111 Orte in Kassel, die man gesehen haben muss - Dietmar Hoos - E-Book

111 Orte in Kassel, die man gesehen haben muss E-Book

Dietmar Hoos

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Beschreibung

Die meisten kennen Kassel – vom Vorbeifahren auf der A 7. Bestenfalls hat man schon mal was vom Herkules gehört. Die Brüder Grimm fallen einem noch ein. Und Kunstfreunde aus aller Welt pilgern im Fünfjahresrhythmus zur documenta. Neuerdings steigt die Aufmerksamkeit allerdings rapide: Der Bergpark Wilhelmshöhe und dessen 300 Jahre alten Wasserspiele sind UNESCOWeltkulturerbe geworden! Doch wer weiß, dass hier erstmals die Zeiteinheit Sekunde gemessen wurde? Wer stand schon einmal auf dem ICH-Denkmal? Oder wer fand Millionen Jahre alte Muscheln im Kasseler Meeressand? – Kassel lohnt eine genauere Betrachtung. Dann kann es sogar Liebe werden – auf den zweiten Blick.

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Seitenzahl: 212

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111 Orte in Kassel, die man gesehen haben muss

Dietmar Hoos und Susanne Hoos

emons: Verlag

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Emons Verlag GmbH // 2016 Alle Rechte vorbehalten Texte: Dietmar Hoos © der Fotografien: Susanne Hoos und Dr. Dietmar Hoos, außer Kap. 3: Das APK, Automatischer Himmelsglobus »Kassel II«, Inv.Nr.APK U 93, Museumslandschaft Hessen Kassel, Astronomisch-Physikalisches Kabinett; Kap. 4: Das Archiv der deutschen Frauenbewegung, Grundgesetzentwurf mit handschriftlichen Anmerkungen von Elisabeth Selbert, AddF; Kap. 13: Caricatura, Beste Bilder/Susanne Hoos; Kap. 45: Das Kaskade-Kino, denn’s biomarkt/Susanne Hoos; Kap. 57: Die Landesbibliothek, Handexemplare der Brüder Grimm, Stadt Kassel, Grimmwelt; Kap. 67: Das Marmorbad, Innenaufnahme mit Bacchus und Merkur, Museumslandschaft Hessen Kassel, Marmorbad, Roman von Götz; Kap. 70: Die Menagerie des Landgrafen Carl, Johann Melchior Roos, GK 1114, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister; Kap. 100: Das Tapetenmuseum, Tapeten-Musterbuch, Museumslandschaft Hessen Kassel, Tapetenmuseum, Foto: Susanne Hoos Gestaltung: Emons Verlag Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap, © OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL ISBN 978-3-96041-051-5 E-Book der gleichnamigen Originalausgabe erschienen im Emons Verlag

Unser Newsletter informiert Sie regelmäßig über Neues von emons: Kostenlos bestellen unter www.emons-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1_7000 Eichen | »Stadtverwaldung« statt Stadtverwaltung

2_Die Äpfel der Hesperiden | Was Herkules hinter seinem Rücken verbirgt

3_Das APK | Jost Bürgi und die Erfindung der Sekunde

4_Das Archiv der deutschen Frauenbewegung | Wie archiviert man einen Medizinball?

5_Der Asch | Entlang eines Wassergrabens zu Steinhofer’s Teich

6_Der Aschrottbrunnen | Kassels offene Wunde

7_Die Baracken | KZ Buchenwald, Außenkommando Druseltal

8_Die Beckett-Anlage | Traum von mehr bis minder schönen Frauen

9_Der Bergpark Wilhelmshöhe | Perfekte Bühne für den Start einer großen Karriere

10_Bomber Harris’ Garden | Bier statt Bomben

11_Das Bundessozialgericht | Generalkommando a. D.

12_Das Café Westend | Savoir-vivre im Vorderen Westen

13_Caricatura | Die Galerie für Komische Kunst

14_Das Carillon | Süßer die Glocken nie klingen

15_Der Circus Rambazotti | Macht Kinder stark!

16_Die DIAkomenta | Wischt den Staub von der Seele …

17_Das Du-Ry-Absturzbauwerk | Tiefe Einblicke in die Unterwelt

18_Der Eichenhutewald | Auf den Eichen wachsen die besten Schinken

19_Die einsame Autobahnbrücke | Flugzeugmotoren aus dem Söhrewald

20_Die Elisabeth-Selbert-Promenade | »Männer und Frauen sind gleichberechtigt«

21_Die Entdeckerrunde | 18 auf einen Streich!

22_Der Erdkilometer | Wie man sieht, sieht man nichts ...

