Du bist wirklich blass.«

Als er nach meiner Hand greift, erhasche ich einen flüchtigen Blick in seine Gedanken. Er stellt sich vor, wie wir zusammen die Straße entlanggehen. Er will mich sicher nach Hause bringen. Er macht sich Sorgen um mich. Er findet, eine Frau wie ich sollte nie allein durch Detroit gehen, noch viel weniger nach Einbruch der Dunkelheit.

Das Bild von mir in seinem Kopf leuchtet praktisch. Ich bin groß und schlank. Ich habe keine besonders weiblichen Kurven, aber er findet mich trotzdem schön. Er mag meine meergrünen Augen, auch wenn sie ein wenig gequält wirken, und meine langen, glänzenden, brünetten Haare erinnern ihn an eine Shampoo-Werbung. Er hat noch nie mein Lächeln gesehen, ist aber davon überzeugt, dass es strahlend wäre, und er wünscht sich, ich würde es ihm zeigen. Er ist wohlwollender mir gegenüber, als ich es selbst bin. Ich glaube nicht, dass ich in Wirklichkeit so hübsch bin, wie in seinen Augen.

Er ist ein netter Kerl. Es tut mir leid, dass ich ihn für das Monster gehalten habe, vor dem mich meine Gabe warnt. Genau deswegen kann ich keine Freunde haben. Ich bin furchtbar darin. Ich löse mich von ihm, um seinen Gedanken zu entkommen. Er versteht es falsch, murmelt »Entschuldigung« und setzt sich wieder hin.

Ein Teil von mir will, dass er mich nach Hause begleitet, aber das hat keinen Sinn. Keine meiner Freundschaften hat je lang gehalten. Es ist besser, allein zu bleiben. »Keine Sorge«, versichere ich ihm erneut. Dann lehne ich mich zu ihm und senke die Stimme. »Aber wenn mir einer dieser Typen aus dem Bus folgt, ruf die Polizei an, okay?«

Oliver runzelt die Stirn, nickt aber widerwillig. »Komm gut nach Hause«, sagt er.

Ich schenke ihm ein kleines Lächeln. »Du auch. Es war nett, dich kennenzulernen.«

Ich schultere den Rucksack mit meiner mit Fett befleckten Arbeitskleidung und steige aus dem Bus. Jeder Schritt fällt mir so schwer, als würde ich durch hüfthohen Schnee waten. Sobald der Bus wieder losfährt, wird mir der Grund für meine Vorahnung klar. Ich fluche leise. Ich hätte mich von Oliver nach Hause begleiten lassen sollen. Hätte im Bus bleiben sollen. Es war dämlich von mir, zu denken, dass die Gefahr schon bei mir ist. Sie erwartet mich hier. Ich hätte es besser wissen sollen.

Unter einer Laterne auf der anderen Straßenseite parkt ein Wagen. Davor hängen mein unheimlicher Nachbar Xavier und einer seiner Freunde ab. Xavier, der sich gegen die Motorhaube gelehnt hat, richtet sich auf, als hätte er auf mich gewartet. Mir dreht sich der Magen um.

Seit ich sechs war, wurde ich von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht. Einige dieser Familien waren nett und wollten mir wirklich helfen. Meine letzte Pflegefamilie war es nicht. Die Frau hat die ganze Zeit gearbeitet und mich mit ihrem ständig betrunkenen Mann alleingelassen, der die Finger nicht von mir lassen konnte. Sobald ich achtzehn war, bin ich ausgezogen, aber leider konnte ich mir nur eine Wohnung in einem heruntergekommenen Gebäude im schlimmsten Teil von Detroit leisten. Ich bin hier aufgewachsen, also bin ich daran gewöhnt, aber in letzter Zeit habe ich ständig Probleme mit meinem Nachbarn Xavier.

Eigentlich ist Xaviers Vater mein Nachbar und gleichzeitig mein Vermieter, aber ich bekomme ihn nur selten zu Gesicht. Xavier hingegen treibt sich ständig hier herum. Er hat gerade sein drittes Jahr an der Wayne State University begonnen und wohnt in einem Studentenwohnheim, aber er war den ganzen Sommer zu Hause. Und obwohl die Kurse wieder angefangen haben, scheint er nicht zurückgehen zu wollen. Er hat mehr Interesse an mir als an seinem Studium.

Ich tue so, als würde ich ihn nicht sehen, und laufe zügig weiter. Wenn ich es bis in meine Wohnung schaffe, bin ich sicher.

»Hey, Nora!«

Von seiner Stimme bekomme ich eine Gänsehaut, obwohl sie ganz unschuldig und fröhlich klingt. Jedes Mal, wenn er mich berührt, werde ich in seine Gedankenwelt gezogen. Ich höre, was er denkt, fühle seine Absichten mir gegenüber. Seine abscheulichen Gedanken machen mir Angst.

Ich gehe schneller und bleibe erst stehen, als er meinen Arm packt. »Was denkst du, wo du hingehst?«

Sofort durchfluten mich seine Gefühle und Absichten. Die Bilder, die in meinem Kopf aufblitzen, lassen mich erschauern. Er ist abstoßend. Die Dinge, die er mit mir vorhat, sind erniedrigend, schmerzhaft und krank. Er bevorzugt es, wenn sich seine Frauen wie Opfer fühlen. Ihre Angst erregt ihn.

