111 Gründe, den VfL Wolfsburg zu lieben - Lars M. Vollmering - E-Book

111 Gründe, den VfL Wolfsburg zu lieben E-Book

Lars M. Vollmering

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Beschreibung

'Plastik-Club', 'Geldsackverein ohne Tradition' oder 'Söldnerparadies' - häufig wird der VfL Wolfsburg mit wenig schmeichelhaften Vorurteilen überschüttet. Zeit, damit aufzuräumen. Spätestens seit dem Gewinn der Meisterschale 2009 ist klar: Der VfL ist die aufstrebende Kraft im deutschen Fußball. Stars wie Grafite, Diego, Džeko, Effenberg, Marcelinho, Petrow, Olic, Präger, Mandžukic, Helmes, Naldo, oder Sarpei bereicherten im VfL-Trikot die 1. Liga, neue Hoffnungsträger aus dem eigenen Nachwuchs wie Knoche und Arnold erobern sie im Sturm. Was häufig vergessen wird: Der Weg aus den Niederungen der Oberliga an die Spitze war lang und steinig. Den Arbeiterclub von der Aller zeichnet aber aus, sich selbst aus den schwierigsten Momenten herauszukämpfen und niemals aufzugeben. 111 Gründe, den VfL Wolfsburg zu lieben ist ein emotionaler Blick hinter das grüne Burgwappen auf der Brust des großartigsten Fußballvereins der Welt, mit Geschichten von den schwierigen Anfängen und Rückschlägen bis zu rauschenden Siegen und emotionalen Herzschlagfinals. EINIGE GRÜNDEWeil bei uns die Hacke Gottes gespielt hat. Weil wir die Nummer 10 der Herzen haben. Weil wir in einer Baracke geboren wurden. Weil uns Felix Magath zum Meister gemacht hat. Weil wir das beste Stürmerduo aller Zeiten hatten. Weil wir älter sind als der 1. FC Köln. Weil unsere Vereinsflagge einmal um die Welt getragen wurde. Weil wir einst um die Lizenz fürchten mussten. Weil wir seitdem nie wieder um die Lizenz fürchten mussten. Weil wir unabsteigbar sind. Weil uns Bernd Schuster erspart geblieben ist. Weil wir Fach und Strunz überstanden haben. Weil wir sogar englischen Trainern eine Chance geben. Weil wir dank Jürgen Klopp in der Bundesliga sind. Weil wir nicht nachtragend sind. Weil der VfL glücklich macht. Weil wir die härteste 2. Liga der Welt überstanden haben. Weil bei uns die Tickets bezahlbar sind. Weil man nicht nach Braunschweig muss. Weil wir besser sind als Hannover 95+1. Weil sogar unsere Frauen überragend kicken können. Weil 'Chancentod' unser Held ist. Weil wir bei Auswärtsfahrten im Block nicht drängeln müssen. Weil uns Familie Ivanauskas mal kann. Weil wir von Geburt an Wölfe sind.

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Lars M. Vollmering

111 GRÜNDE, DEN VfL WOLFSBURG ZU LIEBEN

Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt

INHALT

•Weil bei uns die »Hacke Gottes« gespielt hat 16

•Weil wir die Nummer 10 der Herzen haben 19

•Weil wir mit Willi den Durchbruch geschafft haben 22

•Weil wir unabsteigbar sind 25

•Weil uns Felix Magath zum Meister gemacht hat 27

•Weil bei uns sogar die Frauen überragend kicken können 32

•Weil Martin Petrow vier Dinger in einem Spiel macht 35

•Weil Seppel extra aus der Schweiz anreist 37

•Weil Mr. Doppelpack bei uns eingenetzt hat 39

•Weil Dieter und Klaus uns wieder auf Kurs gebracht haben 41

•Weil bei uns das beste Stürmerduo der Bundesliga-Geschichte gespielt hat 44

•Weil wir in einer Baracke geboren wurden 47

•Weil wir schon von Geburt an Wölfe sind 49

•Weil Stadt und Verein untrennbar miteinander verbunden sind 51

•Weil uns »Jupp« die Treue gehalten hat 54

•Weil wir auch Finalniederlagen wegstecken 56

•Weil schon unser dienstältester Trainer den Wolf im Namen trägt 58

•Weil wir uns in der härtesten 2. Liga aller Zeiten durchgebissen haben 61

•Weil wir UI-Cup-Rekordteilnehmer sind 63

•Weil wir dank Jürgen Klopp in der Bundesliga sind 66

•Weil schon Atlético Madrid nötig war, um uns zu stoppen 69

•Weil Siggi reich geworden ist 73

•Weil ausgerechnet ein Schäfer unser Rekordwolf ist 75

•Weil »Chancentod« unser Held ist 79

•Weil Martina zwei Champions-League-Finals entscheidet 82

•Weil wir mit Robin & Maxi in die Zukunft gehen 85

•Weil wir den Trainer mit der geilsten Frisur hatten 88

•Weil »Gucci« für uns in drei Ligen abgeräumt hat 91

•Weil ein Wolf die Wölfe am Leben hielt 94

•Weil uns Mario Mandžukić den A… gerettet hat 96

•Weil uns Gerald stolz gemacht hat 99

•Weil wir mal um die Lizenz zittern mussten (und seitdem nie wieder!) 103

•Weil wir älter sind als der 1. FC Köln 106

•Weil uns die 50-plus-1-Regel völlig wurscht ist 107

•Weil wir Gründungsmitglied der 2. Bundesliga sind 111

•Weil uns keiner leiden kann, und wir trotzdem immer wiederkommen 112

•Weil wir einen tollen Rückhalt haben 117

•Weil wir ein Arbeiterverein sind 121

•Weil unser Hauptsponsor auch anderen gern was abgibt 124

•Weil wir zum Glück kein Traditionsverein sind 127

•Weil wir auch an andere denken 131

•Weil wir sogar in China super ankommen 133

•Weil wir aus allem immer das Beste machen 135

•Weil wir die jüngsten Fans haben 138

•Weil wir »sturmfest & erdverwachsen« sind 141

•Weil wir schon immer die Gegner aufs Kreuz gelegt haben 144

•Weil wir Blaue Engel sind 147

•Weil wir mehr sind als ein Sportverein 150

•Weil wir besser sind als Hannover 95+1 154

•Weil man bei uns nicht nach Braunschweig muss 156

•Weil es den »Hügel der Leiden« nur bei uns gibt 159

•Weil wir sogar Olympiasieger auf dem Platz hatten 161

•Weil bei uns sogar der Manager Verantwortung übernimmt, wenn der Trainer falsch aufstellt 164

