3@Love - Alexandra Newski - E-Book

3@Love E-Book

Alexandra Newski

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Beschreibung

Nina ist mit Benjamin verheiratet und objektiv gesehen mangelt es ihr an nichts. Ihr Ehemann ist liebevoll und zuverlässig, beide bewohnen eine moderne Eigentumswohnung und haben interessante Freunde. Trotzdem ist Nina unglücklich und vermisst die Erotik und Sinnlichkeit vom Beginn ihres Zusammenseins. Aus Frustration über die Routine ihrer Beziehung stürzt sich Nina in eine Affäre mit dem mysteriösen Emil, deren verhängnisvolle Anziehungskraft sie gehörig unterschätzt. Mit Emil schreibt sie sich erotisch-prickeln-de E-Mails, erlebt leidenschaftliche Nächte und fühlt sich endlich wieder als Frau wahrgenommen und begehrt. Sie gibt sich ihrer Verliebtheit hin, lässt sich von ihr tragen und ehe sie sich versieht, steckt sie mittendrin in der Zwickmühle – hin- und hergerissen zwischen der vertrauten Zuneigung zu Benjamin und der stürmischen Leidenschaft zu Emil, zwischen der vertrauten und der leidenschaftlichen Liebe. Obwohl sie auf keinen der Männer verzichten will, merkt sie bald, dass sie so nicht weiterleben kann und sich entscheiden muss. Doch auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Labyrinth ihrer Gefühle tut sich plötzlich noch eine ganz andere, unerwartete Perspektive auf. 3@Love ist eine aufregende Geschichte über eine junge Frau zwischen zwei Männern, über Liebe und Leidenschaft und die Schwierigkeiten, seinen eigenen Weg zu finden.

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ALEXANDRA NEWSKI

3@Love

EROTISCHER ROMAN

INHALT

KAPITEL 1

MORGEN NEHME ICH MEIN LEBEN IN DIE HAND

Eine Frau, die nicht mehr umworben ist,

ist tot — und bereit, durch einen

anderen Mann wiederaufzuerstehen.

Coco Chanel

Этим летом мы придумаем сказку.

Я нашла возможность похулиганить и вернутся в детство.

Реальность скучна и бессмысленна,

Я придумаю свою действительность.

Diesen Sommer denken wir uns eine Geschichte aus.

Ich fand einen Weg zur gelösten Zwanglosigkeit.

Die Realität ist langweilig und sinnlos,

Also werde ich meinen eigenen Zukunftstraum spinnen.

Die Tür zu unserer Wohnung geht nicht auf. Ich bin todmüde, bekomme den Schlüssel nicht ins Schlüsselloch und schimpfe wie ein Rohrspatz.

Endlich klappt es. Im Flur ziehe ich mir die Schuhe aus und werfe sie achtlos auf den Boden. Die Tasche mit dem Arbeitslaptop wandert in den Schrank. Dann öffne ich genüsslich den Reißverschluss meines Rockes und lasse ihn irgendwo fallen. Es folgt die Bluse – hastig knöpfe ich sie auf und ziehe sie aus. Nach so einer Woche habe ich für rein gar nichts Geduld.

Es ist Freitagabend. Die ganze Woche über hatte ich mit anspruchsvollen und teilweise ungenießbaren Kunden zu tun. Ich war auf Dienstreise in Mailand, habe die Verkäufe von teuren Gesichtsmasken und Körpergelen ausgewertet, die Ergebnisse der Geschäftsleitung präsentiert, mich noch mal mit Vertriebsleitern getroffen und mir ihre Probleme mit den Preisentwicklungen in den Märkten angehört. »Luxusmarken haben auch ihre Schwächen …«

Ich bin überreif für das Wochenende.

Zum Glück bin ich vor meinem Mann nach Hause gekommen – so habe ich die Wohnung für mich allein und kann für ein paar Stunden tun und lassen, was ich will.

Ich schlendere in die Küche, nehme eine bereits geöffnete Flasche Sekt aus dem Kühlschrank und trinke ein paar Schlucke direkt aus der Flasche. Heute gebe ich mir die Kante, denke ich dabei.

Eigentlich würde ich am liebsten eine Tüte rauchen, mich danach in die Badewanne legen und mit dem Duschkopf masturbieren. Aber das ist mir jetzt zu anstrengend. Vielleicht sollte ich besser gleich schlafen gehen, meldet sich mein Verstand.

