3 Western in 1: Hartes Sterben - John Gray - E-Book

3 Western in 1: Hartes Sterben E-Book

John Gray

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Beschreibung

Drei Western für zwei! Willkommen im Wilden Westen, wo Mut, Verrat und Gerechtigkeit auf dem Spiel stehen. Dieses Bundle vereint drei packende Romane der Erfolgsreihe „Das Gesetz des Westens“ – in einem Buch!

Hartes Sterben: Ein verzweifelter Cowboy, ein harter Winter und der letzte Ausweg: Viehdiebstahl. Doch als der Überlebenskampf zwischen Schnee, Kugeln und Gewissensbissen eskaliert, muss sich Red Potter entscheiden, ob er als Gauner überlebt – oder als Mensch untergeht.

Der Gejagte: Als der unschuldig des Bankraubs beschuldigte Will Swanson auf einer abgelegenen Farm Unterschlupf sucht, beginnt ein dramatischer Überlebenskampf zwischen Verzweiflung, Gerechtigkeit und Gewalt. Gehetzt von Gesetz und Kopfgeldjägern, bleibt ihm nur ein Ziel: seine Unschuld zu beweisen – oder im Kampf unterzugehen.

Der Mann von Missouri: Als ein brutales Unwetter drei Banditen die Flucht über den Missouri ermöglicht, gerät der alte Fährmann David Garret in einen tödlichen Strudel aus Gewalt und Verrat. Doch sein Sohn Jim nimmt die Verfolgung auf – getrieben von Zorn, Schmerz und dem unbeirrbaren Willen zur Gerechtigkeit.

Über die Reihe „Das Gesetz des Westens“ Erleben Sie regelmäßig knallharte Abenteuer aus dem Wilden Westen – von legendären Western-Autoren wie Alfred Wallon, Peter Dubina, John Gray und vielen mehr. EK-2 Publishing bringt mit dieser Reihe das Flair von Pulverdampf, rauen Siedlern und einsamen Revolverhelden direkt zu Ihnen nach Hause.

Laden Sie den Colt, satteln Sie auf – und sichern Sie sich drei explosive Western in nur einem Band! Hinweis: Dieses Bundle enthält Neuauflagen gleichnamiger Romane.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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John Gray

3 Western in 1Hartes Sterben

Drei Romane der historischen Western-Reihe „Das Gesetz des Westens”

Hartes Sterben

Der Gejagte

Der Mann von Missouri

EK-2 Publishing

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Liebe Leser, liebe Leserinnen,

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein Familienunternehmen aus Duisburg und jeder einzelne unserer Leser liegt uns am Herzen!

Mit unserem Verlag EK-2 Publishing möchten wir militärgeschichtliche und historische Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.

Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Haben Sie Anmerkungen oder Kritik? Lassen Sie uns gerne wissen, was Ihnen besonders gefallen hat oder wo Sie sich Verbesserungen wünschen. Welche Bücher würden Sie gerne in unserem Katalog entdecken? Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns und unsere Autoren.

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Hartes Sterben

von John Gray

Ihre Glieder waren steif vom langen Ritt und vor Kälte. Der Nordwestwind schlug ihnen in die geröteten Gesichter. Sie schmeckten die eisige Luft bitter auf ihren Lippen. Eiskristalle zerschmolzen auf ihrer Haut und stachen gepeitscht vom Wind wie tausend Nadelspitzen auf den Wangen.

„Die Eisdecke hält!” rief einer der Männer. „Wir können über den Fluss reiten.” Er trug eine dickgefütterte Mackinaw-Jacke, deren Kragen hochgeschlagen war. Auf dem Kopf trug er einen breitrandigen Stetson. Über den Hut hatte er sein Halstuch gezogen und unter dem Kinn verknotet, so dass die Krempe über die Ohren gebogen wurde, und sie schützte vor Kälte und Wind.

Skeptisch blickten die Männer auf die Eisfläche, die in stumpfem Grau, teilweise von Schnee bedeckt, vor ihnen lag und den Salt Fork River überspannte. Wie ein hauchfeiner, weißer Flor tanzten Schneebahnen über das Eis. Der schneidende Nordwester, der die Luft klirren ließ wie brechendes Glas, trieb sie vor sich her und verlieh der endlosen, wie es schien glatten und toten, Schneefläche auf diese Weise Leben, das sie nicht besaß.

„Wenn wir im Eis einbrechen, sind wir mindestens ein Pferd los, wenn nicht mehr”, gab ein anderer Mann zu bedenken. Er blies sich in die hohlen Handflächen und stampfte fröstelnd von einem Bein auf das andere. Sein warmer Atem wehte wie ein Nebelschleier aus seinem Mund und löste sich auf in der eiskalten Luft. „Mir scheint es nicht so sicher, dass das Eis hält.”

„Warum sollen ausgerechnet wir einbrechen, nachdem hundert andere nicht eingebrochen sind?” Der erste Sprecher wandte den Kopf. Seine Augen waren schmale Schlitze. In den Augenbrauen und zwischen den Wimpern hatten sich Krusten aus Schneekristallen gebildet. Traurig hingen die Enden des Oberlippenschnauzbartes zu den Kinnwinkeln des Mannes hinunter. „Wir sind noch nie hier eingebrochen. Vor einem Monat bereits, als die Eisdecke nicht so dick war wie heute, habe ich mit der Ranchmannschaft versprengte Rinder über das Eis getrieben. Es hat geknackt, aber die Decke hat gehalten. Ich war damals noch auf Chandlers Ranch angestellt. Warum soll sie heute bei uns nicht halten?”

„Egal wie es ist. Wir wollen die Rinder”, nickte ein Dritter grimmig. Er zog sich seinen langen, abgetragenen Prince-Albert-Mantel fester um die Schultern.

„Wir wollen nicht nur, wir brauchen die Rinder dringend”, berichtigte ein anderer ihn. „Wenn wir sie nicht kriegen, können wir Schnee fressen und warten, bis wir erfrieren. Dann ist es aus mit uns. Wir haben keinen lausigen Cent mehr. Und selbst eine verhungerte Ratte würde das, was wir noch in den Satteltaschen an Proviant haben, nicht fressen. Wir können nicht mehr davon leben. No, wir brauchen die Rinder. Wir müssen sie haben, unbedingt.”

„Also müssen wir über das Eis, über den Fluss. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig.”

Die Männer nickten stumm. Eine schlanke Gestalt, die in einen viel zu großen Mackinaw-Mantel gehüllt war, drängte sich an den breitschultrigen Mann, der dicht am Ufer des Salt Fork stand, heran. Es war eine junge Frau. Sie blickte den Mann aus grollen Augen an. Er legte seinen linken Arm um sie. „Nur ruhig, Jessie. Keine Angst”, raunte er.

Sie nahmen ihre Pferde an den Zügeln und führten sie auf die Eisfläche. Sie bewegten sich hintereinander wie Wölfe. Unter ihren Füßen gurgelte der Fluss. Die Bewegungen des Wassers ließen die Eisdecke knirschen Red Potter, der Cowboy, den sein Rancher bei Winteranbruch mit dem größten Teil der Mannschaft in die Kälte entlassen hatte, ohne einen lumpigen Cent in der Tasche, ohne ein Stück trockenes Brot, erreichte mit seiner Frau Jessie als erster das andere Ufer.

Ihnen folgten Virg Olden, ein Spieler und Boss der Banditen, Frank Burden, Ray O'Tally, ein rothaariger, vierschrötiger, jähzorniger Ire und der Revolvermann Tex Sturgis.

Sie atmeten auf, als sie den Fluss überquert hatten. Virg Olden trat auf Potter zu: „Wo ist nun die Herde, Red? Wie weit müssen wir hoch reiten?”

„Keine zwei Meilen!” Der Cowboy strich sich über seinen Schnauzbart. „Die Rinder stehen in den windgeschützten Hügelmulden.”

Sie stiegen in die Sättel. Die junge Frau drängte ihr Pferd auf ihren Mann zu Ilir schmales, vom Wind gerötetes Gesicht schaute unter dem festen Leinentuch hervor, das sie sich um den Kopf geschlungen hatte. Ihre Stimme vibrierte leicht: „Du willst es also wirklich tun, Red? Es gibt für dich keinen anderen Weg?”

Potter wandte den Kopf. Er blickte eine Frau hart an. „Sollen wir vor die Hunde gehen? Wir brauchen Geld, um uns Essen und ein Dach über dem Kopf kaufen zu können. Wir müssen darum kämpfen, den Winter zu überleben. Dazu ist mir jedes Mittel recht. Ich will lieber als Gauner satt sein, als ehrlich verhungern, und bald wirst du nicht anders denken.”

