24 Geschichten von Winter und Advent - Gisela B. Schmidt - E-Book

24 Geschichten von Winter und Advent E-Book

Gisela B. Schmidt

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Beschreibung

Was würden Weihnachtsplätzchen sagen, wenn sie sprechen könnten? Wie fühlt sich eine Schneeflocke, wenn sie zur Erde fallen soll und warum dauert das Warten auf Weihnachten eigentlich immer eine gefühlte Ewigkeit? Um dies und noch viel mehr geht es in den 24 Geschichten von Winter und Advent, die auch sehr gut als (Vor-)lese Adventskalender für Kinder geeignet sind. Die Geschichten sind kindgerecht geschrieben, verfügen aber auch über inhaltlichen Tiefgang. Und so versetzen einen zum Beispiel ein kleiner, verkrüppelter Weihnachtsbaum, ein Schneeglöckchen, das nicht mehr schlafen will oder auch ein traditionell chaotisches Familienweihnachtsessen in vorweihnachtliche Stimmung.

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Buch

Was würden Weihnachtsplätzchen sagen, wenn sie sprechen könnten? Wie fühlt sich eine Schneeflocke, wenn sie zur Erde fallen soll und warum dauert das Warten auf Weihnachten eigentlich immer eine gefühlte Ewigkeit? Um dies und noch viel mehr geht es in den 24 Geschichten von Winter und Advent, die auch sehr gut als (Vor-)lese Adventskalender für Kinder geeignet sind. Die Geschichten sind kindgerecht geschrieben, verfügen aber auch über inhaltlichen Tiefgang.

Und so versetzen einen zum Beispiel ein kleiner, verkrüppelter Weihnachtsbaum, ein Schneeglöckchen, das nicht mehr schlafen will oder auch ein traditionell chaotisches Familienweihnachtsessen in vorweihnachtliche Stimmung.

Autorin

Gisela B. Schmidt studierte Germanistik und Theologie in Tübingen. In der Elternzeit schrieb sie die 24 Geschichten von Winter und Advent.

Meiner Familie gewidmet

Inhalt

Dezember

Die kleine Nussschale

Dezember

Das Geheimnis der Schneeflocken

Dezember

Das freche Engelchen

Dezember

Wie ein Dorf Weihnachten schenkte

Dezember

Lieber Nikolaus

Dezember

Das Töpfchenmanöver

Dezember

Normale Engel

Dezember

Das Stinkekind

Dezember

Das Weihnachtsessen

Dezember

Der Streit der Geschenke

Dezember

Die alte Frau und das Kind

Dezember

Die Herbergenkrippe

Dezember

Dreckiger Schnee

Dezember

Kannst du?

Dezember

Krummer, kleiner Weihnachtsbaum

Dezember

Das ungeduldige Schneeglöckchen

Dezember

Vom Schneeflöckchen, das nicht fallen wollte

Dezember

Warten auf Weihnachten

Dezember

Weihnachten im Krankenhaus

Dezember

Weihnachtskirche

Dezember

Weihnachtswald

Dezember

Weil Weihnachten ist

Dezember

Weihnachten ist, wenn du bei mir bist

Dezember

1. Dezember

Die kleine Nussschale

Da stand sie, in der Mitte des adventlich gedeckten Tisches: Die wertvolle Kristallschale mit dem bunten Weihnachtsgebäck. Wie jedes Jahr hatte sich die Familie sehr viel Mühe gegeben, das Haus weihnachtlich zu schmücken.

Auf den Fenstersimsen lagen grüne Tannenzweige mit roten Schleifen. An den Fenstern klebten die stundenlang gebastelten Fensterbilder von Schneeflocken und kleinen dicken Nikoläusen. Der Tisch war mit der besonderen weiß-roten Tischdecke geschmückt, die Mama immer nur im Advent herausholte. Und in der Mitte des Tisches stand die große Kristallschale mit den verschiedenen Plätzchen. Am Rand der Kristallschale lag eine halbe Walnussschale. Der Sohn hatte die Walnuss geknackt, gegessen und die halbe Nussschale einfach in die Plätzchenschale gelegt. Im ganzen Haus lag noch der Duft des stundenlangen Backens. Nun spielten die Kinder in ihren Zimmern. Mama wusch das Geschirr ab und Papa dekorierte draußen den Garten mit vielen Teelichtern. So bekam niemand mit, was sich in der Kristallschale auf der Mitte des Tisches abspielte.