23_Erdmanns Grab | Letzte Ruhestätte Roseninsel

24_Der Film-Shop | Der Welt älteste Videothek(e)

25_Das Fridericianum | Viel mehr als ein Museumsgebäude der Aufklärung

26_Der Friedhof in Mulang | Ein Engel winkt zum Abschied …

27_Der Fuldadampfer | Entschleunigend, blutdrucksenkend, beruhigend

28_Die GaleRuE | Raum für urbane Experimente

29_Die Gärtnerplatzbrücke | Schlank und rank

30_Der Glasapparate-Laden | Reagenzgläser, Tiegel und Destillen

31_Das Große Gewächshaus | Mein Schloss, mein Park, mein Kamelienbaum

32_Der Halitplatz | Mahnung zu Toleranz

33_Die Hall of Fame | Bunter Skater-Park unter grauem Autobahnbeton

34_Hans Wurst | Die Berliner Kultwurst erobert Kassel

35_Das Henschel-Museum | 200 Jahre Industriegeschichte

36_Die Herz-Jesu-Kirche | Eine Kirche wie eine Pyramide – oder wie ein Zelt?

37_Der Hessencourrier | Mit der Dampflok zur Hummelwerkstatt

38_Die Holzbibliothek | Naturalien und Kuriositäten im Ottoneum

39_Der Hornaffen-Bäcker | Wie der Cass’ler Hornaffe zu seinem Namen kam

40_Das Hotel Hessenland | Wir sind wieder wer!

41_Die Hundebäckerei | Cookies for friends

42_Das ICH-Denkmal | Gut fürs Ego

43_Das Irrgärtchen | … von Amors Pfeilen getroffen

44_Die Kanonenkugel | »Startschuss« für die Treppenstraße

45_Das Kaskade-Kino | Das Lichtspielhaus mit den tanzenden Fontänen

46_Der Kassel-Airport | Wenn man mal wirklich seine Ruhe haben will

47_Die Kasseler Werkstatt | Begegnung »inklusive«

48_Kassels schönste Loggia | Einsichten und Ausblicke

49_Der Kassel-Steig | Einmal rundherum

50_Die Kesselschmiede | Mr. Wilson – Krawatten verboten!

51_Die Klosterkirche | Zisterziensisch schlicht

52_Die Knallhütte | Es war einmal ein kleines Mädchen namens Dorothea

53_Die Kombinatsgaststätte | Ein Stück Ostalgie tief im Westen

54_Der Kontaktladen | Es ist genug für alle da!

55_Die Künstler-Nekropole | Letzte Ruhestätte für documenta-Künstler

56_Das Kurbad Jungborn | Das letzte Fulda-Bad

57_Die Landesbibliothek | (Virtueller) Bewahrer von Dokumenten von Weltrang

58_Der Laserscape | Grüne Lichtlinien im Nachthimmel

59_Die Linearuhr | Zeitanzeige einmal ganz anders

60_lückenlos & bildschön | Und ewig grinst die Mickey Mouse

61_Der Luise-Greger-Weg | Eine Spurensuche auf romantischen Pfaden

62_Die Madonna von Stalingrad | Gemalte Sehnsucht und Verzweiflung

63_Der Magazinhof | Denkmal oder Schandfleck?

64_Der Mann im Turm | Eingriff in die Freiheit der documenta?

65_Marivos | Die Drei von der Tankstelle

66_Die Markthalle | Im Reich der »Schmeggewöhlerchen«

67_Das Marmorbad | Ein barockes Wunder!

68_Das Mausoleum Lenoir | Erinnerung an einen Menschenfreund

69_Der Meeressand | Wie kommt die Muschel auf den Berg?

70_Die Menagerie des Landgrafen Carl | Ein Gemälde ohne Mops ist möglich, aber sinnlos

71_Der Messinghof | Im Kreißsaal des Herkules

72_Die Mevlana-Moschee | Das blaue Wunder

73_Das mobile Fachwerkhaus | Vom Marställer Platz 7 in die Ahnatalstraße 59

74_Das Museum für Sepulkralkultur | Nur keine Berührungsängste!

75_Die Neue Mühle | Gar nicht so neu

76_Der Niederzwehren Cemetery | Begraben in fremder Erde

77_Das Obere Ahnatal | Nur für Romantiker!

