111 Gründe, den FC Barcelona zu lieben - Arne Cordes - E-Book

111 Gründe, den FC Barcelona zu lieben E-Book

Arne Cordes

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Beschreibung

Cruyff, Maradona, Schuster, Laudrup, Ronaldinho und Messi - was für Namen, die man mit dem FC Barcelona verbindet! Eigentlich sollten sie schon Gründe genug dafür abwerfen, um den FC Barcelona zu lieben, diesen zweifellos großartigsten Fußballverein der Welt. Sechs Titel in einem Jahr - das hat noch kein Verein im gesamten Universum vorher geschafft. Außerdem unangefochtener Rekordhalter im Rekordhalten - das sollte eigentlich noch den letzten Skeptiker überzeugen. Hinzu kommt eine Millionenstadt, die regelmäßig von den elf Männern in kurzen Hosen in eine Mischung aus kollektivem Stillstand und gleichzeitigem Wahnsinn versetzt wird. Fußball ist bekanntlich eine Herzensangelegenheit, da hat sich der Verstand hinten anzustellen. Der Treueschwur bis zur Ewigkeit und der feste Glaube an den nächsten Pokalsieg oder einfach nur an das gewonnene Derby sprechen für diese Behauptung. 111 Gründe stellen nur eine kleine Auswahl dar, und sie erbringen doch den Beweis, dass der FC Barcelona einfach 'mehr als ein Club' ist. Der FC Barcelona ist eine Religion, mit dem Papst als Fan. EINIGE GRÜNDEWeil die Jugendakademie Heulsusen zu Weltmeistern macht. Weil Bernd Schuster eine Meuterei anzettelte, um im entscheidenden Moment mit Abwesenheit zu glänzen. Weil der FC Barcelona die berühmteste Serviette der Fußballgeschichte hat. Weil einer unserer Spieler gekidnappt wurde und trotzdem die Torjägerkanone gewann. Weil meine Frau und ich auf denselben Mann stehen und es kein Problem darstellt. Weil Ronaldinho die Welt beschäftigt hat, ohne ein Tor zu schießen. Weil Pep Guardiola den 'Trapattoni-Gedächtnis-Preis' erhalten sollte. Weil sich die eigenen Fans als 'Ärsche' bezeichnen. Weil es unmöglich ist, Barça und Politik zu trennen. Weil auch auf den Rängen für Ästhetik gesorgt wird. Weil das Camp Nou das schönste Parkhaus der Welt ist und 99.000 Zuschauern Delikatessen offeriert. Weil der FC Barcelona den Widerspruch meistert, sowohl katalanischer Botschafter als auch eine Weltmarke zu sein. Weil der FC Barcelona seit 1974 die gleiche Hymne hat und sie immer noch nicht überholt scheint. Weil Barça mehr als nur ein Verein ist. Weil Barça der Erfinder von Tiki-Taka ist. Weil wir die Einzigen sind, die José Mourinho richtig aus der Fassung bringen. Weil die Rivalität zu Real Madrid galaktische Züge annimmt. Weil die Spieler noch 30 Meter vor Betreten des Spielfelds in die Kirche gehen können. Weil wir fünf Jahre mehr Ballbesitz hatten.

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Arne Cordes & Johannes Federlin

111 GRÜNDE, DEN FC BARCELONA ZU LIEBEN

Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt

INHALT

WIR SIND DER ZWÖLFTE MANN,

FUSSBALL IST UNSERE LIEBE!

VORWORT

MÉS QUE UN CLUB!

Heutzutage treten wohl geschätzte 100 Prozent der Barcelona-Besucher mit einem Trikot von Messi, Neymar und Co. im Gepäck ihre Heimreise an. Voller Stolz werden diese dann auf dem Pausenhof, beim nächsten Training oder auf der Familienfeier getragen, schließlich ist Barça ja auch die erfolgreichste Mannschaft des neuen Jahrtausends. Dank der äußerst erfolgreichen letzten Jahre, in denen haufenweise Pokale und Triumphe gefeiert werden konnten, haben sich das Interesse und die Begeisterung für diesen Verein weltweit vervielfacht.

Sich heutzutage als Fan des FC Barcelona auszugeben, gehört schon fast zum guten Stil. Das war allerdings auch schon mal anders. Vor nicht allzu vielen Jahren kam es einem krankhaften Optimismus gleich, diesen Verein zu unterstützen. Da wurde man noch belächelt, wenn man mit einer Barça-Kappe in die Öffentlichkeit trat, schließlich darf man nicht vergessen, dass es vor den Erfolgen der letzten Zeit auch Jahre, ja sogar Jahrzehnte der Enttäuschung, ebenso wie der politischen Unterdrückung gab. Innerhalb von fast 25 Jahren nur eine Meisterschaft zu gewinnen oder zehn Trainer in zehn Jahren zu verschleißen muss man als Fan auch erst mal durchmachen.

Welcher Verein kann schon von sich behaupten, dass einer seiner Präsidenten politisch begründet ermordet wurde, der Stürmerstar entführt und eine Meuterei der eigenen Spieler angezettelt wurde? Andererseits gab es bereits vor Leo Messi diverse Spieler, die schier Unmögliches geleistet und den Verein nachhaltig geprägt haben. Auch hat es bereits vor Pep Guardiola und dem »Dream-Team« eine Mannschaft gegeben, die als mythisch in die Vereinsgeschichte einging. Maradona, Schuster, Cruyff, Ronaldinho, Messi, Ronaldo, …Ja, alle haben unser Trikot getragen. Und wenn es Sie noch interessiert, inwiefern Barça was mit Glasflaschen, Süßigkeiten oder auch einem Schlächter und einem Schweinekopf zu tun hat, dann nur zu!

Uns war schon immer klar, dass der FC Barcelona der großartigste Fußballverein der Welt ist! Nach all den Geschichten, Anekdoten und Fakten werden auch Sie davon überzeugt sein und verstehen, warum Barça einfach »Més que un club« – »mehr als ein Club« ist.

Arne Cordes und Johannes Federlin

1. KAPITEL

EINE AUSWAHL LEGENDÄRER SPIELER

1. GRUND

Weil Johan Cruyff nur eine Saison braucht, um zum Volkshelden aufzusteigen

Ein Volksheld verdient sich seinen Status in der Regel mit außergewöhnlichen Leistungen über einen längeren Zeitraum. In der Geschichte kommt es auch nicht selten vor, dass dieser Status erst nach dem Ableben erteilt wird. Johan Cruyff hat beim FC Barcelona noch nicht einmal eine Saison benötigt, um zum Volkshelden, ja sogar zum Erlöser, aufzusteigen.

Johan Cruyff wird 1947 in Amsterdam geboren, nur unweit vom damaligen Ajax-Stadion. Bereits von klein auf spielt er für seinen Heimatverein, debütiert mit 18 Jahren in der ersten holländischen Liga und gewinnt in den kommenden Jahren unzählige Titel. Nachdem er Ajax Amsterdam dreimal hintereinander zum Gewinn des Europapokals der Landesmeister führt, wechselt er zur Saison 1973/74 als 26-Jähriger zum FC Barcelona.

Übrigens ist Cruyff nur deshalb zum FC Barcelona gewechselt, da Ajax Amsterdam hinter seinem Rücken seinen Abgang zu Real Madrid einfädeln wollte. Und ein Cruyff, wie es in seiner Natur liegt und was er noch in unzähligen weiteren Situationen beweisen sollte, macht grundsätzlich nicht das, was ihm vorgeschrieben wird. Bei seiner Ankunft in Barcelona wird Johan Cruyff frenetisch gefeiert und löst eine noch nie da gewesene Begeisterung aus.