•Weil wir irgendwann auch in Leverkusen und München gewinnen 166

•Weil Zoltan unser erster Adler war 169

•Weil bei uns alle mal spielen dürfen 172

•Weil wir sogar englischen Trainern eine Chance geben 174

•Weil Charlie ’ne Antenne hatte 176

•Weil Fernando Baiano was in der Hose hatte 179

•Weil wir ohne Bernd Schuster ausgekommen sind 182

•Weil wir Fach und Strunz überstanden haben 186

•Weil wir die beste Stadionwurst haben 189

•Weil bei uns im Stadion zwei Drittel eine Dauerkarte haben 192

•Weil wir bei Auswärtsfahrten im Block nicht drängeln müssen 195

•Weil unsere Vereinsflagge einmal um die Welt getragen wurde 197

•Weil wir die »Schilderfrau« haben 199

•Weil zwei Fans unsere Vereinshymne geschrieben haben 203

•Weil wir höchstens mal ums Wappen streiten 206

•Weil unsere Fans sogar die Trikots gestalten dürfen 209

•Weil wir das 18. Auswärtsspiel haben 210

•Weil die Tickets bei uns bezahlbar sind 212

•Weil in Halle09 richtig gefeiert wird 215

•Weil der VfL glücklich macht 218

•Weil wir sowieso ein Herz für Kinder haben 220

•Weil wir Nazis keine Chance geben 222

•Weil wir nicht nachtragend sind 225

•Weil UNICEF unser Partner ist 228

•Weil sich Thomas Hitzlsperger bei uns ruhig hätte outen können 230

•Weil Siegmar unsere Stimme war 233

•Weil Rici und Joey dicke Kumpel sind 235

•Weil der VfL gut für die Liebe ist 238

•Weil der VfL so attraktiv für Frauen ist 240

•Weil sich Oma Hildegard um die Tickets kümmert 242

•Weil »Auge« auf Pressekonferenzen die Fragen selbst stellt 245

•Weil schon ein riesiges Unwetter her muss, um uns aufzuhalten 247

•Weil in unserer Arena auch Weltstars gern zu Gast sind 249

•Weil am Kanal die schönste Joggingstrecke liegt 251

•Weil wir Karl Lagerfeld nicht brauchen 254

•Weil wir beim ersten Elfmeterschießen im DFB-Pokal dabei waren 256

•Weil sogar der Oberbürgermeister mit in der Kurve steht 258

•Weil uns auch Stromausfälle nichts anhaben können 261

•Weil Klimo einen Lieblings-Schiri hatte 262

•Weil sogar Weltmeister gern bei uns arbeiten 265

•Weil wir nie aufgeben 267

•Weil unser Nachwuchs allen das Fürchten lehrt 269

•Weil bei uns geredet wird und keine Wurfgeschosse fliegen 272

•Weil wir uns alles hart erarbeitet haben 275

•Weil uns Familie Ivanauskas mal kann 277

•Weil sogar unsere Amateure den Deutschen Meister aus dem Pokal kegeln 280

•Weil es bei uns nach Toren »Rama Lama Ding Dong« macht 282

•Weil bei uns nur echte Kerle spielen 285

•Weil wir Marcelinho gezähmt haben 288

•Weil bei uns schon der große Pelé zu Gast war 292

•Weil bei uns sogar die zweite Mannschaft ein neues Stadion bekommt 294

•Weil ich sonst gar nicht mehr mit meiner Frau streiten würde 297

•Weil Granato den Italiener in uns geweckt hat 299

•Weil der VfL mehr Facebook-Fans hat als Braunschweig 302

•Weil unser Meister-Keeper sogar ohne Vertrag spielt 304

•Weil bei uns die Parkplatzsituation besser ist als auf Schalke 306

•Weil wir rund ums Stadion eine ganze Erlebniswelt haben 308

•Weil wir immer noch besser werden können 310

WIR SIND DER ZWÖLFTE MANN,

FUSSBALL IST UNSERE LIEBE!

Für Jolina Marie

Vorwort

WEIL ES ENDLICH MAL ZEIT WIRD …

Als mir ausgerechnet ein Fan von Hannover 96 erzählte, dass es noch kein 111 Gründe …-Buch über den VfL Wolfsburg gibt, konnte ich es eigentlich nicht glauben. Oder eben doch. Es passt so ein bisschen ins Bild. Als Wahlrheinländer weiß ich, wie sich in dem Punkt Exoten-Status anfühlt. Welche Reaktionen es etwa in dieser Region gibt, wenn man sich als Anhänger des VfL Wolfsburg »outet«. Es hat etwas vom Veganer im Steakhaus. Ein verständnisloser Gesichtsausdruck der Gladbacher, Schalker, Kölner, Dortmunder usw. ist meistens die Folge, abgemildert höchstens dadurch, dass man in Wolfsburg geboren ist. »Ja, dann kann man es noch verstehen …«, lautet häufig die gönnerhafte Antwort. Zu oft habe ich dann geschwiegen, weil die Diskussion ja doch nur wieder in die Tradition-, Neid- und Geld-Debatte abgeglitten wäre. Entsprechend ist dieses Buch auch für mich eine Art Therapie. Weil es endlich mal Zeit wird, ein paar Dinge richtigzustellen. Weil es endlich mal Zeit wird, mit Vorurteilen und Klischees aufzuräumen. Weil es endlich mal Zeit wird, auch mit etwas Selbstironie den eigenen Unzulänglichkeiten zu begegnen. Und weil es endlich mal Zeit wird, in die Offensive zu gehen.