*

Ich zünde mir eine Zigarette an und gehe ins Wohnzimmer. Diese schicke, überteuerte Eigentumswohnung hat uns ein Vermögen gekostet und schon mehrmals unsere Ehe bedroht. Natürlich hatten wir damals gute Gründe, uns für den Kauf zu entscheiden: Wir sparen Steuern, bauen Vermögen auf und haben nicht zuletzt eine tolle Prachtbude – und das in unserem Alter. Ich bin 30 und Benjamin, mein Mann, ist 36.

Aber die Hypotheken für eine Dreizimmerwohnung in der Münchener Innenstadt abzubezahlen, geht nicht wies Brezelbacken. Das hält einen lange auf Trab. Es ist wie mit der Transsib von Sankt Petersburg nach Peking zu fahren ‒ man weiß nie, was passiert. Ob man ankommt, steht noch in den Sternen.

Ich lege mich auf die riesige weiße Couch im Wohnzimmer ‒ gleich so, nur mit Unterwäsche und Strumpfhosen bekleidet ‒, trinke aus der Flasche und rauche. Die Zigarettenasche schnippe ich auf einen Teller, der zusammen mit einer Kaffeetasse auf dem Tisch neben der Couch steht. Vermutlich hatte Benjamin keine Zeit, sein Frühstücksgeschirr wegzuräumen.

Ich habe keine Lust auf das Wochenende, das mich erwartet. Zwar bin ich froh, dass die Woche endlich vorbei ist, freue mich aber nicht darauf, die zwei freien Tage zu Hause zu verbringen.

Den Ablauf des Wochenendes kenne ich in allen Einzelheiten: Benjamin wird heute spät nach Hause kommen, ins Bett fallen, mit mir ein paar Worte wechseln und morgen erst gegen Mittag aufwachen, da er den fehlenden Schlaf der gesamten Woche nachholen muss. Beim Frühstück wird er genüsslich die Zeitung lesen, wieder ein paar nebensächliche Dinge mit mir besprechen, mich dann beiläufig küssen, in sein Arbeitszimmer gehen, um noch etwas zu erledigen, oder kurz fernsehen. Ich werde in die Stadt verschwinden, eine Freundin treffen und zu viel Geld für überteuerte Kleidung ausgeben.

Aber was soll’s! Ich brauche den Kick. Ich möchte mir jetzt die fantastisch teuren Kleider und die Spitzenunterwäsche leisten, weil ich sie jetzt tragen kann. In 20 Jahren wird das vielleicht nicht mehr der Fall sein.

Meine Freundin Anastasia, liebevoll Nastya genannt, reißt schon Witze über mich. Sie meint, dass ich solche ausschweifenden Shoppingtouren nur deshalb brauche, weil bei meinem Mann und mir im Bett nicht mehr viel läuft. Oder hat man jemals eine Frau gesehen, die nach einer heißen Nacht Frustkäufe macht?

Punktgenau erwischt Nastya meine wunde Stelle. Sie hat nämlich recht. Aber mit ihr darüber zu reden, würde mir nicht in den Sinn kommen. Ich bin jung, schön, ziemlich erfolgreich in meinem Job und habe keinen guten Sex? Das ist doch Quatsch! Es ist höchstens eine Phase.

Ich kann mich noch erinnern, wie es vor anderthalb, zwei Jahren war: Benjamin und ich vergnügten uns ständig miteinander.

Wir brauchen einfach mal eine Unterbrechung des Alltags, eine Atempause, sonst … Ja, was passiert eigentlich, wenn gar nichts mehr geht? Mit dieser Frage will ich mich lieber nicht auseinandersetzen.

Doch zurück zum Wochenende: Am Samstagabend kommen entweder unsere Freunde vorbei oder wir statten ihnen einen Besuch ab. Wir kochen gemeinsam oder bestellen eine Pizza, die wir vor dem Fernseher essen. Wenn Benjamin und ich dann nach Mitternacht ins Bett gehen, drückt er mir einen trockenen Schmatz auf die Wange und sagt: »Gute Nacht, Schätzchen. Schlaf schön!«

Nach so einem Tag – vor allem mit diesem Abschluss – bist du echt frustriert. Doch du versuchst, das alles zu verdrängen. Das funktioniert die ersten vier bis sechs Monate halbwegs gut. Danach masturbierst du immer öfter im Bett, solange der Mann noch nicht da ist, oder unter der Dusche, mit seifigen, unersättlichen Fingern. Auf der Dienstreise schaust du dir im Hotel die Pornos direkt auf dem Arbeitslaptop an und masturbierst wieder wie verrückt. Aber wirkliche Befriedigung? Weit gefehlt!

