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Drei Western für zwei! Willkommen im Wilden Westen, wo Mut, Verrat und Gerechtigkeit auf dem Spiel stehen. Dieses Bundle vereint drei packende Romane der Erfolgsreihe „Das Gesetz des Westens“ – in einem Buch!
Die Hölle wollte er zähmen: Deadwood – ein Höllenpfuhl aus Gier, Gewalt und Gesetzlosigkeit. Doch mit Marshal Carrigan tritt ein Mann auf den Plan, der nichts zu verlieren hat – und bereit ist, der Hölle die Zähne zu ziehen.
Auf die der Tod wartet: John Tracy glaubt, endlich das Paradies gefunden zu haben – ein eigenes Stück Land, das Hoffnung und Zukunft verspricht. Doch als brutale Machtgier und Verrat seine Träume in Blut ertränken, bleibt ihm nur ein Weg: der Kampf um Gerechtigkeit – gegen einen Gegner, der das Gesetz selbst zu beherrschen scheint.
Dem Gesetz verschworen: Marshal Clint Sheridan trägt zwanzigtausend Dollar durch eine erbarmungslose Wüste – verfolgt von Banditen, Apachen und dem Verrat aus den eigenen Reihen. In einer Welt ohne Gnade hält ihn nur eines aufrecht: der Schwur auf seinen Stern.
Über die Reihe „Das Gesetz des Westens“ Erleben Sie regelmäßig knallharte Abenteuer aus dem Wilden Westen – von legendären Western-Autoren wie Alfred Wallon, Peter Dubina, John Gray und vielen mehr. EK-2 Publishing bringt mit dieser Reihe das Flair von Pulverdampf, rauen Siedlern und einsamen Revolverhelden direkt zu Ihnen nach Hause.
Laden Sie den Colt, satteln Sie auf – und sichern Sie sich drei explosive Western in nur einem Band! Hinweis: Dieses Bundle enthält Neuauflagen gleichnamiger Romane.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
John Gray
3 Western in 1Die Hölle wollte er zähmen
Drei Romane der historischen Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“
Die Hölle wollte er zähmen
Auf die der Tod wartet
Dem Gesetz verschworen
Mit Vorwort von Alfred Wallon
EK-2 Militär
Liebe Leser, liebe Leserinnen,
zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein Familienunternehmen aus Duisburg und jeder einzelne unserer Leser liegt uns am Herzen!
Mit unserem Verlag EK-2 Publishing möchten wir militärgeschichtliche und historische Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.
Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Haben Sie Anmerkungen oder Kritik? Lassen Sie uns gerne wissen, was Ihnen besonders gefallen hat oder wo Sie sich Verbesserungen wünschen. Welche Bücher würden Sie gerne in unserem Katalog entdecken? Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns und unsere Autoren.
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Ihr Team von EK-2 Publishing,
Ihr Verlag zum Anfassen
Ein Blick in das Leben und Schaffen eines Amerikanistik-Experten und sehr versierten Autors
Viele Leser, die Interesse an der amerikanischen Pioniergeschichte haben, sind mit dem Namen Dietmar Kuegler und seinem Pseudonym John Gray, unter dem er mehr als 150 Romane schrieb, bestens vertraut. In Deutschland galt er als äußerst fachkundiger Kenner der amerikanischen Pioniergeschichte. In den USA war er ein gern gesehener Gast auf historischen Events, und seine Stimme wurde gehört und respektiert. Er baute sich in all den Jahren ein Netzwerk an sehr guten Kontakten auf, die ihm einen sehr großen Bekanntheitsgrad verschafften.
Manche Menschen interessieren sich schon sehr früh für den Western. Im Alter von nur 17 Jahren begann Kuegler, seine ersten Western zu schreiben, damals für den Marken-Verlag in Köln. Der damalige Lektor Werner Dietsch erkannte sein außergewöhnliches Talent, spannende Geschichten zu erzählen, und man gab ihm die Chance, seine Ideen im Detail umzusetzen.
In den 70er Jahren startete eine wöchentlich erscheinende Westernserie namens RONCO, die es auf insgesamt 493 Ausgaben brachte. Für einen Großteil dieser Romane konzipierte Kuegler die Rahmenhandlung und schrieb für jeden der beteiligten Autoren ein Exposé von mehr als 10 Seiten für den jeweiligen Roman, das die Autoren dann nur noch umzusetzen brauchten. Dies brachte die Serie zu dem gewünschten Erfolg, und sie gilt noch bis heute als ein Meilenstein in der deutschen Western-Roman-Szene. Ab Band 100 entwickelte Kuegler innerhalb dieser Serie Vergangenheitsabenteuer mit RONCO – das waren die Tagebücher, in denen RONCOS Jugendjahre geschildert wurden.
Ich selbst war als Leser damals schon dabei und verfolgte Woche für Woche diese spannenden Abenteuer. Dietmar Kuegler betreute auch redaktionell eine Leserseite, in der man Fragen zur Serie stellen konnte. Er beantwortete geduldig und sehr detailliert jeden Brief, und es waren viele jede Woche. Seit dieser Zeit kenne ich Dietmar Kuegler, und es sind fast 50 Jahre.
Wir sind uns niemals persönlich begegnet, weil er auf der Insel Föhr ganz im hohen Norden Deutschlands lebte. Er war auch ein sehr guter und hilfreicher Mentor für mich, als ich selbst 1981 begann, meine ersten Western zu schreiben, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich von ihm sehr gute Tipps und Ratschläge bekommen habe, die überaus hilfreich waren. Man konnte ihn zu allen Themen fragen, die mit der Geschichte des Wilden Westens zu tun hatten, denn er besaß ein umfangreiches Archiv von Büchern und Landkarten aus dieser Zeit.
Mitte / Ende der 80er-Jahre beendete Dietmar Kuegler seine Tätigkeit als Autor von Western-Romanen und konzentrierte sich ganz auf seinen Verlag für Amerikanistik, in dem ein vierteljährliches Magazin und etliche Fachbücher zur amerikanischen Pioniergeschichte erschienen.
Jedes Jahr flog Dietmar Kuegler in die USA und führte interessierte Leser an historische Schauplätze. Diese Reisen waren immer schnell ausgebucht, denn man schätzte seine Fachkenntnisse sehr, und viele sprachen von einem einmaligen Erlebnis, das man nie wieder vergessen würde.
Im Sommer 2022 war Kuegler zum letzten Mal in den USA, aber diese Reise setzte ihm arg zu. Er litt an den Folgen von Long Covid, und das kostete ihn viel Kraft. Wir telefonierten zum letzten Mal Ende November, und er klang sichtlich angeschlagen am Telefon. Wenige Tage später erfuhr ich, dass Dietmar Kuegler am 3. Dezember gestorben war.
Mir fehlen seine fachkundigen Ratschläge und einfach das Gespräch mit ihm über die amerikanische Pioniergeschichte. Es ist nicht nur der namhafteste deutsche Experte von uns gegangen, sondern auch sein Verlag für Amerikanistik musste leider die Pforten schließen. Es gab und gibt niemanden mehr, der mit solcher Detailkenntnis ein Magazin dieses Ranges fortsetzen könnte. Diese Lücke kann niemals mehr geschlossen werden.
Ich freue mich sehr, dass der Verlag EK-2 Publishing nun seine Western-Romane wieder einer neuen Generation zugänglich macht. Viele dieser Romane, die er unter dem Namen John Gray verfasste, habe ich als Jugendlicher gelesen und war davon begeistert. Wer sie jetzt liest, wird nicht bemerken, dass diese Romane teilweise fast 50 Jahre alt sind. Der Schreibstil ist zeitlos, und die Spannung fasziniert jeden Western-Freund.
EK-2 Publishing ist stolz darauf, die Romane eines solch berühmten Autors in seinem Programm zu haben. Freuen Sie sich auf diese spannenden Romane – weitere werden folgen.
Alfred Wallon – Schriftsteller
von John Gray
Deadwood — eine schwärende Schusswunde der Hölle in Süd-Dakota, die Krebsgeschwulst eines großen Landes, eiternd, stinkend — ein Pfuhl der Sünde und Verdammnis. Ein Fegefeuer auf Erden, in dem mehr Seelen verbrannten, mehr Hoffnungen verbluteten und mehr Leben verspielt wurden, als der Teufel ernten konnte.
Deadwood — das war Goldrausch, Schießereien, Schläger, Spieler, Dirnen, Whisky und Betrunkene an allen Ecken.
Deadwood — das war eine breite Main Street, so staubig wie die Wüste von Arizona, gekerbt und gezeichnet von Hunderten von schweren Frachtwagen, ausgetreten und zermalmt von Tausenden von Pferdehufen und ausgehöhlt von Regen und Sturm wie lawinengepeitschte Erde.
Deadwood — das waren Berge von zersplitterten, leeren Schnapsflaschen, faulig stinkende Unrathaufen und blutgetränkter Boden.
Deadwood — das war eine Insel für Gestrauchelte, Existenzialisten, Abenteurer, Junge und Alte, Reiche und Arme; das waren Hoffnungen, Wünsche und Träume, das war ein Strohhalm für jene, die diese Hoffnungen, Wünsche und Träume noch nicht verloren hatten, ein Strohhalm, nach dem sie griffen, um sich und ihr jämmerliches, verkommenes Leben zu retten — und sei es nur für kurze Zeit.
Deadwood — das waren sagenhafte Goldfunde, tausend verschiedene Schicksale und dramatische Tragödien, die namenlos untergingen im Strudel des wilden, ungebärdigen Lebens, das jeder, der hierherkam, wie einen gefüllten Krug bis zur Neige auskosten wollte, denn jeder Tag konnte der letzte sein.