78_Der Ossenplatz | Ein Urochs ging spazmausen

79_Das Papiercafé | Alles andere als Yellow Press

80_Die Pariser Mühle | Die letzte ihrer Art

81_Das Parkdeck | Über den Dächern der Stadt

82_Die Putten | »Hallöchen Popöchen!« in Nordhessens Sanssouci

83_Der Renthof | … beugt Rauflust und Völlerei vor

84_Der Rhön-Markt | Hort russischer Seele

85_Die Riedwiesensiedlung | Häuser mit Zipfelmützen

86_Das Rosarium | Die »Zicke« von Weißenstein

87_Rotopolpress | Kassels kreative Illustratorenszene

88_Salzmann | Industriekultur im Backstein-Look

89_Der Scheibenbeisser | »Beatles for Sale« und local heroes

90_Der Schimpfworttrichter | Die Grimmwelt: vom Zettel zum Ärschlein

91_Das Schloss Schönfeld | Nicht nur ein Treffpunkt der Romantiker

92_Die Schwaneninsel | Zwischen Boule, Barock und Bowlinggreen

93_Der Seerosengarten | Claude Monet hätte seine helle Freude

94_Das Selbsterntefeld | Sie säen nicht und ernten doch

95_Die Solar Academy | Von Sunny Boys auf Sunny Islands

96_Der Sophie-Henschel-Platz | Erinnerung an eine Unternehmerin und Wohltäterin

97_Das Spohr-Museum | Auf den Spuren eines Musik-Genies

98_Der Stadthallengarten | Refugium für Ruhesuchende

99_Die Stadtimkerei | Victor Hernández und seine fleißigen Mädels

100_Das Tapetenmuseum | Geschmacksverirrungen nicht ausgeschlossen

101_Die Teufelsmauer | Seltsames verbirgt sich da im Habichtswald

102_Three to One | Und es summt und summt und summt …

103_Das Trott-zu-Solz-Denkmal | Ein Widerstandskämpfer des 20. Juli

104_Der Urwald der Exoten | Der grüne Hügel Siebenbergen

105_Das Währungsreform-Museum | Das »Konklave« von Rothwesten

106_Der Waschbär-Treff | Willkommen in der Waschbärenhauptstadt Europas

107_Die Wasser-Spielereien | Ehemalige oder nie verwirklichte Wasserbilder

108_Der Weinbergbunker | Im kühlen Kalksteinlabyrinth

109_Der Western Shop | Wilder Westen in Wehlheiden

110_Die Wurst-Manufaktur | Ahle Wurscht: Das ganze Schwein muss rein!

111_Ziege & Harjes | Piraten gehen immer

Bildteil

Übersichtskarten

Vorwort

Liebe auf den dritten Blick

Der Fernsehjournalist und Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt bezeichnete Kassel in einer Talkshow kürzlich als »die vielleicht am meisten unterschätzte Stadt in Deutschland«. Wer hier lebt, der weiß, wie lebenswert Kassel ist. Der freut sich über die Entwicklung dieser Stadt nach dem Mauerfall 1989. Der staunt über die drittgrößte Museumslandschaft in Deutschland nach Berlin und Dresden. Der ist stolz auf das UNESCO-Weltkulturerbe Bergpark Wilhelmshöhe mit den grandiosen, 300 Jahre alten Wasserspielen.

Manchmal ist es Liebe auf den zweiten oder gar dritten Blick. Denn nicht alles in Kassel ist auf den ersten Blick schön. Dazu war diese Stadt nach dem Krieg viel zu stark zerstört, ist zu vieles unwiederbringlich verloren gegangen. Nichtsdestotrotz gibt es noch so vieles zu entdecken: Großes und Berühmtes wie den Herkules oder ein Dutzend Gemälde von Rembrandt im Schloss Wilhelmshöhe. Oder eher Unbekanntes und Verborgenes wie den Kasseler Meeressand oder die kunstvollen Himmelsgloben eines Jost Bürgi, kein Geringerer als der Erfinder der Sekunde.

Den berühmtesten Söhnen der Stadt, den Brüdern Grimm, wurde 2015 mit einem architektonisch sehr gelungenen, interaktiven Museum ein Denkmal gesetzt. Und im Fünfjahresrhythmus zieht die documenta, die größte Ausstellung für zeitgenössische Kunst, Hunderttausende Kunstinteressierte wie ein Magnet nach Kassel; und einige Künstler hinterlassen der Stadt ihre Kunstwerke – und viel wichtiger noch: eine freie, tolerante, kreative Atmosphäre.

In dieser Reihe geht es eher um weniger bekannte Orte in Kassel. Oder wissen Sie, wo die Graffitiszene ihren Treffpunkt hat, wo skurrile Glasapparaturen verkauft werden oder wo der Lieblingsdackel von Kaiser Wilhelm II. begraben liegt? Und da es zu jedem der 111 Orte noch einen Tipp gibt, können Sie sogar über 200 Orte in Kassel neu oder wieder entdecken. Gehen Sie jetzt mit uns 111 (222) Mal auf Entdeckungsreise. Vielleicht wird es ja Liebe ...