Mir entfährt ein kurzes Keuchen. »Xavier!« In gespielter Überraschung lege ich mir die Hand auf die Brust. »Hey. Was machst du denn hier?«

Mein Herz rast, und ich schaue die Straße entlang. Ich bin nicht nah genug. Selbst wenn ich jetzt losrenne, schaffe ich es nicht bis zu meiner Wohnung. Er würde mich einholen.

Xavier kneift die Augen zusammen, und seine Mundwinkel zucken, als würde er sich ein Grinsen verkneifen. Er hat mich überrumpelt. Er weiß, dass ich innerlich panisch werde, und er genießt es. »Ich habe auf dich gewartet. Dad sagt, du hast heute Geburtstag. Ich wollte zur Feier des Tages mit dir ausgehen.«

Ich fühle sein Vergnügen, als er die Worte sagt. Ich spüre seine Erregung. Auf diesen Moment hat er gewartet, seit er mich zum ersten Mal gesehen hat. Er denkt, ich bin noch Jungfrau, weil ich keinen Freund habe und nicht mal mit Männern rede, wenn es nicht unbedingt sein muss. Damit liegt er gleichzeitig richtig und falsch. Genau genommen bin ich keine Jungfrau mehr. Aber gleichzeitig habe ich noch nie mit jemandem Liebe gemacht. Was mein Pflegevater immer mit mir gemacht hat, zählt nicht.

Jedenfalls weiß Xavier, dass ich nicht viel Erfahrung habe, und er kann es kaum erwarten, der Erste zu sein, der mich auf diese Art befriedigt – nicht, dass er das tatsächlich könnte.

Er schenkt mir ein Lächeln, das jeder andere auf dieser Welt charmant finden würde. Er sieht gut aus, ist groß, hat ein hinreißendes Lächeln, karamellfarbene Augen und eine athletische Statur von all dem Sport, den er betreibt. Trotz seines guten Aussehens finde ich ihn abstoßend. Das weiß er, und es macht ihn verrückt.

»Tut mir leid, Xavier. Ich fühle mich gerade nicht so gut. Vielleicht ein anderes Mal.«

Seine Kiefermuskulatur spannt sich so stark an, dass ich eigentlich sein Zähneknirschen hören müsste. Er weiß, was ich tue. Ich weiche ihm seit Wochen erfolgreich aus. Genau deshalb hat er wahrscheinlich heute auch an der Bushaltestelle gewartet, statt näher an unserem Wohngebäude. Sobald ich sicher in meiner Wohnung bin, kommt er nicht mehr an mich heran, und er weiß genau, dass ich niemals freiwillig mit ihm gehen würde.

Die Leute hinterlassen psychische Abdrücke auf den Dingen, die sie berühren. Dank meiner Gabe kann ich diese Abdrücke wahrnehmen. Je stärker die Emotion einer Person in dem Moment ist, in dem sie ein Objekt anfasst, desto länger bleibt der Abdruck zurück, und desto lebhafter ist die Vision, die ich empfange.

Vor ein paar Wochen hat Xavier damit angefangen, meinen Schlüssel aus der Sammlung seines Vaters zu stehlen und in meine Wohnung einzubrechen. Er hat genug Abdrücke hinterlassen, um mir für den Rest meines Lebens Albträume zu bescheren. Ich habe die Kameras gefunden, die er in meinem Deckenventilator, auf meinem Bücherregal und im Lüftungsschlitz meiner Dusche versteckt hat. Letzte Woche wollte ich mir etwas aus einer Zwei-Liter-Flasche Limonade im Kühlschrank eingießen und sah plötzlich, wie er K.o.-Tropfen hineingegeben hat.

Ich habe sein Stirnrunzeln gesehen, als ich später am Abend meine Wohnung verlassen habe, um die leere Flasche wegzuwerfen, und kein bisschen benebelt war. Er weiß nicht, wie ich seinen Fallen ausweiche, aber ist davon überzeugt, dass ich es bewusst tue, und das macht ihn wütend. Genau wie die Tatsache, dass ich noch nicht auf seinen Charme hereingefallen bin. Heute scheint er mit seiner Geduld am Ende zu sein. »Aber es ist doch dein Geburtstag«, beharrt er.

Ich zucke mit den Schultern. »Ich feiere meinen Geburtstag eigentlich nicht.«

Sein Lächeln kehrt zurück, breiter als zuvor. Das triumphierende Funkeln in seinen Augen verursacht mir Übelkeit. »Ein Grund mehr, den hier heute zu etwas Besonderem zu machen. Du bist zweiundzwanzig geworden, oder? Warum nicht jetzt mit dem Feiern anfangen?«

»Sorry, aber ich hatte einen langen und anstrengenden Tag bei der Arbeit. Ich muss leider passen. Trotzdem danke.«

Ich versuche mich an ihm vorbeizumanövrieren, doch er packt mich an der Taille und schiebt mich auf seinen wartenden Freund zu. »Nicht so schnell.«

Mein Herz beginnt zu rasen. Ich stemme die Füße in den Boden. Als ich versuche, mich von ihm zu lösen, wird sein Griff schmerzhaft fest. »Du gibst mir nicht noch einen Korb«, blafft er. Die Aggressivität in seiner Stimme lässt mich zusammenzucken, und sofort zügelt er sich etwas. »Es führt kein Weg dran vorbei, Nora. Heute Abend gehörst du ganz mir.«

Ich brauche meine Gabe nicht, um die Zweideutigkeit seiner Worte zu erkennen. Als ich ihm einen bösen Blick zuwerfe, werden seine Wangen vor Wut ganz rot, und plötzlich spüre ich ein Messer an meiner Seite. »Mach jetzt keine Szene. Du würdest es bereuen.«

Dank des Messers habe ich keine andere Wahl, als mit ihm zu gehen. Ich weiß, dass er nicht zögern wird, es einzusetzen. Seine Gedanken beweisen es.