Wer mag, kann jetzt gebündelt nachlesen, warum der VfL Wolfsburg ein großartiger Verein ist und tolle Fans hat. Auch wenn ihm beides häufig abgesprochen wird. Die zusammengetragenen Fakten, Geschichten und Anekdoten rund um den Verein sprechen für sich. Für meinen Teil kann ich sagen, dass ich mich, während der Recherche zu diesem Buch, neu in den VfL verliebt habe. Oftmals habe ich beim Schreiben gesessen und mir gedacht: Echt, das ist so passiert? – Tolle Geschichte! Und um schon mal auf den 111. Grund in diesem Buch hinzuweisen: Wir können immer noch besser werden.

Als mein Schwager geheiratet hat, habe ich mich von der Hochzeit weggeschlichen, um das Spiel in der Meistersaison gegen Hannover sehen zu können. Um ein Heimspiel mitzuerleben, setze ich mich auch mal 740 Kilometer ins Auto. Doch das ist nichts gegen die vielen Menschen, deren Geschichten ich für dieses Buch zusammengetragen habe; Menschen, die sich für den VfL Wolfsburg, nicht nur an Spieltagen, voll reinhängen und alles geben. Sei es als Spieler, Trainer, Fan oder Mitarbeiter. Teil dessen zu sein, ist ein schönes Gefühl.

Mir war deshalb wichtig, in diesem Buch nicht lediglich zu erfassen, wer etwa 1974 mal am 15. Spieltag das entscheidende Tor geschossen hat. Vielmehr geht es darum, zu zeigen, was den VfL ausmacht. Im Fußball, aber vor allem auch darüber hinaus. Und dass wir für unseren Verein genauso einstehen, wie es anderswo auch der Fall ist. Dass wir genauso mitleiden, mitfühlen und uns mitfreuen. Deswegen bin ich froh und dankbar, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, dieses Buch schreiben zu dürfen. Auch um es jedem zu sagen, der es hören und lesen möchte: Ich bin stolz, ein Fan des VfL Wolfsburg zu sein. Und ich weiß, dass es mit diesem Satz ganz vielen so geht wie mir …

Lars M. Vollmering

KAPITEL 1

GRÜN & GROSSARTIG

1. GRUND

Weil bei uns die »Hacke Gottes« gespielt hat

Es gibt Tage, da wissen alle Menschen genau, wo sie zu dem bestimmten Ereignis waren, und wie sie es erlebt haben. Die Mondlandung, der 11. September, das erste Mal zum Beispiel. Bei uns Wolfsburgern ist es der 4. April 2009 um kurz nach fünf Uhr nachmittags. Die Legende will es natürlich, dass jeder, mit dem man heute spricht, live im Stadion war. Da stört es auch nicht, dass es im Allerpark noch keine Arena mit einem Fassungsvermögen von 120.000 Zuschauern gibt. Egal, alle waren dabei. Irgendwie.

Es war der Moment, als ein schwarzer Engel vom Fußball-Firmament herabstieg und den VfL endgültig auf die Bundesliga-Landkarte katapultierte. Es war der Moment, als der Ball auf den linken Flügel gespielt wurde und sich der Brasilianer Grafite auf die Reise machte. Auf die lange Reise durch die Reihen des amtierenden Deutschen Meisters Bayern München.

Was dann folgte war kein Fußball. Es war kein Kicken auf grünem Rasen. Es war vielmehr wie eine Beethoven-Sinfonie oder ein Rilke-Gedicht. Etwas, was man genießt. Etwas Einmaliges. Etwas für Herz und Seele. Etwas, was man noch in Generationen mit feuchten Augen den Enkeln weitererzählt. Auch wenn man nicht im Stadion war.

Viel ist geschrieben worden, über jenes 5:1 mit der Hacke, das dem wichtigsten Sieg auf dem Weg zur ersten Meisterschaft die Krone aufsetzte. Für die BILD-Zeitung war es eine »wahre Augenweide«, »Zauberfußball« jubelte der Kicker und selbst von der Konkurrenz gab es Lob. In einem Fan-Forum von Hertha BSC hieß es damals: »Wahnsinn, kann ich mir immer wieder anschauen.« Auch diesem Autor ging es nicht anders: Ich kann zu dem Moment nur sagen, dass ich aufgehört habe zu atmen, als Grafite in den Strafraum eindrang und zunächst Ottl umspielte und dann Lell stehen ließ. Auch Torwart Rensing und Breno wurden noch links liegen gelassen wie eine lästige Angewohnheit. Nationalmannschaftskapitän Lahm konnte auch nicht mehr eingreifen, als Grafite zur ultimativen Demütigung ansetzte, sie mit der »Hacke Gottes« vollendete und der Ball in Zeitlupengeschwindigkeit ins Tor trudelte. Kurz danach setzte auch die Atmung wieder ein. Böse Zungen behaupten, dass die genannten Spieler (außer Philipp Lahm) auch wegen Grafite anschließend nicht mehr für Bayern spielen durften oder den Club verlassen mussten.

Die Bedeutung des Treffers erschließt sich auch eigentlich erst so richtig, wenn man die Aufstellung der Bayern an diesem 4. April erwähnt: Ribéry, Luca Toni, van Bommel, Schweinsteiger, Zé Roberto und Podolski standen auch auf dem Platz. Also beileibe keine Laufkundschaft. Auf der Bank saß Jürgen »Die Zahnpasta-Reklame« Klinsmann, der nach dem 5:1 erst sein Lächeln verlor und wenig später auch den Trainerposten beim FC Hollywood. Und nebendran hockte Uli Hoeneß mit einem Gesicht, das länger war als ein Wochenendstau auf der A8. Der mächtige Bayern-Macher schuldet uns bis heute übrigens einen Meisterbalkon am Rathaus, den er angeblich mal vollmundig versprochen hatte.