Dann kommt der Zeitpunkt, an dem du merkst, dass dir die tiefe Intimität und die Gespräche mit deinem Partner fehlen. Das Zwischenmenschliche funktioniert nicht mehr. Irgendwann in der Hetze des Alltags habt ihr beide aufgehört, miteinander zu reden. Das kann man natürlich ändern, doch wo fängt man am besten an? Der Abstand ist inzwischen schon ziemlich groß geworden.

Die Einsamkeit schlingt sich immer fester um dein Leben, wie eine dicke Python legt sie sich um deinen Hals, sodass du keine Luft mehr bekommst. Sie hält dich in ihrer Gewalt und du weißt nicht, wie du dich jemals wieder daraus befreien sollst.

Eines Tages willst du gar nicht mehr in deine schöne Wohnung zurückkehren. Du läufst durch die Straßen und fragst dich, was eigentlich passiert ist und wann dein Leben anfing, sich in einen stinkenden Sumpf zu verwandeln, in dem du immer tiefer versinkst.

Doch es ist schon zu spät. Du bist bereits auf einem Weg, auf dem man nicht mehr umkehren kann und den du jetzt bis zum Schluss gehen musst. Aber das Ende ist noch ungewiss.

Es scheint dir, als ob alles bereits vorbei wäre, als ob du vom Leben nichts mehr erwarten dürftest, es keine Überraschungen mehr bieten würde. Es gibt keine Zukunft, nur die Vergangenheit, die sich jeden Tag wiederholt.

Alles erstarrt und du schaust unbeteiligt zu.

Das ist nicht wirklich mein Leben, ich schlafe und träume nur, denkst du irgendwann. Ich kann doch nicht so ein Klischee geworden sein.

Auch bei uns ist alles zu einer deprimierenden Routine geworden: Jeder geht einer festen Beschäftigung nach, manchmal feiern wir eine Party, manchmal gehen wir zusammen einkaufen und tauschen uns über die Belanglosigkeiten des Alltags aus. Wir diskutieren, ob wir spontan für ein langes Wochenende nach Sylt reisen wollen oder lieber zu meiner Tante nach Sankt Petersburg. Sollen wir schnell den Kredit für die Wohnung abbezahlen oder das Geld besser anderweitig anlegen, zum Beispiel in Aktien eines erfolgreichen Pharmaunternehmens, wobei man sich möglichst nicht zu lange binden sollte?

Bereits vor langer Zeit fing es an, zwischen uns zu knirschen, doch ich verschloss die Augen, um es nicht wahrzuhaben. Dann veränderte sich ziemlich viel für uns im letzten Jahr, alles ging sehr schnell:

Benjamin übernahm das Steuerbüro seiner Eltern, die sich endlich nach Sansibar verabschiedeten, um dort ihre Rente zu genießen. Es war eine der schwierigsten Entscheidungen für meine Schwiegereltern. Nach langem Hin und Her gaben sie das Familienunternehmen in die Hände des jüngeren Sohnes und nicht in die der älteren Tochter, wie es vorher geplant war. Es flogen die Fetzen und in Benjamin wurden große Hoffnungen gesetzt – er sollte die Philosophie seines Vaters übernehmen und dessen »Lebenswerk« möglichst entsprechend fortführen.

Seitdem beschäftigen ihn fast nur noch rechtliche, steuerliche und organisatorische Fragen und ein Ende ist nicht in Sicht. Durch die äußeren Zwänge ist er wie fremdgesteuert: Kompetenzen müssen neu verteilt, der Zeitplan für die nächste Periode abgesteckt, Termine mit Kunden wahrgenommen werden. Benjamin taucht ab in seine Arbeit und kommt immer seltener zu etwas anderem.

Von außen scheint es, als ob alles nach irgendeinem perfekten Plan abläuft. Vor drei Jahren heirateten wir. Es war die große Liebe und wir waren zu dem Zeitpunkt bereits zweieinhalb Jahre zusammen. Vor einem Jahr legten wir uns dann die hochelegante Eigentumswohnung in München zu. »Klotzen statt kleckern« war die Devise. Wohnen müssen wir sowieso irgendwo, warum also nicht gleich so exquisit? Ist doch egal, wenn wir uns bis über beide Ohren verschulden.

Das Ganze ist zu einer Zerreißprobe für unsere Beziehung geworden.

Natürlich heißt es immer, dass man fast jeden Konflikt durch ein Gespräch lösen kann. Ganz sicher, mal wieder richtig miteinander zu reden wäre ausgezeichnet. Doch Benjamin frisst alles in sich hinein und versteckt sich hinter einer Mauer des Schweigens. Ich kann anklopfen, solange ich will – er hört mich einfach nicht. Irgendwann habe ich mich in diesen Zustand gefügt.