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1_7000 Eichen

»Stadtverwaldung« statt Stadtverwaltung

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War das eine Aufregung zur Eröffnung der documenta 7 im Frühsommer 1982! Der Friedrichsplatz sah aus wie ein Trümmerfeld! 7.000 Basaltstelen türmten sich wie ein riesiger Keil vor dem Fridericianum. Joseph Beuys schickte sich an, aus ihnen sein größtes, sozialstes und ökologischstes Kunstwerk zu schaffen – und es der Stadt Kassel, den Bürgern, der Stadtverwaltung zu schenken. Titel: 7000 Eichen. Fünf Jahre sollte es dauern, bis die letzte Eiche gepflanzt, die letzte Basaltstele danebengesetzt, der Friedrichsplatz wieder freigeräumt war. Joseph Beuys hat die Fertigstellung seines ersten Kunstwerks außerhalb eines Museums nicht mehr erlebt. Er starb 1986; sein Sohn pflanzte den letzten Baum am Eröffnungstag der documenta 8 (am 12. Juni 1987) neben den ersten, direkt vor das Fridericianum. Was wollte uns Beuys mit den »7000 Eichen« sagen? Was mit dem Untertitel »Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung«?

Seit ihrer Gründung war Beuys bei den Grünen engagiert. Ökologie, Umweltschutz und naturnähere Gestaltung urbanen Lebensraums waren aufkeimende Themen zu Anfang der 1980er Jahre. Ursprünglich sollte seine erste »Soziale Skulptur« durch Spenden finanziert werden, was nur zum Teil gelang. Eine New Yorker Stiftung gab eine Anschubfinanzierung, Beuys selbst schmolz sehr medienwirksam eine Kopie der Krone des Zaren Iwan des Schrecklichen zu »Der Friedenshase und Zubehör« um und verkaufte dieses Kunstwerk, um die »7000 Eichen« zu finanzieren; im japanischen Fernsehen machte er gar Werbung für Whiskey, um sein Projekt realisieren zu können.

Info

Adresse zum Beispiel in der Nähe der Ochsenallee südlich der Prinzenquelle, 34130 Kassel-Kirchditmold (achten Sie überall im Stadtbild und an den Ausfallstraßen auf Basaltstelen neben Bäumen) | ÖPNV Tram 8, Haltestelle Prinzenquelle | Tipp Die Prinzenquelle versorgte in früheren Zeiten Kassel mit Frischwasser; sie liegt im Quellhorizont des Habichtswaldes. Die Gegend ist ein überaus beliebter Treffpunkt von Hundefreunden.

Im Übrigen wurden nicht nur Eichen gepflanzt, sondern zum Beispiel auch Platanen, Eschen oder Robinien. Ironie der Geschichte: Die Stadtverwaltung muss sich nun um die »Stadtverwaldung« kümmern – was sie gern tut, denn das Stadtbild profitiert bis heute nachhaltig von der Begrünung durch Beuys »7000 Eichen«.

In der Nähe

Die Riedwiesensiedlung (0.71 km)

Das Große Gewächshaus (0.95 km)

Die Menagerie des Landgrafen Carl (0.98 km)

Der Bergpark Wilhelmshöhe (1.03 km)

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2_Die Äpfel der Hesperiden

Was Herkules hinter seinem Rücken verbirgt

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Es lohnt sich, das Bürschchen von hinten zu betrachten! Wegen seiner breiten, muskulösen Schultern, wegen seines wirklich wohlproportionierten Pos, wegen seiner strammen Waden. – Und wie er sich so lässig und entspannt auf seine Keule stützt! Doch was verbirgt er denn in seiner rechten Hand hinter seinem Rücken? Es sind die drei Äpfel der Hesperiden. Die hat er gerade dem tumben Titanen Atlas abgeluchst, der sie für ihn gepflückt hatte. Währenddessen stemmte Herkules anstelle von Atlas das Himmelsgewölbe. Dieser, von der Last befreit, wollte es nun partout nicht mehr zurücknehmen. Der listige Held bat den Titanen, das Firmament nur noch einmal kurz zu halten, damit er sich ein Stück Stoff als Polster unterlegen könne. Atlas ging auf den Deal ein – und trägt das Himmelsgewölbe vermutlich bis heute.

Warum steht die Figur des Herkules seit 1717 am höchsten sichtbaren Punkt der Stadt? Erstens: Die griechische Mythologie kam damals gerade groß in Mode. Zweitens: Landgraf Karl hatte den Herkules Farnese in Rom gesehen, nach dessen Vorbild er geformt ist. Drittens: Es handelt sich um eine programmatische Aussage! Herkules galt als unbezwingbar und tugendhaft; den Göttern hatte er geholfen, die Giganten zu besiegen, und war dafür in den Olymp aufgenommen worden; als Halbgott also den Göttern gleich. Zwölf Heldentaten hatte er vollbracht und größten Gefahren getrotzt. Doch er ist hier nicht kämpfend dargestellt, was durchaus möglich gewesen wäre, sondern entspannt nach geglückter Tat, geradezu milde … Unbezwingbar, tugendhaft, göttergleich, heldenhaft, friedfertig, milde – ganz wie Landgraf Karl selbst, oder?

