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Heimat ist, wo dein Herz wohnt. Aber was, wenn dein Herz keine Heimat findet? MondZauber #3 Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Nachdem Lyra überstürzt aus Venedig abreisen musste, verbringt sie Weihnachten bei den Wölfen in Island. Alles könnte schön sein. Ian gesteht ihr seine Liebe, sie lernt ihren Großvater kennen, der an dem Anti-Serum arbeitet, das Cathán und seine Zombie-Armee schwächen soll. Doch nichts ist, wie es scheint. Die Tochter der Geisterkönigin treibt ein perfides Spiel. Lyra muss vor der Zeit nach Nordirland aufbrechen, um in den Marble Arch Caves die unsterblichen Überreste des Urvampirs zu finden. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, in der Pollnagollum-Höhle wird das Schicksal der magischen Welt neu besiegelt. Aber diesmal hat Lyra Hilfe, die Rabenbrüder Dagur und Arnar erweisen sich als tapfere Weggefährten und auch ihre Tante Miranda ist kein artiges Miezekätzchen. Ein weiblicher Hybrid in der Gestalt eines Wertieres, geboren aus dem Wasser und dem Feuer, soll im Reich der Luft seine Kräfte messen und dem Reich der Erde endlich Frieden bringen. Lyras Schicksal wurde bereits vor langer Zeit besiegelt. Begleite sie auf ihrem fantastischen Weg, tauche ein in die magische Welt der Mythen und Märchen und löse mit ihr gemeinsam die Geheimnisse, welche nun nicht länger im Verborgenen liegen ... Die Basisstory REDRUBI ist einzeln erhältlich. Vergiss Rotkäppchen!
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Seitenzahl: 258
Veröffentlichungsjahr: 2021
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MARI MÄRZ
VERBANNUNG
Part #3 der MondZauber-Tetralogie
Handlungen und Personen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen werden in diesem Buch in einem ausschließlich fiktionalen Zusammenhang verwendet.
MondZauber 3 - VERBANNUNG
1. Auflage
Copyright © 2021 MARI MÄRZ
DIE TEXTWERKSTATT
www.korrekt-getippt.de
Korrektorat: Silvia Vogt
Cover-Grafiken: Pixabay
Danke an meine Testleser:
Velvet van Black
Mony EuqInom
Katja Kayser
Jürgen Riedmayer
Manuela Mudder
Alle Rechte vorbehalten.
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Ein weiblicher Hybrid in der Gestalt eines Wertieres, geboren aus dem Wasser und dem Feuer, soll im Reich der Luft seine Kräfte messen und dem Reich der Erde endlich Frieden bringen. Lyras Schicksal wurde bereits vor langer Zeit besiegelt. Begleite sie auf ihrem fantastischen Weg, tauche ein in die magische Welt der Mythen und Märchen und löse mit ihr gemeinsam die Geheimnisse, welche nun nicht länger im Verborgenen liegen ...
#3MondZauber: VERBANNUNG
Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Nachdem Lyra überstürzt aus Venedig abreisen musste, verbringt sie Weihnachten bei den Wölfen in Island. Alles könnte schön sein. Ian gesteht ihr seine Liebe, sie lernt ihren Großvater kennen, der an dem Anti-Serum arbeitet, das Cathán und seine Zombie-Armee schwächen soll. Doch nichts ist, wie es scheint. Die Tochter der Geisterkönigin treibt ein perfides Spiel. Lyra muss vor der Zeit nach Nordirland aufbrechen, um in den Marble Arch Caves die unsterblichen Überreste des Urvampirs zu finden. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, in der Pollnagollum-Höhle wird das Schicksal der magischen Welt neu besiegelt. Aber diesmal hat Lyra Hilfe, die Rabenbrüder Dagur und Arnar erweisen sich als tapfere Weggefährten und auch ihre Tante Miranda ist kein artiges Miezekätzchen.
Heimat ist dort, wo dein Herz wohnt.
Aber was, wenn dein Herz keine Heimat findet?
Inhalt
Lyra
Was bisher geschah ...
Ruhe vor dem Sturm
Die vier Elemente
Erinnerungen
Kalte Dusche
Hexenhammer
Glaube & Zeichen
Der letzte Tanz
Aufbruch ins Ungewisse
Feuer & Eis
Jólasveinar
Xeroderma pigmentosum
Hexen des Nordens
Liebe & Instinkte
Schwarzer Tod
Rødhette
Wettlauf gegen die Zeit
Die alte Welt
Wissenschaft & Magie
Exempli Gratia Magicis
Marble Arch Caves
Bewährungsprobe
Ogham
Irrwege
Herz & Hirn
Redrubis Spiel
Licht & Asche
Das Blut des Urvampirs
Wie geht es weiter?
MondZauber #1 VERWANDLUNG
MondZauber #2 VERSUCHUNG
REDRUBI
Backstage
DIE TESTLESER
DIE RECHERCHE
DER URSPRUNG
Zur Autorin
MM-Veröffentlichungen
MM-Hörbücher
MM-SHOP
Nach ihrer missglückten Verwandlung und dem Desaster auf ihrem Abiball flieht Lyra nach Irland. Dort erfährt sie von einer mystischen Prophezeiung und von Cathán, der eine Armee untoter Werwölfe züchten will, um gegen seinen Bruder und den Clan der McTires in den Krieg zu ziehen.