Aber sie alle, die sich in dieser zügellosen Orgie menschlicher Leidenschaften, dieser skrupellosen Orgie von Hass, Gier und Brutalität von einem Tag zum anderen schleppten, hatten eines gemeinsam: Sie waren vom Goldfieber besessen, von dem Willen beseelt, reich zu werden und notfalls dafür ihre Seele zu verkaufen; sie alle waren hier, um Gold zu suchen und Gold zu finden — nicht nur im granitharten Boden, sondern auch in den Taschen anderer.
Deadwood, die Stadt mitten in den Black Hills, war wie ein Embryo der Hölle, und Tag und Nacht hallten die Geräusche der Spitzhacken, die den harten Fels bearbeiteten, über die Dächer der Saloons und Bordells und wurden übertönt von dem schrillen, verstimmten Klimpern der Pianos und den rauchigen Stimmen grell geschminkter Flittergirls in den Saloons, die frivole Goldgräbersongs sangen, für einige Goldnuggets die Augen zumachten und den schäbigsten Strauchdieb mit in ihre Zimmer nahmen und die neben ihrem Liebeslohn auch schussbereite Derringer im Strumpfband trugen — und zu gebrauchen wussten.
Die roten Laternen vor den Etablissements aus Kistenholz verloschen nie, und die krächzende Höllenmelodie dieser Stadt verstummte nie: Es war ein ewiges Klirren von Gläsern und Flaschen, ein ewiges Lachen, Grölen und Fluchen, ein ewiges Krachen von Schüssen und Stampfen von Pferdehufen, eine ewige hemmungslose Offenbarung aller Sünden, Laster und primitiver, tierischer, wollüstiger Verwerflichkeiten der Menschen.
Die Männer, die auf dem Rand des Kistenbretter-Stepwalks hockten, waren längst Opfer ihres Lebensdurstes, Opfer dieser Stadt geworden. Sie rührten sich nur noch, um ab und zu eine Whiskyflasche an den Hals zu setzen, den gepanschten Fusel daraus zu trinken und danach wieder schweigend, apathisch vor sich hin zu starren. Und erst, als ein kleiner, dürrer Mann mit kreischender Stimme etwas schrie, horchten sie zögernd aus ihrer alkoholumnebelten Lethargie auf.
„Die Kutsche kommt! Die Kutsche kommt!“
Über den breiten, von unzähligen Wagenrädern geebneten und karg bewachsenen Weg rollte die Postkutsche heran.
Die Pferde hatten sich hart ins Geschirr gestemmt, und ihr Fell war mit mausgrauem Gesteinsstaub überdeckt, ebenso wie das Gesicht des Kutschers, der hell und scharf die Peitsche knallen ließ und raue, heisere Anfeuerungsschreie ausstieß.
Die rasenden Räder des Wagens und die im wilden Stakkato über den steinigen Weg trommelnden Hufe der Gespannpferde, schleuderten Wogen von Staub in die Höhe, der durch die offenen Fenster in die Kutsche schwebte oder wie ein feiner Nebelschleier langsam wieder zu Boden flatterte.
Männer blieben auf den Stepwalks stehen, als die Stage polternd, stampfend und schwankend wie ein Schiff im Sturm in die verkrüppelte Main Street hineinraste und mit quietschenden Achsen und schleudernd vor dem kleinen Postoffice hielt.
Die Flanken der Pferde zitterten, Schaumflocken standen vor ihren Nüstern, und der Kutscher erhob sich auf dem Bock, riss seine doppelläufige Parker-Schrotflinte in die Höhe und schoss beide Läufe ab.
Mit dröhnendem Donnerhall fuhren unter Rauch und Blitz die Ladungen in den hitzeflimmernden, wolkenlosen Himmel. Mit rostiger, staubknirschender Stimme schrie der riesige, rotbärtige Driver: „Aussteigen, Ladys and Gentlemen! Aussteigen! Deadwood, Endstation der Stage, Endstation der Zivilisation! Vergessen Sie jede menschliche Kultur und Moral, steigen Sie aus und sehen Sie sich um in diesem Nest, das der Satan selbst ausgebrütet hat! Steigen Sie aus und sehen Sie sich um! Hier können Sie auf dem Unterkiefer des Teufels eine Polka tanzen, und seine Großmutter macht dazu Musik!“
Dann sprang er vom Bock und warf einem der Post-Line-Angestellten die Zügel zu. Fluchend und hustend verschwand er im Postoffice.
Der Kutschenschlag öffnete sich. Zwei untersetzte Männer und eine grell geschminkte, dick gepuderte Frau mit buntem Federhut stiegen zuerst aus. Dann folgte noch ein schlanker, über sechs Fuß großer Mann.
Die Bewegungen seiner sehnigen Gestalt waren so geschmeidig wie die eines hageren Wolfes, sein Gesicht war schmal und asketisch geschnitten, und die stechenden, wasserhellen Augen lagen im Schatten der breiten Krempe des tiefschwarzen Stetsons. Sein mittelblondes Haar quoll unter dem Hut hervor und hing lang über den Kragen des schwarzen, weichgegerbten Wildlederhemdes, das über der Brust offenstand. Schwarz waren auch die wildledernen Hosen des Mannes und seine hochhackigen mexikanischen Reitstiefel, an denen er handtellergroße, schwersilberne Visaliasporen trug. Um seine schmalen Hüften schlang sich ein breiter, patronengespickter Waffengurt, der rechts und links die ornamentierten Halfter mit den langläufigen, vernickelten und gravierten 45er Colts hielt, deren Elfenbeinkolben abgegriffen und matt gelblich im gleißenden Sonnenlicht schimmerten.
Die Reisenden standen noch vor der Kutsche, die sich jetzt langsam in Bewegung setzte und von einem Stallmann von der Straße gebracht, wurde. Stumm ließen sie ihre Blicke über die schäbigen, wetterzerfressenen Fassaden der Gebäude gleiten und über die mit Zeitungspapier verstopften Fensterhöhlen; denn Glas war teuer in Deadwood, zu teuer, und es hielt nicht lange, dafür gab es zu viele Revolver.
Sie bewegten sich einige Augenblicke nicht und schauten sich nur um, und auch der Fremde, der seine Mitreisenden um Haupteslänge überragte, rührte sich nicht. Nachdenklich strich er sich über den schmalen Schnurrbart auf der Oberlippe. Im grellen Sonnenlicht schimmerten dunkel die Bartschatten auf seinen hohlen Wangen.
Seine Blicke glitten über die Schilder der Saloons und Boardinghäuser mit den hochtrabenden Namen, und erst, als er wieder den Kopf wandte, sah er sie kommen …
Drei hagere Männer mit tiefhängenden Revolvern und tückisch flimmernden Augen waren vom Stepwalk getreten und kamen mit schleppenden Schritten auf die vier Menschen zu. Langsam, drohend, unaufhaltsam …
Der Fremde wartete ab; er fühlte die Gefahr, die von diesen Männern ausging, doch er wusste nicht, was sie wollten, wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte — noch nicht.
Sand knirschte unter ihren Stiefelsohlen, und silbern hell klirrten ihre Sporen. Dunkel und drohend ragten die abgewetzten Kolben der schweren Revolver aus den Halftern.
Dann blieben sie stehen. Ihre Blicke glitten stumm über die Reisenden, und der eine krächzte plötzlich: „Willkommen in Deadwood, Ladys and Gentlemen!“
Die beiden untersetzten Männer wurden blass, und die Frau raffte ihren Rock und machte entschlossen einige Schritte vor, doch eine knarrende Stimme hielt sie auf.
„Bleib lieber stehen, Girl. Es ist besser für dich, bestimmt.“
Sie warf trotzig den Kopf in den Nacken und wandte sich um. Ihre flammenden Blicke trafen den Sprecher, und dieser grinste hämisch.
„Was … was wollen Sie denn von uns, Gentlemen …“, stotterte einer der Reisenden, und sein Blick flog nervös über die Männer auf dem Stepwalk; doch nicht einer von ihnen rührte sich. Sie standen schweigend und gleichgültig unter dem Vorbau und schauten uninteressiert herüber.
„Sieh mal, Joe, was der Große für feine Revolver hat.“, murmelte der Dritte grinsend, und die Blicke der drei Männer richteten sich auf den schwarzgekleideten Fremden.
„Donnerwetter!“ entfuhr es dem einen und er machte einen Schritt vor. In seinen Augen funkelte es gierig auf. Bedächtig fuhr er sich mit der Zungenspitze über seine ausgetrockneten Lippen und blickte den großen Mann prüfend an.
„Deine Waffen sind viel zu schön für Deadwood, Bruder“, murmelte er heiser. „Willst du nicht mit mir tauschen? Ich glaube, du willst es gern, nicht wahr?“
Der Fremde rührte sich nicht. In seinem harten Gesicht zuckte kein Muskel.
„Wirklich feine Colts.“ murmelte der Mann wieder und kam langsam näher. Er stand knapp zwei Yards vor dem Fremden entfernt breitbeinig im Straßenstaub und wippte leicht auf den Zehenspitzen.
„Gib sie mir.“ krächzte er plötzlich befehlend, und ein drohender Unterton schwang in seiner Stimme mit. „Gib sie her.“
Der Fremde bewegte sich noch immer nicht. Er hatte seine Augen zu Schlitzen zusammengekniffen und schaute den Banditen stumm, aber warnend an. Er sah, wie sich auf dem Stepwalk eine Menschengruppe ansammelte und neugierig zuschaute, doch niemand rührte eine Hand.
Der Bandit machte wieder einen Schritt vor, und in seinen Augen stand nackte Brutalität. „Her mit den Revolvern!“ schrie er, und seine rechte Faust streckte sich langsam aus und langte nach dem linken Colt.