Info

Adresse Bergpark Wilhelmshöhe, 34131 Kassel-Wilhelmshöhe | ÖPNV Bus 22, Haltestelle Herkules | Öffnungszeiten 15. März‒15. Nov. Di–So 10–17 Uhr, Mai‒3. Okt. täglich Mo 10–17; von außen jederzeit zu besichtigen | Tipp Von dem grandiosen Blick vom Herkules herab auf die Kaskaden und auf Kassel und dem Besuch des architektonisch sehr gelungenen Besucherzentrums einmal abgesehen, lohnt es sich, dem Habichtswaldsteig in nordwestlicher Richtung bis zu den landschaftlich bezaubernden Hute-Weideflächen hinter dem Herkules zu folgen (circa 15 Minuten).

Ein paar Fakten: Die Figur ist 8,25 Meter hoch. Sie steht auf einem (inklusive Pyramide) circa 62 Meter hohen Riesenschloss, dem Oktogon, und wurde 1714 bis 1717 vom Augsburger Goldschmied Johann Jacob Anthoni aus wenige Millimeter starkem Kupferblech getrieben.

In der Nähe

Der Kassel-Steig (0.08 km)

Das Irrgärtchen (1.14 km)

Der Asch (1.25 km)

Der Meeressand (1.26 km)

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3_Das APK

Jost Bürgi und die Erfindung der Sekunde

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Was kaum jemand weiß: Ende des 16. Jahrhunderts befand sich in Kassel die erste feststehende Sternwarte in Europa. Landgraf Wilhelm IV. der Weise – der »Ptolemäus von Kassel« – galt damals »als Fürst unter den Astronomen und als Astronom unter den Fürsten«. In Kassel entstand zwischen 1560 und 1590 der genaueste Sternenkatalog seit Ptolemäus – seit fast 1.500 Jahren also!

30 Jahre lang vermaßen der Landgraf selbst und seine beiden kongenialen Mitarbeiter – der Mathematiker und Astronom Christoph Rothmann und der Schweizer Uhrmacher, Instrumentenbauer und Mathematiker Jost Bürgi – die Fixsterne. Fernrohre gab es damals noch nicht, daher peilte man die Himmelskörper mit anderen außerordentlich präzisen Instrumenten an. Erstmals in der Geschichte der Astronomie benutzte man außerdem eine Uhr, um die exakten Positionen der Sterne zu bestimmen. Bei dieser von Jost Bürgi entwickelten »Wunderuhr mit Kreuzschlaghemmung« konnte man 1585, über 70 Jahre vor der Erfindung des Pendels, vermutlich zum ersten Mal auf dieser Welt eine einzelne Sekunde ticken hören!

Info

Adresse An der Karlsaue 20c (Orangerie), 34121 Kassel-Südstadt | ÖPNV Bus 16, Haltestelle Orangerie | Öffnungszeiten Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr | Tipp In der Orangerie befindet sich auch ein Planetarium; Infos zu Programm und Vorführungszeiten gibt’s an der Kasse oder unter Tel. 0561/31680500, www.museum-kassel.de.

Warum weiß man von alledem so wenig? Christoph Rothmann verließ wegen einer mysteriösen Krankheit 1590 urplötzlich den Landgrafenhof, ohne seine Ergebnisse veröffentlicht zu haben. Und der geniale Jost Bürgi – sein Landgraf nannte ihn einen »zweiten Archimedes« – tat sich mit dem Publizieren schwer, weil er der Wissenschaftssprache Latein kaum mächtig war. Dafür fertigte er ebenso kunstvolle wie präzise astronomische Uhren oder mechanische Himmelsgloben. 1604 folgte er dem Ruf Kaiser Rudolfs II. nach Prag, um dort dem berühmten, aber leider fehlsichtigen Astronomen Kepler dabei zu helfen, die Planetenbahnen zu beobachten und zu berechnen.

Die Kasseler Sternwarte des ausgehenden 16. Jahrhunderts und deren Instrumente kann man im Astronomisch-Physikalischen Kabinett (APK) in der Orangerie bewundern.

In der Nähe

Das Tapetenmuseum (0.07 km)

Das Marmorbad (0.08 km)

Der Waschbär-Treff (0.17 km)

Das Du-Ry-Absturzbauwerk (0.28 km)

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4_Das Archiv der deutschen Frauenbewegung

Wie archiviert man einen Medizinball?