Im Laufe der Saison vermehrte sich der Zuschauerschnitt und in kürzester Zeit steigt die Mitgliederzahl um ein Vielfaches. Dazu muss man erwähnen, dass die Fans sehnlichst nach einem Heilsbringer Ausschau halten, da der Gewinn der letzten Meisterschaft bereits 14 lange Jahre her ist. Sie sollten nicht enttäuscht werden. In den nächsten Jahrzehnten prägt dieser schmächtige, langhaarige Kettenraucher zunächst als Spieler und dann als Trainer den Verein wie kein anderer vor und nach ihm und steigt zur Vereinsikone schlechthin auf.

Aufgrund einiger Schwierigkeiten der Transfermodalitäten mit dem holländischen Verband konnte Cruyff erst am siebenten Spieltag sein Debüt im Trikot der »Blaugrana« feiern. Zu diesem Zeitpunkt hatte der FC Barcelona lediglich ein Spiel gewonnen und stand mit sechs Punkten auf dem vorletzten Platz in der Tabelle. Gleich in seinem ersten Spiel beim 4:0-Sieg gegen Granada im Oktober erzielt Johan Cruyff zwei Tore. Dies sollte der Anfang einer Serie von 24 ungeschlagenen Spielen werden.

Was ihn in der Gunst der Fans zum nationalen Helden aufsteigen lässt, sind zwei Ereignisse im Februar der laufenden Saison. Zum einen ist es die Namensgebung seines ersten Sohnes (siehe 61. Grund). Er nennt ihn »Jordi«, nach dem Schutzpatron von Katalonien, dem heiligen Georg. Das Problem ist, dass das franquistische System keine katalanischen Namen erlaubte und die Beamten lediglich die spanische Version »Jorge« zulassen wollen. Da sein Zögling in Amsterdam zur Welt gekommen ist und die niederländischen Papiere auf den Namen Jordi ausgestellt sind, stoßen die Beamten bei dem Sturkopf Johan Cruyff auf Granit, und um einen Konflikt mit dem populärsten Fußballer der Stadt zu vermeiden, geben sie klein bei.

Lediglich kurze Zeit später, am 17. Februar 1974, steht das Auswärtsspiel bei Real Madrid an. »El Clásico«, der wahrlich mehr als nur ein Spiel ist. Der FC Barcelona mit einem spektakulär aufspielenden Cruyff besiegt die »Königlichen« in deren Stadion mit nicht weniger als 5:0. Niemand bei Real Madrid kann sich an eine schmerzhaftere Niederlage, ja sogar Demütigung, erinnern. Gleichzeitig beendet dieser Sieg der Katalanen nicht nur eine über Jahre andauernde Vormachtstellung im spanischen Fußball, sondern stellt vor allem auch einen herben Schlag gegen das zentralistische Franco-Regime dar. Es wird sogar vermutet, dass die Mannschaft des FC Barcelona mit diesem Spiel mehr für die katalanische Nation erreicht hat als die meisten Politiker zusammen.

In Barcelona wird der Sieg in den Straßen und auf den Plätzen wie eine Befreiung von politischer Unterdrückung gefeiert. Später wird dieser Tag im Februar sogar als Anfang vom Ende der Diktatur bezeichnet. Allein durch diese zwei Gegebenheiten erlangt Johan Cruyff bereits nach weniger als einem halben Jahr bei seinem neuen Verein Heldenstatus (siehe 75. und 77. Grund) und wird als »El Salvador« (»Der Erlöser«) gefeiert und verehrt.

Fünf Spieltage vor dem Saisonende gewinnt Barça bereits die neunte spanische Meisterschaft und beendet somit eine 14 Jahre andauernde Leidenszeit ohne Titel. Die Statistik ist recht beeindruckend. Von 34 Spielen erreicht der FC Barcelona 21 Siege, acht Unentschieden und fünf Niederlagen, wobei drei Niederlagen vor der Ankunft Cruyffs verloren wurden und die zwei anderen, als die Meisterschaft bereits gewonnen ist.

2. GRUND

Weil einer unserer Spieler gekidnappt wurde und trotzdem die Torjägerkanone gewann

Eigentlich hätte es ein ganz gewöhnlicher Abend werden sollen. Es war der 1. März 1981 und der FC Barcelona, zu diesem Zeitpunkt hinter Atlético Madrid auf dem zweiten Platz in der Liga, hatte gerade im heimischen Camp Nou gegen Hércules Alicante 6:0 gewonnen. Enrique Castro González, kurz »Quini« genannt, bereits mehrfacher Torschützenkönig in der spanischen Liga, hatte auch in diesem Spiel doppelt getroffen. Nach der Partie wollte Quini seine Frau und seine Kinder vom Flughafen abholen, die einige Tage in seiner Heimat in Asturien verbracht hatten. Wie so oft, kommt es dann doch ein bisschen anders als geplant.

Die Sporttasche noch über der Schulter, wurde er auf dem Weg von der Spielerkabine zum Parkplatz von zwei Unbekannten mit einer Pistole bedroht und in seinem eigenen Auto entführt. Somit begann sowohl für ihn und seine Angehörigen als auch für seine Mannschaftskameraden eine 25 Tage andauernde Leidenszeit voller Ungewissheit und Angst.

Der aus Asturien stammende Quini, der auch »El Brujo« (»Der Hexer«) genannt wurde, gilt als einer der besten Spieler in der Geschichte des spanischen Fußballs und wird vor allem unter den Anhängern seines Heimatvereins Sporting Gijón als Legende verehrt. Zudem nahm er als spanischer Nationalspieler an zwei Weltmeisterschaften sowie einer Europameisterschaft teil. Im Sommer 1980 wechselte er zum FC Barcelona.

Die Nachricht von seiner Entführung verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Dazu muss man erwähnen, dass zu dieser Zeit in Spanien terroristische Anschläge und Überfälle nicht selten waren. Nur sechs Tage vorher scheiterte ein Putschversuch des spanischen Militärs. Nachdem anfänglich einige Falschmeldungen bei der Polizei eingingen, meldeten sich die Entführer nach zwei Tagen bei Quinis Familie und verlangten ein Lösegeld in Höhe von 100 Millionen Peseten (600.000 Euro).

Die Moral der Mannschaft war am Boden zerstört, insbesondere Bernd Schuster war von den Vorfällen tief betroffen. Quini war sein Zimmernachbar und einer von wenigen Freunden des Deutschen im Team. Zuerst weigerte er sich strikt, wieder die Fußballschuhe zu schnüren, und sagte: »Ich werde nicht spielen, neben meinen Füßen habe ich auch ein Herz. Ich will nur, dass Quini zurückkommt«1. Nur eine von Quini in seiner Gefangenschaft aufgezeichneten Tonbandaufnahme konnte Schuster und seine Mitspieler davon überzeugen, von der Aussetzung des gesamten Spielbetriebs bis zu seiner Freilassung abzusehen. Das kommende Spiel war ausgerechnet gegen den Tabellenführer Atlético Madrid. Es war schier unmöglich für die Mannschaft, sich ohne ihren Torjäger zu konzentrieren, so ging das Spiel 1:0 verloren.

Nach einigen fehlgeschlagenen Übergabeversuchen verlangten die Entführer die Überweisung des Lösegeldes auf ein Schweizer Bankkonto. Nur dank der Mithilfe der spanischen und schweizerischen Polizei und unter Aufhebung des traditionellen Schweizer Bankgeheimnisses konnte der Kontoinhaber ausfindig gemacht werden. Es handelte sich um einen 26-jährigen Elektriker, der kurz darauf in der Schweiz festgenommen wurde und unverzüglich den Aufenthaltsort von Quini preisgab.

Nach 25 Tagen, am 25. März 1981, wurde Quini, abgemagert, mit starkem Bartwuchs und sichtlich mitgenommen, aus einem Versteck in einer Autowerkstatt in Saragossa befreit.