Und was hat Grafite selbst zu seinem Traumtor gesagt, das selbstverständlich und völlig zu Recht auch zum Tor des Jahres gewählt wurde? Der Schütze hat es mal ganz pragmatisch umschrieben: »Mir blieb einfach nur die rechte Hacke übrig. Ich bin froh, dass ich den Ball nicht fester getroffen habe. Sonst wäre er wohl vorbei gegangen.«1

Das ist einer der Gründe (natürlich neben dem Tor), warum die VfL-Fans den Brasilianer für immer ins Herz geschlossen haben: seine Bescheidenheit und die ansteckend gute Laune. Und, auch wenn man das kaum glauben mag: Grafite war transferpolitisch ein echtes Schnäppchen für einen Stürmer dieser Güte. Für gerade mal kolportierte 5,6 Millionen war der Kicker mit dem so schwierig-einfachen Namen aus dem französischen Metz nach Wolfsburg gewechselt. »Grafit-e«, »Graphitsch« oder »Grafitischi«, wie Felix Magath immer sagte. Grafite selbst meinte immer, wie die Leute seinen Namen aussprechen, sei ihm eigentlich egal: Hauptsache die Fans würden ihn mögen. Ein Wunsch, der sich bis heute erfüllt hat.

2. GRUND

Weil wir die Nummer 10 der Herzen haben

Es ist ein Ritual, das so fest zum VfL Wolfsburg gehört wie das Tragen der Vereinsfarben oder das Zeichen der Burg auf der linken Brust. Und auch nach all den Jahren jagt es einem echten Fan im Stadion immer noch Gänsehaut über den Rücken. Immer, wenn der Stadionsprecher die Mannschaftsaufstellung verliest, den Vornamen nennt und die Arena mit dem Ruf des Nachnamens antwortet, endet die Vorstellung nicht mit dem Namen des Trainers oder der Ergänzungsspieler. Nein, in Wolfsburg ist das anders. Dort wird zusätzlich immer noch der Name eines Spielers genannt. Einer, der nicht mit auf dem Platz steht. Stehen kann. Er wird trotzdem vorgestellt, meistens mit den Worten: »Er ist es und wird es immer sein. Unsere Nummer 10 der Herzen. Krzysztof Nowak.«

»Nur« 83 Bundesliga-Spiele konnte Nowak für den VfL bestreiten, in denen er zehn Tore erzielte. Aber diese Zahlen sind unwichtig. Wichtig ist der Mensch, dessen Schicksal in unserer Stadt keinen kaltgelassen hat. Er war unser Spielmacher. Einer, der das Spiel lesen konnte wie kein Zweiter. Einer der großen Hoffnungsträger, auch für die polnische Nationalmannschaft. Für die stand er zwischen 1997 und 1999 zehn Mal auf dem Platz. Sogar Bayern München dachte über die Verpflichtung von Nowak nach.

Er ist auf dem Weg nach oben, als die Diagnose kommt. Der Schrecken, der Albtraum, das Unfassbare. Amyotrophische Lateralsklerose (ALS). Eine unheilbare, tödliche Nervenkrankheit. Die Muskeln machen nicht mehr das, was das Gehirn befiehlt. Für einen Profisportler das definitive Karriereende, für den Menschen ein Kampf ums Überleben. Nowak ist zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt. Selbst die einfachsten Handgriffe kann man mit dieser Krankheit nicht mehr allein ausführen. Seine Frau Beata und die Kinder Maksymilian und Maria-Magdalena geben ihm Kraft durchzuhalten.

Nowak besucht weiter die Spiele des VfL. Während die Teamkameraden auf dem Platz um Punkte kämpfen, kann der ehemalige Klasse-Mittelfeldspieler nur am Rand die Daumen drücken. Zum Schluss im Rollstuhl. Er kommt trotzdem, sitzt auf seinem Stammplatz. Direkt neben der Trainerbank. Sein damaliger Coach Wolfgang Wolf sagte: »Krzysztof ist immer noch Teil der Mannschaft.« – »Er ist für viele von uns ein Freund«2, meinte Manager Peter Pander. Es sind keine leeren Worte. Mannschaft und Geschäftsführung gründen mit Nowaks Namen eine Stiftung, mit deren Geld bis zum heutigen Tag anderen ALS-Patienten geholfen wird. Der große FC Bayern kommt im Januar 2003 zu einem Benefizspiel für die Stiftung nach Wolfsburg. Der VfL gewinnt 1:0. Doch das Ergebnis ist unwichtig. Wichtiger: Es kommen 400.000 Euro zusammen. Noch wichtiger: Die Fans feiern Nowak mit »Du bist der beste Mann!«. Fast 17.000 sind gekommen an diesem eiskalten Januartag.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Wolfsburger Spielmacher zwei Jahre zuvor das letzte Spiel für »seinen« VfL gemacht. Ein 3:1-Sieg in Berlin gegen Hertha BSC. Schon da fühlte er sich schwach, wollte der Körper nicht mehr so, wie er wollte. Doch die Diagnose stand erst zwei Monate später fest. Lange hatten die Ärzte Probleme gehabt festzustellen, was Nowak tatsächlich fehlte. Von einem Tag auf den anderen ist die vielversprechende Profikarriere vorbei. Stoff, aus dem normalerweise tragische Hollywoodfilme gemacht werden. Es folgen Arztbesuche auf der ganzen Welt, doch keiner kann dem Nationalspieler helfen. Nowak nimmt sein Schicksal an und kämpft. Er will weiter am Leben teilhaben, lässt sich häufig sogar zum Training der Bundesliga-Mannschaft fahren. Um zuzusehen. Um dabei zu sein. Nowak sagt damals selbst: »Fußball war 15 Jahre das Wichtigste in meinem Leben. Jetzt spiele ich nicht mehr, aber meine Kollegen geben mir Kraft.«3

Am 26. Mai 2005 stirbt Krzysztof Nowak. Er ist auf dem Waldfriedhof in Wolfsburg begraben. Seine Legende aber lebt bei jedem Heimspiel des VfL weiter. Immer dann, wenn der Stadionsprecher die Nummer 10 der Herzen ankündigt.