„Ich habe dich geheiratet, als du ein anständiger, ehrenhafter Cowboy warst, Red. Jetzt merke ich, dass ich einen Rustler geheiratet habe”, erwiderte sie heftig. „Ich werde nie so denken, wie du Red. Nur wenn man anständig bleibt, kann man in Ruhe leben. Als Bandit bist du ein Gehetzter auf ewig.”

„Sag nicht so was zu mir, Jessie. Ich sage dir: rede nicht so mit mir!” Der Mann presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. „Du hast genau gewusst, als du mich geheiratet hast, dass ich im Winter arbeitslos bin, weil eine Ranch im Winter nur wenig Cowboys braucht, und die Monate schwer und hart werden.”

„Ich habe nicht gewusst, dass du dann zum Banditen wirst.” Sie warf trotzig den Kopf hoch und wandte sich ab. „So schwer kann es gar nicht werden, dass ein anständiger Kerl sich so vergisst.”

„Wie lange willst du dich noch mit deiner Frau streiten, he? Wir müssen weiter, Red, verdammt. Oder willst du die Rinder nicht mehr?”

Red Rotter blickte den rothaarigen Ray O‘Tally grimmig an. „Ich komme, zum Teufel, ich komme schon. Mich braucht niemand zu rufen. – Vorwärts jetzt, Jessie.”

Widerstrebend trieb die Frau ihr Pferd an und lenkte es den Männern nach, die in langer Reihe hintereinander durch den Schnee ritten und den vereisten Salt Fork River hinter sich ließen.

*

„Da ist die Herde. Dreijährige Longhorns. Gute Tiere. Für diese Jahreszeit sind sie prächtig im Futter.” Red Potter deutete von der Hügelkuppe in die Talmulde hinunter. Dort drängten sich etwa fünfhundert Tiere zusammen. An zahlreichen Stellen des Tales waren lange Heuraufen angelegt. Am Ende der Talmulde stand eine Weidehütte, aus deren Kamin dunkle Rauchwolken zum schneeverhangenen Himmel stiegen, vom Nordwestwind vorher jedoch zerfetzt wurden.

„Wir holen die Biester, treiben sie die Hügel hinauf und nach Osten davon.” Virg Olden richtete sich steil in den Steigbügeln auf. „Wenn wir verfolgt werden sollten, werden nur Tex und Frank die Sicherung übernehmen und schießen. Wir anderen treiben die Herde dann weiter, ohne uns umzudrehen.”

Die Männer nickten. Red Potter blickte zu seiner Frau hinüber. „Du bleibst hier auf dem Hügel, Jessie, und wartest. Wenn wir mit den Rindern zurückkommen, reitest du voraus. Du bist bei einer Verfolgung am sichersten, wenn du soweit vorn wie möglich reitest.”

Sie antwortete nicht, sondern senkte ihren Blick auf das Sattelhorn, wo sie ihn bittend verharren ließ. Ihre Hände steckten in großen Handschuhen aus Waschbärpelz. Sie krallte ihre Finger fester um die Zügel, während die Männer ihre Pferde ins Tal hinunterlenkten, ohne sich umzuwenden.

Sie ritten durch den hohen Schnee. Die Pferde mußten sich anstrengen. Die Männer hatten ihre Hüte tief in die Gesichter gezogen. Sie näherten sich der Longhorn-Herde.

Noch ehe sie die Tiere erreicht hatten, schwärmten sie aus. Schon warfen die ersten Longhorn-Kälber ihre Köpfe hoch. Aus großen, stupiden Augen stierten sie den Reitern entgegen. Sie reckten die kantigen Schädel. Einige brüllten dumpf.

Die Banditen hatten die Lassos von ihren Sätteln gelöst und schwangen sie jetzt. Sie erreichten die Herde, drangen in sie ein und trennten etwa drei Dutzend Rinder ab.

Die Herde wurde unruhig. Die gewaltigen, weit ausladenden Hornpaare schlugen krachend gegeneinander, als die Tiere versuchten, den Reitern auszuweichen und davonzudrängen.

„Vorwärts, jetzt. Wir treiben sie die Hügel hinauf!” schrie Virg Olden.

Der Wind aus Nordwesten schien stärker zu werden. Er peitschte über die Herde hin, wühlte den Schnee der Hügelkuppen auf und trieb ihn wie einen Nebel über das Tal.

Die Reiter beugten sich weit aus den Sätteln ihrer Pferde und schlugen mit den Lassoenden auf die knochigen Rinderrücken. „Vorwärts, ihr Biester! Hoh! Hoh! Vorwärts, bewegt euch, los!”

Die Tiere brüllten ängstlich und dröhnend. Die Geräusche wurden von der schneeverfilzten Luft verschluckt. Langsam setzten die knapp vierzig Tiere sich in Bewegung. Sie senkten die breiten Schädel und liefen in dichtem Pulk auf die Hügelkette im Osten zu, wo Jessie Potter wartete.

„Es scheint zu klappen!” lachte der rothaarige Ire schrill. „Hoho, es scheint zu klappen. Wir schaffen es. Meine Güte, fast vierzig Rinder. Pro Stück dreißig Dollar. Hohoho! Bald brauchen wir uns nicht mehr die Knochen im Schnee zu erfrieren, bald liegen wir in feinen weißen Hotelbetten.”

„Halt dein Maul und achte auf die Herde, zum Teufel!” donnerte Red Potter. Er sprengte lassoschwingend an den Rindern vorbei. „Beim Rindertreiben achtet man auf die Tiere und auf nichts sonst, hörst du?”

Potter setzte sich an die Spitze. Mit schrillen Rufen trieben die Banditen die Tiere zu rascherer Gangart an. Schnee stob unter den trommelnden Hufen auf. Mit jedem Atemzug drang den Männern die eiskalte Luft in die Lungen. Aber sie bewegten sich heftig und spürten so die Kälte kaum.

Da peitschte von hinten ein Schuss durch die kristallklare Luft. Krachend rollte die Detonation durch das Tal, vom Echo mannigfach verstärkt.

Die Banditen in den Sätteln erstarrten zu Eis. Das Blut in ihren Adern gefror. Grell wieherte eines der Pferde.

Virg Olden durchbrach den Ring der Erstarrung als erster. Er beugte sich nach vorn und schwang wild sein Lasso. „Vorwärts! Hoh! Wir sind entdeckt worden, vorwärts! Treibt die Rinder weiter! Auf die Hügel zu! Los, los! Tex, Frank, ihr müsst schießen!”

Red Potter warf den Kopf herum. Durch die im Wind wogenden Schneenebel erkannte er vor der Hütte schemenhaft einige Gestalten, die durch den Schnee hasteten. Wieder krachte donnernd ein Schuss.

Angsterfüllt brüllte die Herde im Tal. Dichter drängten die Tiere sich zusammen. Auch die kleine Herde, die die Reiter vor sich hertrieben, wurde nervös. Die Rinder schnaubten und bewegten sich hastiger.

„Schneller!” kreischte Ray O'Tally.

„Wir müssen sie schneller treiben. Sonst holen die Cowpuncher uns ein!” Der Ire hieb wie verrückt mit seinem Lasso auf die Rinderrücken ein. Dumpf brüllend stürmten die Tiere die Hügel hinauf.

Frank Burden und Tex Sturgis hatten ihre gefütterten Lederhandschuhe abgestreift und die Winchester-Karabiner aus den Scabbards gerissen. Metallisch knirschte es in der kalten Luft, als die Unterhebel herumwirbelten.

„Feuer!” brüllte Sturgis gegen den stärker werdenden Wind. „Feuer!” Er schmeckte bitter den Schnee auf seinen Lippen, der ihm in den Mund wehte und dort zerschmolz. Eiswasser rann die Wangen des Revolvermanns hinunter und sickerte in den hochgeschlagenen Kragen des Mantels aus Wapitihirschhaut.

Burden und Sturgis schossen. Stinkend kräuselten sich Pulverrauchfähnchen aus den Waffenmündungen.

Von der Weidehütte her peitschten jetzt im rasenden Stakkato sechs oder sieben Schüsse. Die Kugeln strichen heiß über die Köpfe der Männer, pflügten die festgefrorene, glatte Schneedecke auf und zauberten Fontänen aus vereistem Schnee in die Höhe.

Sturgis und Burden warfen sich in den Sätteln nach vorn. Sie rissen ihre Tiere herum und sprengten der Herde und ihren Kumpanen nach, die schon fast die Kuppen der Hügelkette im Osten erreicht hatten.