Lyras Schicksal ist vorherbestimmt. Als Hybrid ist sie die letzte Hoffnung, diesen Krieg zu verhindern. Denn zum einen spricht die Göttertochter Redrubi nur mit ihr, zum anderen sind ihre magischen Fähigkeiten enorm. Und doch ist Lyra nur eine junge Frau aus Brandenburg, die erst seit einem halben Jahr weiß, wer oder was sie ist. Eine Außenseiterin, die sich das Anderssein weitaus einfacher vorgestellt hat.
Die Ereignisse lasten schwer auf ihr. Als magische Katze kann sie nicht ewig beim Werwolfrudel der McTires bleiben. Irland wird nicht ihre neue Heimat und auch Venedig soll nur ein Intermezzo in ihrem Leben sein, das zunehmend gefährlicher wird. In der Lagunenstadt trifft Lyra auf eine Nymphe und einen stattlichen Faun, der ihr gehörig den Kopf verdreht. Sie erliegt der Versuchung, ihrem Schicksal zu entfliehen. Lyra genießt das ausschweifende Leben als Studentin an der berühmten Università Ca’ Foscari di Venezia, bis Redrubi auftaucht. Die Tochter der Geisterkönigin mischt die Karten ihres göttlichen Spiels neu. Im März will sie Lyra und ihre Weggefährten in der nordirischen Grafschaft Fermanagh zu den sterblichen Überresten des Urvampirs führen.
Doch nichts ist, wie es scheint.
»Da seid ihr ja!«
Ihre Mutter hatte Tränen in den Augen und auch Lyra weinte vor Glück. Fünf Monate war es her, dass sie dieses Haus verlassen hatte. Fünf Monate, in denen sich ihre Welt auf rasante Weise veränderte. Und damit war es noch längst nicht vorbei. Ihre Verwandlung und auch die Versuchung in Venedig, dem Schicksal zu entfliehen, waren nur der Beginn einer Zukunft, deren Ausgang niemand kannte.
Damals wollte Lyra nur noch weg aus diesem Kaff, weg von den Hertzbergs und einer Familie, von der sie so viele Jahre belogen worden war. Jetzt kehrte sie heim nach Birkenwerder. Hier in diesem Haus, das mit Mirandas Hilfe zu einem magischen Treffpunkt geworden war, sollten sie nun den Heiligen Abend verbringen. Zwei Tage blieben Lyra, um nach all dem Irrsinn der vergangenen Monate Kraft zu tanken und im Kreis ihrer Liebsten die friedvolle Stimmung des Lichterfestes zu genießen.
Die Ruhe vor dem Sturm.
Auch wenn Redrubi ihr ein Geheimnis offenbart hatte, das die magische Welt hoffentlich vor einem Krieg bewahren würde, war die Zeit knapp. Alternativen mussten her. Denn Cathán hatte seine Armee untoter Gestaltwandler gezüchtet. Bald würde er kommen, um gegen seinen Bruder zu kämpfen. Gegen ihn, sein Werwolfrudel und letztlich sogar gegen den Rest der magischen Welt. Zwei Tage blieben Lyra in ihrer Heimat, dann würde sie ihr Weg nach Island führen – in eine ungewisse Zukunft.
Einer nach dem anderen betraten sie das Haus. Emily, Ian, Miranda. Lyra erkannte es kaum wieder. Das praktische Interieur war verschwunden, stattdessen wirkten Wohn- und Essbereich gemütlich. Der Duft von Holz empfing sie, von Weihrauch und Tannengrün. Unzählige Kerzen brannten. Der Küchentresen, an dem Lyra einst mit ihrem vermeintlichen Vater Malthe gestritten hatte, war gedeckt mit allerlei Köstlichkeiten.
»Es ist doch erst der 23. Dezember, heute ist noch gar nicht Weihnachten«, stellte Lyra fest und schaute sich neugierig um.
»Ja und nein«, erwiderte ihre Mutter und nahm sie ein weiteres Mal fest in den Arm. »Mein Mädchen, Weihnachten hat nichts mit unseren Traditionen zu tun. Wir sind zwei Tage zu spät, trotzdem wollen wir heute die Nacht der Wintersonnenwende feiern. Mit ihr beginnen die Raunächte, die Sonne wird wiedergeboren, wir feiern das Licht, das Leben und gedenken unserer Ahnen.«
Verwirrt löste sich Lyra aus Miriams Umarmung und fragte spöttisch: »Was hast du mit meiner Mutter gemacht?«
»Eine berechtigte Frage, Kätzchen«, mischte sich Lyras Tante Miranda in das Gespräch. »Deine Mutter wird allmählich wieder zu der Hexe, die sie einmal war. Eine Bewahrerin der Traditionen, nicht die stocksteife Bitch mit dem Strebervorgarten.«
Miriam lachte. Eine Gefühlsregung, die Lyra von ihrer Mutter kaum kannte. Miriam Hertzberg war eine ausgezeichnete Ärztin, eine Frau, die im Leben stand. Der Umstand, dass sie eine Hexe wie ihre Schwester Miranda war, kam Lyra seltsam vor. Aber mit diesem Attribut hatte sie sich mittlerweile angefreundet. Was blieb ihr auch anderes übrig?