„Ich heiße euch alle herzlich willkommen im diesjährigen Plätzchenteller“ begann das dreistöckige Marmeladenplätzchen. „Als Marmeladenplätzchen in der 12. Generation ist es mir eine Ehre, euch allen zur Auswahl zu gratulieren. Wir alle hier, haben es bis in die Weihnachtsschale geschafft.

Ich hoffe, alle hier sind sich der besonderen Ehre bewusst.“

„Was ist eine Ehre?“, piepste das kleine Ausstecherle mit den bunten Streuseln, doch das Spritzgebäck versetzte ihm einen festen Puffer in die Seite, so dass das Ausstecherle erschrocken schwieg.

Die kleine Nussschale versuchte, möglichst unauffällig zu sein. Wo war sie denn da nur hineingeraten?

Das dicke Marmeladenplätzchen fuhr mit gewichtiger Stimme fort: „Wir, die wir hier in dieser Gebäckschale liegen, wir sind die Auserwählten. Nur die Besten, von besonders gelungenem Aussehen, wunderschön und von feinstem Geschmack, schaffen es in die Plätzchenschale in der Mitte des Tisches. Es ist unsere Aufgabe, besonders schön auszusehen, weihnachtlich zu duften und besonders lecker zu schmecken. Sind wir uns da einig?“

„Jaaaa!“, riefen alle Plätzchen wie aus einem Munde. Und auch das kleine Ausstecherle, das gar nicht richtig kapiert hatte, worum es eigentlich ging, stimmte laut in den Jubel mit ein.

„Ich schlage vor“, fuhr das Marmeladenplätzchen fort, „dass wir uns, kurz vorstellen. Wir werden immerhin einige Zeit hier gemeinsam verbringen, da wäre es schon schön, wenn wir uns ein bisschen besser kennenlernen.

Und schon ging es los:

„Ich bin ein kleines Ausstecherle und hab tausend bunte Streusel“, piepste das kleine Ausstecherle.

„Ich bin ein Springerle“, ertönte eine tiefe Stimme. „Ich bin aufwändig in der Herstellung, schmecke aber hervorragend. Wenn ich zu lange liege, werde ich allerdings hart, daher glaube ich, dass ich als einer der ersten von hier verschwinden werde. Habe die Ehre.“

„Ich bin ein Nussplätzchen“, rief es von unten. „Aber, ich glaube, ich habe meine Haselnuss verloren. Wenn sie jemand findet, dann...“

„Also wir haben hier wirklich Wichtigeres zu tun, als verlorene Nüsse zu suchen“, schimpfte ein Schokoladenplätzchen. Und stellte sich vor mit: „Schoko! Drei Minuten im Mund, ein Leben lang auf der Hüfte.“

„Was ist eine Hüfte?“, piepste das kleine Ausstecherle, doch niemand beachtete es. Der kleinen Nussschale tat es ein bisschen leid, aber sie wusste auch nicht, was eine Hüfte ist.

„Sprrrrrrrritzgebäck“, ratterte es von der Seite, sodass die kleine Nussschale erschrocken zusammenzuckte.

„Und du?“, fragte das Marmeladenplätzchen.

Die kleine Nussschale hoffte inständig, dass das Marmeladenplätzchen nicht sie meinte.

„Wer du bist?“ polterte das Marmeladenplätzchen streng und da bestand gar kein Zweifel, dass die kleine Nussschale gemeint war.

„Ich, ich, ich...“, stotterte die kleine Nussschale.

„Du, du, du, wer bist du zum Kuckuck?“ schimpfte das Marmeladenplätzchen nun sichtlich erbost. Die anderen Plätzchen lachten.

„Ich bin eigentlich gar kein Plätzchen“, murmelte die Nussschale kleinlaut.

„Was?“, donnerte das Marmeladenplätzchen. „Und dann besitzt du die Frechheit, dich in unsere Schale einzuschleichen?“

„Das war ja gar keine Absicht“, wimmerte die kleine Nussschale, den Tränen nahe. „Meine Nuss wurde gegessen und dann hat mich der Sohn einfach zu euch dazugelegt. Ich wollte das gar nicht.“

„Das hätte ich mir gleich denken können“, piepste ein Kokosplätzchen überheblich. „So verschrumpelt und hart wie du aussiehst. Wer würde dich denn schon essen wollen?“

Nun kullerte der kleinen Nussschale tatsächlich eine winzige Träne die Schale entlang.