Bei den Entführern handelte es sich um drei arbeitslose Handwerker ohne jeglichen politischen Hintergrund. Nur aufgrund ihrer Schulden hatten sie beschlossen, den besten Stürmer der spanischen Liga zu kidnappen. Sogar die finanziellen Mittel für eine vernünftige Versorgung ihres Opfers waren knapp. So wurde Quini ausschließlich mit belegten Broten ernährt. Nach ihrer Festnahme beteuerten sie stets, zu keiner Zeit die Absicht gehabt zu haben, ihrem Opfer Leid zuzufügen, ganz im Gegenteil. Sie waren sogar Fans von ihm. Selbst Quini hatte nach seiner Befreiung nur gute Worte für seine Entführer übrig und verzichtete im Anschluss sogar auf eine Anzeige. Gerüchte gingen um, dass die Entführer eigentlich Bernd Schuster hätten kidnappen wollen, allerdings aufgrund seines schwierigen Charakters und seiner fehlenden Spanischkenntnisse davon abließen.

Während der Stürmerstar in den Fängen seiner Entführer sitzt, verspielt Barça sämtliche Möglichkeiten auf den Titelgewinn. Anfänglich auf dem zweiten Platz, gewinnt Barça keines der folgenden vier Spiele und landet mit vier Punkten Abstand nur auf dem fünften Platz. Trotz der verpassten Spiele wurde Quini am Ende der Saison Torschützenkönig und beflügelt von der Befreiung ihres Mitspielers, gewinnt der FC Barcelona den spanischen Pokal durch Mithilfe zweier Tore des Hexers!

3. GRUND

Weil Maradona der Größte … aller Zeiten ist

Der Platzhalter kann beliebig ausgetauscht werden, aber »Fußballer« ist auf jeden Fall eine gute Wahl. Als solch großartiger Fußballer war er natürlich auch beim FC Barcelona und das muss gewürdigt werden. Man kennt es von anderen berühmten Persönlichkeiten; der Stadtführer bringt einen in entfernteste Ecken, nur damit man dann ernüchtert als einzige Attraktion ein Schild mit der Aufschrift »Hier wurde xxx geboren« zu sehen bekommt. Der Einfluss Maradonas auf Barças Geschichte ist begrenzt, aber dennoch passt es hervorragend ins Bild, dass sich die Hand Gottes nach Barcelona ausstreckte, um in Europa eine denkwürdige Karriere zu starten.

Seine Hinterlassenschaft in Form von Titeln und Erfolgen liest sich eher bescheiden, aber ohne Zweifel trägt er zum großen Namen bei, den Barça in aller Welt genießt. Seine Verpflichtung kam einige Jahre zu spät, denn schon nach der WM 1978 in Argentinien bemühte sich Barça um ihn. Der Präsident Josep Núñez konnte schließlich 1982 Vollzug für den Transfer mit der damaligen Rekordsumme von 1.300 Millionen Peseten vermelden.2 Während seiner Rigide erwarb er sich den Ruf als Pfennigfuchser und Eiserner Schatzmeister, und diesem Ruf wurde er auch bei der Verpflichtung von Maradona gerecht. Núñez bestand aus Angst vor dem Wechselkurs-Risiko darauf, die Preise in Peseten zu deklarieren, obwohl es üblich war, Dollar als Währung zu vereinbaren.

In Barcelona erlebte Maradona Licht und Schatten. Anekdoten (siehe 107. Grund) ließ er viele zurück. So heißt es beispielsweise, dass Diego in der Diskothek Up&Down die »Bekanntschaft einer weißen Dame mysteriösen Geschmacks«3 gemacht habe. Seine Schwäche zum Kokain sollte Maradona noch oft in seinem Leben von der klaren Linie abhalten.

Von falschen Freunden umgeben, brachte ihm sein ausschweifender Lebensstil eine Sexualkrankheit ein, deren Ansteckung er nach außen mit einer Hepatitis-Erkrankung verschleierte. »Feiern, Prostituierte, Drogen« waren zu viel Ballast, als dass Maradona gemäß seiner Befähigung glänzen konnte.4

Die für Europäer unvorstellbare Vergötterung von Maradona wird einem etwas nähergebracht, wenn man sich das Video von Rodriguez anschaut. Darin besingt er das Leben von Maradona.5 Gespickt mit den Bildern von dem Künstler Maradona, der anstatt Pinsel schwingend mit Pässen, Dribblings und Fernschüssen das kollektive Bewusstsein der Fußballliebhaber malt, sorgt dieses Lied bei mir für Gänsehaut.

Zudem kostete Maradona Udo Lattek den Kopf als Barça-Trainer. 18 Monate hielt es Udo Lattek immerhin aus, wie er ironischerweise bei seiner Entlassung bemerkte. Die Machtspielchen zwischen Maradona und dem mit Titeln dekorierten Starcoach waren an der Tagesordnung. Den Auslöser für Latteks Abgang stellte seine Entscheidung dar, den Mannschaftsbus ohne Diego zum Auswärtsspiel abfahren zu lassen, weil sich dieser wieder einmal verspätet hatte.

Maradona beschwerte sich bei Nuñez, dass Lattek ihn nicht mehr motivieren könne. Er mimte den Schauspieler, als er sich erstaunt über die Entlassung zeigte, und untermauerte dabei indirekt, welchen Einfluss er auf die Geschicke von Barça ausübte, indem er vor der Presse verlauten ließ: »Ich habe weder Lattek entlassen, noch hole ich Menotti zu Barça.« Dieser übernahm nur wenige Monate später das Traineramt bei Barça. Lattek prangerte an, dass Barcelona ein Umfeld aus Politik, Macht, Eitelkeiten und Neid habe. Es gehe weniger um Sport als um Politik.6 Irgendwann hatte auch Núñez Maradonas Eskapaden satt und verkaufte ihn für die Rekordsumme von 1.185 Millionen Peseten an den SSC Neapel.

Maradona ließ über sich verlauten, dass er entweder weiß oder schwarz sei, aber niemals grau. Dieser Devise ist er auch heute noch treu geblieben. Völlig unabhängig von der ihm gestellten Frage nutzt Maradona jegliche noch so entfernte Möglichkeit, seinen brasilianischen Widersacher Pelé zu verunglimpfen. Die Mumie solle doch wieder ins Museum zurückkehren und nicht weiter Unsinn reden.7 Auf seine spezielle Art und Weise macht Maradona Werbung in eigener Sache, sich als den größten Fußballer aller Zeiten zu präsentieren.

Als er zu Rehabilitierungsmaßnahmen in einer Drogenklinik eingeliefert war, kam er mit Patienten in Kontakt, die sich für Robinson Crusoe oder Napoleon ausgaben, aber ihm glaubten sie nicht, Maradona zu sein.8

4. GRUND

Weil wir auch Bad Boys mögen

Bad Boy Hristo Stoichkov machte beim Militärverein CSKA Sofia auf sich aufmerksam. In der Saison 1988/89 hinterließ er seine Visitenkarte beim direkten Aufeinandertreffen im Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger. Mit 4:2 und 2:1 konnte Barça ungefährdet ins Finale einziehen, doch Stoichkov machte alle drei Tore für sein Team. Die Verantwortlichen von Barça gaben grünes Licht für seine Verpflichtung. Die Verhandlungen erwiesen sich als äußerst schwierig, denn Bulgariens Vorzeigeclub hatte keinerlei Erfahrungen mit internationalen Spielerverkäufen. Schließlich wurde der Deal ein Jahr später im Mai 1990 perfekt gemacht und Stoichkov wechselte für vier Millionen Dollar zum FC Barcelona.9

Dass er sich in seiner neuen Heimat nicht auf seine Privilegien berufen konnte, die er noch in Sofia genoss, musste er schnell erfahren. Gewöhnt daran, dass Mitspieler, Verantwortliche und Funktionäre nach seiner Pfeife tanzen, hielt er es in einem seiner ersten Spiele für Barça für eine gute Idee, den Schiedsrichter seine vermeintliche Fehlentscheidung spüren zu lassen, indem er dem Referee mit seinen Fußballschuhen samt Schrauben auf den Fuß trat.10 Außer der Roten Karte wurde für sein »bodenständiges« Meckern eine anfängliche Sperre von sechs Monaten ausgesprochen. Sein Berater Minguella empfing ihn nach dieser Aktion in den Katakomben vom Camp Nou. Mit Scham erfüllt erwiderte Hristo auf die Frage nach dem Warum dieser Aktion, dass er nur eine Cola-Dose platt treten wollte, die auf dem Spielfeld lag.