»Nun zieht endlich eure Jacken aus und lasst uns essen!«, forderte Miriam sie auf und lief geschäftig in die offene Küche. Sie konnte eben doch nicht aus ihrer Haut. Lyra hängte ihre Jacke an einen Haken im Flur. Ein vertrautes Gefühl, das ihr Herz wärmte. Nach all dem Wahnsinn der vergangenen Monate und dem, was ihnen noch bevorstand, genoss sie es, heimgekommen zu sein. Lächelnd folgte sie den anderen, nahm sich einen Teller und stapelte hungrig selbstgebackene Plätzchen, einen Bratapfel sowie zwei Schreiben rohes Rindfleisch darauf.
Ihre Mutter bedachte sie mit einem liebevollen Blick. »Ich dachte, dir und Ian ist die Rohkost lieber.«
Lyra grinste und setzte sich. Sie erinnerte sich daran, wie sie vor nicht mal einem Jahr das erste rohe Fleisch gegessen und genossen hatte. Damals war ihre Mutter alles andere als begeistert gewesen, genau wie Regina.
»Wie geht es Großmutter?«, fragte Lyra und schnitt das Rindfleisch in Häppchen. Am liebsten hätte sie es weniger kultiviert verschlungen, aber sie war nicht mehr allein in ihrer kleinen Wohnung in Venedig.
»Bitte?« Emily war während des Rückflugs nach Brandenburg recht still gewesen, auch auf der Fahrt hierher, aber jetzt platzte es förmlich aus ihr heraus. »Deine sogenannte Großmutter hat dich in die Klapsmühle einweisen lassen, dich wie ein Monster behandelt und du fragst, wie es ihr geht?«
Lyra schaute kauend in die Gesichter der Anwesenden. Miranda drehte sich gerade die rote Lockenmähne zu einem Dutt, Miriam wischte verlegen mit einer Serviette über ihre Mundwinkel und Ian ... Nein, ihn konnte Lyra nicht ansehen. Sie hatte noch kein einziges Wort mit ihm gewechselt, zu sehr fürchtete sie sich davor, ein weiteres Mal von ihm abgewiesen zu werden. Er war schwul, konnte sie nicht lieben, auch wenn Emily etwas anderes gesagt hatte. Ihre Freundin starrte sie immer noch fassungslos an. Lyra dachte über das nach, was sie gesagt hatte, und zuckte schließlich mit den Schultern.
»Regina ist eine blöde Kuh, natürlich. Und auch wenn sie nicht meine leibliche Großmutter ist, bleibt sie doch zumindest ein Teil meiner Vergangenheit.« Lyra stopfte sich ein Stück Fleisch in den Mund und erinnerte sich an all die Sticheleien ihrer Großmutter. Als Kind hatte Lyra nicht verstanden, weshalb sie es dieser Frau nie rechtmachen konnte. Heute wusste sie, warum Regina Hertzberg so abweisend gewesen war. »Also, wie geht es ihr? Ist sie jetzt glücklich, keine missratene Enkelin mehr zu haben? Oder bin ich es offiziell immer noch, um des guten Rufs der Familie Hertzberg wegen?«
»Lyra, deine Großmutter wusste es von Anfang an. Wir sprachen nie darüber, aber Regina konnte eins und eins zusammenzählen«, erklärte Miriam und goss Glühwein in die bereitgestellten Tassen. »Als ich seinerzeit aus Island zurückkehrte, auf eine Heirat mit Malthe drängte und nur acht Monate später dich zur Welt brachte, mein Schatz, wurde ihr klar, was Sache war. Sie ist eine garstige Frau, aber ich werde ihr auf ewig dankbar sein, dass sie mich und dich in ihre Familie ließ.«
In Miriams Worten war so viel Wärme. Lyra wurde bewusst, dass sie ihre Mutter immer falsch verstanden hatte. All das, was sie als ungerecht empfunden hatte, war letztlich zu ihrem Schutz gewesen. Vielleicht mussten Kinder erst erwachsen werden, um ihre Eltern zu verstehen.
»Ihr seid jetzt geschiedene Leute«, warf Miranda in die Stille. »Lyra, du wirst bald deinen richtigen Vater kennenlernen, deine wahre Familie. Natürlich sind ... waren ... die Hertzbergs ein Teil von dir und deiner Vergangenheit, doch diese liegt nun hinter dir. Glaube mir, es ist besser für dich, wenn du damit abschließt.«
»Warum?«, fragte Lyra. Sie kannte ihre Tante mittlerweile ein bisschen und wusste, dass ihre coole Art nur eine Oberflächlichkeit war, eine Art Schutzschild, wenn man so wollte. Im Grunde ihres Herzens war Miranda eine weise Frau, deren Gedanken und Gefühle weit tiefer gingen als ihre spitzen Kommentare.