Noch immer sagte der Fremde nichts, und der Bandit entblößte sein gelbes, lückenhaftes Gebiss. „Sei nur friedlich, Bruder! Diese Stadt gehört uns, und wenn du nicht tust, was wir wollen, dann wirst du hier nicht alt!“
Die Fingerspitzen des Mannes berührten den Elfenbeinkolben des Revolvers, und im selben Moment schoss die schmale Faust des Fremden ohne Ansatz aus der Hüfte hoch.
Knallhart traf sie den Banditen mitten auf den Mund. Die geballte Wucht des Schlages schleuderte den Mann herum.
Stechender Schmerz durchfuhr den Kopf des Banditen. Er wirbelte von den Beinen, riss den Mund weit auf, um zu schreien, schmeckte das Blut seiner aufgeplatzten Lippe auf der Zunge, warf verzweifelt nach Halt suchend die Arme hoch und schlug dann lang in den Straßenstaub. Fluchend wälzte er sich herum. Seine blutunterlaufenen Augen richteten sich auf den hochgewachsenen Mann, der schweigend dastand, als wäre nichts geschehen.
„Warte…“, stöhnte er. „Na warte …“ Ächzend stemmte er sich hoch. Die schlanke Gestalt des Fremden spannte sich, und seine Finger hingen mit gespreizten Fingern wie zupackende Raubtierkrallen über den Revolverkolben; bohrend richteten sich seine Augen auf die beiden Banditen, die ratlos und erstaunt auf ihren Kumpan starrten.
Der Bandit kam torkelnd auf die Beine und strich sich mit zorniger Handbewegung einige Haarsträhnen aus der Stirn. Sein Hut lag zerknautscht im Straßenstaub, und von seiner Unterlippe zog sich ein dünner Blutfaden zum Kinnwinkel hinunter.
Langsam stampfte er heran, groß, breit und vom Hass erfüllt bis in die Stiefel hinein.
Der Fremde sah ihn kommen, und er bemerkte die geweiteten, angsterfüllten Augen seiner Mitreisenden. Er sah das breitflächige, unrasierte Gesicht des Banditen vor sich, und als er das wilde Flackern in den Augen des anderen erkennen konnte, schoss seine Faust vor.
Der Schlag raste unaufhaltsam auf den Kopf des Banditen zu; so schnell, dass er nicht mehr ausweichen konnte, und warf ihn einige Schritte zurück. Mit wildem Brüllen hob er die Fäuste. Dann sprang er heran …
Der Fremde wich gedankenschnell aus, wirbelte herum und hämmerte dem Heranrasenden seine Fäuste ins Genick. Mit heiserem Röcheln stürzte der Mann in den Staub und rührte sich nicht mehr. Der Fremde bückte sich, und als er den Schatten hinter sich heranschießen sah, warf er sich zu Boden. Er wälzte sich herum und zog die Beine an.
Der Angreifer wurde von einem gewaltigen Tritt von den Füßen geschleudert und krümmte sich stöhnend am Boden zusammen.
Dann brachen sich die Sonnenstrahlen auf matt blinkendem, bläulich schimmerndem Stahl.
„Ho, Bruder, jetzt ist es genug!“ schrie der dritte Bandit mit schriller, erregter Stimme. „Steh auf und warte, bis Joe und Herley wieder auf den Beinen sind! Du wirst es schon lernen, wer hier bestimmt!“
Der Fremde atmete schwer und erhob sich langsam. Er schob sich den Hut weit in den Nacken, und seine bohrenden Augen richteten sich auf den letzten Mann.
„Nimm den Revolver weg, Junge.“
Die sonore Stimme klang sanft, aber zwingend. Der Bandit musterte den hageren Fremden unsicher. Doch er hob den Colt höher an.
„Nimm die Waffe weg!“ sagte der Fremde wieder leise — dann krachte Sekundenbruchteile später schon von seiner Hüfte ein Schuss.
Der lange, vernickelte Revolverlauf blitzte im gleißenden Sonnenlicht wie pures Silber, und die schwere Waffe lag wie angewachsen in der Faust des Fremden. Der grelle Feuerblitz schoss aus der Mündung der Waffe und raste unaufhaltsam auf den Banditen zu, der nicht einmal dazu gekommen war, den Hammer seines Colts zu spannen.
Der Mann schrie auf, ließ die Waffe fallen und schloss kreischend die Augen. Dann schleuderte ihn das schwere Weichbleigeschoß zu Boden. Er drehte sich halb um die eigene Achse und fiel schwer in den Staub. Seine linke Hand lag verkrallt über der Schulterwunde, und dunkel rann das Blut durch die Finger und tropfte auf die Straße.
„Mister — Vorsicht!“ rief einer der Mitreisenden, und der Fremde reagierte blitzschnell. Er warf sich augenblicklich zu Boden. Der Schuss hinter ihm brüllte auf, und die Kugel fetzte einen Splitter aus einem der Kistenholzhäuser. Dann donnerte schon die Waffe des Fremden. Die Kugel riss dem hinterhältigen Schützen den Revolver aus der Hand.
Dann stand der Fremde wieder auf den Beinen, schlank und sehnig wie ein Wolf, breitbeinig, mit stechenden Augen, und in seiner Faust lag schwer der langläufige Revolver, aus dessen Mündung sich eine Pulverfahne kräuselte.
„Und jetzt hoch mit euch und seht zu, dass ihr davonkommt. Bis heute abend habt ihr die Stadt verlassen, oder ich hänge euch eigenhändig am Ortsschild auf.“
Die drei Banditen erhoben sich taumelnd. Der Verwundete stützte sich halb bewusstlos auf die beiden anderen. Ein hassvoller Blick traf den Fremden, und einer der Männer spuckte grimmig aus und wischte sich das Blut vom Gesicht. „Warte nur! Warte nur ab! Du wirst es auch noch lernen. Wir sehen uns wieder!“
Der Fremde schwieg und winkte leicht mit dem Coltlauf. Stumm torkelten die Männer davon.
Und alle bückten auf den hageren Mann, der jetzt geschickt die abgeschossenen Patronen auswechselte und die Waffe in die Halfter zurückgleiten ließ.
„Großartig, Mister!“ sagte eine Stimme, und als er den Kopf hob, sah er seine Mitreisenden vor sich stehen. Er winkte ab, und die Frau drängte sich an ihn heran. Der Hauch ihres billigen, süßlichen Parfüms traf ihn, und er rümpfte angewidert die Nase.
„Danke“, raunte sie leise. „Ich…“ Doch er tippte sich stumm an den Hut und wandte sich rasch ab.
Die morschen, spröden Dielen des Stepwalks knarrten unter seinen Schritten, als er den Gehsteig betrat und den Kutscher der Stage, der jetzt vor der Tür des Postoffices stand, ansah.
„War großartig von Ihnen, Mister.“ knurrte der riesige Fahrer und fuhr sich über sein feuerrotes Haar, das struppig von dem kantigen Schädel abstand. Er kaute auf einer stinkenden Zigarre und nickte dem Mann anerkennend zu. „Aber passen Sie auf, Mister. Die drei waren Dixon-Leute. Sie werden noch Schwierigkeiten bekommen.“
„Das wird sich kaum vermeiden lassen.“ Der Fremde blickte wortlos über die Main Street und schüttelte grimmig den Kopf, als er sah, wie sich zwei Betrunkene an der Straßenecke prügelten. Sie bluteten schon aus Mund und Nase und schlugen mit wilden Schreien weiter aufeinander ein. Um sie herum hatte sich ein Zuschauerkreis gebildet. Das donnernde Grölen der Männer hallte herüber.
„Wo finde ich hier den Mayor?“ fragte er plötzlich.
Der Kutscher blickte ihn nachdenklich an. „Wer sind Sie, Mister?“
„Carrigan, Jerome Carrigan.“
„Carrigan…“ Der Kutscher runzelte die Stirn. „Carrigan? Also, da war doch…“
„Wo finde ich den Bürgermeister?“ fiel ihm der Fremde unwillig ins Wort, und der Kutscher zuckte unwillkürlich zusammen, als ein Blick der stechenden Augen ihn traf.
„Gehen Sie die Main Street runter. Ganz am Ende steht eine Blockhütte, gegenüber sind nur Zelte. Fragen Sie nach Asa Whitney. Er ist der Town Mayor.“
„Thanks.“ Der Fremde tippte sich an den Hut.
Carrigan wandte sich ab und schritt die Straße hinunter. Überall lagen Betrunkene auf den Stepwalks, und manche hatten sich auch darunter gerollt und schliefen. Schnapsflaschen lagen überall. Durch die Stadt ritt ein stockbetrunkener Bursche mit mächtigem Bart und zerfledderter Kleidung auf einem uralten Maultier und kreischte heiser zu jedem, der es hören und jedem, der es nicht hören wollte, dass er Jerry Willcox sei, ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle und dazu verdammt reich. Er schwenkte eine halbgefüllte Whiskyflasche und sang dann mit dröhnender, rostiger Stimme einen alten Song vom verlorenen Glück …
Jerome Carrigan blickte ihm grinsend nach und stampfte dann durch den knöcheltiefen Schmutz des Weges; denn der Stepwalk hatte geendet, und nun standen willkürlich Zelte, Bretterbuden und Blockhäuser am Rand des Weges, der nur durch tiefe Wagenspuren gekennzeichnet war.