An der Weidehütte hatten die Cowboys ihre Pferde aus dem Stall geholt und gesattelt. Sie nahmen jetzt die Verfolgung auf. In gestrecktem Galopp kamen sie durch das Tal gejagt und stürmten hinter den Viehdieben her.

Tex Sturgis sah es, als er sich umwandte und zurückblickte. Er hielt seine Winchester noch in der Rechten und riss sein Pferd herum. Heiß entwich der Atem seinen Nüstern wie grauer Dampf.

„Frank! Frank, sie kommen!” schrie Sturgis.

Der sehnige Frank Burden zügelte sein Tier sofort und riss sein Gewehr an die Schulter. Fast gleichzeitig begannen die beiden Männer zu feuern. Die Flammenblitze, die aus den Mündungen schossen, zerfetzten die feinen Schneeschleier, die der Wind vom Boden aufstieben ließ und leckten glühend durch die klirrende Kälte.

Eines der Pferde der Verfolger brach mit den Vorderläufen ein und stürzte wiehernd auf die Seite. Der Reiter wurde im hohen Bogen aus dem Sattel geschleudert und stürzte hart in den Schnee. Die anderen spritzten auseinander, als sei der Teufel zwischen sie gefahren. Sie schwärmten aus und beugten sich tief über die Pferdehälse, um nur kleine Ziele zu bieten.

„Auf die Gäule schießen!” brüllte Sturgis. „Wir müssen auf die Gäule schießen, Frank!”

Ein Hagel von Schüssen knatterte den beiden Banditen entgegen, und die Worte des Revolvermannes gingen unter. Tex Sturgis fühlte den heißen Luftzug, als zwei Kugeln in einem knappen Zoll Entfernung an seinem Kopf vorbeirasten. Eine dritte zupfte an seinem rechten Ohrläppchen.

Der Revolvermann zuckte zusammen, als habe ihn eine Natter gebissen und duckte sich instinktiv im gleichen Augenblick, als er das jäh auflodernde, wilde Glühen an seinem Ohr spürte. Dann verging der Schmerz so schnell, wie er gekommen war. Nur das Hämmern des Blutes blieb zurück. Warm rann es aus der kleinen Wunde den Hals hinunter und sickerte in den feuchten Mantelkragen.

Sturgis riss fluchend ein Halstuch aus der Manteltasche und tupfte sich damit das Blut vom Hals. Die Wunde war klein, aber in der Kälte konnte sie sich nicht so rasch schließen.

Mit einer Hand wirbelte Sturgis den Unterhebel der Winchester herum, presste das Gewehr hart in die Hüfte und feuerte.

Einer der heransprengenden Cowboys riss die Arme hoch, wuchs im Sattel steil in die Höhe und schrie gurgelnd auf. Dann kippte er nach hinten. Das Gewehr, das er in den Händen gehalten hatte, flog durch die Luft. Der Reiter ging in den Schleiern des Schnees unter, die von den trommelnden Pferdehufen aufgewirbelt wurden. Mit fliegenden Steigbügeln raste sein Pferd in der Kavalkade weiter.

Schrilles Wutgeheul hallte durch die schneidende Luft.

„Weg jetzt!” fauchte Tex Sturgis. „Nichts wie weg. Einer scheint tot zu sein.”

„Du hast ihn erschossen! Verflucht noch mal. Du hast doch gesagt, wir sollen nur auf die Pferde schießen. Warum hast du ihn erschossen? Jetzt haben wir die verrückten Cowpuncher auf dem Hals und werden sie so schnell nicht wieder los.” Frank Burden zog sein Pferd herum. „Du hättest ihn nicht erschießen sollen. Warum hast du das getan?”

Sturgis antwortete nicht. – Die anderen Banditen mit den Rindern hatten bereits die Hügelkuppen erreicht. Rasendes Gewehrfeuer von den Cowboys in der Talmulde holte sie ein. Sie mußten aus den Sätteln springen.

Fluchend zerrten sie ihre Pferde hinter die Hügel. Die Rinderherde brach auseinander: Als die Tiere merkten, dass sich ihnen niemand in den Weg stellte, als die Schüsse der Verfolger dichter neben ihnen in den Schnee einschlugen und lauter wurden, je näher die Cowboys aus der Weidehütte kamen, warfen sie ihre riesigen, kantigen Schädel hoch und brüllten dumpf den grauen Himmel an. Dann stürmten sie davon.

„Die Longhorns laufen weg. Verflucht, die Herde…” Virg Olden schrie.

„Wenn du aus dem Sattel geschossen werden willst, dann fang sie doch ein!” erwiderte Potter zornig. Er öffnete einige Knöpfe seiner Mackinaw-Jacke und zerrte einen langläufigen, matt bläulich schimmernden Frontier-Colt aus seinem Halfter. Er hob die Waffe an und feuerte zweimal. Dröhnend bäumte der schwere Revolver sich in seiner Faust auf.

Seine Frau riss ihm den Arm nach unten. Wütend warf er den Kopf herum. Ihre Blicke trafen sich.

„Bist du wahnsinnig? Lass mich los. Ich muss schießen. Dort kommt die Herdenwache. Sie ist hinter uns her. Wenn die uns kriegen, hängen die uns an den nächsten Baum.”

Ihre Blicke waren hart. „Du wirst nicht schießen, Red. Du bist kein Mörder. Und wenn doch, so wirst du niemanden umbringen, solange ich bei dir bin. Mein Gott, wie weit hast du dich vergessen, Red? Diese Männer da unten waren einmal deine Partner. Du bist vor einem Monat noch mit ihnen Bügel an Bügel geritten, du warst mit ihnen in einer Mannschaft. Und jetzt willst du auf sie schießen?”

Er lachte kreischend und wuterfüllt und riss sich los. Er stieß sie zurück. Sie fiel in den Schnee und schluckte schwer. Ihre Augen wurden feucht. Er schrie sie an: „Da kann ich ja hur lachen. Warum soll ich Rücksicht nehmen? Glaubst du, dass die Fellows so viel Rücksicht auf mich nehmen, wenn sie mich stellen? Ja, ja, ja, ich bin mit ihnen in einer Mannschaft geritten, ich war auf derselben Ranch angestellt und habe noch vor einem Monat selbst hier auf dieser Weide als Herdenwache gestanden. – Aber Big Chandler hat mich entlassen, weil es Winter wurde und er nicht mehr so viele Cowboys brauchte. Jetzt gehöre ich nicht mehr zu denen dort unten. Jetzt gehöre ich zu Virg und seinen Leuten. Genauso denken die Cowboys von Big Chandler. Die Fellows dort unten auf der Weide sind froh, dass sie nicht auch ’rausgeworfen wurden. Sie werden deshalb ihren Job erfüllen, bis zum letzten Atemzug. Sie würden ihren besten Freund ungesalzen in die Pfanne hauen und verspeisen, wenn der große Boss Chandler es verlangen würde. Und für sie bin ich kein ehemaliger Partner mehr, sondern ein Viehdieb, ein Rustler. Genauso würden sie mich behandeln, wenn sie mich kriegen. Ich bin doch nicht wahnsinnig und nehme Rücksicht.”

„Du – du – du bist ein – ein Schwein, Red…” presste sie mühsam zwischen ihren aufgesprungen, vollen Lippen hervor. Sie senkte den Kopf. In diesem Moment sprengten Tex Sturgis und Frank Burden über die Hügelkuppe.

„Hoch mit euch! Worauf wartet ihr? Es ist schiefgegangen. Wir müssen weg, schnell, schnell. Die Cowpuncher von Chandler sind hinter uns her.”

Und die Herde? Die schöne Herde? Vierzig Rinder, das Stück zu dreißig Dollar…”, jammerte der rothaarige Ire.

„Wenn du nicht mitkommen willst, knüpfen die Boys hinter uns dir einen Strick für drei Dollar und ziehen dir den Hals so lang, dass dir die Luft ausgeht.”

Hastig stürmten die Männer zu den Pferden. Sie schwangen sich in die Sättel und trieben die Tiere an.

Die Rinder, die sie hatten stehlen wollen, waren einige hundert Yards weitergerannt und hatten sich in der Nähe einiger Schneeverwehungen zu einzelnen Gruppen zusammengeschart. Dort standen sie und brüllten dumpf den Himmel an.

„Wohin?” keuchte Tex Sturgis.

„Wohin sollen wir reiten?”

„Nach Osten, wie geplant. Wir reiten nach Osten.” Virgil Olden spornte sein Pferd an. Frank Burden und Tex Sturgis wandten sich in den Sätteln um. Sie standen noch auf der Hügelkuppe und feuerten jetzt wieder.