»Weil sie mit dir abgeschlossen hat, Kätzchen«, brachte Miranda es auf den Punkt. So war ihre Tante eben, sie empfand jede Menge Empathie, nur fehlte ihr diese bisweilen in der Kommunikation. Lyra schluckte, obwohl sie letztlich genau das wusste. Regina Hertzberg hatte sie als Missgeburt all die Jahre maximal toleriert und war jetzt wahrscheinlich froh darüber, diese Bürde nicht länger tragen zu müssen. Deshalb gab Lyra ihrer Tante im Stillen recht, auch wenn es wehtat.
»Lasst uns anstoßen auf all das, was war, und all das, was noch kommt!«, gab Ian von sich und hielt seine Glühweintasse hoch. Lyra hatte Mühe, ihm in die Augen zu sehen. Diese wunderschönen Augen eines Wolfes, eines Fressfeindes, eines Mannes, der ihr ungewollt das Herz brach. Ihre Blicke trafen sich, das vertraute Kribbeln war wieder da. Lyra erhob nun ebenfalls ihre Tasse, stieß mit den anderen an und hoffte, ihre Trauer um die nicht-gelebte Liebe herunterspülen zu können.
»Und jetzt lasst uns endlich nach draußen gehen und das Jul-Feuer entzünden! Wir sind nicht hier, um Trübsal zu blasen, sondern verdammt noch mal zu feiern!« Verblüfft schaute Lyra zu ihrer Mutter. Sie hatte das gerade gesagt, nicht ihre Schwester Miranda. Diese grinste zufrieden und war bereits dabei, ihre Jacke wieder anzuziehen. »Schwesterchen, ich bin sehr glücklich, dich endlich wiederzuhaben. Also Schluss mit dem Katzenjammer, jetzt feiern wir das Leben! Wer weiß, wie lange wir noch können.«
Mirandas letzter Satz trübte ein weiteres Mal die Freude, wieder daheim zu sein. Aber sie hatte recht. Schon in zwei Tagen mussten sie in eine ungewisse Zukunft aufbrechen, also hatten sie allen Grund, das Leben zu feiern. Lyra aß den letzten Bissen Fleisch, schnappte sich eine Handvoll Kekse sowie ihre Jacke und folgte den anderen in den Garten. Sie würde die Ruhe vor dem Sturm genießen, denn niemand wusste, was das Schicksal für sie bereithielt.
»Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich ... keine Streichhölzer brauche.« Miriam stand vor einem Haufen feinsäuberlich aufgeschichteter Holzscheite, um die Zweige und Tannengrün drapiert waren. Sie hob die Hände, verharrte dann aber in der Bewegung. »Kommt, Mädels, lasst es uns gemeinsam entfachen!« Sie drehte sich um und winkte ihre Schwester Miranda und auch Lyra zu sich. »Wir sind die Hexen der Feuerdynastie. Komm, meine Tochter, zeig uns, was du gelernt hast!«
Nur zögerlich trat Lyra an die Seite ihrer Mutter. Sie mochte die neue Miriam Hertzberg, auch wenn ihr Verhalten sie verunsicherte. Zudem war sie alles andere als überzeugt davon, dass sie dieses Feuer einfach nur entfachen konnte. Erinnerungen an Irland mischten sich in ihre Gedanken, Lyra dachte mit einem miesen Gefühl im Bauch an den Geschichtenabend, als fünfzig Wölfe ihr kampfbereit gegenüberstanden, weil sie ihre magischen Fähigkeiten nicht unter Kontrolle hatte. Und dann war doch auch noch der versaute Abiball gewesen.
»Kätzchen, das hier ist keine Turnhalle, nur ein kleines Wintersonnenwendfeuer, das du abfackeln kannst.« Miranda zwinkerte ihr zu. »Also entspann dich, wir sind bei dir.«
Lyra atmete tief ein, nahm die Hand ihrer Tante und dann die ihrer Mutter. Plötzlich lag Magie in der Luft, Lyra konnte ihre Kraft deutlich spüren.
»Mach dich frei von deinen dunklen Gedanken. Das Feuer ist unser Element, wir können es nutzen und beherrschen«, sprach Lyras Mutter ihr nun ebenfalls Mut zu und führte Lyra vor das aufgestapelte Holz. Miranda stand auf der anderen Seite ihr gegenüber und grinste. »Los, Kätzchen! Ich weiß, dass du heimlich geübt hast. Also zeig uns, was du kannst.«
Woher Miranda wusste, dass Lyra in Venedig tatsächlich geübt hatte, obwohl sie es nicht sollte, war ihr schleierhaft. Mit klopfendem Herzen schaute sie zu Emily und dann zu Ian. Beide lächelten ihr aufmunternd zu und hatten offenbar keine Angst, dass sie auch noch den Garten und ihr Elternhaus abfackeln könnte. Woher nahmen sie nur diese Gewissheit – bei allem, was geschehen war?