Carrigan sah die Goldgräber auf ihren Claims schuften, er sah verhärmte Frauen in geflickten Kleidern und Kinder mit großen Hungeraugen, barfuß und ungewaschen. Er sah offene Kochfeuer, über denen Eisenkessel hingen, er sah Männer der Miner Guard vor den Claims patrouillieren; raue, unrasierte Männer mit harten misstrauisch blickenden Augen und durchgeladenen Gewehren. Von der Stadt her krachten einige Schüsse, doch niemand bückte sich danach um; hier erfüllte nur das ständige, nie verstummende Lied der Spitzhacken und Schaufeln die heiße, staubverfilzte Luft.
Dann hatte er das letzte Blockhaus erreicht. Die Tür der Hütte stand halb offen.
Carrigan stieß sie auf und trat über die Schwelle. Der halbdunkle Raum, in dem nur durch ein schmales Fenster ein Streifen Sonnenlicht fiel, duftete nach kaltem Essen, Leder und Rauch.
Ein Kind weinte leise, und eine magere Frau blickte dem hochgewachsenen Mann mit großen, fragenden Augen entgegen.
Carrigan nahm den Hut ab und nickte zögernd. „Guten Tag, Madam. Mein Name ist Carrigan, Jerome Carrigan. Ich suche Asa Whitney!“
Sie bettete das Kind, das sie bis jetzt auf ihrem Schoß liegen hatte, auf das Strohlager, deckte es zu und erhob sich. Sie strich sich mit ihren schwieligen Händen das grobe Leinenkleid glatt und sagte dann: „Mein Mann wird gleich kommen, Mister. Er ist nur …“
Ein Schatten fiel in den Raum, sie verstummte, und Carrigan wandte sich um. Der stämmige Mann mit dem martialischen Schnauzbart stutzte und trat dann ein.
„Whitney?“ Der Fremde fragte zögernd.
Der Mann nickte.
„Carrigan“, knurrte der Fremde heiser und reckte seine Hand vor.
Die Augen des stämmigen Mannes weiteten sich überrascht, dann grinste er breit und drückte dem hageren Fremden erfreut die Rechte.
„Na, endlich. Wir haben Sie schon erwartet. Setzen Sie sich. May, das ist der neue Marshal von Deadwood.“
Carrigan ließ sich auf einer der alten Kisten nieder, die um den rohgezimmerten Tisch als Stühle standen.
„Einen Whisky?“ fragte der Mayor und ging zu einem Regal.
„Gern“, lächelte Carrigan. „Ich glaube, ich habe während der Höllenfahrt ganz Süd-Dakota verschluckt — und beim Teufel, es schmeckte mir gar nicht.“
Der stämmige Mann stellte die Flasche und zwei Blechtassen auf den Tisch. „Das ist zu verstehen. Den Whisky hier können Sie trinken, ich habe ihn selbst gebrannt. In der Stadt trinken Sie besser keinen Tropfen. Die Salooner mischen den billigen Fusel mit Methylalkohol. Es sind schon einige dran eingegangen. Ein paar hundert Yards von hier sitzt der alte Bill am Straßenrand und bettelt. Das Teufelszeug hat ihn blind gemacht. Er war früher ein großer, starker Mann, jetzt ist er hilfloser als ein Säugling.“
Whitney schenkte den Whisky in die Becher, und Carrigan setzte ihn an die Lippen. Er kostete und ließ den brennenden, scharfen Alkohol durch seine Kehle rinnen.
Der Goldgräber stellte die Flasche zurück und kam mit einem blitzenden Abzeichen wieder.
„Das ist der Stern, Mr. Carrigan. Er ist aus Blech. Wir haben ihn aus dem Boden einer Konservenbüchse ausgeschnitten.“
Carrigans schlanke Finger umspielten das Abzeichen, und er grinste schmal. „Es ist nicht wichtig, wie er aussieht, Whitney, sondern wer ihn trägt.“
„Wir zahlen Ihnen fünfhundert Dollar im Monat, Mr. Carrigan, ich hoffe, das ist genug.“
Carrigans Kopf flog hoch. In seinen Augen stand ein flackernder, ungläubiger Ausdruck. „Fünfhundert …“
Der stämmige Mann nickte den Kopf, und seine Hände lagen schwer auf der Tischplatte. „Sie würden sich fragen, warum wir Goldgräber nun den bekannten Lonesome Carrigan kommen ließen, ihn zum Marshal machten und ihm im Monat fünfhundert Dollar zahlen, wenn wir selbst jeden Tag nur Mohnsuppe und getrocknete Bohnen essen können, wenn wir unsere Kinder und Frauen nicht anständig anziehen können.“
Carrigan nickte langsam. Er trank mit einem Zug den Whiskey runter und setzte ihn klirrend auf den Tisch zurück.
„Um was geht es, Whitney?“ Die Stimme des Marshals klang hart und lauernd. „Ich denke, es ist jetzt Zeit, mir zu sagen, warum ich hier bin?“
Der stämmige Goldgräber schob die Hände hinter den Hosengurt, schritt nachdenklich zur Tür und schaute in die gleißende Sonne hinaus. Dann nickte er entschlossen. „Kommen Sie mit, Carrigan, ich zeige es Ihnen. Es wird Zeit, dass man ihren Stern sieht.“
Der hagere Mann erhob sich und nickte der Frau grüßend zu. Dann schob er sich den Hut tief in die Slim und schritt hinter dem Mayor her aus der Hütte.
Schweigend gingen sie nebeneinanderher. Whitney hob plötzlich den Kopf und rief einen Mann der Miner Guard an.
„Ist Dixons Transport schon da?“
Der Wachmann spuckte wütend zu Boden und kam mit schleppenden Schritten heran. Er musterte kurz den blitzenden Stern Carrigans und nickte ihm erfreut zu. „Sicher, zwei Wagen sind gekommen; Äpfel und Kartoffeln, auch ein paar Sack Bohnen. Vor zehn Minuten kamen sie an. Sieh dich um, Asa, außer uns ist kein Mensch mehr hier! Sie laufen alle wie die Hasen, um eine halbe Kartoffel zu bekommen und kriegen hinterher nur einen Tritt von Dixons Wölfen.“
Der Mayor nickte grimmig und schritt weiter. Carrigan hatte die Stirn gerunzelt. „Dixon?“ fragte er.
„Yes, Dixon. Porter Dixon, der größte Geschäftsmann von Deadwood. Warten Sie nur ab, Carrigan. Sie werden seine Geschäfte gleich sehen.“
„Dann waren es auch Dixons Leute…“, murmelte der Marshal zu sich selbst, und als er den fragenden Blick Whitneys bemerkte, schüttelte er den Kopf. „Nicht wichtig, Whitney. Drei Kerle von Dixon wollten die Reisenden durchsuchen, als die Postkutsche ankam.“
„Hieß einer Joe?“ Whitney fluchte zornig, als Carrigan nickte. „Das ist jetzt das fünfte Mal. Dixons Garde wird immer frecher.“
„Warten wir ab, Whitney“ murmelte Carrigan heiser. „Was ist das für ein Auflauf dort vorn?“
Er hob die Hand und deutete auf einen Platz, ein Stück vor der Stadt. Eine dichte Traube von Menschen stand dort um irgendetwas herum. Sie schrien, grölten und kreischten. Ihre Gesichter waren verhärmt und eingefallen, ihre Kleidung zerrissen, in ihren Augen flackerte der Hunger. Sie hielten Töpfe und Körbe in den Händen, traten und schlugen um sich, um nach vorn zu kommen, und Carrigan sah nun auch die beiden Conestogaschoner ohne Planen, auf denen hartgesichtige Männer mit abgesägten Schrotflinten standen.
„Das sind Porter Dixons Geschäfte.“ knurrte neben ihm Whitney bitter und blieb stehen. „Warten Sie ab, Carrigan, gleich werden Sie etwas erleben, wenn der Verkauf beginnt.“
„Wieso, was …“
„Es ist seit vier Wochen der erste Lebensmitteltransport.“ unterbrach Whitney ihn leise. „Vor vier Wochen kamen zwei Wagen mit Mehl, Zucker, Kaffee und Bohnen. Auch ein paar Speckseiten waren mit dabei. Da war der Teufel los. Zwei Männer haben sich wegen einer Speckseite erschossen.“
Carrigan wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment hob einer der Männer auf den Wagen seinen Revolver und feuerte ihn in die Luft ab. Dann hallte eine dröhnende Stimme über die Köpfe der Menschen.
„Wer will Äpfel? Das Stück zu zwei Dollar!“
Ein blasser, bärtiger Mann reckte seinen Arm und kreischte mit überschnappender Stimme: „Zehn Äpfel, McWeal, gib mir zehn Äpfel! Ich zahle dreißig Dollar! Zehn Äpfel…“
Er drängte sich vor und warf dem riesigen Mann einige Goldstücke zu. Ein anderer griff in einen der Körbe und warf dem Goldgräber zwei Äpfel hinunter.
„Mehr gibt es nicht. Jeder will etwas haben! — Wer will Äpfel? Zwei Dollar das Stück!“
„Ich habe dreißig Dollar bezahlt! Ich will zehn Äpfel, hört ihr? Gebt mir mein Geld wieder! Betrüger …“
Carrigan presste die Lippen zusammen, als er sah, dass plötzlich ein bulliger Mann von einem der Wagen sprang und auf den kreischenden Goldgräber zuging. Eine riesige Faust wirbelte durch die Luft, dann war der Goldgräber verschwunden, und wenig später schleppte der Mann ihn aus der Menge heraus und warf ihn zu Boden. Die beiden Äpfel rollten in eine nahe Pfütze.