3. GRUND

Weil wir mit Willi den Durchbruch geschafft haben

Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern. Es war 11.30 Uhr am 24. Oktober 1995 in dem schmucklosen Presseraum hinter dem Stadion am Elsterweg. Man hatte mich als kleinen Zeitungsvolontär an diesem Tag zum VfL geschickt, um über die Vorstellung des neuen Trainers zu berichten. Der hatte gerade noch das erste Training geleitet und kam anschließend in den Presseraum, um der wartenden Journaille präsentiert zu werden. Willi Reimann hieß der Neue, der mit gestrengem Blick hinter der für ihn typischen Brille und den restlichen, zurückgekämmten Haaren mit uns Handvoll Schreiberlingen an der Tischgruppe Platz nahm. Damals war halt alles noch etwas familiärer.

Selbst ich als Fußballfan konnte zu diesem Zeitpunkt mit dem Namen Willi Reimann wenig anfangen, hätte ihn wahrscheinlich googeln müssen, wenn es damals Google schon gegeben hätte. Der VfL hatte den ehemaligen und erfolgreichen HSV-Spieler (Meister, Pokalsieger) vom SV Lurup Hamburg losgeeist – also nicht gerade der ersten Fußball-Adresse in der Hansestadt. Aber jetzt war Willi da. Und er sollte den VfL aus der Abstiegsgefahr in der 2. Bundesliga befreien, in die der Club unter Vorgänger Gerd Roggensack geraten war. Jener hatte uns immerhin ins DFB-Pokalfinale gebracht. Danach war es aber bergab gegangen und Reimann sollte es richten. Zwei Dinge sind mir von jenem Tag im Gedächtnis geblieben:

Erstens, dass Manager Peter Pander sich bei mir entschuldigte, weil er während der Fragerunde meinen Namen nicht kannte. Das sei natürlich verziehen, denn es war mein erster Arbeitstermin beim VfL.

Und zweitens, dass ich dem neuen Trainer eine Aussage entlockte, die typisch für Reimanns Arbeitsweise beim VfL werden sollte: »Ich bin kein bequemer Trainer. Ich werde Spieler, die fleißig sind und viel arbeiten, schätzen und unterstützen, aber Spieler, die nicht so fleißig sind, werden es bei mir schwer haben.«4 Sprach’s und kündigte zugleich eine, na, sagen wir mal, Intensivierung des Trainingsprogramms an. So war er, der Fußball-Lehrer, der Branko Zebec als sein Trainer-Vorbild angab. Viele nannten ihn einen »Schleifer«, einen »harten Hund«. Einer, mit dem der Spieler Willi Reimann nie klargekommen wäre. Denn zu seiner aktiven Zeit galt Stürmer Willi als eher schwierig.

Für den VfL Wolfsburg war der gebürtige Münsterländer aber in dieser Phase genau der richtige Mann. Und er wusste genau, wie er sich bei den Fans am besten einführt: mit einem Sieg gegen Hannover 96 im ersten Spiel nach Amtsantritt. Dort gewann der VfL mit 1:0 (Tor: Tyszkiewicz). Auch das Projekt Klassenerhalt gelang anschließend.

Was dann folgte, war die absolute Traumsaison. Willi trieb sein Team zu Höchstleistungen und schließlich zum Vize-Meistertitel inklusive Aufstieg in die Bundesliga. Der Durchbruch für unseren Verein und eine Leistung, für die dem knorrigen Trainer ewiger Dank der VfL-Fans gebührt. Bei den Feierlichkeiten zum Aufstieg konnte ich ihm noch mal die Hand schütteln und gratulieren. Ich glaube aber nicht, dass er sich an unsere erste Begegnung damals im Presseraum erinnern konnte.

Leider hielt Reimanns Glückssträhne nicht mehr lange an. Als die Wölfe nach gutem Liga-Start immer mehr abdrifteten, bat der Aufstiegs-Trainer um seine Vertragsauflösung und kehrte Wolfsburg den Rücken. Schlagzeilen lieferte er noch einmal, als er auf einer seiner weiteren Trainerstationen in Frankfurt mal den vierten Offiziellen wegbuffte. Dafür gab es die bis dato höchste Strafe für einen Coach in der Geschichte des DFB: fünf Spiele Sperre und 25.000 Euro Geldstrafe. So hat er sich in Wolfsburg selbstverständlich nie aufgeführt.

Zum Ende seiner Trainerkarriere führte es ihn noch mal in die Nachbarschaft: Nach einem kurzen Engagement bei Peine-Ost verabschiedete sich Willi Reimann ab 2007 in den Ruhestand auf die Insel Sylt.

4. GRUND

Weil wir unabsteigbar sind

Viele haben sich so bezeichnet und sind doch wieder in der Versenkung verschwunden. Viele glaubten, sie würden ewig dazugehören, doch daraus wurde nichts. Und selbst die Clubs, die sich häufig für die größten in Deutschland halten, können in der Kategorie nicht mithalten. Dafür gehört der VfL Wolfsburg in diesen elitären Kreis und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. In diesem Zusammenhang von der Ewigkeit zu sprechen ist zwar etwas hochgegriffen – aber egal. Die Faktenlage ist ja eindeutig und deswegen kann man den VfL auf alle Fälle lieben: weil wir unabsteigbar sind.

Geprägt wurde der Begriff ja eigentlich vom VfL Bochum. Die angeblich »Unabsteigbaren« sprangen dem Zweitliga-Tod tatsächlich ein paar Jahre in letzter Minute noch von der Schippe, am Ende landete man doch dort, wo es sich die leeren Plastikbierbecher gemütlich machen: unten auf dem Boden (der Tatsachen). Und so wurden mit den Jahren neben Bochum auch aus vermeintlich »unabsteigbaren« Truppen wie Freiburg, Nürnberg, Köln oder Hertha doch vor allem eins: Fahrstuhlmannschaften.

Der VfL Wolfsburg hingegen gehört einem auserlesenen Club an, in dem sich nur sechs andere Teilnehmer (Stand 05/14) bis jetzt tummeln. Denn nur sechs Bundesligisten sind noch nie aus der Bundesliga abgestiegen: der Dino Hamburger SV, der FCB aus M., die Pillendreher aus Leverkusen und der VfL Wolfsburg.