Nach diesem blechernen Start erfüllte Hristo schnell die in ihn gesetzten Erwartungen. Sein Siegeswille, seine Schlitzohrigkeit und sein explosiver Antritt rundeten sein Bild vom unkontrollierbaren Genie ab. Diese Prise Giftigkeit stellte einen großen Zugewinn für Cruyffs Barça dar. Schnell konnte er an die Torquote aus Sofia-Zeiten anknüpfen. Durch Amor, Laudrup,11 Bakero und Guardiola trefflich in Szene gesetzt, konnte Stoichkov seinen ansatzlosen und harten Schuss optimal geltend machen.12 Sein Einsatz und seine Tore ließen ihn schnell zum Publikumsliebling werden.13 Seine Identifikation mit seiner Wahlheimat Barcelona und Katalonien ging so weit, dass er als Spielführer der bulgarischen Nationalmannschaft die Senyera, die katalanische Flagge, als Binde trug.14

Mit Cruyff kam es 1995 zur Überwerfung, sodass er zum FC Parma wechselte. Dort verweilte er nur für eine Saison. Cruyff hatte den Verein verlassen und Gaspart und Núñez holten mit Einverständnis vom Trainer Sir Bobby Robson den verlorenen Sohn zu Barça zurück. Seiner Rolle als Identifikationsfigur wurde er gerecht, als er bei Vertragsunterzeichnung Freudentränen vergoss.15 Hristo Stoichkov hatte großen Anteil daran, dass ich Barça-Fan wurde. Wahrscheinlich hat seine Liebe zum FC Barcelona abgefärbt – wie schön!

5. GRUND

Weil man Versprechen auch einhalten kann: Romário

1993. Nach der dritten Meisterschaft in Folge und ein Jahr nach der Krönung von Wembley hatte Cruyff sein Auge auf Romário de Souza von PSV Eindhoven geworfen, um die Mannschaft unberechenbarer zu machen. Hristo Stoichkov war der Platzhirsch und ließ verlauten, dass man ja keinen weiteren Stürmer brauche, dafür habe man ja ihn.

Anekdoten pflasterten schon vor der offiziellen Vorstellung seinen Weg. Der Vizepräsident Joan Gaspart stellte ein Privatflugzeug bereit, damit Romário unbehelligt in Girona landen konnte. Danach ging es in Gasparts Privatresidenz nach Llavaneres, und nachdem Übereinkunft über Romários Vertrag erzielt wurde, besuchten Romário und Gaspart zur Feier des Tages die Kirchenmesse vom kleinen Ort Sant Vicenç de Montalt.

Am nächsten Tag ließ sich Romário bei einem Stierkampf blicken, der in Barcelonas Arena El Monumental stattfand. Das Publikum erhob sich und begrüßte ihn mit Applaus.16 Solch eine Vorstellung bleibt Neuankömmlingen im Jahr 2014 verwehrt, denn Katalonien hat ein Gesetz erlassen, welches den Stierkampf untersagt.17

Romário verkündete bei seiner Ankunft vollmundig, dass er 30 Tore für Barça erzielen werde. Seine gedrungene Statur bei nur 1,68 Meter Körpergröße ließ die Vermutung zu, dass eine Ausbeute an Kopfballtoren nicht zu erwarten war. Doch die Kritiker sollten sehr schnell zum Schweigen verdonnert werden, denn bei seinem ersten Ligaspiel vor heimischem Publikum im Camp Nou erzielte er alle Tore zum 3:0 Erfolg. Das blinde Verständnis mit einem gewissen Josep Guardiola war sofort erkennbar und sorgte für zwei sehenswerte Treffer. Romário hatte die Fähigkeit, alles so einfach aussehen zu lassen.

Dem Gesetz der minimalen Kraftanstrengung verschrieben, setzte er mit nur einem kurzen Antritt die gegnerische Abseitsfalle außer Kraft und den von Guardiola hoch gespielten Pass ließ er im Laufen mit der Brust abklatschen, um die Kugel im Fallen lässig mit dem Innenrist aus circa 25 Metern über den nur wenige Meter von seinem Tor stehenden Schlussmann zu lupfen.18 Es ist bis heute eines der schönsten Tore, an die ich mich erinnern kann.

Es kamen viele weitere dazu, die ähnliche Eleganz und Leichtigkeit versprühten. Die Presse titelte, Romários Art, Fußball zu spielen, sei unwirklich. Die Rede vom Comicfußballer aufgrund der Plastizität seiner Bewegungen machte die Runde.19 Sein Lebenswandel war dem eines Profisportlers nicht angemessen und diese fehlende Professionalität blieb der Öffentlichkeit nicht verborgen. So ließ er sich zum Beispiel nicht nehmen, im benachbarten Castelldelfels Fußvolleyball zu spielen.

Der mit Barça-Stars der letzten Jahrzehnte in starkem Maße verbundene Josep Minguella erzählt in seinen Memoiren Fast die ganze Wahrheit, dass er als sein Agent und Spielerberater nach 30 besichtigten Wohnungen jeglicher Ausprägung und Lage die Hoffnung aufgab, etwas Passendes für Romário zu finden, weil dieser an jeder Wohnung etwas auszusetzen hatte. »Willst du überhaupt eine Wohnung?«, kam es Minguella in den Sinn. Romário erwiderte darauf, dass dies eigentlich nur die Idee seiner Frau gewesen sei, er selbst bevorzuge es weiterhin, im Hotel Princesa Sofia zu wohnen.20

In sein Kalkül für diese Entscheidung spielte wohl auch hinein, dass dieses Hotel nur ein paar Meter vom Trainingsplatz und Stadion entfernt ist. So bestand zumindest eine kleine Chance, pünktlich dort aufzuschlagen. Da wären wir wieder bei der maximalen Effizienz, die Romário auszeichnete. Für mich gehört er dieser seltenen, heutzutage ausgestorbenen Spezies an, welche ihre Karriere als Weltfußballer fast ausschließlich dem Talent verdankt und sich darauf auch ausruht. Die Hotel-Anekdote beschreibt Romário sehr gut.

Rückblickend deutete sein Leben im Hotel schon an, dass sein Wirken bei Barça nur auf kurze Zeit angelegt sein würde. So haben seine Fantasie-Tore etwas von Sternschnuppen in einer lauen Sommernacht. Cruyff war ratlos, wie er Romário disziplinieren könne. Dieser sagte dem Mister auf dessen Forderung nach mehr Einsatz im Training und weniger nächtlicher Aktivität: »Du bist nicht mein Vater. Wenn ich nicht ausgehe, schieße ich keine Tore.«21 Doch teils aus Verzweiflung und teils aus Erkenntnis heraus, Romário so nehmen zu müssen, wie er ist, lenkte Cruyff später ein und dachte sich wohl: Solange er drei Tore am nächsten Tag erzielt, so lange kann er auch nachts feiern gehen, wie er möchte.