Auf dem Weg zu seinem Freund hält Xavier das Messer so, dass dieser es nicht sieht, und grinst ihn an. Der Typ nickt und setzt sich hinters Steuer, während Xavier mich auf die Rückbank zwingt. »Hey, Parker, dir macht es doch nichts aus, den Chauffeur zu spielen, oder? Mein Mädchen will, dass ich hier hinten bei ihr sitze.«

Nachdem er sein Messer wieder eingesteckt hat, rutscht Xavier neben mich. Er sieht zu dem Typen am Steuer. »Parker, das ist Nora.« Dann deutet er auf Parker. »Nora, das ist mein neuer Freund Parker.«

Parker ist ein bisschen älter als Xavier, vielleicht Ende zwanzig, und er sieht aus wie ein GQ-Model. Seine Kleidung ist sichtlich teuer. Er hat dunkle Haare, eine stylische Frisur und strahlend blaue Augen. Er ist umwerfend. Zu schade, dass er mit Xavier herumhängt.

Parker nickt mir zu und startet dann den Motor. »Nett, dich kennenzulernen. Du bist sogar noch hübscher, als Xavier gesagt hat.«

Es sind eher die guten Manieren als das Kompliment, die mich aus dem Konzept bringen, aber mir bleibt keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn Xaviers Finger wandern meinen Oberschenkel hinauf, und er sagt: »Und heute Abend gehört sie nur mir.«

Ich schiebe seine Hand weg. »Das kannst du vergessen.«

Parker wirft mir über den Rückspiegel einen Blick zu, während Xavier nur lacht, mir den Arm um die Schultern legt und mich an sich zieht. »Nora spielt gern schwer zu kriegen«, sagt er zu Parker. »Aber ich hab so das Gefühl, ich könnte heute Glück haben.«

Er zieht mich noch enger an sich. Ich versuche mich loszumachen, doch sein Griff ist zu fest. Er streicht mit seinen Lippen meinen Hals entlang und murmelt: »Du weißt, dass du es willst, Baby. Bevor der Abend vorbei ist, wirst du darum betteln.«

Er lacht, als ob er gerade den lustigsten Witz der Welt erzählt hätte.

»Nimm deine dreckigen Hände von mir!«

Erneut versuche ich mich zu befreien, und dieses Mal lässt er mich glücklicherweise los. »Schon gut, schon gut, entspann dich«, seufzt er und verdreht in Richtung Parker die Augen. »Offenbar müssen wir uns noch ein bisschen locker machen, bevor es weitergeht. Was denkst du, sollen wir noch in den Club Noir?«

Parker runzelt die Stirn. »Das ist wohl ein bisschen zu krass für sie. Wäre das Vortex nicht besser?«

»Zu viele reiche Deppen.« Xavier grinst. »Nichts für ungut.«

Parker ignoriert den Seitenhieb. Offenbar ist er wirklich reich, nicht, dass der Wagen und die Kleidung das nicht schon verraten hätten. »Was ist mit dem Motown?«, fragt er.

Xavier denkt darüber nach und nickt. »Ja, das könnte funktionieren.«

In meinem Kopf überschlagen sich die Ideen. Wenn er vorhat, mich in einen Club mitzunehmen, bevor er mich in seine Studentenbude oder irgendein billiges Hotel verschleppt, könnte mir das die Gelegenheit verschaffen, zu entkommen. Besonders, wenn ich es hinkriege, dass er sich betrinkt. Aber erst muss ich warten, bis er ein wenig unvorsichtiger wird, was bedeutet, dass ich erst mal mitspielen muss. Hoffentlich gelingt mir das, ohne dass ich mich übergeben muss. »Gehen wir wirklich tanzen?« Ich sehe ihn hoffnungsvoll an. »Ich war noch nie in einem Club.«

Xavier grinst mich an. »Das ist dein Abend, Geburtstagskind. Tanzt du gern?«

»Ich liebe es.«

Mein Wimpernaufschlag ist vielleicht ein bisschen viel, aber er fällt darauf rein und legt wieder einen Arm um mich. Dann wirft er mir einen Schlafzimmerblick zu und sagt mit tiefer, heiserer Stimme: »Du hast mir nie gesagt, dass du gern tanzt.«

Die lüsternen Gedanken, die ich von ihm empfange, drehen mir den Magen um. Ich unterdrücke meine Übelkeit, zwinge mich zu einem Lächeln und zucke mit den Schultern. »Du hast nie gefragt. Ich kann es nur nicht besonders gut.«

»Das bezweifle ich.« Xavier erschauert und beehrt mich mit einer Vision, wie wir uns auf einer belebten Tanzfläche aneinander reiben. »Dann also ins Motown«, keucht er. »Und gib Gas.«

»Eigentlich ...« Mir kommt eine Idee, die ich nicht ignorieren kann. Ich warte, bis ich seine volle Aufmerksamkeit habe, bevor ich meinen Satz beende. »Wenn du mir meinen ersten Clubbesuch schenkst, würde ich gern ins Underworld.«

Xavier klappt überrascht den Mund auf, und Parker wirft mir einen scharfen Blick über den Rückspiegel zu.