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Es ist das größte seiner Art in Deutschland. Es ist das Gedächtnis der deutschen Frauenbewegung von 1800 bis 1970. Es bewahrt über 35.000 Bücher, circa 1.900 Zeitschriften, Nachlässe von Frauen-Vereinen und -Verbänden … und einen Medizinball. Er stammt von einer 1928 gegründeten Frauengymnastikschule aus der Rhön.

»Erforschen, erinnern, bewahren« lautet das Motto des »Archivs der deutschen Frauenbewegung«. Den gesamten Nachlass derjenigen Frau kann man hier bewundern, die die Gleichberechtigung der Geschlechter im Grundgesetz verankert hat: die Kasseler Juristin Elisabeth Selbert. Sogar ein Grundgesetzentwurf mit handschriftlichen Anmerkungen schlummert in den grauen Archivboxen – ein einzigartiger Schatz! Daneben Informationen zur ersten (1956) Kasseler Ehrenbürgerin Sara Nußbaum, die 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert worden war und dort zahlreichen Mithäftlingen das Leben rettete; 1946 kehrte diese bemerkenswerte Frau trotz allem, was ihr hier angetan wurde, in ihre Heimatstadt zurück.

Info

Adresse Gottschalkstraße 57, 34127 Kassel-Nord-Holland, Tel. 0561/9893679, www.addf-kassel.de | ÖPNV Tram 1, 5, RT 3, RT 4, Haltestelle Halitplatz | Öffnungszeiten Di–Do 11–17 Uhr oder nach Vereinbarung | Tipp In der Gutenbergstraße 5 lebte von 1905 bis 1911 Philipp Scheidemann (geboren 1865 in Kassel, gestorben 1939 im Exil in Kopenhagen). Der SPD-Politiker rief am 9. November 1918 in Berlin die Deutsche Republik aus, war 1919 Reichsministerpräsident und 1920 bis 1925 Oberbürgermeister von Kassel.

Jeder Mann und jede Frau kann sich in dem angenehm möblierten Lesesaal informieren über berühmte Frauen der Geschichte oder über Themen wie zum Beispiel Abstinenz und Anarchistinnen, Alte Jungfern und Antifeminismus, Landfrauen und Lesben, Mode und Musen, Nonnen und Philosophinnen, Sexualität und Sittlichkeit. Zweimal im Jahr erscheint die Zeitschrift »Ariadne«, ein Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte. Gegründet wurde das Archiv 1983 von einer Gruppe Kasseler Frauen rund um Dr. Sabine Hering. Eröffnungstag des Archivs war, wie könnte es anders sein, ein Weltfrauentag: der 8. März 1984. Finanziert wird es vom Land Hessen, einer Stiftung, einem Förderinnen-Verein und der Stadt Kassel; genutzt meist von SchülerInnen, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen.

In der Nähe

Der Halitplatz (0.27 km)

Die Madonna von Stalingrad (0.36 km)

Die GaleRuE (0.56 km)

Der Glasapparate-Laden (0.88 km)

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5_Der Asch

Entlang eines Wassergrabens zu Steinhofer’s Teich

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Romantisch versteckt ruht er ganz einsam am Rande des Bergparks Wilhelmshöhe – ein kleiner See, eher ein Teich mit einem winzigen Inselchen mittendrin: der Asch. Im Sommer ein überaus angenehmer Ort, um der Hitze des Kasseler Beckens zu entfliehen. An trüben Herbst- und Wintertagen allerdings fast etwas unheimlich, weil meist völlig verlassen mitten im Wald gelegen.

Das Besondere am Asch ist sein Zufluss: eine etwa einen Kilometer lange, offene, gemauerte Wasserzuleitung, vergleichbar den künstlichen Wasserläufen auf der Insel Madeira, den sogenannten »Levadas«. Die sorgfältig geschichteten Steine sind von allerlei Moosen überwuchert. Diesem schmalen Wassergraben kann man auf ebenen Wegen oberhalb des Druseltals wunderbar bis nach Neuholland folgen. Dort befand sich ehemals ein Braunkohlebergwerk, die Grube Herkules. Hauptsächlich mit dem Grubenwasser dieser Zeche sowie Wasser aus dem Druselbach werden die »Levada« und damit der Asch bis heute gespeist. Er ist also kein natürlicher See. Wasserkunst- und Brunneninspektor Karl Steinhofer hat ihn in der Regierungszeit Landgraf Wilhelms IX. (1785–1821) angelegt, um die Versorgung der romantischen Wasserspiele im Bergpark sicherzustellen. Mit dem Wasser des Asch wird der Steinhöfer Wasserfall bespielt und das Fontänenreservoir versorgt, das wiederum die Fontäne, den Wasserfall unter der Teufelsbrücke, das Aquädukt und die Peneuskaskaden speist.