*

Trotzdem fehlt er mir. Seine Karriere nimmt momentan eindeutig den ersten Platz in seinem Leben ein. Und deswegen brauche ich ein Ventil für meinen Verdruss. Zurzeit sind es maßlose Shoppingtouren, die Entdeckung immer neuer kulinarischer Hochgenüsse in München und kurze Städtereisen mit meiner Freundin Nastya.

Ich kenne sie seit dem Studium. Unsere Wege kreuzten sich oft, bis wir uns eines Tages mal wieder zufällig in München auf einem Kongress begegneten und feststellten, dass wir inzwischen beide hier leben. Außerdem verbinden uns dasselbe Geburtsland und die russische Sprache, die heiße Liebe zu teuren Klamotten und der reuelose Genuss von Alkohol. Wir sind glücklich, so eine enge Freundschaft zu haben, wie es sie nur zwischen zwei Frauen geben kann.

Das Geräusch der zufallenden Wohnungstür und Schritte im Flur reißen mich aus meinen Gedanken. Benjamins Frühstücksteller ist inzwischen voller Zigarettenstummel und Asche und die Sektflasche ist leer.

»Benjamin!«

Überschwänglich begrüße ich ihn und gebe ihm einen Schmatz auf die Lippen. Wenn ich so ein Gesicht ziehen würde, wie ich mich fühle, würde sich die Situation nur zuspitzen. Also versuche ich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. So schlimm ist das doch alles gar nicht. Wir beide sind einfach nur überarbeitet und ich bin chronisch »underfucked«, um es mit diesem neumodischen Begriff zu umschreiben.

Widerwillig küsst er mich und verzieht das Gesicht: »Du hast wieder in der Wohnung geraucht! Du weißt doch, dass ich das nicht mag!«

»Ach, ich wollte mich einfach ein bisschen entspannen. Ich lüfte gleich.«

»Du wolltest doch irgendwann mit dem Rauchen aufhören«, brummt er aus dem Bad. »Na, spätestens, wenn du schwanger bist, ist endlich Schluss damit.«

Ich verschlucke mich fast an dem Wasser, das ich gleich aus dem Hahn in der Küche trinke, und lache los.

»Liebling, wir wollten uns doch damit erst in ein paar Jahren beschäftigen. Bis dahin kann ich meinen Organismus noch mit gutem Gewissen und auf eigenes Risiko ruinieren.«

»Als wir vor zwei Jahren darüber sprachen, haben wir das Thema auch schon aufgeschoben.« Benjamin kommt in die Küche und lächelt mir zu. »Ich bin ja jetzt schon 36 und würde gern bald Papa werden.«

Ja, dafür müsstest du mich manchmal aber auch vögeln, mein Knuffelchen, denke ich gehässig. So etwas würde ich natürlich nie sagen. Aber zum Glück kann man ja alles Mögliche denken.

»Hm«, antworte ich. Etwas anderes fällt mir nicht ein. »Lass uns das Thema auf nächstes Jahr vertagen.«

Soll ich etwa jetzt, wo ich mit allem unzufrieden bin, auch noch schwanger werden? Träum weiter! Zuerst muss ich mein eigenes Leben aufräumen, bevor etwas Neues dazukommt.

»Das ist so typisch für dich!«, sagt Benjamin genervt. »Nie willst du dich festlegen. Wie kam es eigentlich, dass du damals meinen Antrag so schnell angenommen und mich geheiratet hast? Du musstest ja gar nicht überlegen.«

»Wie kannst du das vergleichen?! Das war doch rein emotional. Ich war bis über beide Ohren in dich verknallt!«

Ich schenke ihm ein Lächeln, gehe ganz nah zu ihm und umarme ihn fest. Dabei suche ich seine Lippen und küsse ihn sanft, beiße leicht in seine Oberlippe.

Für eine lange Zeit war unsere Beziehung auch wirklich sehr bewegend gewesen. Meine Welt wurde komplett auf den Kopf gestellt. Ich erlebte eine Ekstase, die ich bis dahin nicht gekannt hatte. Vor lauter Glück verlor ich den Boden unter den Füßen und alle Probleme schienen leicht überwindbar zu sein. Genau genommen gab es zu der Zeit keine anderen Themen im Leben als Benjamin und mich. Irgendwann wandelten die extremen Gefühle sich dann in ein verträumtes, ruhigeres Glück und schließlich in das Nebeneinander, das wir jetzt leben.