Dieses Zugeständnis an seine Freiheit dankte Romário mit denkwürdigen Toren. Den culés bleibt sein Auftritt beim 5:0 gegen Real Madrid in guter Erinnerung. Sein Dribbling gegen Madrids Alkorta stellte die menschliche Anatomie infrage. Dem Tor abgewandt, nahm er den Ball an der Strafraumgrenze an, um ihn dann geschmeidig und in einem Fluss per Drehung an Alkorta vorbeizuschieben und Richtung Tor zu spitzeln.22 Als Kuhschwanz ging dieser Trick in die spanische Fußballgeschichte ein. In Barcelona erinnert man sich noch immer gern daran, wie Romário dem verdutzten Alkorta im übertragenen Sinn die Hüfte ausgerenkt hat.

Am letzten Spieltag kam es im Camp Nou zur dritten Last-minute-Meisterschaft in Folge. Romário leitete mit seinem Tor zum 3:2 den 5:2-Sieg gegen den FC Sevilla ein, was Barça in Verbindung mit dem Unentschieden von Deportivo La Coruña die viel gefeierte Meisterschaft bescherte.23

Vier Tage später läutete die 0:4-Klatsche gegen den AC Mailand bei der Tragödie von Athen den späteren Zerfall des »Dream-Teams« ein. Romário gewann mit Brasilien nur wenige Wochen später die Weltmeisterschaft in den USA. Die ausgedehnten Feierlichkeiten in Brasilien waren seiner Disziplin und Kondition als Profifußballer auch alles andere als zuträglich. Mit großer Verspätung zum FC Barcelona zurück, konnte er nicht mehr an die Leistungen der Vorsaison anknüpfen. Er tauchte mehr und mehr unter und wurde kurze Zeit später nach Brasilien verkauft. Nach seiner eigenen Rechnung würde er es insgesamt auf über 1.000 Tore in seiner Karriere bringen.

Vom Saulus zum Paulus! Selbst für jemanden, der eine Kunst daraus gemacht hat, mit minimaler Kraftanstrengung das meiste zu erreichen, kommt irgendwann der Moment, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. Es beinhaltet eine gewisse Ironie, dass gerade der undisziplinierte Romário eine erfolgreiche Politikerkarriere eingeschlagen hat und als progressiv agierender Abgeordneter im Parlament von Rio de Janeiro für Furore sorgt und sich sozialer Probleme annimmt.24

6. GRUND

Weil Rivaldo den Zug bekommen hat

Als Barça zur Saison 1997 überraschend und nur wenige Minuten vor Schließung der Transferperiode Rivaldos festgeschriebene Ablösesumme von 4.000 Millionen Peseten an Deportivo La Coruña überwies, erklärte Rivaldo vor der Schar der Pressevertreter, dass solch ein Zug nur einmal im Leben vorbeiführe und den müsse man halt nehmen. In Blitzkriegmanier stellte Barça mit diesem Last-minute-Wechsel die sportlichen Kräfteverhältnisse in der Primera División auf den Kopf, Rivaldo sollte bei Barça das sportliche Erbe von Ronaldo antreten, der zu Inter Mailand gewechselt war und die Kriegskasse von Barça eben mit diesen 4.000 Millionen Peseten aufgefüllt hatte (in Peseten gerechnet kommt die Blase der Fußballunsummen noch mehr zum Vorschein).

Vitor Borba Ferreira Gómes, so sein bürgerlicher Name, bekam in seiner Kindheit in Brasilien den wenig schmeichelhaften Spitznamen Holzbein verpasst. 1972 in Recife (Brasilien) geboren, litt der in ärmlichen Verhältnissen aufwachsende Rivaldo an Unterernährung. Santa Cruz FC und Mogi Mirim waren die ersten Stationen seiner Karriere. Anfänglich musste er barfuß die 20 Kilometer Hin- und Rückweg zurücklegen, um zum Training zu gelangen. Mit 19 Jahren erteilte ein Arzt Rivaldo den Rat, sich so schnell wie möglich um einen anderen Gelderwerb zu bemühen, denn seine Beine würden ihn spätestens mit 25 im Stich lassen.25 Zum Glück für die Fußballfeinschmecker der Welt ging Rivaldo unbeirrt seinen Weg.26

Bei Barça mit der Rückennummer 11 versehen, verbrachte er nach eigenen Aussagen seine besten Jahre als Fußballer in den fünf Spielzeiten, in denen er die culés mit seinem Können verzückte. Seine linke Klebe hatte eher etwas von dem bionischen Eine-Millionen-Dollar-Mann als von einem Holzbein. Vermutlich hat sein Spitzname etwas mit der für einen Brasilianer unorthodoxen Art zu tun, wie er sich etwas steif in der Körperhaltung seiner Gegner im Dribbling entledigte.

Rivaldo war sehr schwer vom Ball zu trennen und seine Dribblings waren effektiv und verschafften den entscheidenden Raumgewinn, um dann selbst den Abschluss mit seinem sehr harten und präzisen Schuss zu suchen. Seine Bewegungen waren nicht so leichtfüßig und tänzerisch wie bei Ronaldinho. Es war vielmehr die Verschmelzung von Kraft und Technik, welche Rivaldo zum Ausnahmefußballer machte. Er allein war imstande, Spiele zu entscheiden.

Tore im Doppelpack oder gar als Hattrick waren Rivaldos Ausrufezeichen dafür, dass sich alle Unkenrufe bezüglich fehlender Profifußballer-Eignung als falsch erweisen sollten. Er war zur Stelle, wenn Barça die Ideen ausgingen. Gegen den legendären AC Mailand erzielte er drei Tore in der Champions League. Im Bernabéu machten ihn seine drei Treffer beim 3:3 gegen Real Madrid zum ersten Barça-Akteur, dem ein Hattrick gegen den Erzrivalen gelang.

Am letzten Spieltag der Saison 2000/01 kam es zu einem Aufeinandertreffen von Barça und dem FC Valencia. Nur ein Sieg von Barça vor heimischer Kulisse gegen den direkten Mitanwärter sicherte die Qualifikation zur Champions League. Rivaldo erlöste Barça in der 89. Minute, als er außerhalb des 16-Meter-Raums mit einem Fallrückzieher das entscheidende 3:2 gegen Valencias Torhüter Canizares erzielte.

Mit dem Rücken zum Tor und auf Kopfhöhe von Frank de Boer angespielt, ließ er den Ball mit der Brust etwas ansteigen, um sich dann, bedrängt von Gegenspielern, in die Luft zu schrauben. Rivaldo zauberte sich einen Fallrückzieher aus dem Hut, der so hart geschossen wurde, wie die meisten Amateurfußballer nicht geradeaus schießen können. Zlatan Ibrahimovićs akrobatischen Kung-Fu-Fallrückzieher mal ausgenommen,27 war dies die eindrucksvollste »Chilena«, die ich jemals gesehen habe.28

Rivaldos Leistung ist insofern noch beachtlicher, als dass er bei Barça in Van Gaals Taktikzwänge gepresst wurde und keine kongenialen Mitspieler vorfand, von denen heutzutage ein Leo Messi profitiert. Eine Ausnahme stellte sein Teamgefährte bei Barça, Patrick Kluivert, dar, den Rivaldo als einen der besten Fußballer nennt, mit denen er jemals zusammenspielte. Van Gaal beharrte darauf, dass Rivaldo an der linken Außenlinie spielte. Ihm besondere Freiheiten einzuräumen, war dem Tulpengeneral zuwider. Rivaldos Stern glänzte trotzdem (oder gerade deswegen). Er beherrschte die ganze Klaviatur der harmonischen Klänge, die ein Ball erzeugen kann, wenn er in die Maschen rauscht und Tausenden von Zuschauern einen Torschrei entlockt. Kopfball, Fernschuss, Freistoß, Fallrückzieher, Heber, Rabona29, Schuss aus der eigenen Hälfte.