»Das Underworld?«, johlt Xavier amüsiert. »Mädchen, du hast mehr Mumm, als ich dir zugetraut hätte.« Er grinst mich erneut an, doch diesmal ist es herablassend. »Baby, du bist viel zu gut für einen Laden wie das Underworld. Verdammt, selbst ich bin zu gut dafür.«

»So schlimm ist es nicht«, beharre ich. »Ein Stammkunde der Werkstatt, in der ich arbeite, geht da dauernd hin. Er sagt, es ist krass dort.«

»Nora, das Underworld ist gefährlich. Da passieren verrückte Sachen. Unerklärliche Sachen. Es heißt, es sei verflucht.«

»Das sind doch nur Gerüchte.« Ich verdrehe die Augen und spiele ihm eine Selbstsicherheit vor, die ich nicht spüre. Ich habe keinen Zweifel daran, dass der Club verflucht ist, wenn man bedenkt, welche Wesen ihn führen und dort feiern. Keiner der beiden Jungs in diesem Auto weiß, dass sich wahrhaftige Monster an diesem albtraumhaften Ort herumtreiben. Sie glauben, Menschen seien die einzig intelligenten Wesen auf dieser Welt. Sie glauben, dass wir die größte Gefahr da draußen sind. Sie irren sich. Das habe ich gelernt, als ich erst sechs war. Heute weiß ich – dank der Foren und Leuten wie SorcererX – besser Bescheid.

X hat mir gesagt, dass das Underworld das Zentrum der übernatürlichen Gemeinschaft in Detroit ist. Menschen, die dumm genug sind, dorthin zu gehen, enden meist als Beute eines Monsters. Mit meiner Gabe habe ich wenigstens eine Chance, unbeschadet davonzukommen, Xavier jedoch nicht. Zumindest hoffe ich das. Es mag ein grausames Schicksal sein, aber nicht schlimmer als seine Pläne für mich. »Hast du etwa Angst, Xavier?«, necke ich ihn in der Hoffnung, ihn so zu ködern. Zum ersten Mal ergreift Parker das Wort. »Du etwa nicht?«

Er durchbohrt mich mit einem intensiven Blick, den ich nicht deuten kann. Das gefällt mir nicht. Ich habe sein Misstrauen geweckt, und es ist niemals gut, wenn jemand auf mich aufmerksam wird. Es gibt einfach zu viel, was ich nicht verbergen oder erklären kann. Ich versuche gleichgültig auszusehen, während ich mit den Schultern zucke. »Eigentlich nicht.« Dann werfe ich einen flüchtigen Blick auf Xavier und murmle leise: »Das Underworld ist auch nicht gefährlicher als meine derzeitige Gesellschaft.«

Im Rückspiegel kneift Parker die Augen zusammen und blickt kurz von mir zu Xavier, als ob er mich genau verstanden hätte. Schließlich schaut er wieder auf die Straße.

Xavier schüttelt den Kopf. »Also gut, meinetwegen, aber ich muss einen Freund anrufen, damit er uns hilft, reinzukommen.«

Ich runzle die Stirn. Xavier kennt jemanden, der uns ins Underworld bringen kann? Es klingt, als wäre er schon mal dort gewesen. Menschen kommen allein nicht so einfach ins Underworld – ich habe schon überlegt, wie ich uns mit meinen Gaben reinbringen kann, ohne dass die beiden etwas bemerken. Es gefällt mir nicht, dass Xavier mit Monstern abhängt, die ihm Zugang zum Underworld verschaffen können, ob er nun weiß, was sie sind, oder nicht.

Xavier deutet mein Stirnrunzeln als Ausdruck von Verwirrung. »Die sind ziemlich wählerisch beim Einlass«, erklärt er. »Ohne einen Stammgast als Begleitung sind wir nicht annähernd gepierct, tätowiert und vernarbt genug, um reingelassen zu werden. Ganz zu schweigen davon, dass du nicht billig genug angezogen bist.«

»Ich kann uns reinbringen.« Parkers leise Stimme klingt zuversichtlich.

»Echt jetzt?«, fragt Xavier. »Ich wusste, dass ich dich mag. Bist du dort Stammgast? Oder vielleicht sogar ein VIP?«

Parker ignoriert Xavier und sieht zu mir. »Aber nur, wenn du dir absolut sicher bist, dass du dorthin willst. Xavier hat nicht ganz unrecht, was den Ruf dieses Clubs angeht. Es ist dort gefährlich.«

Ich bin neugierig, wie viel Parker weiß. Er scheint eigene Erfahrungen mit dem Laden gemacht zu haben – was an sich schon beängstigend ist –, aber da es das ist, was ich will, frage ich nicht nach. Die Vorstellung, dorthin zu gehen, macht mir eine Riesenangst. Niemand weiß besser als ich, wie gefährlich dieser Schuppen ist. Ich will nichts mit den Kreaturen dort zu tun haben, aber der Feind meines Feindes ist mein Verbündeter, also erwidere ich Parkers Blick mit purer Entschlossenheit. »Ja, ich bin mir sicher. Ich will dahin.«