Die Erfahrung zeigt eben, dass es zu wenig ist, nur Ehemann und Ehefrau zu sein. Man sollte sich gegenseitig auch noch ein guter Freund, toller Liebhaber, aufmerksamer Gesprächspartner und enger Vertrauter sein, sonst sucht der Partner all das woanders.

»Ein Kind ist doch auch eine absolute Gefühlssache. Man muss es mit dem Herzen wollen. So etwas sachlich zu planen ist doch abwegig«, reißt Benjamin mich aus meinen Gedanken.

Er hat recht. Aber will ich überhaupt ein Kind? Und will ich noch dieses Leben, das ich so sorgfältig entworfen habe? Was kommt denn sonst für mich infrage? Was für ein Leben möchte ich führen?

Manchmal lassen sich die Vorstellungen von zwei Menschen schwer unter einen Hut bringen, egal wie gut ihr Verhältnis ist. In unserem Fall ist es die Frage, ob wir Eltern werden sollen oder nicht. Tja, so ein Kind würde uns sicherlich wieder zusammenschweißen, da es ein gemeinsames Projekt für mindestens die nächsten 18 Jahre wäre. Was für ein egoistisches Motiv, ein Kind zu bekommen!

Plötzlich klingelt das Telefon. Ich schüttele die grüblerischen Gedanken ab und bin froh, die Unterhaltung mit Benjamin nicht weiterführen zu müssen.

»Na, wie ist die Lage?«, fragt Nastya.

Die Stimme meiner Freundin ist ungewöhnlich tief. Wahrscheinlich hat sie bei der After-Work-Party wieder zu viel gefeiert.

»Ach, was soll ich dir erzählen? Arbeit ‒ Zuhause ‒ Arbeit ‒ Zuhause«, antworte ich und zögere ein wenig, »manchmal Sex. Du weißt schon, der ewige Kreislauf. Hauptsache, man kommt nicht durcheinander.«

»Es wäre doch cool«, geht sie sofort darauf ein, »wenn sich alles ein wenig vermischen würde: Sex bei der Arbeit, Sex zu Hause ‒ ist doch viel lustiger!«

»So läuft es bei dir, oder?«, kontere ich ihre Provokation.

»Komm, meine Liebe, geh mit mir aus!«, fordert sie mich auf und ignoriert meinen scharfen Ton. »Meine Verabredung lässt mich heute sitzen, weil der gute Familienvater zum Geburtstag der Tochter muss. Auf die anderen Typen habe ich gerade keinen Bock, deswegen bist du dran!«

Nastya ist bekannt für ihren extravaganten Lebensstil und eine Vielzahl an Liebschaften.

Ich schmunzele am Telefon. Meine Freundin kommt mir wie gerufen. Ich wollte sowieso von hier verschwinden. Danke, du da oben, wer auch immer du sein magst!

»Klar doch!«, sage ich also. »Ich bin in einer halben Stunde bei dir. Wo gehen wir hin?«

»Man könnte meinen, du seist froh, den Abend nicht zu Hause verbringen zu müssen«, wirft Benjamin ein.

Was für ein ungewöhnlicher Scharfsinn von meinem Mann!

»Liebling, Nastya steckt mal wieder in der Klemme. Ihr Freund, der eigentlich verheiratet ist, hat sie schon wieder verlassen und ich muss sie heute Abend mental unterstützen«, lüge ich. Es ist das Erste, was mir in den Sinn kommt. Das wird er sowieso nicht nachprüfen können.

»Das ist doch gut so. Hat sie gar kein Gewissen! Sie stiehlt ja quasi einer anderen Frau den Mann!«, ruft Benjamin entrüstet.

»Na, er hat doch auch einen Kopf zum Denken. Sie zwingt ihn ja nicht zum Fremdgehen!«

Aber Benjamin zappt schon mit der Fernbedienung die Kanäle durch und hat auf Durchzug geschaltet.

»Viel Spaß, Honey Bunny!«, ruft er mir noch hinterher.

Dieser scheußliche Kosename! Mir wird ganz übel. Schnell weg hier!

Bei Nastya zu Hause versacken wir mit einer Flasche Rotwein und Käsekräckern auf der Terrasse.

Sie weint und schmiert sich dabei ihre Wimperntusche über die Wangen.