»Dieser heiße Kerl hier ist der einzige Wolf weit und breit und kein fieses Rotkäppchen ist in Sicht«, kommentierte Miranda Lyras Zögern mit ihrer unvergleichlichen Art. »Also los, Kätzchen! Ian wird uns nicht fressen, falls du das Haus in Brand setzt. Bei deiner Mutter bin ich mir nicht so sicher, aber ...«
»Halt die Klappe, Miranda, und lass meine Tochter mal machen!«, sagte Miriam und machte zwei Schritte nach links. »Du kannst das, mein Schatz.« Ihr ängstlicher Blick zum Haus entging Lyra nicht, trotzdem schöpfte sie Mut und hob beide Arme. Ja, sie hatte geübt und war stolz, dass sie dieses Feuer entfachen durfte. Glücklich schaute sie noch einmal in die Runde, konzentrierte sich auf die Hexe in ihr, fühlte die Kraft der Magie und ließ dann lächelnd eine Schar leuchtender Schmetterlinge im Dunkel der Nacht tanzen, die sich mit einem Ruck ihrer ausgestreckten Finger in kleine Flammen verwandelten, die nun auf das Holz niederfielen. Lyra schloss die Augen und hob schwungvoll beide Hände gen Himmel. Im selben Moment setzten die ersten Flammen das Holz in Brand. Tannengrün knisterte und Wärme breitete sich aus.
Immer noch lächelnd öffnete Lyra die Augen und verbeugte sich theatralisch wie ein Zauberer auf der Bühne, als ihre Mutter, ihre Tante, Emily und sogar Ian Beifall klatschten.
»Das ist meine Tochter!«, rief Miriam und griff nach Lyras Hand sowie der ihrer Schwester. Die drei Frauen liefen im Kreis um das Feuer und sangen die uralten Lieder ihrer Ahnen. Emily und Ian waren nicht länger stille Beobachter, Miranda gab ihnen einen Wink, sich in den Reigen einzufügen. Beide traten an Lyras Seite und fassten ihre Hände. Emilys Finger waren weich und unschuldig, Ians hingegen stark und warm. Glück durchströmte ihr Herz, verdrängte die düsteren Gedanken an die Zukunft, an die Ungewissheit und all das, was sie erwartete. Lyra genoss die Nähe dieser vier Wesen, die so unterschiedlich und doch ihr Liebstes waren.
* * *
»Ian, wie feiert ihr in Irland eigentlich die Wintersonnenwende?«, fragte Miriam später, als sie am Feuer saßen und Glühwein tranken.
»Mit viel Whiskey«, brummte Ian und lachte. »Bei uns heißt es Yule, früher sagten wir auch Dubluachair. Wir verbrennen Zweige unseres heiligen Apfelbaums, die Kinder basteln Corn Maiden, also Strohpuppen, aus den letzten Garben der Herbsternte.«
»Aber die Feuer zur Wintersonnenwende sind kein typisch keltischer Brauch, oder?«, fragte Miriam und verwandelte nun ihrerseits die in der Nacht tanzende Glut zu orangefarbenen Schmetterlingen.
»Das ist richtig«, antwortete Ian auf Miriams Frage. »Der Kalender von Coligny sieht keine Tradition wie diese vor, dafür aber so einige sehr schöne Feste zur Wintersonnenwende. Beispielsweise Mapanos, das ist die Huldigung des gleichnamigen keltischen Gottes der Jagd und der Jugend. Er steht auch für die Fruchtbarkeit und das Licht.«
»Das ist wirklich interessant«, kommentierte Lyras Mutter. »Miranda hat mir von eurem heiligen Apfelbaum erzählt. Auch hier ist es Tradition, Fruchthölzer zu verbrennen, um für eine reichliche Ernte im kommenden Jahr zu sorgen.«
»Deine Tochter hat sich unter unserem Apfelbaum das erste Mal verwandelt«, fügte Ian hinzu. »Sie ist die schönste Katze, die ich je gesehen habe.«
»Die einzige Katze!«, purzelten die Worte aus Lyras Mund. Sie spürte die Warmherzigkeit ihrer Mutter gegenüber Ian und hatte keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte; geschweige denn mit seinem wirklich süßen Kompliment.
»Warum gehört Venedig eigentlich zum Reich der Luft, wenn es dort doch jede Menge Wasser gibt?«, plapperte sie los, um ihre Verlegenheit zu überspielen.