„Also, wenn du kein Plätzchen bist, hast du hier nichts verloren“, schalt das Marmeladenplätzchen. Wir haben hier eine besondere Aufgabe und du störst.“

„Aber ich kann doch nichts dafür“, schluchzte die kleine Nussschale.

„Das tut nichts zur Sache, du musst hier weg“, schrie das Haselnussplätzchen ohne Haselnuss.

Die kleine schrumpelige Nussschale schämte sich fürchterlich.

„Die Schale muss raus! Die Schale muss raus!“, schrien da alle Weihnachtsplätzchen im Chor und versuchten, die kleine Nussschale so an den Rand zu drängen, dass sie über diesen aus der Schale purzeln sollte. Die kleine Nussschale bekam furchtbare Angst. Immer näher kam sie dem der Rand der Schale und sie wusste nicht, ob sie den Sturz unbeschadet überleben würde.

Doch gerade, als sie zu stürzen drohte, fühlte sie, wie eine kleine Hand sie schnappte. Sie wurde so ruckartig in die Luft gehoben, dass ihr kurz schwindelig wurde.

„Schau mal, Mama, was ich im Plätzchenteller gefunden habe?“ Stolz hob das kleine Mädchen die Nussschale in die Luft, als wäre sie ein Schatz.

„Super!“, rief die Mutter aus der Küche. „Genau das, was wir brauchen!“

Und dann passierte alles so schnell, dass die kleine Nussschale gar nicht wusste, wie ihr geschah. Sie spürte, wie sie mit den weichen Haaren eines Pinsels gestreichelt wurde, als das kleine Mädchen sie mit Goldfarbe anmalte. Dann wurde sie mit Draht an einem grünen Tannenzweig befestigt.

In ihre Kuhle wurde ein Tropfen Wachs gekleckst und in diesen eine kleine rote Kerze gesteckt. Dann landete das ganze Kunstwerk in der Mitte des Tisches. Der Plätzchenteller wurde dafür extra etwas zur Seite geschoben.

„Sieh nur Mama, wie schön das geworden ist“, seufzte das Mädchen glücklich.

Stolz strahlte die kleine Nussschale in ihrem goldenen Glanz. Das kleine Mädchen hatte sie nicht nur gerettet, sondern sogar zum Mittelpunkt des Tisches gemacht. Dabei war sie doch nur eine kleine, hässliche Nussschale gewesen.

Auch die Plätzchen erkannten nun die Schönheit der kleinen Nussschale und ließen kein böses Wort mehr hören. Während die Plätzchen über die Adventszeit nach und nach verzehrt wurden, leuchtete die kleine goldene Nussschale bis nach Weihnachten. Dann landete sie in der Deko-Kiste. Dort konnte sie nun ein Jahr lang schlummern, bis sie im nächsten Advent wieder herausgeholt würde. Und dann würde sie wieder golden glänzen und alle erfreuen. In der Mitte des Tisches, neben der Plätzchenschale. Und die kleine Nussschale schämte sich nie wieder für ihre schrumpelige harte Schale sondern strahlte vor Stolz in goldenem Glanz.

2. Dezember

Das Geheimnis der Schneeflocken

„Jetzt noch die Nase, dann ist er perfekt.“

Vorsichtig steckte Noah die lange Karotte, die er aus der Küche stibitzt hatte in das Gesicht des Schneemanns.

„Er sieht so hübsch aus!“

Kathi klatschte vor Freude in die Hände. Als Noah ihr vorgeschlagen hatte, einen Schneemann zu bauen, hatte sie erst lange gezögert. Normalerweise machten Jungs immer nur Sachen, die entweder laut oder wild waren, so viel hatte sie mit ihren vier Jahren schon herausgefunden. Aber diesmal hatte Noah sie wirklich überrascht. Er hatte ihr gezeigt, wie sie aus dem Schnee eine kleine runde Kugel formen und diese dann so durch den Schnee rollten konnte, dass sie zu einer ganz großen Kugel wurde. Als sie dann so groß war, dass Kathi sie gar nicht mehr bewegt bekam, hatte Noah ihr geholfen, sie voran zu schieben. Am Ende hatte Noah die drei großen Kugeln übereinander gestapelt. Eine für die Beine, eine für den Bauch und eine für den Kopf. Dann hatte er dem Schneemann Vaters großen Hut aufgesetzt und mit runden Steinen, die sie gemeinsam gesucht hatten, Mund, Augen und ein paar Knöpfe in die Kugeln gedrückt. Zwei Stöckchen bildeten die Arme des Schneemanns. Und nun war die Karottennase die orangfarbene Krönung des Ganzen. Noah war eben doch ein super großer Bruder, dachte Kathi bei sich.