»Moment!«, werden jetzt ganz aufmerksame Leser aus Westhagen sagen: Da fehlen doch noch drei. Ja, das ist absolut richtig gerechnet. Nur die anderen kann man eigentlich vernachlässigen. Es handelt sich nämlich um Hoffenheim, Paderborn und den FC Augsburg. Die sind aber nicht mal zehn Spielzeiten dabei. Deshalb jemanden schon als »unabsteigbar« zu bezeichnen, wär dann auch zu viel des Guten. Da müssen die »neuen« Clubs schon mal die Dekade vollmachen, um sich dieses Prädikat zu verdienen.

Für den VfL Wolfsburg ist es ein tolles Gefühl, zu den Unabsteigbaren zu zählen. Ein Attribut, wo Gladbach, Schalke oder Bremen nicht mithalten können, geschweige denn Hannover und Braunschweig. Ich finde, darauf darf man auch mal ein bisschen stolz sein.

Okay, zugegeben: Ein paar Mal war es für den VfL richtig knapp und das Label der Unabsteigbarkeit hatte schon richtige Dellen und blätterte so langsam ab wie alte Raufaser von der Wand. Doch unterm Strich haben wir die Klasse immer wieder gehalten. Und ist es nicht das, was eine Mannschaft gefühlt »unabsteigbar« sein lässt. Ein Signal, das im Ernstfall auch an die Konkurrenz ausgesendet wird: Die werden sich immer irgendwie retten, denn es hat ja schon ein paar Mal geklappt. Das kann psychologisch tatsächlich ein kleiner Vorteil sein, wenn es für den VfL noch mal hart auf hart kommen sollte (was es natürlich nicht wird).

5. GRUND

Weil uns Felix Magath zum Meister gemacht hat

Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath.Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. DANKE, FELIX Magath. Danke, FelixMagath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, FelixMagath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath.Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath.Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. DANKE, FELIX Magath. Danke, Felix Magath. Danke, FELIX MAGATH. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. DANKE, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. DANKE, FELIX MAGATH. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, FelixMagath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. DANKE, Felix MAGATH.Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, FELIX MAGATH. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. DANKE, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. DANKE, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, FELIX MAGATH. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix MAGATH. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. DANKE, Felix Magath. DANKE, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath. Danke, Felix Magath.

Das sind jetzt getreu dem Buchtitel 111 Dankeschön an unseren Meistertrainer Felix Magath. Und selbst die sind noch zu wenig. Völlig unabhängig, was anschließend folgte (darauf wird hier ja an anderer Stelle auch noch eingegangen), ist die Leistung von Mannschaft und Trainer im Jahr 2009 nicht hoch genug einzuschätzen. Viel ist geschrieben, viel beweihräuchert, viel besungen, viel mystifiziert worden. Ich will das an dieser Stelle gar nicht alles wiederholen. Andere Gründe dieses Buches werden sich noch mit den Details beschäftigen, denn es sind gerade diese Einzelheiten im Zuge der Meisterschaft 2008/09, die diesen Verein liebenswert machen.

Hier an dieser Stelle soll nur der Anteil des Trainers gewürdigt werden. Denn Magath hat es geschafft, in zwei Jahren aus einem Abstiegskandidaten einen Deutschen Meister zu machen. Deutscher Meister, das klingt im Zusammenhang mit dem VfL immer noch geil, weil es so überraschend kam, so verdient war, so vielen Kritikern, Entschuldigung für die Ausdrucksweise, das Maul stopfte. Weil man endlich den Respekt und die Anerkennung bekam, sogar von Menschen, die sonst nur abfällig auf den »Retortenclub aus Niedersachsen« schauen. Kurzum, es war ein Streichler für die Seele, den man wohl nur als VfL-Fan nachvollziehen kann. Das Wort »Genugtuung« machte die Runde. Und im Wolfsburger Lexikon ist seit 2009 neben diesem Begriff das Foto von Felix Magath abgebildet.

Allen war klar, dass nach der Verpflichtung des doppelten Double-Gewinners aus München die Uhren in Wolfsburg anders gehen würden. Doch dass man mit Felix als Trainer so schnell den Bundesliga-Olymp erklimmen würde, dies war wohl selbst für den Meistertrainer eine dicke Überraschung. Wenngleich die Marschroute vom ersten Tag an vorgegeben war. »Wir wollen uns dauerhaft an der Bundesligaspitze festsetzen, und dafür trage ich die Verantwortung«5, sagte Felix Magath gleich zu Arbeitsbeginn.

Wie gesagt: Theorien, warum es zur ersten Meisterschaft reichte, gibt es mehr als Schönheitsoperationen bei Cher. Für mich hat der Trainer aber vor allem in drei Punkten ganz entscheidenden Anteil:

1.Wir waren fit: Drei Trainingslager, etwa ein Dutzend Testspiele, Medizinbälle, Sprungseile, das volle Programm aus dem »Quälix-Arsenal«. So eine Vorbereitung hatte es in Wolfsburg noch nicht gegeben. Folge: Körperlich war der VfL gerade in der entscheidenden Phase der Meisterschaft einfach stärker und besser. Zum Schluss haben wir Mannschaften wie Hannover, Bremen, Bayern, Dortmund und Hoffenheim mit einer unglaublichen Physis einfach überrannt.

2.Die Zusammenstellung der Mannschaft: Ja, es klingt komisch, aber man kann die Transferpolitik von Felix Magath auch loben. Nach seiner Verpflichtung verpasste er der Mannschaft nicht nur ein neues Gesicht, nein, er stellte vielmehr alles auf den Kopf. Zahlreiche Abgänge, fast genauso viele Zugänge, das System Magath griff hier voll. Es war aber die Mischung, die der Trainer zusammenrührte: Hungrige, hier nahezu unbekannte Neuverpflichtungen (Džeko, Grafite, Josué), international erfahrene Spieler (Barzagli, Benaglio) und junge deutsche Spieler (Schäfer, Riether, Gentner). Hinzu kam noch ein Absteiger vom 1. FC Nürnberg (Misimović), der es noch mal allen zeigen wollte. Dieser Mix war teuflisch heiß – und erfolgreich.