»Vieles ist nicht so, wie es scheint, doch manches ist, was es ist. Der Norden ist das Reich des Wassers, der Süden das der Luft. Nimm das einfach mal so hin, Kätzchen!«, sagte Miranda, die gerade mit einem Tablett frisch gefüllter Tassen aus dem Haus kam, in denen der Glühwein dampfte. »Im Westen ist das Reich der Erde und wir hier im Osten leben nun mal im Reich des Feuers. Vier Elemente, denen nicht nur die jeweiligen Hexen dienen.«
Ian nickte. »Irland ist ebenfalls von jeder Menge Wasser umgeben und doch fühlen wir uns der Erde verbunden, schätzen aber das Feuer ebenso als eines der vier Elemente.«
»Sie bilden die Basis, die Essenzen für alles Sein«, fügte Miriam hinzu, die Lyra ein weiteres Mal an sich drückte. »Und diese Vier-Elemente-Lehre ist letztlich auch der Ursprung der Wissenschaft. Erde, Wasser, Luft und Feuer sind die Grundprinzipien, die festen, flüssigen, gasförmigen und glühendverzehrenden Elemente.«
»Genau, Schwester. Die einen nennen es Wissenschaft, die anderen Magie. Lasst uns darauf trinken!« Miranda reichte jedem eine frisch gefüllte Tasse und grinste in die Runde. »Ich bin so glücklich, dass keine Geheimnisse mehr zwischen uns stehen. Auf die Wahrheit!«
»Auf die Wahrheit!«, stimmte Ian ein und bedachte Lyra mit einem Blick, den sie nicht deuten konnte.
»Auf die Wahrheit!«, rief nun auch Miriam und drückte Lyra einen mütterlichen Kuss auf die Wange. »Keine Lügen mehr!«
Laut klirrten die Glühweintassen aneinander und Lyra genoss die Friedfertigkeit des Augenblicks, die Liebe und Eintracht ihres Zusammenseins. Allerdings wurde ihr auch schmerzlich bewusst, dass sie mit Ian Tacheles reden musste. Ihr klopfendes Herz hoffte immer noch, dass er nicht schwul war.
»Leute, ich muss jetzt los«, sagte Emily, als die fünf wenig später zurück ins Haus gingen. Das Feuer war heruntergebrannt und auf dem Küchentresen warteten immer noch jede Menge von Miriams Köstlichkeiten. »Meiner Mutter geht es nicht so gut und Ben hat bald Feierabend«, fügte Emily hinzu. Sie wirkte plötzlich nicht mehr so ausgelassen, was Lyra durchaus nachvollziehen konnte, sie aber auch traurig machte. Ihre Freundin hatte viel durchgestanden in den vergangenen Wochen. Erst der Tod ihres Vaters, die psychische Instabilität ihrer Mutter und dann ihr kleiner Bruder, der im Drogenkonsum Trost zu finden glaubte. Ben war zum Glück an ihrer Seite.
Miriam nahm Emily ihre Glühweintasse ab, die sie in die Spülmaschine stellte. »Ich werde morgen nach deiner Mutter sehen. Bestell ihr liebe Grüße.« Emily nickte und griff nach ihrer Jacke. »Wir sehen uns morgen. Schönen Abend allerseits und danke fürs Essen.«
Traurigkeit umfing Lyra, als sie Emily zur Tür begleitete. »Wie geht es dir?«, fragte sie ihre Freundin. Emily lehnte sich an ihre Schulter. Sie wirkte müde, was in Anbetracht der Umstände wenig verwunderlich war.
Aber dann blitzte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Ehrlich gesagt, fühle ich mich seit Wochen mal wieder richtig gut.« Emily legte einen Arm um Lyras Taille, was ihr gar nicht so leicht fiel. »Sag mal, bist du schon wieder gewachsen? Wir waren mal gleich groß, jetzt muss ich mich ordentlich strecken, um dich zu umarmen.«
»Es hat sich viel verändert, oder?«, sagte Lyra nachdenklich, als sie gemeinsam zur Haustür liefen. »Weißt du noch, wie wir stundenlang in meinem Zimmer hockten, Eis aßen und die Welt hassten?«
»Aber hallo!« Auf Emilys Gesicht bildete sich ein wissendes Lächeln. »Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Aber apropos, was ist eigentlich aus deinem Zimmer geworden?«
Eine gute Frage, der Lyra auf den Grund gehen wollte. Sie gab Emily einen Kuss auf die Wange und sah ihrer Freundin nach, wie sie durch den Schnee stapfte. Lyra blieb solange vor der Tür stehen, bis ihre Katzenohren hörten, dass sich Emily fünfhundert Meter die Straße hinunter die Schuhe abklopfte und ins Haus trat.