Doch niemand drehte sich um. Die Menschenmenge schrie und brüllte, Männer schlugen aufeinander ein. Frauen versuchten verzweifelt, sich nach vorn zu den Wagen zu drängen. Schüsse krachten. Dixons Leute warfen Kartoffeln und Äpfel zu den Käufern hinunter, und fiel mal eine Kartoffel zu Boden, stürzten sich gleich zehn, zwanzig Menschen darauf und begannen sich darum zu prügeln.
Eine Frau kreischte immer wieder, dass ihre Kinder verhungern würden, ein Mann sprang auf einen der Wagen und wurde mit einem brutalen Kolbenhieb des Gewehres niedergeschlagen.
„So sieht es alle vier Wochen aus“, sagte Whitney heiser, und seine Stimme riss Carrigan aus seinen Gedanken. „Alle vier Wochen bringt Dixon einen Transport in die Stadt. Immer sind es nur zwei oder drei verschiedene Arten Lebensmittel, und immer ist es nur so viel, dass jeder einen Happen bekommt, aber so wenig, dass niemand satt davon werden kann. Dadurch kann er die Preise höher hinaufschrauben. Wir sind auf diese Lieferungen angewiesen, sonst verhungern wir. Er macht das sehr geschickt: Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig.“
„Ist er der einzige Händler?“ Carrigan begann sich langsam eine Zigarette zu drehen und fluchte grimmig, als er zwei barfüßige Jungen von vielleicht sechzehn Jahren sah, die verzweifelt versuchten, einen Napf Bohnen zu erringen. Fäuste krachten in ihre Gesichter, stießen sie zurück. Sie bluteten schon aus der Nase, und niemand nahm auf sie Rücksicht, jeder war sich selbst der Nächste. Fressen oder gefressen werden. Nur der Stärkste gewann.
„Das ist er, bei Gott, nicht“, knurrte Whitney. „Aber er besitzt alle Speisehäuser und hat alles in der Hand. Außer ihm kann niemand nach Deadwood transportieren. Der große Bursche dort auf dem ersten Wagen, das ist Nap McWeal, der Vormann von Dixons Schlägergarde. Es haben schon mehrere Händler versucht, Transporte hierherzubringen. McWeal hat sie mit seinen Leuten abgefangen. Es gibt immer wieder welche, die es versuchen, aber sie haben keine Chance. Dixon ist der einzige, der Lebensmittel bringt, und deshalb hat er ganz Deadwood in der Tasche. Er diktiert die Preise für alles, was hier verkauft wird. Wer nicht mitzieht, hat es zu büßen. Jeder weiß, dass er es tut, aber beweisen kann man ihm nichts. Er sitzt fett und glatt in seinem Office im Golden Nugget Saloon, und die Drecksarbeit erledigt Nap McWeal.“
Der eine Wagen war inzwischen leer. Ein wildes Getümmel entstand nun um den anderen. Einige Menschen rannten mit strahlenden, verschwitzten Gesichtern davon und hielten Kartoffeln oder Äpfel in den Händen. Einige besonders Glückliche hatten von jedem etwas erwischt.
„Glauben Sie, dass Sie damit fertig werden, Carrigan?“
Lonesome Carrigan wandte den. Kopf. Seine Augen glitzerten kalt wie Stahl. „Ich denke, dass Porter Dixon sich in der nächsten Zeit sehr wundern wird.“
„Was wollen Sie tun?“
„Ich werde meine Arbeit als Marshal tun. Nicht mehr und nicht weniger. Ich werde die Saloons um Mitternacht schließen lassen, und ich werde dafür sorgen, dass niemand unter Druck gesetzt wird. Ich werde Männer, wie Dixon sie hat, aus der Stadt werfen, wenn sie sich nicht benehmen können.“
„Brauchen Sie Hilfe? Die Miner Guard…“
„Ich brauche niemanden, Whitney. Erst recht keine Familienväter. Dazu sind Männer wie ich da“, setzte er bitter hinzu. Carrigan rückte sich den Revolvergurt zurecht. „Sie werden mich vielleicht einige Tage nicht sehen. Ich muss mich hier erst umschauen. Aber eines verspreche ich Ihnen: Damit…“ Er deutete auf die Menschenmenge, die sich nun verstreute, und auf die leeren Wagen. „Damit ist es nun vorbei.“
Einige abgemagerte Kinder krochen auf der Erde umher und sammelten einzelne Bohnen auf, die herabgefallen waren. Die Revolvermänner auf den Gefährten trieben die Pferde an und lenkten die Conestogaschoner davon.
„Passen Sie auf sich auf, Marshal“, riet Whitney leise und drückte Carrigan fest die Hand.
„Was glauben Sie, warum ich noch lebe. Wer ist der Richter hier?“
„Ich.“ Whitney atmete schwer. „Wir Goldgräber bilden den Hauptteil der Bürger hier. „Wir haben uns zusammengesetzt, und man hat mich zum Richter und zum Mayor gewählt.“
„Vielleicht werden Sie bald zu tun haben, Whitney. Ich hoffe, Sie sind dann auch bereit, Ihre Funktion bis zur letzten Konsequenz auszuführen.“
„Worauf Sie sich verlassen dürfen!“ krächzte der Goldgräber, und Carrigan wandte sich wortlos ab und schritt auf die Stadt zu.
Stumm blickte Asa Whitney der hohen, schlanken Gestalt nach; dem hageren, großen, ganz in schwarz gekleideten Mann mit den zwei schweren, vernickelten Revolvern, und Whitney fühlte, dass er hier den richtigen Mann bekommen hatte, hier war ein Mann gekommen, der Porter Dixons Terror entgegentreten konnte. Asa Whitney atmete schwer und beobachtete ihn, bis Carrigan den Stepwalk der ersten Häuser betrat; dann drehte er sich um und sah einen mageren Jungen von vielleicht neun Jahren vor sich stehen, der außer einer Leinenhose, die an der Hüfte mit einem Strick gehalten wurde, nichts am Leibe trug, dessen Körper knochig und ausgehungert war, und in dessen schmutzverschmiertes Gesicht das wirre, strohige, grundzerfressene Haar hing. Er grinste breit, und Whitney lächelte ihm freundlich zu.
„Schauen Sie nur, Mr. Whitney!“ rief dar Junge und spuckte lachend in den Staub. Er hob beide Hände und fuhr fort: „Sehen Sie sich nur an, wie viele Bohnen ich noch gefunden habe; das reicht für fast eine ganze Woche. Mutter wird sich freuen!“
Whitney blickte schweigend auf die schmutzigen, vielfach von Stiefelabsätzen zertretenen Bohnen, die kaum die Hände des Jungen füllten. Er schluckte grimmig und hörte sich sagen: „Das ist fein, Jimmy, lauf und bring sie deiner Mutter. Sie wird sich bestimmt freuen.“ Doch seine Stimme kam ihm fremd und verändert vor. Er sah die großen, hungrigen, in tiefen Höhlen liegenden Augen des Jungen und fuhr ihm abwesend mit der schwieligen Hand über den Kopf. Der Junge nickte und rannte dann aufgeregt davon.
Asa Whitney stand für einen Moment schweigend und schwer atmend da, um den Zorn zu überwinden, der plötzlich in ihm wühlte. „Dieses verfluchte Schwein!“ stieß er schließlich gepresst aus, und es bedurfte keiner Erklärung, wen er damit meinte. Er ballte die Fäuste und stampfte zu seiner Hütte zurück. Unterwegs sah er Frauen, in deren Gesichtern wieder etwas Hoffnung stand, und die eiserne, große Wasserkessel über die Feuer hängten, um Essen zuzubereiten. Denn jetzt gab es wieder Lebensmittel, jetzt wieder — aber wie lange?
*
Die Luft war abgestanden. Stinkend nach Zigarettenrauch und schlechtem Whisky hing sie wie eine wabernde Masse im Raum. An den wurmzerfressenen Tischen saßen sie dicht an dicht, die bärtigen Goldgräber und eleganten Spieler. Vor ihnen standen Whiskygläser und lagen Goldstücke und Scheine, auf ihren Gesichtern perlte der Schweiß, und in ihren Händen hielten sie Spielkarten.
Der große, sehnige Marshal verhielt für Sekunden im Rahmen der Schwingtür und überschaute forschend den Raum.
Man beachtete ihn nicht; auch nicht, als er eintrat und die Schwenkarme hinter ihm quietschend in den Angeln hin und her pendelten. Mit schleppenden Schritten näherte er sich der Theke, und im schwachen Licht des Schankraumes wirkte seine Gesichtshaut fahl und bleich, und seine Augen lagen im Schatten der breiten Hutkrempe.
Das Piano in einer Ecke klimperte leise, und der Klavierspieler beschäftigte sich mehr mit einem riesigen Glas abgestandenen Bieres als mit den Tasten. Gelangweilt lehnten einige grell geschminkte Frauen an der Theke. Andere hockten auf den Knien irgendwelcher Goldgräber und ließen sich mit schrillem Kichern Geldscheine in den Ausschnitt schieben.
Carrigan hatte den Tresen erreicht, und als er in den Lichtschein der trüben Petroleumlampen geriet, die von der Decke herabhingen, blitzte golden sein Stern auf.
Der Keeper zuckte erschrocken zusammen. Seine Hände strichen nervös über die schmuddelige Schürze, die er um die Hüften geschlungen hatte.
Der Marshal lehnte sich gegen die Theke und blickte sich schweigend im Raum um. Seine Augen glitten über die Gesichter der Männer, und dann sah er ihn …
Im Schatten eines Deckenstützbalkens saß der riesige Bursche, der der Anführer jener drei Männer gewesen war, die am Morgen versucht hatten, die Fahrgäste der Kutsche auszurauben.