Der ultimative Ritterschlag wurde ihm zuteil, als er 1999 den Goldenen Ball erhielt und außerdem zum FIFA-Spieler des Jahres gewählt wurde. Rivaldo ließ für seine Mitspieler und den gesamten Betreuerstab eine Kopie anfertigen, um deren Anteil an dieser Auszeichnung zu würdigen. Eine große Geste von einem großen Fußballer, der 2002 mit dem WM-Sieg Brasiliens auch seiner kollektiven Titelsammlung das Sahnehäubchen aufsetzte. Mit Barça fuhr er zwei Meistertitel ein, gewann einmal den Pokal und erzielte insgesamt 130. Mit dieser Ausbeute liegt er zusammen mit Samuel Eto’o auf Platz vier der ewigen Torschützenliste von Barça.

Seine Stationen nach der Zeit bei Barça führten ihn unter anderem nach Usbekistan, wo er zwischenzeitlich zum bestbezahlten Fußballer der Welt avancierte. Alle erworbenen Reichtümer verschleierten ihm nicht den Blick auf seine einfache Herkunft. Er behielt seine Bescheidenheit, und es heißt über ihn, dass er alle Menschen gleich (gut) behandelt. Besonders in seiner späten Karriere in Griechenland fabrizierte er noch viele weitere Traumtore. Für eines dieser, Produkt eines gefühlvollen Hebers, wurde Rivaldo sogar vom geschlagenen gegnerischen Torhüter beglückwünscht.30

7. GRUND

Weil wir nicht zu zähmen sind: Eto’o

Samuel Eto’o gehört zu der Kategorie von Fußballern, die euphemistisch gern als schwierig eingestuft werden. In jüngerer Barça-Vergangenheit befindet er sich damit in bester Gesellschaft mit Zlatan Ibrahimović, Hristo Stoichkov und Diego Maradona. In Anbetracht Barças Interesse an der Verpflichtung von Luis Suárez wurde den Kritikern entgegnet, dass Barça ja auch mit Eto’o sehr gute Erfahrungen gemacht hätte.

Am 10. März 1981 in Kamerun geboren, präsentierte er sich, 15-jährig, allein auf dem Madrider Flughafen Barajas, um seinen Traum vom Dasein als Profifußballer zu verwirklichen. Sein erster Versuch war einige Monate zuvor kläglich gescheitert. Eto’o ereilte das gleiche Schicksal wie vielen der anderen afrikanischen Immigranten, und ernüchtert musste er wieder die Heimreise nach Kamerun antreten.

Dort zurück bei seinem Club Akademie Kadji de Douala, wurde der Talentscout und Exspieler der Madrilenen Pirri auf ihn aufmerksam. Er lud ihn zu einem Probetraining für die Nachwuchsschmiede Real Madrid B ein. Die Verantwortlichen von Madrid glänzten allerdings mit ihrer Abwesenheit.31 Eto’o, mit spärlichem Gepäck und ohne jegliche Spanischkenntnisse angereist, war wie so oft in seiner Karriere auf sich gestellt.

Dieses Missverständnis am Flughafen sollte stellvertretend für das Verhältnis zwischen Real Madrid und Eto’o sein. Er genoss nie das Vertrauen bei Madrid und kam nicht zum Zuge, obwohl er in bester Günter-Hermann-Manier (Weltmeister 1990) offiziell zur Truppe gehörte, welche 1999 die Copa Intercontinental gewann (in Deutschland besser unter Weltpokal bekannt). Eto’o diente seit seiner Ankunft immer als eine Art Wechselwährung für Real Madrid. Verschiedene Leihgeschäfte brachten ihn zu Espanyol Barcelona und zum RCD Mallorca.

Ihn aus Madrider Sicht nicht zu verkaufen entsprach wahrscheinlich der Vorahnung, dass Eto’o ein Rohdiamant sei. Doch in der Zeit der Galaktischen ging niemand aus Madrid die Wette ein, Eto’o als Teil dieser Startruppe zu etablieren. Im Jahr 1999 erwarb schließlich RCD Mallorca 50 Prozent der Rechte an Samuel Eto’o und sicherte sich somit seine Dienste als Torjäger. Auf der Insel reifte Eto’o in den folgenden Jahren zum gefürchteten Stürmer heran.

Mit seinem dortigen Trainer der Anfangsjahre, dem Urgestein Luis Aragonés, verband ihn ein besonderes Verhältnis. Von Eto’o liebevoll als dessen weißer Opa bezeichnet,32 gelang es diesem, Eto’os raubtierhaften Charakter weitestgehend und dahin gehend zu bändigen, dass daraus Beute in Form von Toren und Siegen bei gleichzeitiger Arterhaltung resultierte.

2004 nahm Eto’o die Chance wahr, sich bei Aragonés für die Weichenstellung seiner äußerst erfolgreichen Karriere zu bedanken, indem er ihn öffentlich in Schutz nahm, als dieser Beistand am nötigsten hatte. Er wurde mittlerweile zum Nationaltrainer der Spanier berufen und ungewollt in eine Rassismus-Affäre geschlittert.33 Auf Thierry Henry anspielend, sagte er vor laufender Kamera im Training der Nationalmannschaft zu dessen Kameraden bei Arsenal London, dem Nationalspieler Antonio Reyes: »Sagen Sie dem Scheiß-Neger, dass Sie besser sind als er.«34 Was als Motivation für seinen Schützling gedacht war, entpuppte sich als handfester Skandal in Spanien und auch in England. Eto’o ergriff sofort Partei für diesen 2013 verstorbenen Fußballlehrer im Trainingsanzug, der mit dem EM-Titel 2008 Spaniens Glanzzeit einläutete. In Anspielung auf seine Herkunft aus einem kleinen Ort und seine Überzeugung, dass Fußball einfach sein müsse, hatte er den Spitznamen der »Weise aus Hortalaza«35 inne.

Eto’os Einmischung war glaubhaft, schließlich war er ein Aushängeschild der Anti-Rassismus-Kampagne. Oftmals während seiner Karriere wurde er selbst Opfer rassistischer Vorfälle,36 die Spaniens Stadien von Zeit zu Zeit in Verruf brachten und noch immer bringen.

Seine 14 Ligatore in der Saison 2003/04 waren jedenfalls ein starkes Aushängeschild, denn der Balearen-Club gehört nicht zu den ersten Adressen im spanischen Fußball. Barça klopfte also bei Eto’o an. Endlich schien man auf der Suche nach einem gefräßigen Stürmer fündig geworden zu sein, denn Javier Saviola hatte diese Erwartungen nicht erfüllt, und auch der technisch sehr beschlagene Patrick Kluivert war zu wenig Killer. Madrid wollte partout verhindern, dass Eto’o den Rivalen stärkt, doch Eto’os Entschlossenheit und Barças Scheckheft – die finale Ablösesumme belief sich auf 24 Millionen Euro – brachten für Eto’o und Barça ein versöhnliches Ende.

Konfrontiert mit den hohen Erwartungen an seine Person und inmitten des Rummels um seine Verpflichtung, verkündete Eto’o: »Ich kann keine 50 Tore versprechen, aber ich werde laufen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer.«37 Mit dieser Äußerung voller Polemik prangerte er den Rassismus an, den er in eigener Person häufig erleben musste. Außerdem spielte er auf den stark leistungsbezogenen Vertrag an, den Laportas Führungsriege dem Club zur wirtschaftlichen Gesundung verschrieb, damit Leistung und Bezahlung nicht mehr so auseinanderklaffen.38

Nicht alles Geld der Welt hätte ihn nach Madrid zurückkehren lassen. Dort wäre er niemals glücklich geworden. Solche Aussagen bewirkten, dass die culés ihn schnell in ihr Herz schlossen. Dass sich dieser Tore verschlingende »unzähmbare Löwe« auch im Folgenden des Öfteren als »Anti-Madridista« outete39, half der Anhängerschaft von Barça darüber hinweg, endgültig den traumatischen Aderlass von Madrids Figo-Coup zu überwinden. Eto’o fügte sich schnell in die Mannschaft ein und konnte, umgeben von Mitspielern der Qualität von Xavi, Deco und Ronaldinho, schnell seine Extraklasse entfalten. Mit seinen Toren war er maßgeblich an den Erfolgen von Rijkaards Barça beteiligt.