»Alle Leute um mich herum sind so verdammt glücklich, dass sie mich komplett vergessen. Ich fühle mich total allein! Ich sehe überall nur zufriedene Pärchen, die mich auf suizidale Gedanken bringen!«

»Nastya, du übertreibst mal wieder! Das ist doch nur eine Momentaufnahme und viele spielen dieses ›Glücklichsein in einer vollkommenen Beziehung‹ ja auch bloß. Kratz mal an der Oberfläche! Nichts ist so, wie es scheint, glaub mir!«

Ich weiß genau, dass sie sich nur den Frust von der Seele reden will. Im Prinzip ist ihr das Glück der anderen so wichtig wie das Wetter in Burkina Faso.

In dem Moment platzt alles aus ihr heraus: »Dieses Schwein, er hat sich einer Vasektomie unterzogen! Nachdem seine Frau nacheinander drei Kinder bekommen hatte, wollte er partout kein viertes mehr. Aber das wusste ich ja nicht, als ich mich in ihn verliebt habe!«

Ich schaue sie verwundert an.

»Sterilisationsoperation – hast du noch nie gehört, was? Das ist wieder mal so typisch! Du willst keine Kinder, aber dein Mann. Und ich? Ich habe mir ausgerechnet den Mann ausgesucht, der schon genug von Kindern hat. Das Leben ist nicht fair!«

Sie weint hemmungslos weiter und schnaubt dann in ein Taschentuch.

»Such dir doch jemand anderen, der noch Kinder zeugen kann«, schlage ich vor.

Eigentlich wollte ich einen Witz über die ganze Sache reißen, traue mich aber nicht, weil ihr das Thema anscheinend ernst ist.

»Er ist doch nicht der letzte Mann auf der Welt.«

»Hast du seine Kinder gesehen? Alle groß, hübsch, gesund, total clever in der Schule. Wo finde ich bitte schön so ein Erbmaterial?«

Ich lache los.

»Du verstehst das nicht. Ich kann nur mit jemandem ins Bett gehen, der mir gefällt – der mich verführt und mir so richtig den Hof macht. Ich bin wählerisch für drei. So wird das nie was!«, ruft Nastya empört.

»Hey, morgen gehen wir aus, da triffst du fünf neue Typen – einer besser als der andere! An Männern hat es doch noch nie gefehlt …«

»Du bist so naiv!«, unterbricht sie mich. »Ich habe nicht ewig Zeit! Ich bin schon 33! Das Entscheidende im Leben ist nun mal der richtige Zeitpunkt. In zehn Jahren nützt mir der Traummann wenig, meine Eierstöcke sind dann trockene alte Feigen und ich bin nicht mehr fruchtbar!«

Ihre Emotionalität beeindruckt mich. Ich habe sowieso gern authentische Menschen um mich herum, die zwar auch mal aufbrausend und laut sind, aber keine Angst haben, mich zu kritisieren und mir die Wahrheit zu sagen. Sie sind mir tausendmal lieber als höflich-verlogene Leute, die immer eine Rolle spielen.

»Mein Liebesleben ist eine einzige Abfolge von Hoffnung und Enttäuschung. Du brauchst dir natürlich keine Gedanken mehr darüber zu machen, weil du dein Glück schon gefunden hast«, sagt Nastya leicht vorwurfsvoll.

Das beantworte ich mit einem resignierten Lächeln. Manchmal reicht es leider nicht, das Glück zu finden, man muss es auch halten können. Es ist erstaunlich, wie die Vorstellung von Glück für viele Frauen mit dem Begriff »Liebe« gleichgesetzt ist, egal wie erfolgreich, schön oder zufrieden mit dem eigenen Leben sie sind.

Nastya will viel Liebe und hat auch Unmengen an Zuneigung zu verschenken. Die würde für viele reichen, deswegen will sie ja so gern Kinder haben. Sie möchte die Gesichtszüge und Charaktereigenschaften des geliebten Mannes, dem sie hoffentlich irgendwann begegnen wird, in ihren Kindern wiedererkennen. Kinder sind in ihren Augen ein Multiplikator der Liebe.

Ja, Kinder sind ein Wunder – so erneuert sich das Leben immer wieder, überlege ich, während ich Nastya tröste. Doch es existieren viel mehr Wunder auf dieser Welt, egal wo man hinschaut. Es gibt genügend andere Geheimnisse, die man erkunden kann, sodass das Leben nie an Spannung verliert. Zumindest denke ich jetzt so. Wer weiß, wie das in ein paar Jahren sein wird.

KAPITEL 2

WENN DIE LIEBE STIRBT …

Goodbye my lover.

Goodbye my friend.

You have been the one.

You have been the one for me.