Carrigan drehte sich halb um. Er sah das blasse Gesicht des Keepers vor sich. „Wie heißt der Mann dort?“ knurrte Carrigan den Keeper plötzlich an, und der Salooner begann zu zittern. Seine Hände hatten eine dickbäuchige Flasche umklammert, und weißlich traten steine Fingerknöchel unter der Haut hervor. Er öffnete den Mund und schnappte nach Luft.
„Aber Marshal, das, das …“
„Ich will nur wissen, wie er heißt, mehr nicht“, wiederholte Carrigan sanft, doch in seiner Stimme klang ein böser Unterton mit.
„Das ist Joe Friday, Marshal, und — aber…“
„Danke, das ist schon genug.“ Carrigan tippte sich an den Hut und setzte sich in Bewegung. Er hörte hinter sich den Keeper etwas stottern und dann verzweifelt schnaufen, doch es war kein Wort zu verstehen. Es verstummte auch plötzlich jedes Geräusch im Saloon. Einer hatte den Stern gesehen und es einem anderen zugeflüstert, und nun wussten es alle, und alle hatten ihre Gläser hingestellt, ihre Karten sinken lassen, ihre Blicke auf ihn gerichtet. Wortlos starrten sie auf ihn, auf seine große Gestalt, auf seine tiefhängenden, vernickelten Cotts.
Und hart pochten die Schritte des Marshals auf dem sägemehlbestreuten Saloonboden, wie ein überlauter Trommelschlag. Doch der Bandit bemerkte es erst, als Lonesome Carrigan hinter ihm stand. Er fühlte den stechenden Blick des Marshals in seinem Nacken und versuchte, einige Sekundenbruchteile lang, den Grund für das bleierne Schweigen herauszufinden; dann stellte er leise sein Glas auf die Tischplatte und erhob sich zögernd. Er wandte sich nicht um, sondern stand nur regungslos da und zuckte nicht einmal zusammen, als die Hand des Marshals den Colt aus seiner Halfter fischte und polternd zu Boden warf.
„Dreh dich um, Friday.“
Die Stimme des Marshals klang hart und kalt und duldete keinen Widerspruch.
Langsam, ganz langsam wandte sich der Mann um, und als er den Stern auf dem Hemd des anderen sah, lief ein erstauntes Zucken über sein Gesicht.
„Du…“
„Wo sind deine Freunde, Friday?“
„Wir — die sind davongeritten, die Feig…“ Der Bandit stockte und schluckte nervös.
„Dann waren sie klüger als du. Ich hatte gesagt, bis heute abend seid ihr aus der Stadt. Du bist noch hier. Man kann auch an Dummheit sterben, Friday.“
„Wir — wir — wir wussten doch nicht…“
„Was wusstet ihr nicht? Dass es verboten ist, friedliche Reisende zu durchsuchen? Das wusstet ihr nicht?“
„Nein, aber wir …“ Der Mann atmete schwer, und seine Blicke glitten erregt durch den Raum, über die vielen, neugierigen, starren Gesichter. War denn niemand da, der ihm half? War denn niemand da, der seine Kumpane holte? — Nein, da war niemand. Alle saßen stumm auf ihren Plätzen und starrten herüber, und Joe Friday fühlte, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach und über seine Haut rann.
„Aber — du — ich meine, Marshal…“
„'raus aus dem Saloon, Friday. Du verlässt sofort die Stadt. Raus sage ich!“
Man reichte ihm einen Whisky, doch er schob ihn beiseite. Langsam torkelte er auf die Tür zu und trat ins Freie. Er war geschlagen, so gründlich, wie ein Mann nur geschlagen werden konnte.
Die hohe Gestalt des Marshals bewegte sich auf die Theke zu, und seine stechenden Augen richteten sich auf den Keeper.
„Sag deinem Mr. Dixon, dass die Saloons um Mitternacht schließen. Wenn sie auch nur eine Minute länger geöffnet sind, schließe ich sie für immer.“
„Jawohl, Marshal. Ich werde es Mr. Dixon ausrichten.“ Der Keeper nickte hastig, und sein Gesicht war weiß wie eine Wand.
„Warum sagen Sie es meinen Angestellten und nicht mir selbst?“
Die ölige Stimme hallte plötzlich durch den Raum, und als Carrigan sich umwandte, sah er ihn stehen: Porter Dixon. Er hatte ihn nie gesehen, doch er wusste sofort, dass nur Dixon es sein konnte. Ein Mann, knappe sechs Fuß groß, untersetzt und massig, am Schreibtisch fett geworden, mit verquollenem, feistem Gesicht und schwerem Doppelkinn. Er trug einen Anzug aus feinem Stoff, und über seinem Bauch spannte sich eine schwere goldene Uhrkette.
Seine kleinen Schweinsäuglein glitzerten kalt und berechnend. Carrigan hatte nach einer halben Minute sein Urteil fertig: Ein eiskalter, skrupelloser Geschäftemacher, dem jedes Mittel recht war, um Geld zu bekommen, nur Geld war wichtig, nichts anderes zählte.
„Gut, dass Sie kommen. Ab heute schließen sämtliche Saloons in Deadwood um Mitternacht. Männer wie Joe Friday werde ich aus der Stadt jagen. Ist das klar?“
„Völlig, Marshal. Wer hat Sie eingestellt?“ Langsam kam Dixon näher, und Carrigan sah den breiten Ring am linken Zeigefinger des anderen.
„Die Goldgräber, Mr. Dixon. Aber ich werde hier unparteiisch für Ordnung sorgen, verlassen Sie sich darauf.“
„Aber das ist doch in unser aller Sinn, Marshal.“ Dixon grinste kühl. Doch Carrigan sah den heimlichen Zorn in den Augen des anderen. „Sie dürfen nicht alles glauben, was man über mich erzählt, Marshal. Ich meine …“
„Ich glaub nur, was ich sehe!“ antwortete Carrigan kalt. „Noch Fragen?“
Für einige Sekunden schien es, als wollte Porter Dixon den hageren Marshal angreifen. Er ballte die Fäuste und presste die Lippen zusammen. Dann atmete er schwer und schüttelte den Kopf. „Nein“, flüsterte er leise, und seine Lippen zitterten vor Wut. „Nein, keine Fragen.“
Carrigan wandte sich brüsk ab und schritt zur Tür. Er trat hinaus auf den Stepwalk und sah von der Pferdetränke Joe Friday herantaumeln. Er tropfte vor Nässe, und sein Gesicht verzerrte sich vor Hass, als er den Beamten sah.
„Bist du fertig, Friday?“
Und der Bandit nickte schweigend, setzte sich den Hut wieder auf und bestieg sein Pferd. Er wollte noch etwas sagen, doch der harte Blick des Marshals brachte ihn zum Schweigen. Stumm zog er die Zügel herum und lenkte sein Pferd die Main Street entlang zum Stadtausgang. Befriedigt blickte Lonesome Carrigan ihm nach.
„Sie sollten vorsichtiger sein“, krächzte eine heisere Stimme hinter ihm.
Carrigan wandte den Kopf und schaute auf den riesigen, rothaarigen Mann mit dem breitflächigen Gesicht, den er erst vor kurzer Zeit auf den Frachtwagen am Stadtrand gesehen hatte.
„Man mag keine Sterne hier“, fuhr der Mann fort. „Sie sind viel zu leichtsinnig, wirklich.“
„Sie sind Nap McWeal, wie?“ erwiderte Carrigan scharf und schob sich den Stetson weiter in den Nacken. „Ich habe Sie auf den Wagen vorhin gesehen. Merken Sie sich eines, McWeal: Noch einmal wird es so etwas nicht geben, nicht, solange ich Marshal bin.“
„Vielleicht nicht allzu lange.“ Das schmale Grinsen auf dem kantigen Gesicht des Banditen fror ein.
„Sie werden es noch merken, McWeal. Und jetzt gehen Sie mir aus dem Weg, ich will vorbei.“
Einen Moment lang starrten sich die beiden Männer an. In Nap McWeal arbeitete es. Zähneknirschend schob er schließlich die Hände hinter den Waffengurt und wich dem hageren Marshal aus. Wortlos blickte er dem hochgewachsenen Mann nach, und als aus der Tür des Golden Nugget Saloons die untersetzte, massige Gestalt Porter Dixons trat und sich neben ihn stellte, murmelte er leise: „Das wird er mir büßen, dieser arrogante, hochnäsige Sternschlepper. Ich werde ihn dazu bringen, dass er Staub frisst und mir die Schuhe ableckt.“
Porter Dixon saugte schweigend an einer schwarzen Zigarre und blies einen dicken Rauchring in die hitzeflimmernde Luft.