Er hält den Blickkontakt einen Moment länger aufrecht und nickt dann. »Du bist das Geburtstagskind.«

Kapitel 2

Das Underworld ist genau die Art Club, die man dem Namen nach erwarten würde. Tief in den Eingeweiden von Detroit fühlt es sich an wie ein Tor zu einer anderen Welt. Es ist dunkel, gefährlich und magisch. Auch wenn die meisten Menschen nicht erkennen, was es wirklich ist, spüren sie seine Macht und scheuen instinktiv davor zurück. Die Glücklichen jedenfalls. Das Äußere des Clubs passt zu den verwaisten Lagerhäusern, die ihn umgeben. Man würde nie vermuten, dass er sich hier befindet, wären da nicht der pulsierende Bass und die Ansammlung von Punks und Goths, die vor dem Gebäude stehen und warten, dass sie hineingelassen werden.

Sobald wir ankommen, wollen Xavier und ich uns ans Ende der Schlange stellen, doch Parker schüttelt den Kopf und marschiert geradewegs auf den Türsteher zu. Die Blicke, die uns die Wartenden im Vorbeigehen zuwerfen, verursachen mir eine Gänsehaut. Ohne sie zu berühren, weiß ich nicht, was für Wesen sie sind, aber bei ein paar habe ich Vermutungen. Einige sind neugierig, andere verärgert, und ein paar lächeln uns freundlich an. Das sind diejenigen, die mir am meisten Angst machen. Es sind die Freundlichen, vor denen man sich in Acht nehmen muss.

Der Türsteher ist über zwei Meter groß und mindestens halb so breit. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, er ist ein Troll, aber ich werde auf keinen Fall nah genug herangehen, um es herauszufinden. Sein kahler Schädel reflektiert das Mondlicht. Er hat Piercings in den Ohren, der Nase und den Augenbrauen, und er spielt mit einem Stecker in seiner Zunge, als wir uns ihm nähern. »Parker«, grüßt er mit tiefer, dröhnender Stimme, während er einen Arm von der Dicke eines Baumstamms ausstreckt. »So schnell wieder hier? Ich dachte, du wärst beschäftigt mit ...«

»Oh, das bin ich auch«, fällt Parker dem Mann ins Wort und schüttelt ihm die Hand. Sein Blick geht kurz zu Xavier und mir, bevor er den Türsteher wieder anlächelt. »Du kennst mich doch. Ich hab immer irgendwas zu tun.«

Der Türsteher mustert Xavier und mich, dann nickt er langsam. »Alles klar.« Er sieht wieder zu Parker. »Tja, arbeite aber nicht die ganze Nacht. Lass auch ein bisschen Dampf ab, wenn du schon hier bist.«

»Mach ich.«

Mir gefällt das nicht. Irgendwas geht hier vor sich. Parker ist hier offensichtlich Stammgast, und sein Interesse an Xavier und mir ist zu groß. Das kann nur eins bedeuten: Parker ist kein Mensch. Und was immer er ist, es ist so mächtig, dass er sogar ein VIP im Underworld ist. Vielleicht lag ich die ganze Zeit falsch. Vielleicht war es gar nicht Xavier, vor dem mich meine Vorahnung gewarnt hat. Vielleicht ist Parker die eigentliche Gefahr.

Parker und der Türsteher unterhalten sich leise miteinander. Die Worte »Menschen«, »Verdächtige« und »ihre Idee« reißen mich aus meinen Gedanken. Als ich aufblicke, bemerke ich, dass Parker und der Türsteher mich neugierig, vielleicht sogar misstrauisch ansehen. Ich weiß nicht, warum ich verdächtigt werde, aber so langsam habe ich diese ganze Situation gründlich satt. In was hat mich Xavier verwickelt, und habe ich es schlimmer gemacht, indem ich hergekommen bin? Das wäre mal wieder typisch.

Ich bin nicht so dumm, zuzugeben, dass ich von ihrer Welt weiß, oder Angst zu zeigen. Ich richte mich auf und erwidere Parkers Blick nicht nur selbstbewusst, sondern regelrecht trotzig. Unterweltler respektieren Arroganz. »Gibt es ein Problem, Parker? Ich dachte, du kannst uns reinbringen?«

Die gepiercten Augenbrauen des Türstehers klettern seine breite glänzende Stirn hoch, und sein Mund verzieht sich zu einem schiefen Lächeln. »Ich will keinen Ärger in meinem Club, kleine Lady. Du hast doch nicht vor, Ärger zu machen, oder?«

Ich erwidere sein Lächeln. »Definiere Ärger.«

Das Lächeln des Türstehers wird zu einem breiten Grinsen, und er verschränkt seine übertrieben muskulösen Arme vor der Brust. »Kratzbürstige kleine Brünette mit schwachem Selbsterhaltungstrieb.«

Ich grinse. Ich kann nicht anders. »Dann haben wir kein Problem«, versichere ich ihm. »Denn mein Selbsterhaltungstrieb ist ziemlich ausgeprägt.«

Der Türsteher schüttelt schmunzelnd den Kopf und deutet auf Xavier. »Und er?«

Ich zucke mit den Schultern. »Ein harmloser Verbindungsproll, der Spaß haben will und nicht genug Hirn hat, um zu wissen, dass er so was wie einen Selbsterhaltungstrieb braucht«, raune ich ihm dann zu.