3.Der Umgang mit dem Druck: Ich kann mich noch gut an jenes Interview von Felix Magath erinnern, das er kurz vor dem Hoffenheim-Spiel am 30. Spieltag (4:0) bei Sky gegeben hat. Dort hat er zum ersten Mal darüber gesprochen, dass der VfL Meister werden möchte. Vorher hatte er das gebetsmühlenartig immer wieder dementiert und die Favoritenrolle den Bayern zugeschoben. Mit diesem Trick nahm Magath kontinuierlich den öffentlichen Druck von der Mannschaft, auch wenn wahrscheinlich intern ganz anders gesprochen wurde. Erst als er sich sicher sein konnte, dass die Mannschaft mit mehr Selbstbewusstsein als Dieter Bohlen aufgepumpt war, ließ er die Wölfe völlig von der Leine, die dann die Meisterschaft ins Ziel brachten. Dabei ließ sich die Truppe um Kapitän Josué dann auch weder von den Gerüchten um den bevorstehenden Magath-Abschied, noch von sportlichen Rückschlägen wie beim 1:4 in Stuttgart aus der Ruhe bringen. Und bescherten den VfL-Fans den geilsten Erfolg ever, ever, ever …

6. GRUND

Weil bei uns sogar die Frauen überragend kicken können

Es war der Höhepunkt einer Fabelsaison. Der Moment, als Spielführerin (»Kapitänin« klingt immer irgendwie merkwürdig) Nadine Keßler den großen Silberpott für den Gewinn der Champions League in den Londoner Abendhimmel streckte, war für viele noch gar nicht fassbar, was frau Historisches vollbracht hatte. Alle drei Titel abgeräumt in der Saison 2012/13, die es zu gewinnen gab, also zusätzlich noch Meisterschaft und Pokal. Wenn einem das nicht wie Essig über die Zunge laufen würde, könnte man sogar vom »FC Bayern München des Frauenfußballs« sprechen, so dominant und erfolgreich waren unsere Damen unterwegs. Und für einige VfL-Frauen gab es sogar anschließend noch die Krönung mit dem Gewinn der Europameisterschaft. Unnötig zu erwähnen, dass in der meisterhaften Bundesliga-Saison auch noch 71 Tore in nur 22 Spielen erzielt wurden, also ein echtes Offensiv-Spektakel, was die Mannschaft von Trainer Ralf Kellermann da ablieferte. In der folgenden Saison wurde der Triumph sogar fast noch wiederholt: Immerhin langte es für die Verteidigung des Champions-LeagueTitels und der Verteidigung der Meisterschale. Nebenbei wurde im alles entscheidenden Bundesliga-Match am letzten Spieltag gegen Frankfurt (2:1, Tore durch Faißt und Popp) noch ein neuer Zuschauerrekord im Frauen-Bundesliga-Fußball aufgestellt: 12.464 Besucher kamen ins Stadion am Elsterweg.

Doch bei allem Erfolg darf man nicht vergessen, dass auch der nicht über Nacht kam, sondern lang und hart erarbeitet wurde. Seit 2003 wird beim VfL Wolfsburg Frauenfußball gespielt. Damals wurde die Arbeit fortgesetzt, die schon in den 70er-Jahren beim VfR Eintracht Wolfsburg und später dann beim Wendschotter SV oder auch WSV Wolfsburg begonnen wurde. Doch auch nach Beginn der Ära beim VfL war nicht alles Gold, was auf den nationalen Pokalen glänzte und zunächst unerreichbar schien. 2005 musste sogar der bittere Gang in die Zweitklassigkeit angetreten werden. Doch seit dem direkten Wiederaufstieg ist der VfL auch bei den Frauen nach und nach eine echte Hausnummer im deutschen Fußball geworden.

Kontinuierlich etablierten sich die Damen im oberen Drittel der Bundesliga und setzten sich schließlich nicht nur die nationale, sondern auch internationale Krone auf. Und das in der Triple-Saison gegen einen Gegner im Champions-League-Finale aus dem französischen Lyon, den man ohne Zweifel als Übermannschaft bezeichnen konnte: Das Team hatte nämlich vorher 95 (!) Spiele in Serie nicht verloren. Die Wolfsburgerinnen aber beendeten diese Serie durch eine taktische und spielerische Meisterleistung und siegten schließlich mit 1:0 durch ein Tor per Handelfmeter von Martina Müller. Sogar die Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte und stellte anerkennend fest: »Sie hatten eine fantastische Saison.«6 Dem ist natürlich nichts hinzuzufügen …

7. GRUND

Weil Martin Petrow vier Dinger in einem Spiel macht

Solche Spiele vergisst man nicht. Vor allem, wenn man live im Stadion dabei war. Und es war mal wieder gegen Mainz. Irgendwie sind das immer ganz besondere Dinger. Es ist zwar nicht immer fair, sich einen Spieler herauszupicken, denn Fußball ist ja ein Mannschaftssport. Aber wenn jemand eine solche »One-Man-Show« abliefert, dann sei das mal gestattet. Die Rede ist natürlich von Martin Petrow.

Es war am 11. Spieltag der Saison 2004/05 schon deshalb ein besonderes Spiel, weil der VfL tatsächlich mal als Tabellenführer antrat. Nur leider trat man am Anfang der Partie nicht so auf. Relativ schnell gelangen nämlich Mainz zwei Tore und der VfL musste dem Rückstand hinterherlaufen. In einer kuriosen Schlussphase der ersten Halbzeit passierte das, weshalb man auch gern in Kauf nimmt, im Fanblock mal Bier als Eau-de-Toilette-Ersatz serviert zu bekommen: In der Nachspielzeit erzielte Petrow noch mit zwei Treffern den Ausgleich, darunter ein verwandelter Foulelfmeter.

In der zweiten Hälfte legte der Bulgare noch mal nach und netzte erneut zweimal ein, darunter wieder eiskalt mit einem Strafstoß. Vier Buden in einem Spiel und das Ganze nach 0:2-Rückstand, so was hatte es beim VfL Wolfsburg in der Bundesliga noch nicht gegeben. Überhaupt hatte noch niemals zuvor ein Bundesliga-Spieler in so kurzer Zeit von nur 17 Minuten vier Treffer erzielt. Und die Tore untermauerten, warum viele Fans in seiner bulgarischen Heimat Petrow »Sohn des Windes« nennen. Denn der Außenstürmer vom VfL war vor allem eins: wahnsinnig schnell. Hinzu kamen noch die Attribute einer guten Technik und starke Dribblings. Wenn Turbo-Martin auf der linken Angriffsseite steil geschickt wurde, hatten die meisten Abwehrreihen das Nachsehen. So erzielte er für den VfL in 116 Spielen 64 Scorerpunkte (28 Tore, 36 Vorlagen), war also in mehr als jedem zweiten Spiel an einem Tor beteiligt.