Info

Adresse Asch im Bergpark Wilhelmshöhe (oberhalb der Löwenburg), 34131 Kassel-Bad Wilhelmshöhe | ÖPNV Bus 22, Haltestelle Neuholland; der Weg durch den Biergarten der Gaststätte entlang des Wassergrabens zum Asch ist beschildert (circa eine halbe Stunde) | Tipp Vom Asch dem Weg mit der Markierung »H« hinauf zum »Kleinen Herkules« folgen: Diese Parkstaffage wurde 1696 begonnen und nicht vollendet; hier sollten wohl ursprünglich die Kaskaden beginnen (heute etwa einen Kilometer entfernt am Herkules/Oktogon).

Den älteren »Kasselänern« war der Asch immer ein bisschen unheimlich: »Dort gingen viele ins Wasser, wenn sie nicht mehr weiterwussten«, raunte man sich hinter vorgehaltener Hand zu. Und tatsächlich haben sich in früheren Zeiten in diesem Tümpel wohl einige Unglückliche ertränkt.

Wäre noch die Frage zu klären, woher der Teich seinen merkwürdigen Namen hat: »Asch« bedeutet mundartlich möglicherweise »Topf«; ein Topf voller Wasser also?

In der Nähe

Das Irrgärtchen (0.59 km)

Die Baracken (0.69 km)

Die Wasser-Spielereien (1.02 km)

Erdmanns Grab (1.05 km)

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6_Der Aschrottbrunnen

Kassels offene Wunde

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Ein merkwürdiger Brunnen ist das; Negativ-Brunnen wird er auch genannt. Ein Negativ-Brunnen? Was soll das denn sein? ‒ Der Aschrottbrunnen reicht hinab in die Erde wie ein Trichter, anstatt sich wie jeder »vernünftige« Brunnen emporzuheben, um von oben sein Wasser lustig herabplätschern zu lassen. Vor dem mächtigen, von zwei goldenen hessischen Löwen bewachten Kasseler Rathaus rauscht das Nass zwölf Meter in die Tiefe.

Der Hintergrund ist leider bitterernst. Der Textilunternehmer Sigmund Aschrott (1826‒1915) stiftete der Stadt Kassel im Jahr 1908 einen repräsentativen Brunnen mit einem pyramidenförmigen Aufsatz für den Vorplatz des neu eingeweihten Rathauses. Dieser Brunnen, von den Kasseler Bürgern entweder liebevoll »Zitronenpresse« oder ablehnend »Judenbrunnen« genannt, wurde 1939 von Nationalsozialisten zerstört, weil Aschrott jüdischen Glaubens war. Im documenta-Jahr 1987 schuf der Kasseler Künstler Horst Hoheisel ein negatives Abbild des ursprünglichen Brunnens – als Mahnmal und stete Erinnerung, als »offene Wunde« sozusagen. »Das eigentliche Denkmal ist der Passant, der darauf steht und darüber nachdenkt, warum hier etwas verloren ging«, so Hoheisel. Eine Kopie des Brunnens steht in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.

Info

Adresse Obere Königsstraße 8 (Rathaus), 34117 Kassel-Mitte | ÖPNV Tram 1, 3, 4, 5, 6, 8, RT 3, RT 4, Haltestelle Rathaus | Tipp Im Rathausinneren kann man nach dem »Staffelstab« fragen, einer Gemeinschafts-Plastik aller 23 Kasseler Stadtteile anlässlich der 1.100-Jahr-Feier 2013.

Was ist zu Sigmund Aschrott zu sagen? Sein Vermögen machte er mit dem Handel von Leinen, das er von Familien rund um Kassel in Heimarbeit weben ließ. Dieses Geld investierte er insbesondere in ein städtebauliches Projekt, das sogenannte »Hohenzollernviertel«, das heute »Vorderer Westen« genannte Gründerzeitviertel. Darüber hinaus schenkte Aschrott der Stadt unter anderen die Grundstücke der Stadthalle, der Advents- und Rosenkranzkirche und jenes zur Erweiterung des Diakonissenkrankenhauses. An Sigmund Aschrott erinnert heute auch der Aschrott-Park am westlichen Ende der Friedrich-Ebert-Straße.

In der Nähe

Das Hotel Hessenland (0.1 km)

Das Carillon (0.15 km)

Der Scheibenbeisser (0.15 km)

Das ICH-Denkmal (0.18 km)

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7_Die Baracken

KZ Buchenwald, Außenkommando Druseltal

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Seit 1943 stehen zwei graue Baracken am Panoramaweg, die so überhaupt nicht zur umliegenden Architektur des Villenviertels Mulang passen wollen. Kaum jemand kennt ihre Geschichte: Sie wurden von Zwangsarbeitern aus dem Konzentrationslager Buchenwald, Außenkommando Druseltal, gebaut und sollten Befehlsstelle des Höheren SS- und Polizeiführers Josias Erbprinz zu Waldeck und Pyrmont werden ‒ ein enger Vertrauter Heinrich Himmlers und verantwortlich für das Konzentrationslager Buchenwald.