Nach dem Sieg der Champions League in Paris 2006 verfiel das Team in Selbstgefälligkeit. Eto’o geriet mit Ronaldinho aneinander, weil er indirekt dessen fehlende professionelle Einstellung bemängelte. Dieses Zerwürfnis der beiden Stars konnte zwar noch oberflächlich gekittet werden, aber sportlicher Erfolg sprang danach nicht mehr heraus, sodass Rijkaard 2008 seinen Hut nahm.

Dem neuen Trainer Pep Guardiola waren die satten Spieler Deco und Ronaldinho sowie der problematische Eto’o ein Dorn im Auge. Von den beiden erstgenannten konnte er sich trennen, Eto’o musste er noch eine Saison lang ertragen, aber Leid sieht anders aus, denn Eto’os Tore katapultierten Barça in ungeahnte Sphären. Sechs Titel standen in einer fantastischen Saison zu Buche. Wie schon im Champions-League-Finale in Paris trat Eto’o auch im Finale von Rom gegen Manchester United an. Trotz dieser Erfolge trennte sich Guardiola nun auch von Eto’o.

Er landete bei Inter Mailand in einem undurchsichtigen Tauschgeschäft mit Zlatan Ibrahimović, welches Barça viel Geld kostete. Unter dem in Barcelona schon damals unbeliebten Mourinho gelang ihm in der Folgesaison das Kunststück, seine dritte Champions League zu gewinnen. Pikanterweise schaltete Eto’os Inter Mailand ausgerechnet Barça im Halbfinale aus und erstickte somit die Euphorie, die rund um das Spiel zu spüren war.40 Mourinho mauerte sich ins Finale und im Gedächtnis blieb hängen, dass Barça die Rasensprenger im Camp Nou aufdrehte,41 als er nach dem Rückspiel und dem vollbrachten Finaleinzug seine Freude zur Schau stellte.

Anders verhielt sich das Camp Nou mit Eto’o bei seiner Rückkehr im selben Spiel. Dem Mann, der insgesamt viermal zum besten Fußballer Afrikas gekürt wurde und in fünf Spielzeiten für Barça zwischen 2004 und 2009 152 Tore in 232 Spielen erzielte, wurde viel Respekt entgegengebracht. Ein warmer Applaus brandete auf, als sein Name in der gegnerischen Aufstellung ertönte und er den ersten Ball berührte.

8. GRUND

Weil sich in 15 Jahren haartechnisch nichts verändert hat

Genauso wie er mit 17 Jahren im B-Team von Barça aufgetaucht ist, ist er nun mit 36 Jahren als Kapitän der Profimannschaft auch abgetreten – zumindest haartechnisch. In den dazwischen liegenden 19 Jahren ist wahrlich viel passiert, aber die lockige Mähne, die jedem Heavy-Metal-Fan den puren Neid ins Gesicht treibt, sieht immer noch genauso aus.

In fußballtechnischer Hinsicht war er sicherlich nicht so gut ausgestattet wie die meisten seiner Mitspieler, aber der unbändige Wille und sein enormer Ehrgeiz, für den FC Barcelona spielen zu wollen, taten das Übrige. Zunächst noch als ein auf Zerstörung agierender Außenverteidiger verbesserte er sich sowohl technisch als auch taktisch und mutierte dank seines Stellungsspiels und seiner Spielintelligenz zum Abwehrchef und zu einem der besten Verteidiger der Welt. Die Rede ist von Carles Puyol, geboren 1978 in La Pobla del Segur, einem Dorf im katalanischen Hinterland, nahe der Pyrenäen.

Unter van Gaal gab er sein Debüt in der ersten Mannschaft 1999. Seit der Saison 2004/05 war er Kapitän, von der Mannschaft gewählt und mit der Einwilligung von Trainer Frank Rijkaard. Es war immer sein Wunsch, bis zu seinem 40. Lebensjahr Fußball zu spielen – so wie sein Idol Paolo Maldini –, deshalb hat er auch noch letztes Jahr (2013) seinen Vertrag bis 2016 verlängert. Doch leider gehen ja bekanntlich nicht alle Wünsche in Erfüllung. So bat er aufgrund einer Verletzung am rechten Knie um seine Vertragsauflösung und verkündete im März 2014 seinen Rücktritt zum Saisonende (siehe 38. Grund). Somit geht nach 19 Jahren im Verein und nach 15 Spielzeiten für die erste Mannschaft eine Ära zu Ende, die deutlich schwerer wiegt als eine titellose Saison.

Carles Puyol gehört einer vom Aussterben bedrohten Spezies an, nämlich der des sogenannten »Musterprofis«, der mit großem Stolz und Würde (siehe 72. Grund) sowohl das Trikot als auch die Kapitänsbinde trägt – vielleicht wie kein anderer vor und nach ihm –, seinen Beruf und Verein abgöttisch liebt, auf seinen Körper achtet wie ein Krieger und immer bereit ist, bis zum Letzten zu kämpfen, ganz gleich ob es sich um ein europäisches Finale oder um das Erstrundenspiel um den katalanischen Pokal handelt.

Er hat die Fähigkeit, während der ganzen Partie hoch konzentriert zu sein, ohne sich auch nur eine Unaufmerksamkeit zu leisten, abgesehen von der Intensität jedes Spiels oder Spielzuges. Zudem ist er für seine ausgeprägten Führungsqualitäten innerhalb der Mannschaft und seine Arbeitsmoral bekannt. Zusätzliche Einheiten nach Trainingsende waren keine Seltenheit und auch an freien Tagen war er oft auf dem Trainingsplatz anzutreffen. Er war derjenige auf dem Platz, der sich am meisten über Gegentore ärgerte und fluchte wie ein Rohrspatz, jedoch war er auch der Erste, der sich wieder konzentrierte und die Mitspieler mit Worten und Gesten aufrappelte und animierte.

Eine Naturgewalt und ein Vorbild an Kameradschaft, seriös und seiner Linie treu, wortkarg, wenn es um Interna ging, und immer ehrlich und respektvoll gegenüber dem Gegner, den Schiedsrichtern und dem Fußball im Allgemeinen. Am besten charakterisieren Carles Puyol wohl einige Gesten und Anekdoten aus seiner Karriere.

28. Mai 2011 Wembley Stadion; Finale Champions League, FCB – Manchester United: 3:1

Aufgrund seiner fehlenden Fitness wird Carles Puyol von Pep Guardiola erst in der 88. Minute eingewechselt – als das Spiel schon entschieden war. Wie selbstverständlich überreicht ihm Xavi noch auf dem Platz die Kapitänsbinde. Doch noch vor der Pokalübergabe gibt er diese an den Franzosen Éric Abidal weiter. Bis zu diesem Finale waren keine drei Monate vergangen, seit Abidal sich zum ersten Mal einem operativen Eingriff zur Entfernung eines Krebstumors an der Leber unterziehen musste. Somit war Abidal der letzte Spieler, der die Tribüne hochstieg, um dort als Erster den »Henkeltopf« aus den Händen von UEFA-Präsident Michel Platini entgegenzunehmen und ihn den Fans und der ganzen Welt zu präsentieren. Dies war nicht nur der Pokal für ein gewonnenes Finale, sondern vielmehr der Preis für den Kampf gegen eine schwere Krankheit.