„Du wirst ihn in Ruhe lassen“, sagte er leise und zog mit der Linken die Taschenuhr hervor. Er warf einen Blick auf das Zifferblatt und murmelte: „Er ist nicht so leicht zu schaffen, Nap. Lass ihn in Ruhe! Er muss sich in Deadwood erst die Hörner abstoßen. Er kennt die Stadt noch nicht. Vielleicht ist er danach ganz umgänglich. So viel ist sicher: Mit Waffen wirst du ihn nicht einschüchtern.“
„Der Kerl macht uns das Geschäft kaputt, dieser lausige Sternschlepper“, bellte der riesige Ire wild und ballte wütend die Fäuste. „Die verdammten Digger haben ihn angeworben, weil sie uns an den Kragen wollen. Es ist Carrigan, den sie überall Lonesome Carrigan nennen, den einsamen Wolf. Ein eiskalter Revolverschwinger. Boss, wenn wir ihn nicht sofort erledigen, wird es uns vernichten.“
Dixon grinste schwach. „Er ist auch nur ein Mensch.“
„Ja, aber was für einer.“ Der Ire lehnte sich gegen die Hauswand und schob sich eine Portion Kautabak in den Mund. „Kopfgeldjäger war er, US Deputy Marshal und dann Marshal von Alder Gulch und Last Chance.“
„Jeder Mann hat seinen Preis, Nap.“ Porter Dixons feistes Gesicht blickte uninteressiert. „Bieten wir ihm tausend, zweitausend, von mir aus fünftausend Dollar im Monat. Jeder Mann hat seinen Preis, auch er, Nap. Ich muss jetzt zu Charyman, bin zum Poker verabredet. Ach ja, und, Nap: Es gehen Gerüchte um, dass der alte Hill seinen Whisky billiger verkaufen will. Hör mal nach, was da wirklich dran ist, und kümmere dich dann darum. Die Kerle sollen sich ja nicht einbilden, sie könnten machen, was sie wollten.“ Dixon hakte die Daumen hinter die Jackettaufschläge. „In Deadwood bestimme ich. Wie üblich, Nap — aber nur, wenn es stimmt. Wahrscheinlich ist es so, der Alte wird ja überhaupt in letzter Zeit immer frecher.“
„Schon gut, Boss.“ knurrte McWeal heiser. „Sie werden zufrieden sein.“
Dixon nickte knapp und verschwand im Saloon. McWeal schritt zum Mietstall hinunter.
*
Der warme Schein der Petroleumlampe durchfloss den kleinen Raum der Blockhütte und spiegelte sich in den Augen der Männer als matter Glanz des Lichtes wider.
Das Kind auf dem Strohlager in der Ecke schlief, und die verhärmte Frau hob einen eisernen Kessel von der primitiven Kochstelle und trug ihn zum Tisch hinüber. Schweigend schenkte sie den dampfenden, aromatisch duftenden Kaffee in die Blechbecher und zog sich dann wieder zu ihrem Kind zurück.
Lonesome Carrigan griff dankbar nach dem Becher und schlürfte an dem belebenden, heißen Getränk. Asa Whitney schob die selbstgeschnitzte Pfeife in den Mund und riss ein Schwefelholz an der Tischkante an. Während sich draußen die Nacht über dem Land ausbreitete, setzte der Marshal seinen Becher ab und blickte den Goldgräber an.
„Wie geht's, Whitney?“ Carrigan lehnte sich zurück und ließ die Hände schwer auf der Tischplatte ruhen.
„Wie immer, Carrigan. Mein Claim ist fündig, ich habe ein paar tausend Dollar in Gold zusammen. Aber man kommt einfach nicht los von diesem verfluchten Nest, man kommt einfach nicht mehr 'raus. Dabei…“ Er deutete mit dem Stiefel auf seine Frau und sein Kind. „Ich müsste längst hier weg sein. Es geht einfach nicht. Solange auch nur ein Stäubchen Gold aus dem Boden zu holen ist, kann ich nicht weg.“
„Und die anderen?“
„Nur die wenigsten finden genug, um zu leben.“ Whitney nippte an seinem Kaffee. „Aber was heißt schon Leben in diesem Land. Wir haben ein paar hundert Yards von hier eine Blockhütte eingerichtet, als Office.“
„Großartig. Ich habe in den letzten drei Tagen im Boardinghouse geschlafen. Es war schrecklich; Läuse und Wanzen, Betrunkene, vollgekotzte, halb verfaulte und nach Urin stinkende Strohsäcke und zwanzig Mann in einem Raum, einer neben dem anderen, wie tote Ratten. Aber das ganze kostete pro Nacht zehn Dollar.“ Carrigan nickte grimmig.
„So ist das überall hier. Die Geschäftsleute verdienen mehr als alle Golddigger zusammen. Für sie ist es tatsächlich eine Goldgrube.“
„Vier Schießereien in drei Tagen“, murmelte Carrigan. „Fast zwanzig Schlägereien.“
„Die Stadt ist eine Hölle“, bestätigte Whitney. „Sie ist ein Vorposten der Hölle. Der Boden ist goldhaltig, die Luft ist bleihaltig. Es ist eine Hölle.“
„Yeah …“ Sie schwiegen und tranken von ihrem Kaffee.
„Der Junge von Coster, neben mir, ist gestern gestorben; sechs Jahre alt“, sagte Whitney nach einer Weile. „Er ist verhungert, Carrigan. Zum Schluss hatte er Lungenentzündung. Einfach verhungert ist er. Coster war aus Deutschland 'rübergekommen. Wollte Gold finden und reich werden, wie alle hier. Er hat kaum was gefunden, aber viel verloren. Es war sein letzter Sohn. Die beiden Ältesten sind von Indianern getötet worden. Sein Planwagenzug wurde überfallen. Das ist jetzt vorbei, aber dafür kommen Hunger und solche Hyänen wie Dixon.“
„Nicht mehr lange, Whitney.“
Carrigan griff nach dem Kessel und schenkte sich dampfenden Kaffee, nach. „Der Kaffee ist gut, Madam, ausgezeichnet.“ Er nickte in die Hüttenecke hinüber, und die Frau lächelte schwach.
„Was macht Dixon?“ fragte Whitney.
„Er hält sich zurück.“ Carrigan beugte sich vor und beobachtete das kleine Flämmchen in der Petroleumlampe. Er drehte den Docht etwas höher und sah nun deutlich das faltige Gesicht des anderen. Das graue Haar Whitneys schimmerte im Licht wie ein Geflecht von Silberfäden.
„Sie werden in den nächsten Tagen Ärger mit Dixon bekommen, Carrigan.“ Whitney trank seinen Becher leer und wischte sich mit dem Handrücken einige Tröpfchen von den Lippen und aus seinem Schnauzbart. „Der alte Smoky Hill wird den Whiskypreis senken.“
„Was geht das Dixon an?“ Carrigan strich sich über den Kopf und warf einen Blick aus dem Fenster in die schwarze Finsternis der Nacht.
„Dixon bestimmt, dass der Whisky pro Flasche zwanzig Dollar kostet, also verkaufen ihn auch alle anderen für zwanzig Dollar die Flasche. Hill wird ihn für neunzehn Dollar verkaufen.“
„Wer ist Hill?“ Carrigan hatte die schmalen Hände um den Blechbecher gelegt und schaute den Mayor fragend an.
Dem alten Hill gehört mit seiner Tochter der Last Chance Saloon. Das ist der einzige Laden in Deadwood, wo man guten Whisky bekommt.“
„Ich werde mich drum kümmern, Whitney.“
Carrigan blickte auf die Uhr, die an der Wand über der Kochstelle hing und erhob sich. Er trank seinen Becher leer und stülpte sich den Hut auf. „Ich muss jetzt gehen, Whitney. Ich bin froh, dass die Saloons in dieser Nacht pünktlich geschlossen haben. Ich werde mich jetzt aufs Ohr legen. Gute Nacht, Madam.“
„Warten Sie, ich komme mit und zeige Ihnen Ihr neues Office.“
Whitney stand auf und ging zu seiner Frau hinüber. „In zehn Minuten bin ich zurück“, murmelte er und drückte ihr beruhigend die Hand.
„Beeil dich, und pass auf dich auf, Asa“, erwiderte sie leise, und er nickte stumm. Gemeinsam verließen sie die Hütte.
Schweigend schritten die Männer nebeneinander her und stolperten oft auf dem ausgefahrenen Weg. Die wenigen Sterne, die am nachtschwarzen Himmel standen, verbreiteten nicht genügend Helligkeit, um die vielen Schlaglöcher der verkrüppelten Wagenstraße in der Dunkelheit sichtbar zu machen.
Nach wenigen Minuten tauchte eine Blockhütte vor ihnen auf. Den frischgeschälten Stämmen entströmte ein würzig-harziger Geruch.
Asa Whitney stieß die Tür auf und tastete sich durch den dunklen Raum. Wenig später flammte eine Petroleumlampe auf, und Lonesome Carrigan trat ein und schloss hinter sich die Tür. Prüfend schaute er sich um.
„Großartig“ murmelte er und ließ sich auf die Pritsche an der Wand fallen. Seine Hände tasteten über die Pferdedecken und den Strohsack. Er erhob sich und ging zu dem schmalen Schreibtisch.
„Nebenan ist eine Zelle.“ Whitney deutete auf den Schlüssel am Wandhaken. „Im Schrank steht eine Winchester. Im Schreibtisch sind Papier und Feder, falls Sie Berichte machen wollen. Mehr können wir Ihnen nicht bieten.“
„Nachdem ich drei Tage lang den Luxus der hiesigen Hotels genießen konnte, ist diese Hütte das reinste Paradies.“
Carrigan führte Whitney zur Tür und drückte ihm die Hand. „Die Sache mit dem alten Hill wird schon in Ordnung gehen. Bis später, Whitney.“
„Bis später, Marshal.“ Der Goldgräber verließ die Hütte und schritt hinaus in die Nacht.
„Schlafen Sie gut, Whitney“, rief Carrigan den schemenhaften Umrissen des Mannes nach, die mehr und mehr mit der Finsternis verschmolzen.
„Gute Nacht, Marshal“, klang es aus der Dunkelheit zurück. Die Schritte des anderen verhallten.
Jerome „Lonesome“ Carrigan schloss die Tür und schob den Riegel vor. Er ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder und öffnete die Schubladen. Leise lächelte er vor sich hin und zog befriedigt zwei Paar verrostete Handschellen hervor. Ein Schlüssel lag daneben. Carrigan nickte grimmig. „Die werde ich brauchen können.“
Er trug die Petroleumlampe zu seiner Schlafstelle hinüber und schnallte den Revolvergurt ab. Stumm zog er den Colt aus dem rechten Halfter und legte ihn neben das harte Kopfkissen. Dann ließ er sich nieder, löschte die Lampe und zog sich den Hut über die Augen. Wenig später war er eingeschlafen.