„Tex hat einen erschossen!” rief Burden zu den anderen hinüber. „Er hat einen der Cowboys aus dem Sattel geschossen. Wenn die Burschen uns jetzt weiter verfolgen und nicht zur Ruhe kommen lassen, ist es allein die Schuld von Tex!”

„Halt dein gottverdammtes Maul, Frank. Du scheißt dir doch schon in die Hosen, wenn du nur ein Gewehr siehst. Du hättest Lehrer in der Sonntagsschule werden sollen, Teufel noch mal!”

„Du wirst schon sehen, dass ich recht habe. Du wirst es schon sehen, Tex. Ich jedenfalls schieße nur auf die Pferde, auf nichts anderes!”

Tex Sturgis lachte scharf. „Dein Wort in Gottes Ohr, Hombre. Ich hoffe, dass die Cowpuncher das auch tun. Aber leider kommt es mir so vor, als würden sie nicht nur auf die Pferde schießen.”

„Das ist…” Frank Burden hatte etwas antworten wollen. Gleichzeitig hob er sein Gewehr. Er kam nicht mehr dazu, auszusprechen, und er kam nicht mehr dazu, zu schießen.

Frank Burden zuckte plötzlich zusammen und ließ sein Gewehr fallen. Er schwankte im Sattel. Sein Pferd scheute. Burden stürzte fast zu Boden. Eisern krallte sich seine Rechte um das Sattelhorn. Scharfe Falten durchschnitten plötzlich das Gesicht des Mannes. Der Mund war leicht geöffnet. Pfeifend entwich der Atem.

Zitternd tastete Frank Burden mit der linken Hand zur Brust hoch. Tex Sturgis wandte den Kopf. Seine Augen weiteten sich. Er ließ blitzschnell sein Gewehr in den Sattelschuh gleiten.

„Kommt doch endlich, verdammt. So kommt doch. Worauf wartet ihr? Es hat doch keinen Sinn, weiterzuschießen!”

rief Virg Olden im selben Augenblick von hinten.

„Es geschieht euch ganz recht, dass ihr es nicht geschafft habt, dass ihr die Herde nicht stehlen konntet”, fauchte Jessie Potter währenddessen. Sie zog sich ihr Kopftuch noch fester vors Gesicht und fröstelte leicht im schneidenden Wind. „Yeah, ich freue mich, dass es schief gegangen ist. Nichts soll euch gelingen. Vielleicht ist das die einzige Möglichkeit, sauber zu bleiben.”

„Dann kannst du mir vielleicht verraten, was wir morgen fressen sollen, he? Willst du dir deine feinen Zähne an steinhartem, schimmligen Brot ausbeißen?” raunzte Red Potter mit knallrotem Gesicht. „Es geschieht uns wohl noch recht, wenn wir erwischt werden und an den Galgen kommen, wie?”

„Das wäre eure eigene Schuld. Glaubt nur nicht, dass ich euch bedaure. – Ich verachte dich, Red. Ich hätte dich nie geheiratet, wenn ich das vorher gewusst hätte. Da hätte ich auch weiter im Saloon von Amarillo singen können. Das war sicherer, nicht so gefährlich und anständiger als das, was du jetzt tust.” Sie stieß die Worte bitter aus, und über das schneefeuchte Gesicht rannen einige Tränen. Sie waren heiß wie Feuer. Die Frau zeigte es Red Potter nicht. Sie senkte den Kopf und trieb ihr Pferd heftig an. Das Tier streckte die Läufe und galoppierte durch den Schnee. Eiskristalle hatten die zottige Mähne des Pferdes verkrustet.

„Frank ist getroffen!” schrie Tex Sturgis nun in wildem Zorn dazwischen. „Hört ihr denn nicht? Frank ist getroffen. Vielleicht kümmert ihr euch auch mal um ihn. Einer der gottverfluchten Cowpuncher hat ihm in die Brust geschossen.”

„Hell and devils!” Virg Olden hielt sein Pferd wieder an. „Kann er noch reiten? Schafft er es, mitzufliehen?”

„Wir können ihn nicht fragen, ob er kann. Er muss es eben schaffen!” Tex Sturgis zog den Kopf ein, als wieder ein Feuerhagel dicht an ihm vorüberstrich. Dann riss er, ohnmächtig vor Wut, sein Gewehr hoch und stieß den Unterhebel immer und immer wieder herum. Im brüllenden Stakkato jagten die vierundvierziger Geschosse aus dem Lauf und. bestrichen die Ebene am Fuße der Hügel.

Die Verfolger schienen langsamer zu werden.

„Schweinehunde!” brüllte Tex Sturgis mit überschnappender Stimme. „Verfluchte Schweinehunde! Fahrt zur Hölle!” Er ließ das leergeschossene Gewehr wieder in den Sattelschuh gleiten und lenkte sein Pferd neben Burden. Er stützte ihn, langte nach den Zügeln von Burdens Pferd und zog es herum. Im raschen Tempo ritt er mit dem Verletzten den Hügel hinunter und folgte den fliehenden Kumpanen. Virg Olden hatte gewartet. Er drängte sein Tier auf die andere Seite von Burden und stützte ihn mit, so dass Sturgis die Arbeit etwas erleichtert wurde. – Sie vergrößerten das Tempo und jagten hinter den anderen her, die bereits einen Vorsprung von etwa dreißig Yards hatten.

„In die Brust geschossen haben sie ihm…”, knirschte Tex Sturgis. „In die Brust. Vielleicht ist auch die Lunge getroffen. Wer weiß, ob er durchkommt, ob er das durchhält. Er blutet stark. Und dann ist es so saukalt. Das schadet der Wunde. Und die Kugel steckt im Fleisch. Sie muss 'raus. Er muss verbunden werden. Die Wunde muss ausgebrannt werden. Wie und wo sollen wir das alles machen? Ich sage dir, Virg, er stirbt. Frank muss sterben …”

Der Verwundete hörte von allem nichts. Er hielt sich mit eiserner Energie aber halb betäubt im Sattel, und alles, was er tat, tat er wie mechanisch. Er hielt sich mit der Rechten noch immer am Sattelhorn fest und hatte die steifgefrorenen Finger seiner Linken in den Stoff seiner Cordjacke über dem Einschussloch gekrallt. Das Blut, das heiß aus der Wunde strömte, rann durch seine Finger, pulsierte in den Stoff, durchtränkte ihn und lief an seinem Oberkörper hinunter, um in den Hosenbund zu sickern. Frank Burden atmete röchelnd.

„Südöstlich liegt ein Waldgürtel”, schrie Ray O’Tally von vorn. „Sollen wir zum Wald reiten? Vielleicht können wir dort leichter untertauchen? – Kommt schneller, Mensch, kommt bloß schneller. Dreht euch doch mal um. Gleich haben die Chandler-Cowboys euch am Hintern.”

Virg Olden blickte verstört nach vorn, während der Reitwind ihn mit tausend Händen packte, sein Gesicht peitschte und ihn aus dem Sattel werfen zu wollen schien. Er sah einen schier endlosen Waldgürtel im Südosten, keine zweihundert Yards entfernt. Das Herz schlug dem Banditen bis zum Hals.

„Zum Wald!” rief er. „Reitet zum Wald! Schnell, schnell!” Dann blickte er sich um.

Die Verfolger hatten die Hügel längst hinter sich gelassen und sprengten in breiter Front durch die Tellerebene heran. Doch ihre Pferde, die frisch aus dem Stall kamen, hatten noch mit der schneidenden Kälte zu kämpfen, während die Tiere der Banditen daran gewöhnt waren.

„Wir müssen schneller reiten!” keuchte Virg Olden. Er warf einen Seitenblick auf Frank Burden. Der Verletzte hatte jetzt völlig das Bewusstsein verloren und sackte im Sattel in sich zusammen. Sein Atem klang jetzt rasselnd. Er rutschte immer weiter nach rechts. Seine Stiefel steckten längst nicht mehr in den Steigbügeln. Virg Olden beugte sich weiter hinüber, packte Burden fester und zerrte ihn zu sich herüber in den Sattel.

Für einen Moment hing Frank Burden in der Luft, und Olden meinte, er würde mit der Last aus dem Sattel stürzen. Aber er schaffte es, und zog den schweren Mann hoch. Schweiß perlte auf seinem Gesicht, obwohl es so kalt war, dass schier sein Atem gefror.

Als Virg Olden wieder den Kopf hob, sah er, dass Potter mit seiner Frau und Ray O’Tally den Wald bereits erreicht hatten. O’Tally hatte seinen Revolver gezogen und feuerte auf die Verfolger. Doch die waren weit entfernt, und die Kugeln vermochten nur, die Schneedecke aufzureißen. Sekunden später erreichten auch Tex Sturgis und Virg Olden mit dem Verwundeten den Wald und lenkten ihre Pferde zwischen den Bäumen und dem Unterholz am Waldrand hindurch.