2. Mai 2009 Santiago Bernabéu, Madrid – FCB 2:6

Ein Bild, das wohl jedem Barça-Fan in Erinnerung bleibt und insbesondere denjenigen, die in Puyol ein Symbol für Katalonien sehen. An dem besagten Tag wurde Real Madrid im eigenen Stadion im Ligaspiel mit 2:6 gedemütigt. Beim Stand von 1:1 erzielt Puyol nach einem Freistoß von Xavi einen seiner wuchtigen Kopfbälle zur Führung. Daraufhin reckt er die Kapitänsbinde in den Farben der Senyera, der katalanischen Fahne, gen Himmel und überhäuft sie mit Küssen. Später widmet er das Tor und die Geste einem Freund, den Barça-Fans und allen Katalanen. Dies ist in keiner Weise als nationalistisch anzusehen, sondern vielmehr als Stolz auf Herkunft und Heimat.

Während seiner Zeit bei Barça gewann er insgesamt 21 Titel und wurde zudem noch Europa- und Weltmeister mit Spanien. Dass in dieser Saison keine Titel wie sonst eingeheimst wurden, ist vielleicht noch zu verkraften, aber der Rücktritt des unangefochtenen Kapitäns und Anführers kann schon als dramatisch bezeichnet werden. Barça ohne Puyol ist genauso unvorstellbar wie Puyol ohne Barça. Eine Ikone wie er muss einfach auf irgendeine Art und Weise dem Verein erhalten bleiben, deshalb sind wir gespannt, wann und in welcher Position Carles Puyol zum FC Barcelona zurückkehren wird. Nur das »Wie« wissen wir jetzt schon: nämlich mit einer langen lockigen Mähne.

9. GRUND

Weil Frühverrentung und Süßigkeiten Barça und Spanien glücklich machen

Scouts des FC Barcelona entdeckten den zwölfjährigen Andrés Iniesta beim Club Albacete Balompié und Barças Fußballschule La Masia wurde um ein außerordentliches Talent bereichert. Iniesta ist ein vielseitiger Spieler, der auf verschiedenen Positionen eingesetzt werden kann. In der Regel spielt er im linken offensiven Mittelfeld, manchmal auch im rechten oder aber als linker Außenstürmer.42 Er wechselt während eines Spiels auch gern mal die Seiten und bringt sich mit seiner ausgefeilten Schusstechnik in das Angriffsspiel mit ein. Zu seinen herausragenden Stärken gehören seine technische Beschlagenheit, seine Pass-Sicherheit und sein Blick für den freien Raum, mit denen es ihm immer wieder gelingt, die gegnerische Verteidigung auszuhebeln.43 Sein ehemaliger Teamkollege Samuel Eto’o sagte über ihn: »Er ist einer der wenigen Fußballer, denen alles Schwierige leichthin gelingt.«44

Sein großes Vorbild ist sein ehemaliger Trainer Pep Guardiola, den er als Poster in seinem Zimmer zu hängen hatte.45 Ebendieser Guardiola sagte in den 1990ern über Iniesta zu Xavi: »Schau dir mal diesen Iniesta im Jugendteam an. Xavi, du wirst mich in die Rente schicken, aber Iniesta, der schickt uns alle in den Ruhestand.«46

»Meine persönlichen Ziele sind kollektive Ziele. Individuelle Auszeichnungen sind mir nicht wichtig« ist ein Ausspruch von Iniesta, welcher sehr gut seine unaufgeregte und bescheidene Art widerspiegelt. Fußballer sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Dubiose Autodeals à la Maurizio Gaudino oder hochriskante Schiffsfonds waren noch vor ein paar Jahren ein todsicherer Tipp für die neureichen Fußballmillionäre, um ihr Vermögen zu … verändern, sagen wir einmal.

Iniesta ist ein Beispiel für die neue Garde. Begünstigt durch seine Herkunft aus der Region La Mancha, bekannt für gute Weine, investierte er in einen Weinberg. Bodegas in ganz Spanien führen seinen Wein »Corazón Loco«47 (»Verrücktes Herz«) im Sortiment. Ungeachtet der guten Qualität dieses Rotweines ist die Aufnahme ins Sortiment wohl der geringste Dank, den man jemandem erweisen kann, der als Last-minute-Torschütze Spanien die erste Weltmeisterschaft in Südafrika einbrachte (siehe 100. Grund). Der Name des Weines ist vermutlich als eine weitere Ehrung (siehe 94. Grund) für seinen verstorbenen Freund und Fußballkollegen Dani Jarque zu sehen, der fataler Weise einen Herzinfarkt erlitt.

In seiner Heimatgemeinde Fuentealbilla wurde 2008 eine Straße nach ihm benannt, in der er sich später ein Haus bauen ließ. Ein großes Barça-Wappen ziert den Boden seines Swimmingpools.48 Frank Rijkaard sagte über ihn: »Iniesta ist ein sehr wichtiger Spieler für uns. Er hat es oft geschafft, den Unterschied für uns auszumachen. Es macht den Anschein, dass er auf das Spielfeld kommt, um Bonbons an seine Mitspieler zu verteilen. Er hört nicht auf, sich zu bewegen. Er hat es nicht nötig, jemanden zu imitieren. Er geht aufs Feld als Andrés Iniesta, und das ist sehr viel.«49

Trotz der Bewunderung, die in diesen Worten mitschwingt, nutzte Rijkaard Iniesta als Luxusvariante eines zwölften Mannes. So auch im Champions-League-Finale gegen Arsenal London, als Iniesta zur zweiten Hälfte eingewechselt das Spiel revolutionierte und maßgeblich an Barças Comeback und 2:1-Sieg beteiligt war. Aufgrund dieser Leistung und ähnlicher Beweise seines Könnens versuchte unter anderem Real Madrid erfolglos, Iniesta von Barça loszueisen. Im Juli 2007 schien den Königlichen die festgeschriebene Ablösesumme von 60 Millionen Euro nicht Abschreckung genug, seine Verpflichtung ins Auge zu fassen.50 Der damalige Präsident des FC Barcelona, Joan Laporta, bewies schon 2006 Weitsicht, als er meinte, dass Messi und Iniesta die Zukunft bei Barça gehöre.51

Wahrscheinlich ist Iniesta der Fußballer auf der Welt, der sich am besten auf engem Raum bewegt. Trotz der Belagerung mehrerer Gegenspieler und der obersten Instanz einfachster Fußballregeln in Gestalt der linken Seitenlinie tanzt sich Iniesta in neun von zehn Fällen geschickt heraus, weil ihm der Ball auf das Wort gehorcht. Ich würde meinen, dass ich den Ball angesichts der Streicheleinheiten manchmal schnurren hörte …

Ebendiese Fähigkeit, sich elegant aus brenzligen Situationen zu lösen, als wäre er ein Magier, der sich gefesselt im Wasser versenken lässt und sich doch wieder befreit, war Anlass für einen Tweet, der bei der EM 2012 schnell zum Trending Popic wurde. In einer Fotomontage sieht man Iniesta inmitten von fünf Angreifern der italienischen Nationalmannschaft. Damit wurde eine Szene der beliebten Comic-Serie Supercampeones nachgestellt, wonach der Held Oliver Atom seine Gegner reihenweise ausschaltet.52

In Deutschland lief sie unter Kickers und gehört zum Genre der Mangas, sie geht auf Noriaki Nagai zurück und wurde 1986 als Anime-Fernsehserie umgesetzt. Sie fand in Japan zwar nur mäßigen Zuspruch, ist aufgrund ihrer Affinität zum Fußball allerdings in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Brasilien sehr beliebt.53