James Blunt

Das Wasser blubbert fröhlich in der Kaffeemaschine. Ich sitze in meinem kurzen weißen Bademantel am Frühstückstisch und löffele langsam einen Joghurt aus dem Becher. Benjamin sitzt mir gegenüber, schaut auf seinen Laptop und frühstückt nebenbei. Der Joghurt ist cremig, schmeckt aber nach nichts. Also werfe ich ein paar Weintrauben in den Becher und kreiere meine eigene Joghurtsorte.

Die Trauben rufen bei mir eine Erinnerung an das erste halbe Jahr mit Benjamin wach, als wir noch in der alten, unsanierten Wohnung lebten und fast nichts außer Matratzen auf dem Parkettfußboden hatten. Sie waren damals unser Bett, Sessel, Sofa und Tisch – alles in einem. Doch mehr brauchten wir nicht, da das Universum sowieso auf die Größe dieser Matratzen geschrumpft war.

Zahlreiche Nächte verbrachten wir mit wildem, unersättlichem Sex, der ab und zu durch angeregte Unterhaltungen unterbrochen wurde. Wir schliefen nur zwei bis drei Stunden pro Nacht, waren aber trotzdem erholt wie nie und sahen abgemagert und glücklich aus.

Einmal frühstückten wir damals im Bett und Benjamin schaute mir zu, wie ich die dunklen Weintrauben, die ich am liebsten aß, in meinem Mund verschwinden ließ. Er nahm ein paar und steckte sie mir in die Vagina, um sie gleich wieder mit der Zunge und seinen Fingern herauszufischen. Dann aß er die Trauben und meinte, es sei ihm viel zu gewöhnlich, sie auf herkömmliche Art zu essen. Er bevorzuge eben Früchte, die kurz in meinem Saft eingelegt waren, den ich in Mengen produziere, wenn ich viel Liebe genieße und glücklich bin. Wir kicherten wie die Teenager und konnten nicht genug voneinander bekommen.

Ich dachte damals: So glücklich werde ich nie wieder … Bis jetzt hat sich das erstaunlicherweise bestätigt.

Inzwischen sind Weintrauben für uns nur Beeren, die man einfach isst und höchstens mal in den Joghurt gibt. Der Zauber hat sich verflüchtigt und lediglich die prosaische Realität ist geblieben.

Normalerweise gewöhnen sich doch die Leute an diese Tatsache, wieso ich nicht? Benjamin scheint ja auch völlig zufrieden mit allem zu sein. Aber kann ich so leben? So ganz ohne leidenschaftliche Liebe?

»Wir könnten mit unserem angesparten Geld eine Sondertilgung leisten, dann müssten wir nächstes Jahr keine Zinsen an die Bank zahlen. Da sparen wir eine ganze Menge«, holt mich Benjamin aus meinen Träumereien zurück.

Ich schaue ihn verständnislos an und frage: »Aber ist denn eine Sondertilgung sinnvoll, wenn du eigentlich Urlaub brauchst und das Geld auch dafür gespart war?«

Mit gerunzelter Stirn schaut er mich altklug an. Wie oft habe ich diesen Blick im letzten halben Jahr ertragen müssen?!

Milde ausgedrückt bin ich wütend. Er will doch tatsächlich aufs Verreisen verzichten, nur um mit dem dafür angesparten Geld eine Extrazahlung für unsere Wohnung zu tätigen. Mexiko rückt also wieder in weite Ferne.

In unserem Leben geht es inzwischen häufig nur noch um Absicherung und Stabilität. Ich sehne mich nach etwas Neuem und danach, aus dem Alltag auszubrechen. Die Situation wird langsam unerträglich. Bitte mach endlich mal etwas Planloses und Unverantwortliches, ich drehe sonst durch!

»Schau dich doch an: Du hast Ringe unter den Augen und bist total fertig und abgespannt. Eine Pause würde dir guttun!«

»Nina, sei mir nicht böse, aber du denkst zu kurzfristig. Bei dir soll es im Leben immer nur Spaß und Vergnügen geben! Das geht aber nicht. Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Wir müssen ja nicht ganz auf unseren Urlaub verzichten. Lass uns zu Weihnachten eine Städtereise unternehmen oder einfach zum Skifahren in die Berge reisen! Aber so eine teure Fernreise nach Mexiko und in all die anderen Staaten in Mittelamerika, die du noch besuchen willst, und das für einen ganzen Monat – weißt du, was das kostet?! Ein Vermögen! Wir sind doch schon um die halbe Welt gereist und haben eine ganze Menge gesehen. Dieser Urlaub läuft uns nicht weg. Wenn wir jetzt die 15.000 Euro Sondertilgung leisten, haben wir schon eine ganze Menge weniger Schulden.«

»Immer willst du alles ›später‹ oder ›irgendwann‹ machen. Ich hab es so satt, dass du mich ständig mit logischen Argumenten überzeugen willst! Entscheidest du nie nach Gefühl? Spielen denn Emotionen für dich keine Rolle?«

Benjamin steht auf, schiebt den Stuhl zurück und wirft seine Serviette energisch auf den Tisch.