Von den Baumkronen, die bedeckt waren mit dicken Schneemützen, bröckelte es leicht.

“Vorsicht”, keuchte Olden. „Seid nur vorsichtig, dass die Schneekronen nicht auf uns herunterfallen, sie reißen ein halbes Dutzend Äste mit und erschlagen uns.”

„Wie geht es Frank?” Red Potter drehte sich im Sattel um. „Ist er schwer verletzt?”

„Sollte mich wundern, wenn er durchkommt”, stieß Olden grimmig hervor. „Die einzige Chance ist, dass wir in den nächsten vier oder fünf Stunden einen Unterschlupf finden, wo Frank behandelt werden kann.”

„Das ist ziemlich unwahrscheinlich.” Potter schüttelte bitter den Kopf.

„Also haben wir keine Rinder, kriegen kein Geld und haben noch einen Partner verloren!” fluchte O’Tally. „Und das verdanken wir nur dir, Potter, du Dreckskerl. Du mit deiner blöden Idee, ein paar Rinder von Chandlers Winterweiden zu treiben. So was kann auch nur einem ehemaligen Cowpuncher einfallen, der Tag für Tag hinter Rinderschwänzen hergejagt ist.”

„Kann ich etwas dafür, dass die Weidemannschaft so schnell reagiert hat, he? Kann ich etwas dafür, dass ihr keine Rinder treiben könnt und nicht schnell genug mit dem Viehzeug vorwärts gekommen seid? – Halt ja dein Maul, du irischer Büffel, du. In jeder Ranchmannschaft hätte man dich zum Teufel gejagt, so erbärmlich schlecht hast du die Rinder getrieben. Und du willst mir Vorwürfe machen, dass es nicht geklappt hat?”

„Hört auf, euch zu streiten, ihr Idioten!” Virg Olden deutete nach vorn, während er mit der Linken Frank Burden festhielt. „Dort ist eine Schneise!”

Die Männer ritten darauf zu und schwenkten auf den schmalen Weg ein, der von zahlreichen Wildtierspuren geprägt war. Die Reiter hörten, wie hinter ihnen die Verfolger jetzt in den Wald eindrangen. Wütende Schreie hallten den Banditen nach. Vereinzelt krachten Schüsse. Pferde wieherten, Unterholz knackte und brach splitternd.

„Wir müssen weg, das ist das wichtigste. Wir müssen so schnell wie möglich weg!” knirschte Virg Olden. „Sonst dauert es nicht lange, und wir hängen nebeneinander an den Bäumen dieses Waldes.”

„Vielleicht ist der Tod wirklich besser, als dieses verdammte Leben, diese Flucht und Hetze. Kein Dach über dem Kopf, nichts zu essen, Mord, Totschlag, Verfolgung und Flucht vor dem Galgen …” Die Frau verstummte. Ihre Stimme versagte. Sie schluchzte plötzlich und schwankte leicht im Sattel.

„Das habe ich gern!” fauchte Tex Sturgis gallig. „Wir haben einen Haufen wilder Cowpuncher auf dem Hals und einen Schwerverwundeten. Aber deine Frau wünscht uns den Satan in den Leib. Teufel noch mal, Red, ich vertrage das nicht. Gewöhn deiner Frau das ab.”

„Ich habe nicht gebeten, von euch mitgenommen zu werden!” erwiderte sie heftig. „Ich bin kein Banditenflittchen, dem jeder hergelaufene Revolverschwinger etwas befehlen kann. Ich will mit allem, was ihr tut, nichts zu tun haben, hört ihr?”

„Halt den Mund, Jessie. Du weißt nicht, was du redest. Du hast Angst und bist nervös. Du machst dich selbst verrückt. Hör auf zu reden, hör auf zu denken”, knurrte Red Potter.

„Nein!” Sie schüttelte wild den Kopf. „Oh, nein, ich höre nicht auf zu reden, und ich höre erst recht nicht auf, zu denken. Ich habe bis jetzt immer den Mund gehalten. – Du hast mich mitgeschleppt, Red, obwohl du mir vor der Hochzeit etwas anderes versprochen hast. Ich habe dich geheiratet, aber du warst nicht fähig, mir ein Dach über dem Kopf zu schaffen und die Verantwortung zu tragen, die eine Frau mit sich bringt. Du bist kein Mann, du bist ein dummer Junge, und ich war noch viel dümmer, dich zu heiraten. Du warst noch gar nicht reif genug dazu. Jetzt bin ich dir lästig. Aber ich lasse mich nicht beiseiteschieben, nur weil du zum Banditen geworden bist. Ich werde dich immer wieder daran erinnern, was du mir versprochen hast, als du noch anständig warst. – Ich will nichts mit euren Verbrechen zu tun haben. Ich will endlich Ruhe. Ich will nicht mehr …”

„Du hältst jetzt den Mund, sonst kannst du im Schnee sitzen bleiben!” donnerte Red Potter. Er beugte sich zum Pferd seiner Frau hinüber, packte die Zügel des Tieres und zerrte es mit sich. Jessie Potter schwieg und schluchzte lautlos vor sich hin. Sie wusste, dass alles keinen Sinn hatte, dass jedes Wort, das sie sagte, verhallte. Sie war angewiesen auf ihren Mann und dessen neue Freunde; denn die Verfolger hinter ihnen würden kaum einen Unterschied zwischen ihr und den anderen machen. Sie waren beim Viehdiebstahl ertappt worden, das allein zählte. Ob sie viel oder wenig damit zu tun hatte, würde keiner der Cowboys fragen, denn die Verfolger waren wie von Sinnen, weil einer ihrer Partner getötet worden war.

Die Banditen sprachen jetzt nicht. Jessie Potter schmeckte salzig ihre Tränen auf den Lippen. Sie hörte das durchdringende, monotone Stöhnen des Verwundeten nicht. Sie sah auch nichts. Ihre Augen schwammen in Tränen. In ihren Ohren rauschte das Blut so laut, dass sie meinte, ihr Kopf platze auseinander. Sie spürte kaum, wie die Banditen durch den Wald flohen und wie Red Potter ihr Pferd neben sich herzerrte. Sie hatte keinen Einfluss darauf. Sie wusste nur, dass sie das nicht mehr lange mitmachen würde, dass sie Ruhe wollte und weg von den Banditen, auch weg von ihrem Mann, den sie verkannt hatte, und den sie nun weder lieben, noch achten konnte. In ihr war eine Welt zerbrochen. Ihr Mann, der ehemalige Cowboy Red Potter, war ein Bandit geworden. Er sah keine andere Möglichkeit, um zu Geld zu kommen. Doch von geraubtem Geld wollte Jessie Potter nicht leben.

Sie fühlte sich ausgehöhlt und leer. Heiß rannen Tränen aus ihren Augen über ihr Gesicht. Sie sank nach vorn auf den Pferdehals und fühlte das feuchte Fell des Tieres auf ihrer rechten Wange. Ihre Arme umklammerten den Hals, so dass sie nicht stürzen konnte. So ritt sie weiter.

„Wir schaffen es!” krächzte Virg Olden. „Herrgott, wir schaffen es. Die Cowpuncher bleiben zurück. Hoh, reiten wir schneller, wir kommen davon!”

O’Tally lachte kreischend und erleichtert. Nur Tex Tugart, der am Ende der Reihe ritt und seinen Revolver in der Faust hielt, sagte kein Wort…

*

Es war eine Stunde vergangen, seit die Reitergruppe den Wald verlassen und sich wieder nach Osten gewandt hatte. Da brach ein Sturm los.

Der Nordwestwind wurde unvermittelt schärfer und schien die Haut der Menschen zu durchschneiden. Die Luft war wie Glas und ließ sich kaum atmen. Der Himmel schien tiefer zu sacken und die Erde ersticken zu wollen. Es wurde dämmrig, obwohl es noch nicht Abend sein konnte. Dann donnerte es dumpf.

„Ein Unwetter!” rief Red Potter. „Ein Sturm liegt in der Luft.”

„Das hat uns gerade noch gefehlt.” Virg Olden blickte zum Himmel. Er zog sich sein Halstuch vor Mund und Nase, um sein Gesicht ein wenig vor dem peitschenden Wind zu schützen. „Frank wird immer schwächer.”

„Wir brauchen einen Unterschlupf!” keuchte der Cowboy. „Wir können einen Sturm im Winter nicht im Freien überstehen, auf freier Ebene.”