Klar, dass solche Leistungen, wie die vier Tore in einem Bundesliga-Spiel, Begehrlichkeiten anderer Clubs wecken. Und so zog es den 90-fachen bulgarischen Nationalspieler (Stand 03/14) doch noch weg vom VfL, für den er aber mit Abstand die meisten Vereinsspiele in seiner Karriere absolvierte. Durch eine Ausstiegsklausel bei kolportierten zehn Millionen Euro Ablöse konnte Petrow die Wölfe 2005 verlassen, um sich einen Kindheitstraum zu erfüllen: einmal in Spanien spielen. Also unterschrieb er bei Atlético Madrid.

Doch auch aufgrund verschiedener Verletzungen konnte Petrow weder in Madrid noch bei seinen weiteren Stationen in England (ManCity, Bolton) und noch mal Spanien (Espanyol Barcelona) an seine starken Leistungen beim VfL anknüpfen. 2013 kehrte der pfeilschnelle Stürmer in seine Heimat zurück und kickte für ZSKA Sofia.

8. GRUND

Weil Seppel extra aus der Schweiz anreist

Eigentlich kann man es kaum glauben. Beim Fußball gibt es ja viele, im positiven Sinn, »verrückte« Fans. Sie rasieren sich das Vereinswappen ins Haar, tätowieren sich ihre Lieblingsspieler auf die Haut oder fahren der Mannschaft überall hinterher. Oder aber sie legen für ein Heimspiel 1.600 Kilometer zurück. Wie bitte? 1.600 Kilometer? Wer macht denn so was? Für den VfL Wolfsburg noch dazu? Die Antwort ist ganz einfach und hat 14 Buchstaben: Josef Glanzmann, Spitzname »Seppel«. Fast an jedem Heimspieltag macht sich der Dauerkartenbesitzer auf den Weg nach Wolfsburg zu seinem VfL. Und zwar aus der Schweiz! Glanzmann wohnt dort im beschaulichen Städtchen Maienfeld. Das bedeutet: 800 Kilometer Hin- und 800 Kilometer Rückweg nach und von Wolfsburg. Da stellen sich natürlich vor allem zwei Fragen, erstens: Wieso macht man so was generell, wenn man noch alle Stollen an der Sohle hat? Und zweitens: Wieso ausgerechnet für den VfL Wolfsburg?

Wir beantworten die zweite Frage zuerst: »Es ist eine spezielle Atmosphäre in Wolfsburg, die nicht so einfach zu beschreiben ist. Nach einem Besuch in Wolfsburg wurde aus anfänglicher Sympathie mit der Zeit immer mehr. Heute bin ich ein ganz normaler Fan«7, so Seppel. Und was ist mit erstens? »Die Reisen zu VfL-Spielen sind für mich Erholung. Auf der Fahrt kann ich mich vom Alltag erholen und komme auf andere Gedanken«, erklärt der Maienfelder Wolf. Dafür reist der Mitarbeiter der Schweizerischen Bundesbahn passenderweise per Zug an. Meistens dauert so ein Trip um die zwölf Stunden pro Fahrt. »In der Regel fahre ich nach dem Spiel mit dem Nachtzug ab Berlin oder Hannover wieder zurück. Ich habe aber auch Möglichkeiten, privat zu übernachten. Und im Notfall gibt’s ja noch Hotels«, erzählte Glanzmann mal von einem typischen Spieltagbesuch in Wolfsburg.8 Er würde sogar noch öfter kommen, wenn die DFL die Spielansetzungen früher bekannt geben würde.

Wer jetzt übrigens glaubt, Seppel kam über die vor allem in den vergangenen Jahren stark vertretene »Schweizer Kolonie« im Wolfsburger Kader zum VfL, der irrt. Bereits seit 1978 verfolgt er die Spiele der Wölfe, hat also entsprechend viel in Grün und Weiß erlebt. Und diese »Fernbeziehung« mit seiner großen Liebe ist nie zerbrochen. Als besonderen Fan will sich Josef Glanzmann übrigens nicht sehen: »Ich finde, es gibt Fans, die einiges mehr leisten als ich. Mein ›Nachweis‹ ist nur die lange Anreise – nicht mehr, aber auch nicht weniger.«9 In dem Fall wohl eher etwas mehr. Denn diese Leistung als Fan der Wölfe muss man auch erst mal bringen. Und es ist toll und absolut liebenswert, dass jemand dies für den VfL Wolfsburg auf sich nimmt. Respekt und Anerkennung.

9. GRUND

Weil Mr. Doppelpack bei uns eingenetzt hat

Seinen Platz in der VfL-Geschichte hat Tomislav Marić sowieso sicher. Der Torjäger erzielte nämlich per Elfmeter gegen den VfB Stuttgart den ersten Treffer in der nigelnagelneuen VW-Arena. Das war am 15. Dezember 2002. Leider hatte Tomi aber auch schon das 0:1 verschuldet, weil er nach einer Standard-Situation nicht aus der Wiese kam und der Gegner einköpfen konnte. Das Spiel ging anschließend 1:2 verloren. Doch das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. Vielmehr ging es darum, weshalb Marić in noch besserer Erinnerung für alle Wölfe-Fans geblieben ist: Er schaffte für den VfL nämlich in der Saison 2001/02 das, was 35 Jahre weder ein Gerd Müller oder Rudi Völler, noch ein Miroslav Klose oder Horst Hrubesch hinbekommen hatten: Tomi schnürte in vier aufeinanderfolgenden Bundesliga-Spielen einen Doppelpack. Damit egalisierte er den Rekord von Lothar »Emma« Emmerich aus der Saison 1966/67.