»Mama, was ist eigentlich aus meinem Zimmer geworden?«, fragte Lyra, als sie in die Küche zurückkehrte. Ihre Mutter war dabei, das schmutzige Geschirr wegzuräumen, hielt jetzt jedoch inne. Lyra wappnete sich innerlich, ihr einstiges Reich als steriles Gästezimmer vorzufinden, und verschränkte die Arme. Allerdings war sie nicht darauf vorbereitet, was ihre Mutter nun sagte. Miriam standen Tränen in den Augen, als sie auf ihre Tochter zuging. »Dass du mich noch mal Mama nennen würdest.« Wieder drückte sie ihre Tochter fest an sich. »Ich bin so glücklich, dass du hier bist. Und ich habe große Angst davor, was kommen wird.«
Miranda war mit Ian im Wohnzimmer. Aus dem Augenwinkel sah Lyra, wie ihre Tante gerade eine Flasche Whiskey öffnete und den Inhalt in vier Gläser goss. »Wenn ihr mit Heulen fertig seid, lasst uns endlich was Anständiges trinken. Vom süßen Glühwein habe ich schon Sodbrennen.«
Lyras Mutter wischte sich die Tränen weg und lächelte. »Miranda war schon immer die Sensiblere von uns, sie kann es nur nicht so zeigen.« Miriam strich ihrer Tochter eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Dein Zimmer ist immer noch dein Zimmer, Schatz. Es hat sich viel verändert, aber etwas musste auch bleiben. Ein paar Hexen haben in der Zwischenzeit dort übernachtet, aber jetzt ist das Bett frisch bezogen und alles hoffentlich so, wie du es in Erinnerung hast.«
Dankbar löste sich Lyra aus der Umarmung ihrer Mutter, griff nach der Reisetasche im Flur und stieg die Treppe hinauf. Als sie die Tür zu ihrem Kinderzimmer öffnete, strömten Erinnerungen auf sie ein. Tatsächlich wirkte alles so, wie sie es vor fünf Monaten verlassen hatte. Damals, in dieser vermaledeiten Nacht ihres Abschlussballs, als sie die Turnhalle ihrer Schule in Brand gesteckt hatte, als sie mit Ian nach Irland geflohen war.
Behutsam tippte Lyra an einen der Schmetterlinge ihres Mobiles, das noch immer über ihrem Bett hing. Da war der Standspiegel, in dem sie zum ersten Mal ihre körperlichen Veränderungen wahrgenommen hatte. Sie erinnerte sich an jenen Morgen, als ihrer Mutter die halb volle Kaffeetasse aus der Hand fiel, weil Lyra über Nacht eine andere geworden war. Wehmütig dachte sie an die Schmerzen, als sich ihr Körper binnen kürzester Zeit streckte und athletisch wurde, wie ihr Haar auf magische Weise gewachsen war und die Pickel verschwanden. Es war die Zeit ihrer Pubertät, wenngleich um ein Vielfaches stärker als bei normalen Mädchen. Es gab Zeiten, in denen hatte Lyra diese Normalität verabscheut, heute sehnte sie sich danach.
Ihr Blick fiel auf den Laptop, der immer noch auf ihrem Schreibtisch stand, und Lyras Gedanken schweiften zu jenem Tag, als sie im Internet nach Antworten gesucht und geglaubt hatte, ihr Vater hätte ihre Gene manipuliert. Heute wusste sie, dass Malthe nicht ihr Vater war und sich ihr Körper keineswegs mithilfe der Wissenschaft in den einer Katze verwandeln konnte. Dass es Rotkäppchen wirklich gab, würde wohl auch in keinem virtuellen Märchenforum oder auf irgendeiner Horror-Fanpage zu finden sein, genauso wenig, dass mit dem Blut eines Werwolfes blutrünstige Vampire erschaffen werden konnten.
Ja, es hatte sich vieles verändert – vor allem Lyras Vorstellung von Realität. Sie stellte ihre Tasche vor das Bett und schaute wieder auf die aus Papier gefalteten Schmetterlinge. An jenem Tag, als sie das Grimoire auf dem Dachboden gefunden hatte, waren auch die Erinnerungen zurückgekommen. Heute war Lyra klar, warum ihre Mutter damals mit ihr geschimpft hatte und weshalb dieses Mobile über ihrem Bett hing. Die Schmetterlinge sollten sie beruhigen, ihre magischen Kräfte besänftigen. Wahrscheinlich hatte sie schon als Kleinkind die Hexe in sich gespürt und instinktiv ihre magischen Fähigkeiten getestet. Und ihre Mutter hatte Lyra lediglich davor bewahren wollen, wenn Menschen wie Regina reagierten, sollten sie mit etwas konfrontiert werden, das sie nicht verstanden. Als die Verwandlung begann, hatte Miriam ihr das Diazepam verabreicht, um Schlimmeres zu verhindern. Doch letztlich war Lyra trotz all der Vorsichtsmaßnahmen von ihrer Großmutter weggesperrt worden.
Und Ian hat mich befreit, ging es Lyra durch den Kopf. Kaum hatte sie diesen Gedanken zugelassen, spürte sie das vertraute Kribbeln.
»Geht es dir gut?«
Ian stand im Türrahmen, die Hände lässig in den Taschen seiner Jeans vergraben. Er war so schön und so verdammt nah.
»Das sollte ich dich fragen«, erwiderte Lyra, bückte sich und kramte nervös in ihrer Reisetasche, obwohl sie eigentlich gar nichts suchte.
»Darf ich reinkommen?«
Sie nickte und griff nach dem Grimoire. Hitze stieg in ihr auf, als sich Ian neben sie aufs Bett setzte. Lyra warf das Hexenbuch zurück in die Tasche und schaute auf. Sie musste das jetzt hinter sich bringen. Entweder er würde ihr jetzt gestehen, dass er schwul war und sie niemals küssen würde, oder ...
»Erzähl mir von Spitzbergen!«, hörte sie sich fragen. Es war nicht das, was sie sich vorgenommen hatte. Zu sehr tobte die Angst in ihr, dass ihre Liebe zu Ian nur eine Illusion war.