Der Türsteher wirft den Kopf in den Nacken und lacht auf. Das Lachen ist so laut, dass die Wände des Clubs beben. Auf jeden Fall ein Troll. »Da hast du dir ja was angelacht, Parker. Behalte sie einfach im Auge. Die bedeutet aber so was von Ärger.«

Als er das Seil zurückzieht, um mich durchzulassen, zwinkere ich ihm zu und gehe hindurch. Xavier folgt mir. Ich bekomme gerade noch mit, wie Xavier dem Türsteher einen bösen Blick zuwirft. »Sie gehört nicht zu Parker, sondern zu mir.«

Der Troll könnte Xavier mit seinem kleinen Finger in zwei Hälften teilen, aber er sieht auch, dass Xavier seine Zeit und Mühe nicht wert ist. Er sieht mich fragend an. Als ich die Augen verdrehe, lacht er erneut.

Parker geht als Letzter am Türsteher vorbei. Der Troll legt ihm eine seiner großen, fleischigen Hände auf die Schulter. Ich muss mich anstrengen, um ihrer Unterhaltung zu folgen, meine aber zu verstehen, dass der Troll sagt: »Bist du dir sicher, was sie angeht? Ich mag sie.«

Parkers Antwort ist zu leise, um sie zu verstehen, doch er klopft dem Türsteher dabei lächelnd auf den Arm. Ich bin nicht sicher, ob es mich beruhigt oder besorgt, Parkers Aufmerksamkeit zu haben. Ich muss herausfinden, was er ist, um mir überlegen zu können, wie ich ihn loswerde. Doch als ich stehen bleiben will, um auf ihn zu warten, legt mir Xavier den Arm um die Taille und zieht mich in den Club. Auf dem Weg durch die Tür spüre ich das leichte Kribbeln von Magie, als hätten wir einen Tarn- oder Schutzzauber durchschritten. Wie die meisten Menschen bemerkt Xavier natürlich nichts. Ich denke, ich spüre die Magie wegen meiner Gabe, aber es könnte auch einfach daran liegen, dass ich von ihrer Existenz weiß und daher auf sie eingestellt bin.

Abgesehen davon, wie sie sich anfühlt, weiß ich nicht viel über Magie. Im Internet gibt es einen Haufen Informationen darüber, aber ich weiß nie, welchen davon zu trauen ist, und, mit der Ausnahme von SorcererX, freunde ich mich auch nicht mit Leuten an, die mir mehr verraten könnten. X könnte ein richtiger Zauberer sein, aber er bleibt immer sehr vage, wenn ich ihn nach Magie frage. Zauberer geben ihre Geheimnisse nicht gern preis.

Innen sieht der Club sehr edel aus. Es gibt mehrere Räume, in denen unterschiedliche Musikrichtungen gespielt werden. Ich vermute, dass sie auf die verschiedenen Arten von Unterweltlern und deren spezielle Geschmäcker ausgerichtet sind. Ich bin neugierig, aber nicht neugierig genug, um länger als nötig zu verweilen, daher wehre ich mich nicht, als Xavier mich in den größten Tanzsaal zieht.

Die Wände sind schwarz und die Möbel am Rand der Tanzfläche aus blutrotem Plüsch. Es gibt eine Bühne für den DJ und zu jeder Seite Käfige für Tänzerinnen und Tänzer. Zumindest hoffe ich, dass sie dafür sind. Die Theke verläuft an der gesamten hinteren Wand entlang, und da es noch früh ist, hat sich dort ein Großteil der Gäste versammelt. Die Tanzfläche ist noch ziemlich leer. Schnell finde ich, wonach ich gesucht habe. Eine Frau sitzt an der Bar und beobachtet die Leute auf der Tanzfläche, wie eine Löwin eine Herde Gazellen beobachten würde. Ihr hautenges Kleid betont ihre weiblichen Kurven. Sie hat makellose Haut, lange glatte Haare, die so dunkel sind wie die Nacht, und ebenso dunkle Augen. Sie ist wunderschön – zu schön, um ein Mensch zu sein –, und sie ist auf der Jagd.

Xavier entdeckt die Frau ebenfalls und schluckt nervös. Das wird leicht. Ich habe keine Gewissensbisse wegen dem, was ich vorhabe. Selbst wenn diese Kreatur ein Interesse an ihm zeigt, wird er es wahrscheinlich überleben. Die Monster hier sind nicht dumm. Es gibt zwar Gerüchte, aber sollten zu viele Menschen verschwinden, würde das zu viel Aufmerksamkeit auf den Club ziehen. Die wichtigste Regel der Unterwelt lautet: Lass die Menschen nicht wissen, dass du existierst. Unterweltler sind höchst vorsichtig und diskret.