Im Jahr 1943 wurden die ersten Häftlinge aus Buchenwald nach Kassel verlegt. Insgesamt 288 Menschen waren zwischen 1943 und 1945 im Druseltal (Hausnummer 85) in einem viel zu engen Lagerraum neben einem Fachwerkhaus eingepfercht, maximal 150 gleichzeitig. Die meisten dieser politischen Gefangenen kamen aus Russland und Polen, einige auch aus Deutschland, Tschechien, Frankreich, Belgien, Italien und den Niederlanden. Viele waren Handwerker. Ein holländischer Häftling namens Alfred Frederik Groeneveld berichtet über einen Marsch zum Arbeitseinsatz an den Baracken: »Es war ein seltsames Gefühl. Zivilisten begaben sich zur Arbeit, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Die Straßenbahn, Linie 3, fuhr vorbei, und die Fahrgäste schauten unbewegt aus den Fenstern heraus. Man hatte sich offensichtlich schon an die abgemagerten Häftlinge gewöhnt, die in Zebrakleidung und Holzschuhen durch die Gegend stolperten. Verschiedene Passanten grüßten die Posten mit einem verständnisvollen Lächeln, andere hingegen schauten nur stur vor sich hin, als wollten sie die Kolonne bewusst nicht wahrnehmen …«

Info

Adresse Panoramaweg 1, 34131 Kassel-Bad Wilhelmshöhe | ÖPNV Tram 3, Haltestelle Waldorfschule | Öffnungszeiten nur von außen zu besichtigen | Tipp Dem Weg bergauf über ein paar Treppenstufen (Markierungen »K1«, »E«) in Richtung Löwenburg folgen. Nach etwa 10 Minuten passiert man das »Wunschtörchen«; die Legende will, dass Wünsche in Erfüllung gehen, wenn man hindurchschreitet.

Ein dunkles Kapitel der Kasseler Geschichte, wie die Farbgebung der beiden Baracken. – Ganz im Kontrast dazu der herrliche Ausblick, den man vom Panoramaweg über den Stadtteil Bad Wilhelmshöhe genießen kann. Genau derselbe Ausblick, den die KZ-Häftlinge hatten, als sie die Baracken bauten …

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8_Die Beckett-Anlage

Traum von mehr bis minder schönen Frauen

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Träumte der scheue und notorisch depressive irische Schriftsteller und Nobelpreisträger Samuel Beckett (Karfreitag 1906‒1989) ausgerechnet in Kassel von »mehr bis minder schönen Frauen«? – Sicher ist: Hier hat er sich 1928 verliebt! In seine Cousine Peggy (Ruth Margaret) Sinclair. »Sam« besucht ab diesem Zeitpunkt Kassel mindestens achtmal für mehrere Wochen. In der Silvesternacht 1929/30 trennt sich das Paar jedoch schon wieder. Drei Jahre später, 1933, stirbt Peggy im Alter von nur 22 Jahren an der Schwindsucht. Da im selben Jahr auch Becketts Tante Cissie und sein Onkel William Kassel verlassen, gibt es für ihn künftig keinen Grund mehr, die Stadt zu besuchen. 1932 war er zum letzten Mal hier. An den Sinclairs schätzte Beckett den bohemianischen Lebensstil und ihr Interesse für avantgardistische Kunst und Kultur, was seine Arbeit durchaus beeinflusst haben mag.

Seiner möglicherweise ersten großen Liebe setzte Beckett 1932/33 mit seinem Debüt-Roman »Dream of Fair to Middling Women« (»Traum von mehr bis minder schönen Frauen«) ein sehr autobiografisches Denkmal. Wie in Kassel nennt er Peggy hier Smeraldina. Das Manuskript wird auf seinen Wunsch hin erst 1992 posthum veröffentlicht. Er hatte es in einer Truhe verborgen, »in der ich meine wilden Gedanken bewahre«. Der Durchbruch gelingt ihm in den 1950er Jahren mit dem grotesken Stück »En Attendant Godot« (»Warten auf Godot«). 1969 erhält er den Nobelpreis für Literatur, bleibt der Verleihungszeremonie jedoch fern. 1989 stirbt Beckett zurückgezogen und als Autor fast vergessen.

Info

Adresse Bodelschwinghstraße 5, 34119 Kassel-Vorderer Westen | ÖPNV Tram 4, 8, Bus 27, Haltestelle Friedenskirche | Öffnungszeiten nur von außen zu besichtigen | Tipp