*
Die Morgennebel lagen wie die Fetzen eines Bahrtuches über der Stadt und hielten sich zäh zwischen den schroffen Berghängen und dichten Waldplateaus. Als glühend rot die Sonne am Firmament emporstieg, zerrissen die warmen, gleißenden Strahlen das Grau des Morgens, und die Tautröpfchen auf den Kistenholzhütten schillerten und blitzten im Frühlicht. Ein Adler schwebte majestätisch durch die klare, feuchte, sich langsam erwärmende Luft. Durch die Main Street von Deadwood lenkte ein einsamer Reiter sein Pferd und verließ die Stadt.
Als sich die Sonnenflut grell und flimmernd über die Dächer des Höllennestes ergoss, schirrten einige Angestellte der Overland Line ein Vierergespann vor die Kutsche und brachten das Gefährt vor das Postoffice. Strangketten klirrten, Leder knirschte. Die Pferde mahlten geräuschvoll auf den eisernen Gebissstangen. Leise knarrte das Holz des Wagens, das noch feucht war vom Niederschlag des Morgens. Die Räder quietschten schwach auf den Achsen.
Der rothaarige Kutscher trat vor die Tür und streckte sich. Gierig saugte er die frische Luft in seine Lungen und verließ dann den Stepwalk. Er musterte prüfend die Kutsche, strich mit den Fingern über die Achsen und wischte befriedigt die Wagenschmiere an seiner speckigen Levishose ab. Schweigend öffnete er die Kutschentüren und blickte hinein. Der abgestandene, kalte Zigarettenrauch entwich, und als sich gegenüber auf der anderen Straßenseite die Tür des Last Chance Saloons öffnete, blickte der Kutscher hoch.
Schweigend beobachtete er den Mann, der aus der Schwingtür trat und die Petroleumlampen, die an den Vorbaubalken hingen, neu auffüllte. Es war ein nicht ganz sechs Fuß großer Mann mit faltigem, lederhäutigem Gesicht und grauen, in tiefen Höhlen liegenden Falkenaugen. Sein sichelförmiger Schnauzbart schien früher weiß gewesen zu sein, inzwischen hatte der reichliche Kautabakgenuss seines Besitzers ihn gelblich verfärbt. Der Mann trug geflickte Kleidung und ein weißes Handtuch vor dem Bauch. Eine Waffe war bei ihm nicht zu entdecken.
Der Kutscher wollte sich schon abwenden und zurück ins Postoffice gehen, als er sah, wie der Mann gegenüber einige Schilder aufstellte. In dicken, schwarzen Lettern stand dort zu lesen: „Bester Whisky! Die Flasche 19 Dollar!“
Es verschlug dem Kutscher beinahe den Atem. Er stieß sich langsam von der Stage ab und schritt schleppend über die Straße. Ungläubig starrte er auf das Schild, und als er sah, dass der kleine Mann wieder im Innern des Saloons verschwinden wollte, rief er ihn an: „He, Bruder! Stimmt das, was da auf dem Schild steht?“
Der Mann drehte sich um, und in seinen grauen Augen blitzte es auf. „Will ich meinen!“ krächzte er und kam bis zum Rand des Stepwalks. Grimmig spuckte er in den Staub.
„Ist dein Saloon jetzt schon geöffnet, Alter?“
„Sicher“ antwortete der Mann, und sein Gesicht verzog sich säuerlich. „Aber sag nie mehr Alter zu mir“, fuhr er fort. „Bei Gott, ich schlage dich unangespitzt in den Boden.“ Und seine Augen funkelten dabei so kriegerisch, und er hatte seine Fäuste so entschlossen geballt, dass der riesige Kutscher gar nicht lachen könnte, sondern dem Salooner aufs Wort glaubte.
„Dann verkauf mir schnell zwei Flaschen Whisky, ehe ich abfahre. Wenn ich zurückkomme, gibt es deinen Saloon ja doch nicht mehr.“
„Zwei Flaschen Whisky kannst du haben, Boy“, krächzte der Salooner und wandte sich um. Der Kutscher folgte dem Alten durch die Schwingtür in den Schankraum und nickte verwirrt einer schlanken, schwarzhaarigen Frau zu, die hinter der Theke stand und Gläser polierte. „Guten Morgen, Miss.“
Sie nickte zurück, und der Alte knurrte sie an: „Gib mal zwei Flaschen her, Cyn. Ihr Geld, Mister.“
Der Kutscher bezahlte und griff ungläubig nach den Flaschen. „Mann“, krächzte er leise. „Wenn das erst Porter Dixon sieht. Der nimmt die Bude auseinander, da bleibt kein Balken auf dem anderen.“
„Das lassen Sie nur meine Sorge sein, junger Mann“, grinste der Alte und klopfte auf den matt glänzenden Schaft einer abgesägten Schrotflinte, die griffbereit auf der Theke lag.
„Bloß gut, dass ich in einer Stunde abfahre“, knurrte der Kutscher. „Hier ist bald die Hölle los.“
„Hier ist jeden Tag die Hölle los“, grinste der Alte dem Mann nach, der durch die Schwingtür verschwand.
„Vielleicht hättest du doch den Whiskypreis so lassen sollen, wie er war, Vater“, sagte das junge Mädchen, und der Kopf des Alten flog herum.
„Ich bin ein freier Mann in einem freien Land, Cynthia. Ich kann tun, was ich will. Das steht in unserer Verfassung. Also kann ich auch, beim Teufel, meinen Whisky für neunzehn und sogar für achtzehn Dollar die Flasche verkaufen. Du wirst sehen, die Goldgräber werden uns den Saloon einrennen, und der fette Dixon wird auf seinem gepanschten Schnaps sitzenbleiben und sich vor Wut in den Hintern beißen.“ Kichernd rieb sich der Alte die Hände.
„Ich glaube nicht, dass er es so einfach hinnehmen wird, Vater“, sagte Cynthia Hill leise. „Nein, das glaube ich nicht.“
Der alte Hill runzelte die Stirn und lehnte sich nachdenklich gegen die Theke. „Nein, ich glaube es ja auch nicht, Cyn, aber er wird es hinnehmen müssen, hihi, es wird ihm nichts anderes übrigbleiben. Du gehst besser für heute nach hinten und lässt dich nicht im Schankraum sehen. Wer weiß, was passiert.“
„Nein, Vater.“ Sie warf trotzig ihren Kopf in den Nacken, und das lange, in weichen Wellen auf ihre Schultern flutende schwarze Haar fiel zurück. Ihre blauen Augen blitzten energisch. „Ich werde hierbleiben und aufpassen, dass du nicht noch mehr Dummheiten machst.“
„Du bist genauso halsstarrig wie deine Mutter.“ Der Alte kratzte sich ärgerlich am Kinn. „Sie hatte mexikanischen Pfeffer im Blut, und du hast ihn mit der Muttermilch in dich aufgesogen. Zum Teufel, geh nach hinten. Du bist zu hübsch für eine Kugel.“
„Ich werde hierbleiben, Vater!“ Sie stampfte zornig mit dem rechten Fuß auf.
Er winkte erschrocken ab. „Schön gut, schon gut. Aber versprich mir, dass du dich hinter die Theke legst, sobald irgendjemand schießt.“
Sie schwieg und beschäftigte sich wieder mit den Gläsern.
„Wir haben jetzt einen Marshal in Deadwood.“ Der Alte griff nach einer Flasche und schüttete sich ein Glas voll.
„Trink nicht so viel, Vater“, tadelte sie streng, und er fluchte gepresst. „Ist es ein Wunder, dass du keinen Mann bekommst?“, brummte er und nippte an dem scharfen Getränk. „Du siehst aus wie ein Engel und bist in Wirklichkeit ein wahrer Satan.“
Sie blickte ihn empört an, doch er schritt zur Tür und schaute hinaus auf die Main Street, auf der inzwischen langsam wieder das Leben erwachte, das die Stadt bald wieder bis in den letzten Winkel hinein erfüllen würde; eine brodelnde, kochende, stampfende Hölle.
„Der Marshal soll ein alter Fuchs sein“, sagte der Alte.
„Was heißt das schon? Er ist allein. Dixon hat eine ganze Mannschaft ausgekochter Schufte.“ Cynthia Hill stellte die Gläser in die Regalreihen und wischte sich die Hände an der fleckigen Schürze ab. Sie strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und lehnte sich über die Theke. Verschwommen spiegelte sich ihr schmales, blasses Gesicht in der messingglitzernden Thekenplatte, und sie gähnte unterdrückt. Er sah es und schüttelte unwirsch den Kopf.
„Ich will nicht, dass du immer so lange wach bleibst, bis in die Nacht hinein. Ich werde mit dem Saloon auch allein fertig.“
„Und ich will nicht, dass du jede Nacht betrunken ins Bett fällst“, widersprach sie trotzig und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Schweigend beobachtete sie einen Sonnenstrahl, der durch ein Fenster fiel und mit einer Wolke von feinen Staubkörnchen spielte.
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Über die Stepwalks wedelten in aufreizenden Kleidern mit Seitenschlitzen bis zur Hüfte hinauf, die ab und zu die schwarzen Strumpfbänder sichtbar machten, die grell geschminkten Frauen, und warfen den Goldgräbern verführerische Blicke zu. Ihr schrilles Kichern klang in das Stampfen und Schnaufen der Gespannpferde vor der Stage, und wenn einige Männer ihnen Scherzworte zuwarfen, parierten sie mit Ausdrücken, die den abgebrühtetsten Sattelstrolch schamrot werden ließen.