„Dann können wir ja auf ein Wunder warten”, knurrte Tex Sturgis.

„Ein Gutes hat das Wetter”, grinste der rothaarige Ire O’Tally. „Die Cowpuncher können uns nicht weiterverfolgen. Der Sturm hält sie fest. Und wenn es erst zu schneien anfängt, werden unsere Spuren vom Schnee zugeweht.”

„Der hat Humor.” Red Potter schürzte grimmig die Lippen. „Vielleicht werden nicht nur unsere Spuren, sondern auch wir zugeweht.”

Er musste schreien. Der Wind war so stark geworden, dass er dem Mann die Worte von den Lippen riss. Der Wind heulte wie ein hungriger Hund, der einen Tritt bekommen hat, bäumte sich auf und schwoll an wie ein Chor von tausend und abertausend Stimmen.

Die Männer konnten sich gegenseitig mit Worten nicht mehr verständigen. Red Potter löste sein Lasso vom Sattelhorn, rollte es auf und warf es den anderen Männern zu. Die Schlinge legte er um das Sattelhorn seines Pferdes.

Er verband auch das Pferd seiner Frau auf diese Weise mit dem seinen.

„Wir verlieren uns sonst gegenseitig, wenn die Gäule durchgehen!” schrie er gegen das Brüllen des Sturmes.

„Was sagst du?” Tex Sturgis ritt dicht an den Cowboy heran und beugte sich zu ihm hinüber. „Was hast du gesagt, Red?”

Red Potter verstand kein Wort. Er sah nur, dass der andere die Lippen bewegte und hörte einige Wortfetzen. Er sah nur, dass der andere die Lippen bewegte und hörte einige Wortfetzen. Er hielt das Lasso hoch und versuchte, dem anderen mit Zeichensprache verständlich zu machen, was er meinte.

Sturgis begriff sofort und packte das Lasso. Er schlang es mit einem Knoten um sein Sattelhorn und trug es weiter.

Im selben Moment setzte der erste Schneefall ein. Der Sturm trieb den Schnee in dichten Bahnen über die Ebene und jagte die Flocken wie einen Hagelschauer über das Land. Die Reiter hatten das Gefühl, aus den Sätteln gehoben zu werden, es schien ihnen, als treibe der Wind die Pferde unter ihnen weg.

„’runter von den Gäulen!” kreischte Red Potter. „Es hat im Moment keinen Sinn, weiterzureiten. Wir müssen ’runter und stehenbleiben. Sonst können wir die Gäule nicht mehr halten. Sie gehen durch. Es wird schlimmer, als ich dachte!”

Die Tiere scheuten immer stärker, je näher der Sturm kam, und ließen sich von den Reitern kaum noch bändigen.

Der Cowboy glitt aus dem Sattel und zerrte seine Frau mit. Jessie Potter schrie. Sie verstand nicht gleich, was ihr Mann wollte. Die Banditen verstanden es auch nicht. Denn keiner hatte hören können, was der Mann gerufen hatte. Aber sie wussten, dass der Cowboy mehr Erfahrung mit dem Wetter hatte, als sie.

Red Potter hockte sich zu Boden und zog den Kopf zwischen die Schultern. Die anderen taten es ihm nach. Sie hielten die Pferde an den Zügeln fest. Minuten später raste eine Wand aus Schnee heran.

Sie schien aus dem Boden bis in den Himmel zu wachsen und jagte vor dem heulenden, brüllenden, tobenden Sturm her. Die Pferde waren halb verrückt vor Angst. Sie zerrten an den Zügeln, dass die Männer sie kaum halten konnten. Die Tiere versuchten furchterfüllt, auszukeilen, um sich freizukämpfen. Die Männer mußten die Zügel noch straffer anziehen, um den Hieben der Hufe zu entgehen.

Die Wand aus Eis und Schnee stürmte über sie hinweg und legte in Sekunden gewaltige Lasten auf ihre Schultern. Der Schnee schien durch die Kleidung zu dringen. Sie fühlten sich umhüllt von Schnee, von oben bis unten, und hatten mehr als einmal das Gefühl, erdrückt zu werden.

Das Schneegestöber schwoll binnen Sekunden an, wurde dichter, wilder, heftiger, umgab die Männer und Pferde wie eine Flutwelle, die sie zu ersticken drohte, die ihnen den Atem raubte. Sie konnten sich gegenseitig nicht mehr sehen. Sie konnten keine fünf Zoll mehr weit sehen. Um sie herum wuchs der Schnee in Minutenschnelle. Ehe sie wussten, was geschah, steckten sie bis zu den Hüften darin. Dazu brüllte das Wetter so laut und gewaltig dröhnend, dass es schien, als sei das Ende der Welt gekommen, als würde der Untergang und die Vertilgung allen Lebens eingeleitet.

Das alles schien eine Ewigkeit zu dauern. Es kam den Menschen vor, als sei der ganze Himmel auf sie herabgefallen, um das Land zu verschlingen. – Als dann der Schneefall plötzlich nachließ, blieb in den Schläfen der Menschen das Hämmern und Dröhnen des Blutes so laut wie ein Orkan.

Der Sturm hielt an mit unverminderter Kraft. Drohend rollten die Donnerschläge über den von dichten Schwaden verdunkelten Himmel und schienen die Erde vibrieren zu lassen. Der Wind hob Reiter und Pferde fast in die Höhe. Schwerfällig richteten die Menschen sich jetzt auf, obwohl es ihnen mit der Schneelast, die auf ihnen ruhte und der festen Schneeschicht um sie herum große Anstrengungen bereitete.

Der Sturm heulte weiter wie ein angeschossener Wolf. Schweigend blickten sich die Männer an. – Da schwankte das ledige Tier des verletzten und bewusstlosen Frank Burden plötzlich. Es atmete schrill und brach seitlich zusammen. Schwer sank sein Körper in den Schnee. Sein Fell dampfte in der Kälte, wie grauer Rauch entwich der Atem seinen Nüstern. Seine Sehnen schienen sich zusammenzukrampfen. Dann streckte es sich und war tot.

Red Potter drängte sich durch den Schnee und beugte sich über das Tier. „Wahrscheinlich ein Herzschlag”, murmelte er. Er strich sich mit dem Rücken seines rechten Handschuhs über das Gesicht und wischte sich die Schneekrusten von den Augen. Er spuckte aus. „Der Schock vielleicht…” Er zuckte mit den Schultern.

„Sollen wir es absatteln und…”

„Absatteln …?” Potter schürzte verächtlich die Lippen. „Wer soll denn den Sattel schleppen, he? – Die Feldflasche und die Munition, die er in den Satteltaschen hat, nehmen wir mit. Das ist wichtig. Der Rest bleibt zurück.”

„Ich behalte Frank sowieso auf meinem Pferd.” Virg Olden hielt Frank Burden in seinen Armen und stützte ihn. Die Männer schwiegen einen Moment und fluchten dann leise. Der Sturm raste mit übermächtiger Vehemenz über die Ebene und schien den Menschen die Haut von den Gesichtern schleifen zu wollen. Den Pferden reichte der Schnee hoch über die Fesseln. Doch er war locker und weich. Das war die Chance.

„Wir müssen weiter!” krächzte Red Potter. „Wir müssen sofort weiterreiten. Wenn der Schnee erst fest und klebrig wird, kommen wir nicht mehr vorwärts. Dann können die Pferde es nicht mehr schaffen. Wenn sie sich zu sehr anstrengen müssen, sterben sie uns womöglich auch noch unter den Hintern weg.”

Jessie Potter, seine Frau, blieb still. Die gewaltige Wucht und Macht der Natur hatte sie betäubt und für einen Moment die Banditen vergessen lassen, die sich jetzt wieder in die Sättel schwangen. Frank Burden war noch immer bewusstlos und wurde von Virg Olden mit aufs Pferd gezogen.

Die Tiere zitterten. Sie hatten Angst. Ihre Augen waren fast aus den Höhlen gequollen und spiegelten den grauen Himmel. Noch immer fiel Schnee, doch nicht so dicht im Augenblick. Aber schon in der nächsten Minute konnte das tobende Unwetter wieder mit voller Kraft über das Land rasen, und die Zeitspannen zwischen diesen Wellen waren die einzige Möglichkeit für die Menschen, weiterzukommen.

Schwer kämpften die Pferde sich durch den hohen Schnee, als die Männer sie antrieben. Feucht knirschte das Sattelleder, wenn sich die Reiter bewegten. Die Felle der Pferde und die Sättel waren ebenso mit Schnee bedeckt, wie die Reiter. Sie hatten sich nicht die Zeit genommen, die Tiere davon zu befreien. Es wäre von vornherein sinnlos gewesen.