Er strich durch sein dunkles Haar und wischte sich müde übers Gesicht. Ian war immer noch wunderschön, doch die jüngsten Ereignisse hatten offensichtlich ihre Spuren hinterlassen. Unter seinen grauen Augen waren deutlich Schatten zu sehen, er wirkte abgemagert und irgendwie krank. Aber wie konnte das sein? Seine Regenerationskräfte ließen das eigentlich gar nicht zu. Lyra beobachtete ihn, während er davon erzählte, wie er in Spitzbergen nach seinem Onkel Cathán gesucht hatte. Nur widerwillig berichtete Ian von der Überfahrt zurück nach Irland und dem infizierten Werwolf, den er gefangen und in die Höhle der Beanna gesperrt hatte.
»Was ist aus ihm geworden?«, fragte Lyra und stand vom Bett auf.
»Er ist schwach. Wenn wir nicht bald ein Gegenmittel haben, wird er sterben.«
»Vampire können sterben?«
Ian lächelte freundlos. Lyra wandte sich von ihm ab, schaute aus dem Fenster auf die schneebedeckte Landschaft und hätte gern die widersprüchlichen Gefühle ignoriert, die in ihr tobten.
»Vergiss den Holzpfahl, das Silber, Knoblauch und Weihwasser! Vampire sind untot, sie sterben. Wenn sie Blut bekommen, nur sehr langsam. Wenn sie keins bekommen, dann eben schneller. Und noch schneller geht es, wenn man ihr Gehirn zerstört – also ähnlich wie bei Zombies.«
Ruckartig drehte sich Lyra um. »Es gibt Zombies?«
Wieder lächelte Ian, diesmal wirkte er jedoch tatsächlich amüsiert. »Nein, also nicht wirklich. Ich meine, wie du es sicherlich aus Zombie-Geschichten kennst. Bei jedem Individuum, das höherentwickelt ist als eine Amöbe, ist das Nervenzentrum quasi die Schaltzentrale. Ohne Gehirn ist kein Leben möglich, nicht mal in der magischen Welt.«
Die Zombies waren Lyra gerade egal, selbst die absurde Realität interessierte sie in diesem Moment keine Bohne. Ian stand jetzt hinter ihr, nur wenige Zentimeter entfernt. Sie waren allein in diesem Zimmer, neben ihrem Bett, in dem sie so viele Nächte von der großen Liebe geträumt hatte. Sie dachte an ihren Schulschwarm Niklas, an den sinnlichen Faun Daris und all die schönen Momente mit Ian.
»Was ist mit dir und Kenneth? Ich meine ...« Lyra rang nach Worten. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust, sie konnte kaum atmen, doch sie musste diese Frage jetzt stellen. »Ich meine, bist du ... also ... bist du, ähm ...«
»Ob ich schwul bin?« Ian überwand die letzten Zentimeter, streichelte sanft über Lyras Wange und raunte: »Kätzchen, das wäre das geringere Problem.«
Die Nacht war kurz, an Schlaf war kaum zu denken gewesen. Lyra hatte sie allein in ihrem Bett und mit einer Mischung aus Nostalgie und Wut verbracht. Zu viele Erinnerungen, zu viele Fragen, zu viel Ian.
Er hatte sie mit diesem kryptischen Satz, dass die Homosexualität sein geringeres Problem wäre, einfach stehengelassen und war zurück zu den anderen ins Wohnzimmer gegangen. Wütend war Lyra ihm nachgelaufen, doch die Anwesenheit ihrer Mutter und ihrer Tante hatten es ihr unmöglich gemacht, sich Gewissheit zu verschaffen. Irgendwann war sie ins Bett gegangen, allein und mit dem faden Beigeschmack der Zurückweisung.
Eigentlich hatte Ian sie nicht zurückgewiesen, jedenfalls nicht direkt. Andererseits hatten seine Worte ihr alles andere als Antworten gebracht. War er nun schwul oder nicht?
Auf dem Weg hinunter in die Küche dachte Lyra daran, Emily anzurufen und zu fragen, wie sie darauf kam, dass Ian nicht schwul war. Irgendetwas musste sie doch zu dieser Aussage veranlasst haben. Aber ihre Freundin hatte gerade wahrlich anderes zu tun, als mit Lyra über Ian zu quatschen. Ihr Vater war gestorben, ihre Mutter ein psychisches Wrack und ihr kleiner Bruder drehte komplett am Rad. Nein, sie würde Emily nicht anrufen, das musste warten.
Mürrisch hantierte sie an der Kaffeemaschine, die zum Glück noch die alte war. Während die Bohnen gemahlen wurden und ihren unvergleichlichen Duft verströmten, suchte sie im Kühlschrank nach Milch und etwas Essbarem. Der Hunger trieb Lyra an wie an jedem Morgen. Es würde bestimmt noch eine Weile dauern, bis sie mit Miranda und ihrer Mutter gemeinsam frühstücken konnte. Die beiden schliefen wahrscheinlich noch.
»Guten Morgen, Kätzchen!«
Ruckartig drehte sich Lyra um und starrte in graue Augen. Was macht Ian hier?