»Du kritisierst mich immer nur in letzter Zeit! Was passt dir nicht an mir? Es reicht doch schon, dass ich mir auf der Arbeit all die Beschwerden der Kunden anhören muss! Jeder zerrt an mir und jedem soll ich es recht machen. Kannst du nicht wenigstens an mich denken?«

Das tue ich doch, denke ich zynisch, aber eben auch an mein Glück und meinen Spaß.

»Ich denke an dich, Liebling. Ich möchte nur, dass du manchmal deine Arbeit vergisst, mich ganz fest an dich drückst und küsst und …«

Ich bin mit meinem Latein am Ende. Wie soll es mit uns bloß weitergehen?!

»Wir beide fahren bald ganz weit weg. Versprochen!«, sagt Benjamin. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsste mich sanft auf die Lippen. »Du kannst ja erst einmal mit Anastasia verreisen. Ich kann mir sowieso gerade nur sehr schlecht eine Pause gönnen und das Steuerbüro allein lassen. Bald müssen Jahresabschlüsse …«

Ich habe schon längst abgeschaltet. Mich packt der Zorn. Aber ich presse meine Lippen fest zusammen und sage kein Wort. Das bringt ja sowieso nichts. Scheiß drauf, dass wir diesen Betonhaufen namens »Wohnung« abbezahlen müssen! Spielt doch keine Rolle! Das hier ist schon längst kein Zuhause mehr für mich!

Siehst du denn nicht, wie einsam ich bin und wie schlecht es mir geht?!

Wann haben wir eigentlich aufgehört, richtig miteinander zu reden? Über unsere Wünsche, Bedürfnisse, über uns beide?

Mittlerweile kann ich nur noch lachen, wenn Benjamin so ernst über sein Steuerbüro spricht. Was machen sie denn dort so Lebenswichtiges? Leute zum Mars schicken oder ein Medikament gegen Krebs entwickeln? Sie machen doch nur Steuererklärungen. Davon hängt nun wirklich kein Leben ab!

Leider habe ich schon zu viele Gelegenheiten versäumt, zu viel Ungesagtes hat sich bei mir aufgestaut. In der letzten Zeit habe ich den Mund nicht aufbekommen. Es war keine Scheu oder Schüchternheit. Ich wusste einfach nicht, wo ich anfangen sollte.

Erstaunlicherweise gibt es auch irgendwie keine schönen Themen mehr, über die wir diskutieren könnten. Offenbar bleibt uns nichts anderes übrig, als über Arbeit, Finanzen, das Steuerbüro und das Wetter zu reden. Es ist, als ob wir uns in den gemeinsamen sechs Jahren schon alles gesagt hätten.

Wir streiten uns immer öfter. Früher glichen wir unsere Probleme durch guten Sex aus. Sex ist ja ein Schmiermittel in der Beziehung – so wichtig wie Öl für ein Getriebe.

Am meisten stört mich, dass ich zur ständigen Initiatorin unseres Sexlebens geworden bin. Benjamin hat in letzter Zeit nie wirklich Lust dazu und gibt eigentlich immer nur meinem Drängen nach. Grauenhaft! Wie konnte es so weit kommen?!

*

Ich fühle, dass sich meine Wut in sexuelle Erregung wandelt. Also stürme ich ins Bad und stelle mich unter die warme Dusche, massiere meinen Körper mit dem Schwamm und rasiere mir die Muschi ganz glatt. Meine Fantasie geht gleich mit mir durch. Ich masturbiere ein wenig, um in Stimmung zu kommen, spüre die Feuchtigkeit zwischen den Beinen, tauche einen Finger in die triefende Spalte und streichele mich ausgiebig. Mein Atem wird immer schneller und meine Wangen erröten vor Verlagen. Das passiert mir immer, wenn ich Lust auf Sex habe.

Nach dem Duschen reibe ich mich mit einem duftenden Öl ein und betrachte mich im Spiegel. Die Frau darin sieht viel zu ernst und angespannt aus. Wo ist denn nur ihre übliche Lockerheit?

Wählerisch betrachte ich die Auswahl an Unterwäsche in der Schublade des Badschränkchens und entscheide mich für einen winzigen roten Stringtanga.