Der Schneefall verstärkte sich wieder. Die Menschen ritten in langer Reihe hintereinander und waren froh, mit einem Lasso miteinander verbunden zu sein. Das Schneegestöber wurde so dicht, dass es die Männer umwirbelte wie einen weißen Wall.

Jessie Potter schluchzte leise vor sich hin. Niemand hörte es. Ihre heißen Tränen ließen den Schnee zerschmelzen, der ihr Gesicht traf. Niemand sah es. Sie dachte daran, dass sie sich wie eine Königin vorgekommen war, als der Weidereiter Red Potter sie geheiratet hatte. Im Frontier-Saloon von Amarillo hatte er sie singen gehört und war von da an Tag für Tag gekommen, so oft er Zeit hatte. Die Frau dachte daran, wie er zu ihr gekommen war und sie gefragt hatte, ob sie seine Frau werden wollte: Sporenklingend, nach Leder, Zigarettenrauch, Rindern und freier Weide duftend, mit wettergegerbtem Gesicht und einem schweren Revolver an der Hüfte. Sie hatte Ja gesagt; denn sie hatte ’raus gewollt aus ihrem Leben, ’raus aus dem verräucherten Saloon, in dem sie Abend für Abend sang und von den Blicken angetrunkener Männer verschlungen wurde. Sie hatte gedacht, dass es überall besser sein musste, als im Saloon von Amarillo. Sie hatte davon geträumt, Kinder zu haben. Red Potter hatte gesagt, dass er eine eigene Ranch aufbauen würde, in einem Jahr… – Jetzt, in diesen Augenblicken, mitten im Sturm und auf der Flucht vor einer Ranchmannschaft, die auch ihren Mann jagte, den Cowboy Red Potter, der arbeitslos zum Viehdieb und Banditen geworden war, wie es den meisten Cowboys während des Winters passierte, jetzt sehnte sie sich zurück in den Frontier-Saloon von Amarillo. Denn dort war es warm. Dort war ihr Leben geregelt verlaufen. Dort hatte sie zu essen und zu trinken gehabt. Mehr wollte sie nicht. Es war wenig, was sie verlangte, wenig und doch zu viel…

„Wir müssen einen Wald finden!” schrie Tex Sturgis. Er zog sich seinen Hirschmantel noch fester um die hageren Schultern. „Wir müssen irgendetwas finden, wo wir uns verkriechen, und den Sturm abwarten können, eine Mulde, ein Gehölz oder den Wald, aus dem wir gekommen sind. – Wo, zum Teufel, ist der Wald geblieben? Warum haben wir den Wald eigentlich verlassen? Wir müssen zurück zum Wald reiten. Dort sind wir sicher.”

„Wo ist der Wald denn, du Klugscheißer?” Red Potter wischte sich wieder Schnee aus dem Gesicht. Er konnte im rasenden Schneegestöber den Revolvermann kaum sehen. „Weißt du, wann der Sturm angefangen hat? – Wir waren schon mindestens eine Stunde aus dem Wald ’raus, als der Sturm anfing. Wie viele Meilen meinst du, kann man in einer Stunde reiten? Und wir sind schnell geritten. Aber selbst, wenn wir es schaffen könnten: In welche Richtung müssten wir reiten? Kannst du dich in diesem Sturm orientieren? Ich kann es nicht, und ich habe auf diesen Weiden gearbeitet!”

„Du bist ja sowieso ein Idiot!” brüllte Sturgis zurück. „Ohne deinen dämlichen Einfall wäre uns das alles nicht passiert. Verdammt sollst du sein!”

„Du bist es aber gewesen, der diesen dämlichen Einfall als erster ganz großartig gefunden hat, Revolverschwinger!” fauchte Red Potter jetzt wütend. „Keiner von euch war dagegen. Ihr wart alle einverstanden, und du, Sturgis, warst am lautesten dafür. Halt nur dein Maul, Sturgis, sonst stopfe ich bei Gelegenheit mal deinen Hals, dass du nicht mehr husten kannst. – Die Sache ist vorbei, sie ist schiefgegangen. Aber keiner von euch hat das Recht, die Schuld dafür mir zuzuschieben, habt ihr das verstanden?”

„Schon gut, Red, es ist schon gut.” Virg Olden schüttelte wild den Kopf. „Tex ist nervös. Nimm es doch nicht übel, Red. – Wir brauchen wirklich einen Unterschlupf.”

„Das ist kein Grund, mich zu beschimpfen. Ich weiß selbst genau, was wir brauchen. Der hochnäsige Revolverschwinger soll sich in Acht nehmen. Er ist nicht das Salz der Erde.”

„Ich werde dir schon zeigen, was ich bin”, kreischte Sturgis gegen das Heulen des Sturms. „Glaub nur nicht, mit deinem großen Maul könntest du mich totreden. Es würde mich interessieren, ob du so schnell ziehst, wie du redest.”

„Seid doch still, verflucht noch mal!” donnerte Olden. „Seid doch endlich still. Es gibt überhaupt keinen Grund, dass ihr euch streitet. Und wir haben auch, weiß Gott, nicht die Zeit dazu. Ihr seid nur nervös. Das sind wir alle. Wir dürfen uns doch nicht selbst verrückt machen.”

„Es hat keinen Sinn, zum Wald zurück – zureiten, oder ihn auch nur zu suchen. Wir vergeuden unsere Kraft dabei.” Red Potter ließ sein Pferd etwas langsamer traben, bis er sich neben Virg Olden befand.

„Wir müssen weiter geradeaus reiten, oder jedenfalls die Richtung, die wir im Augenblick halten. Wenn die Sturmwellen wieder kommen, müssen wir sofort ’runter von den Gäulen und uns ducken, sonst werden wir glatt umgeblasen. – Wie geht es Frank?”

„Kann ich nicht sagen. Er ist bewusstlos und bis jetzt noch nicht aufgewacht. Aber er lebt, und er blutet nicht mehr. Vielleicht hat er noch eine Chance.”

„Wenn bei dieser Kälte die Wunde nicht bald ausgebrannt und behandelt wird, kriegt er den Brand hinein und ist verloren.” Red Potter schmeckte den zerschmelzenden Schnee auf seinen aufgesprungenen Lippen. Ein paar Frostbeulen hatten sich auf seinen Wangen gebildet. „Wegen der Kälte kann das Blut nicht so schnell gerinnen. Wenn die Wunde im Moment nicht blutet, hat das noch gar nichts zu bedeuten. Schon der nächste Stoß kann die Blutung wieder einsetzen lassen. – No, Virg, wir müssen irgendwo eine Deckung vor dem Sturm finden, wo wir uns verkriechen können und wo Frank behandelt werden kann.”

„Ich glaube nicht an Wunder, Red. – Trotzdem bin ich froh, dass wir dich bei diesem Wetter dabei haben. Allein wären wir keine hundert Yards weit gekommen. Und Tex darfst du nicht so ernst nehmen. Er wird schnell nervös, wenn etwas nicht klappt.”

„Eine schlechte Eigenschaft für einen Mann vom schnellen Eisen.” Red Potter drängte sein Pferd wieder nach vorn neben seine Frau. Er schrie, weil sie ihn sonst nicht verstehen konnte: „Festhalten!” schrie er. „Immer nur am Pferdehals festhalten. Und pass auf, dass das Lasso nicht vom Sattelhorn abrutscht. Dann verlierst du uns im Sturm und bist verloren.”

Jessie Potter antwortete ihrem Mann nicht. Sie wandte den Kopf nicht mal. Ihr Gesicht war verkniffen, und nicht nur vom Sturm. Um ihre Mundwinkel hatten sich bittere Falten gebildet. In diesem Moment kam Frank Burden wieder zu Bewusstsein und stöhnte schrill und durchdringend, so laut, dass es das wilde Tosen des Sturms übertönte. Virg Olden redete aufgeregt vor sich hin, obwohl er wusste, dass Burden ihn nicht verstehen konnte. Er blutete wieder. Er machte schwache Bewegungen mit den Armen und lallte etwas. Seine Augen hatte er weit aufgerissen und schien dennoch nichts zu sehen.

„Er stirbt…” stammelte Virg Olden. „Bei Gott, er stirbt. Er verblutet bei mir im Arm …”

„Da vorn ist eine Farm!”