Xavier kommt blinzelnd aus seiner Erstarrung und grinst mich an. Seine Finger graben sich in meine Hüfte. »Das hätte ich gar nicht von dir erwartet, Nora. Du steckst voller Überraschungen.«

Seine Fantasien haben sich seit meiner Plauderei mit dem Türsteher verändert. Sie gehen jetzt viel mehr in die Domina-Richtung. Er ist abstoßend, aber jetzt, wo ich mich in echter Gefahr befinde, wirkt meine Angst vor ihm fast lächerlich. Ich befreie mich aus seinem Griff und grinse neckisch. »Natürlich tue ich das. Du weißt ja auch nichts über mich.«

Seine Augen blitzen erfreut auf – es gefällt ihm, dass ich mitspiele. »Tanz mit mir.«

Mit ihm zu tanzen ist das Letzte, was ich tun werde. Ich schüttle den Kopf und deute auf den leeren Platz an der Bar neben der verführerischen Unterweltlerin. »Zuerst Drinks.«

Xavier grinst, doch als er nach meiner Hand greift und mich zur Bar ziehen will, stellt sich ihm Parker stirnrunzelnd in den Weg. »Du kommst mir gar nicht so vor, als würdest du viel Alkohol trinken.«

Er hat recht. Ich trinke nie Alkohol. Erst recht nicht an einem Ort, wo man mir Feentränke verabreichen könnte. Auch hier kenne ich keine Einzelheiten, aber es wird viel über die Wirkung von Feentränken auf Menschen gemunkelt, und nichts davon ist gut. Das reicht mir, um diesem Zeug für immer abzuschwören.

Ich halte meinen Gesichtsausdruck teilnahmslos, doch es beeindruckt mich, dass es Parker so leichtfällt, mich zu durchschauen. Ich bin neugierig, warum er mich davon abzuhalten versucht, etwas zu trinken. Wenn er die Gefahr ist, vor der ich mich hüten soll, würde er mich doch bestimmt lieber betrunken sehen. Dennoch muss ich zur Bar. »Ich hab doch schon gesagt, dass ich nicht besonders gut tanze. Ich brauche Alkohol.«

Er will widersprechen, aber der argwöhnische Blick, den ich ihm zuwerfe, hält ihn davon ab. Vielleicht ahnt er, dass ich etwas vorhabe, doch auch er führt etwas im Schilde, und er will nicht, dass ich seinem Geheimnis auf die Schliche komme. Er tritt beiseite und macht eine ausladende Handbewegung, als wolle er Nur zu sagen. Sein Gesichtsausdruck sieht aber eher nach Ist ja deine Beerdigung aus.

Ich gehe schnurstracks auf die Frau zu, die mir vorhin aufgefallen ist. Sie sitzt immer noch an der Bar und beobachtet ein Pärchen auf der Tanzfläche, das sich praktisch gegenseitig verschlingt.

Als ich die Bar erreiche, setze ich meinen Fuß schief auf und stolpere gegen die Frau. Um nicht zu hinzufallen, halte ich mich an ihrem Arm fest. Sie dreht sich mit einem bösen Blick zu mir um, aber ich habe mein Ziel bereits erreicht. Ihre Gedanken erfüllen mich. Sie ist wütend. Sie hat Energie von dem lüsternen Paar abgezapft, und ich habe sie beim Fressen gestört. »Es tut mir so leid«, sage ich und lasse meine Hand auf ihrem Arm liegen, um weiter ihre Gedanken lesen zu können.

Jetzt weiß ich, was sie ist, und sie ist noch besser geeignet, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte, sie wäre vielleicht eine Fee, aber in Wirklichkeit handelt es sich bei ihr um einen Succubus, eine dämonische Kreatur, die sich von Lust ernährt. Sie lockt ihre Opfer ins Bett und saugt ihnen während der Momente höchster Leidenschaft die Lebenskraft aus.

»Wie ungeschickt von mir«, plappere ich drauflos. »Ich bin nur so furchtbar nervös, hier zu sein – das hier ist eigentlich so gar nicht meine Szene, aber ich konnte meinen Freund nicht hängenlassen. Er hat darauf bestanden, dass wir heute feiern gehen.« Ich senke die Stimme und kichere. »Er kann ganz schön wild sein.«

Sie hält mich für eine geistlose menschliche Tussi, doch mit der Erwähnung meines Freunds habe ich ihr Interesse geweckt. Ein Mensch, auf den noch kein anderer Unterweltler Anspruch erhoben hat. Das ist selten in diesem Club, diese Gelegenheit kann sie sich nicht entgehen lassen. Außerdem denkt sie, dass es mir recht geschehen würde, weil ich so nervig bin.

Die Frau mustert Xavier, und ein kurzes Lächeln blitzt in ihrem Gesicht auf. »Ach ja?« Ihre Hand fällt sanft auf Xaviers Unterarm, und ihre Stimme wird zu einem Schnurren. »Ich selbst kann auch ziemlich wild sein.« Ihre Finger wandern von Xaviers Arm an seine Brust, dann über seinen Bauch. Xavier erzittert unter ihrer Berührung. Als Reaktion vergrößern sich die Pupillen der Frau. »Ich habe hier im Club eine Privatlounge. Willst du dich nicht mit mir dorthin zurückziehen?«

»Ich ...« Xavier blinzelt und schüttelt den Kopf. Verwirrt sieht er zu mir. »Ich bin wegen Nora hier. Ich ... sie ...«

Mit einem Finger unter seinem Kinn lenkt die Frau seinen Blick wieder zu sich. Dann lehnt sie sich nah an ihn heran. »Nora kann uns doch begleiten«, schnurrt sie.