Stolz bewunderten die beiden ihr Werk.

„Jetzt müssen wir ihm noch einen Namen geben“, sagte Noah schließlich und klopfte sich zufrieden kleine Schneeklümpchen aus den Handschuhen.

„Wie möchtest du ihn denn nennen?“

„Du sollst ihn nennen!“, rief Kathi. „Wenn du nicht die Idee gehabt hättest, dann würde es ihn ja gar nicht geben.“

„Also gut“, erwiderte Noah sichtlich gerührt. „Dann nenne ich ihn Oskar.“ Feierlich nahm er eine Handvoll Schnee und ließ ihn über den Kopf des Schneemanns rieseln, wie bei einer Taufe.

„Das ist ja ein hässlicher Schneemann!“

Am Zaun lehnte der Nachbarsjunge und grinste verächtlich.

„So einen hässlichen Schneemann habe ich ja in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.“

„Das stimmt ja gar nicht. Oskar ist wunderschön“, schimpfte Kathi. „Und du, blöder Bente, du bist außerdem der hässlichste Junge, den ich jemals in meinem ganzen Leben gesehen habe.“

Kathi wollte schon auf Bente los gehen, aber Noah zog sie am Ärmel zurück. Das aufbrausende Temperament seiner vierjährigen Schwester war beeindruckend, aber mit dem deutlich älteren Nachbarsjungen, der zudem ein Dorfbekannter Raufbold war, sollte sie sich besser nicht anlegen.

„Lass gut sein, Kathi, der ist nur neidisch“, versuchte er sie tröstend zu beruhigen.

„Neidisch auf so ein hässliches Ding? Niemals!“ Bente tat so, als würde er sich vor lachen gar nicht mehr einkriegen. Das machte die kleine Kathi nur noch wütender, doch Noah hielt sie fest in seinem Arm. Als großer Bruder würde er sie immer beschützen, notfalls auch vor sich selbst.

„Freut euch nur noch an eurem hässlichen Schneemann.“ Der Tonfall in Bentes Stimme wirkte auf einmal bedrohlich. Noah schwante Übles. „Für morgen haben sie eh höhere Temperaturen angesagt, dann schmilzt euer kalter Freund sowieso davon.“ Mit diesem Satz drehte er sich um und ging einfach weg.

Noah sah seine kleine Schwester an. Nun hatte sie Tränen in den Augen, doch Noah war sich nicht sicher, ob es Tränen der Wut waren oder ob sie wegen dem weinte, was Bente eben gesagt hatte. Ja, es stimmte, er hatte auch mitbekommen, dass für morgen wärmeres Wetter angesagt worden war. Daran hatte er überhaupt nicht mehr gedacht. Und natürlich würde Oskar dann zu einem kleinen Häuflein zusammenschmelzen.

„Muss Oskar sterben?“ Kathi schluchzte die Frage geradezu heraus. Die Tränen strömten jetzt über ihr Gesicht. „Aber er ist doch gerade erst geboren worden.“

Wow, dachte Noah. Seine kleine Schwester hatte wirklich einen Hang zur Dramatik. So hatte er das noch gar nie gesehen.

„Du brauchst doch nicht zu weinen, Kathi.“ Er zog einen Handschuh aus und wischte ihr liebevoll die Tränen von den Wangen. „Bente ist einfach blöd, der hat keine Ahnung.“

„Aber Oskar wird doch morgen einfach wegschmelzen.“ Kathi schluchzte inzwischen herzzerreißend. Da hatte Noah eine Idee.

„Ja, er wird wegschmelzen“, sagte er sachlich. Mit verweinten Augen sah Kathi ihren großen Bruder erstaunt an. Doch Noah hatte keinen Scherz gemacht. Vorsichtig zog er Kathi ganz nah an Oskar heran und deutete auf seinen dicken Kugelbauch.