Xavier ist jetzt völlig ihrer Anziehungskraft verfallen. Er nickt, unfähig, den Blick von ihr zu nehmen. Sie grinst triumphierend. Als sie sich von ihrem Barhocker erhebt und Xaviers Hand ergreift, lächelt sie mich an. »Sollen wir, entzückende Nora?«

Ich setze ein breites Lächeln auf und trete zurück, um mich aus ihrer Reichweite zu entfernen. »Oh, geht ihr nur. Das ist nicht so ganz mein Ding. Ich würde euch nur den Spaß verderben.«

Der Succubus legt fragend den Kopf schief. So wie sie mich ansieht, befürchte ich, dass sie meinen Plan durchschaut. Nach einem Moment schüttelt sie ihr Misstrauen ab. »Wie du meinst.« Ihr Blick geht zu Parker. »Und was ist mit dir? Lust, dich uns anzuschließen? Du weißt ja, du bist immer willkommen.«

Es überrascht mich nicht, dass der Succubus Parker kennt, und ich warte nicht ab, um seine Antwort zu hören. Sobald sich seine Aufmerksamkeit von mir auf die Frau verlagert, verdrücke ich mich so unauffällig und schnell wie möglich. Ich eile an der Bar entlang in Richtung Eingang. Mein neuer Freund, der Troll-Türsteher, sieht mich, bevor ich komplett entkommen kann. »Gehst du schon wieder, Kleine?«

Ich grinse und zucke mit den Schultern. »Nichts für ungut, aber da drinnen ist es mir ein bisschen zu zahm.«

Er grinst ebenfalls, und mein Lächeln wird echt. Wenn er keine uralte magische Kreatur wäre, die gelegentlich Menschen frisst, wäre er mir regelrecht sympathisch.

»Hast du nicht deine Begleiter vergessen?«, fragt er.

Ich tue so, als ob ich mich überrascht umsehen würde. »Na, so was aber auch.« Als er die Stirn runzelt, zwinkere ich ihm zu. »Ich hab dir doch gesagt, dass mein Selbsterhaltungstrieb ziemlich ausgeprägt ist.«

In seine Augen tritt Begreifen, und plötzlich wirkt er fast ein wenig stolz. »Dann geh mal schnell nach Hause, Kleine. Und sei vorsichtig. Diese Straßen sind nachts nicht sicher.«

Ich lächle ihm noch einmal zu, dann eile ich davon. Das ungute Gefühl ist etwas schwächer geworden, auch wenn ich noch nicht außer Gefahr bin. Ich bin immer noch eine Frau, die allein nach Einbruch der Dunkelheit in Detroit unterwegs ist. Wenn ich es nur bis zur nächsten Bushaltestelle schaffe, ohne einer Gang oder einem weiteren Unterweltler über den Weg zu laufen, sollte alles okay sein.

Plötzlich ertönt hinter mir eine leise Stimme. »Wo willst du hin, Nora?«

Ich erstarre. Mir war klar, dass Parker nicht auf den Succubus reinfallen würde, aber ich hatte gehofft, dass ich bereits fort wäre, wenn er mich zu suchen beginnt. Doch er ist mir auf die Schliche gekommen. Er weiß, dass ich die Sache absichtlich eingefädelt habe. Aber wie viel genau hat er sich zusammengereimt? Was vermutet er über mich?

Ich atme tief durch und werfe einen Blick über die Schulter. »Nach Hause. Die Clubszene ist nicht so richtig mein Ding.«

Er kneift die Augen zusammen. »Und willst du mir erklären, was die ganze Sache dann sollte?«

»Eigentlich nicht. Hab einen schönen Abend, Parker. Es war nett, dich kennenzulernen, aber vielleicht solltest du besser wieder reingehen, bevor Xavier in Schwierigkeiten gerät.«

Ich gehe weiter. Parker wird mich nicht in Ruhe lassen, aber vielleicht schaffe ich es zumindest bis zur nächsten Haltestelle. Wenn ich ihn hinhalten kann, bis ein Bus kommt, bin ich in Sicherheit. Vor Zeugen kann er nicht viel tun.

»Nora.« Er packt meine Hand und dreht mich zu sich herum.

Ich könnte mich aus seinem Griff befreien – er hält mich nicht sehr fest –, aber ich bleibe stehen und lasse seine Gedanken und Absichten auf mich einprasseln. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe.

Er starrt mich einen langen Moment an und scheint nicht zu wissen, was er sagen soll. Er ist verwirrt. Seine Gedanken kreisen um eine wunderschöne Frau nahöstlicher Herkunft. Sie wird vermisst, und aus irgendeinem Grund vermutet er, dass ich etwas damit zu tun haben könnte.

»Nora, was du da vorhin mit deinem Freund gemacht hast ...«

»Xavier ist nicht mein Freund«, blaffe ich. Wut und Erschöpfung breiten sich in mir aus. Meine Vorahnung hat sich endlich gelegt, und mein Kreislauf sackt ab, als der Adrenalinrausch nachlässt. »Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber er hat mich vorhin regelrecht entführt. Ich habe ihn lediglich an einen Ort gelockt, von dem ich wusste, dass er dort jemand Aufregenderes finden würde, der eher für seine kranken Spiele zu haben ist. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich hatte einen langen Tag und will einfach nur nach Hause und ins Bett. Allein.«

Parker lässt meine Hand nicht los. Er will mich noch nicht gehen lassen. Er ist frustriert. Er versteht nicht, woher ich von seiner Welt weiß – ob ich überhaupt davon weiß. Er vermutet es, ist sich aber nicht sicher. Er will Antworten bekommen, überlegt aber noch, wie er das anstellen soll.