Der schrille Ruf kam von Red Potter. Virg Olden konnte den Mann nicht sehen. Er sah auch die anderen Männer nur schemenhaft. Und dann erkannte er wie Schatten die Umrisse von Gebäuden aus dem Schnee vor sich auftauchen. „Eine Farm …” flüsterte er vor sich hin. „Hörst du, Frank, eine Farm. Das ist deine Chance…” Aber Frank Burden hatte bereits wieder das Bewusstsein verloren.

Ein trübes Licht war zu sehen. Die Männer langten nach ihren Waffen.

„Wir wissen nicht, wie viele Leute dort leben”, rief Sturgis skeptisch. „Das kann gefährlich werden, verdammt gefährlich.”

„Sollen wir vom Sturm zugeweht werden und erfrieren?”

„Frank braucht Ruhe und Behandlung für seine Wunde!” Virg Olden rief es grimmig. „Wir bleiben auf dieser Farm. Und wenn eine ganze Armee hier liegen sollte. Vorwärts!”

Sie trieben die erschöpften Pferde noch einmal an und erreichten den Stall und das Farmhaus daneben …

*

„Dieser Sturm draußen …” Der breitschultrige, vierschrötige Farmer im Innern des Hauses erhob sich von seinem Platz und trat an eines der Fenster. Er konnte nicht hinaussehen. Der Schnee wirbelte so dicht gegen die Scheiben, dass das Glas von den Flocken verklebt wurde und sich bereits eine krustenartige Schneeschicht auf den Fenstern gebildet hatte.

„Als wenn er unser Haus wegreißen wollte.” Der Farmer Sam Williams drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken ans Fenster. Er blickte schweigend über den Raum.

Eine schlicht gekleidete, vollschlanke Frau mit verarbeiteten Händen stand an der Kochstelle und brühte Kaffee auf. Auf der Bank neben dem riesigen, aus einfachen Steinen gemauerten Kamin, in dem hoch das Feuer loderte, saß ein breitschultriger, junger Mann, der dem Farmer ähnlichsah. Er hatte einen Gewehrschaft auf dem Schoß liegen und schnitzte Ornamente in das Holz.

„Der Stall ist gut gesichert”, murmelte der Sohn. „Aber wenn der Sturm wieder Tage dauert, wie beim letzten Mal, werden wir Schwierigkeiten haben, wenn wir die Tiere füttern wollen und zum Stall müssen.”

„Die zehn Yards werden wir schon schaffen. – Ist der Kaffee fertig, Mary?” Der Farmer bewegte sich schwerfällig zu dem rohgezimmerten Tisch zurück. „Hoh, ist das ein Sturm. Der geht sogar durch die Hauswände. Der Kaffee muss heiß sein, Mary.”

„Das ist er, Sam. – Ihr müsst noch Holz hereinholen.” Die Frau trug die Kanne mit der kochenden, pechschwarzen, aromatisch duftenden Brühe zum Tisch.

„Dann aber gleich.” Tom Williams, der Sohn des Farmers, legte den Gewehrschaft zur Seite und erhob sich. „Bleib nur hier, Vater.” Der junge Mann lauschte nach dem Sturm. Das Heulen war angeschwollen in den letzten Minuten. „Ich schaffe das schon allein. Ein Armvoll wird für heute abend reichen, sonst kann ich ja auch zweimal laufen.”

Sam Williams nickte schwer. Er beobachtete seine Frau, die Becher auf den Tisch stellte.

Der Farmersohn öffnete die Tür. Brüllend raste der Sturm ihm entgegen und ins Haus. Eine Wolke von Schnee umgab den jungen Mann augenblicklich. Tom Williams schüttelte sich und sprang dann hinaus. Er warf die Tür hinter sich zu und stemmte sich gegen die Wucht des Wetters. Er spuckte aus, wischte sich Schnee aus den Augen. Der Sturm dröhnte in seinen Augen. Tom Williams tastete sich an der Hauswand entlang. Unter dem überhängenden Stalldach war das Kaminholz aufgestapelt. Von der Haustür aus war das ein Weg von knapp fünfzehn Yards.

Tom Williams lief einfach geradeaus. Er stieß gegen den Holzstapel. Seine Hände tasteten über die nassgewordenen Scheite. Keuchend zog er die harzigen Kloben heraus.

Da fühlte der junge Mann plötzlich einen Druck im Rücken. Im selben Moment traf ihn heißer Atem im Genick.

„Keine falsche Bewegung, Freund. Was du im Rücken spürst, ist ein Revolver. Wenn du einen Fehler machst, ist es aus mit dir.” Der letzte Teil des Satzes ging im rasenden Auftosen des Wetters unter. Aber der Farmersohn verstand ihn dennoch. Er rührte sich nicht und stand wie gelähmt.

„Wir müssen ins Haus, zum Teufel!” rief eine Stimme. Der junge Mann wagte nicht, den Kopf zu wenden.

„Wir dürfen nichts riskieren. – Wie viele Personen sind auf der Farm?” hörte der Farmersohn den Mann hinter sich rufen. „Rede schon, Junge!” Der Druck des Revolvers wurde stärker.

„Mein – mein Vater. Meine Mutter, ein Stallknecht und ich”, antwortete Tom Williams hastig.

„Weniger als wir”, keuchte Virg Olden. „Hört ihr, hier sind weniger Leute als wir. Was für ein Glück, Teufel noch mal, was für ein prächtiges Glück. – Also rein ins Haus. Komm, junger Freund.”

Virg Olden presste dem jungen Mann den Revolver noch fester in den Rücken. „Vorwärts!” Tom Williams drehte sich um. Er hatte den Arm voll mit Holzkloben und sah nun die Männer undeutlich. Er entdeckte vermummte, in Mäntel und gefütterte Jacken gehüllte Gestalten. Er sah einen Mann, der einen anderen stützte. Der Sturm drückte die Männer an die Hauswand.

Tom Williams hämmerte das Blut in den Schläfen so wild, dass er für Sekunden nichts hörte und nicht denken konnte.

Tex Sturgis erreichte als erster die Haustür. Er zog seinen Revolver unter dem Wapitimantel hervor und stieß sie auf. Der Sturm wehte ihn in den Raum hinein. Der riesige Ire Ray O’Tally stand hinter ihm mit der Winchester in den Fäusten. Dann brachte Red Potter Frank Burden geschleppt.

„Verdammtes Wetter, wie?” rief der vierschrötige Mann am Tisch, der seinen Sohn erwartete, ohne sich umzudrehen. „Der Kaffee ist genau richtig, Junge. Trink einen Schluck und lass dir von Mutter ein paar Handtücher geben, oder wechsle deine Sachen, sonst holst du dir eine Lungenentzündung.”

Der Mann nippte an seinem Becher. Die Frau hatte den Kopf gehoben und erstarrte. Jetzt schien der Mann am Tisch zu merken, dass etwas nicht stimmte. Da sprang im hinteren Teil des Raumes eine andere Tür auf. Ein grauhaariger, alter Mann mit schwieligen Händen erschien.

„Boss, ich glaube, ich habe Reiter auf dem Hof…” Er verstummte, als er die Männer sah. Er blieb stehen für einige Sekundenbruchteile und warf sich dann unvermittelt herum, um wieder zu verschwinden.

„Stehenbleiben!” donnerte der Revolvermann. „Keine Bewegung.” Dann peitschte in der rechten Faust von Sturgis der Revolver auf. Die Detonation brach sich an den Wänden des Raumes. Stinkend breitete sich Pulverrauch aus.

Die Kugel schlug dicht neben dem Kopf des grauhaarigen Mannes ein, und er erstarrte zur Salzsäule, als die Holzsplitter aus dem Türrahmen sein Gesicht trafen.

Tex Sturgis stampfte in den Raum. Der Ire folgte ihm. Sie richteten ihre Waffen auf die Menschen. Der Revolvermann bewegte sich zur Kochstelle, hielt erst die linke, dann die rechte Hand über die glühende Metallplatte, unter der das Feuer bullerte, und wärmte die steifen Finger. Währenddessen hatte Red Potter den Verletzten hereingeschleppt und legte ihn auf die Kaminbank. Er öffnete die schwere Cordjacke Burdens und legte den Einschuss frei.

Jetzt kam Virg Olden mit dem Sohn des Farmers. Mary Williams krampfte die Hände vor der Schürze ineinander, als sie ihren Sohn sah. „Tom. – Tom, haben sie dir etwas getan? Ist dir etwas geschehen, Tom?”

Der junge Mann schüttelte den Kopf. – Auf der Kleidung der Banditen zerschmolz in der Wärme des Raumes die Masse von Schnee, die der Wind auf dem Stoff angesammelt hatte.

Zum Schluss betrat Jessie Potter den Raum. Sie hatte den Kopf gesenkt und meinte, in den Boden versinken zu müssen vor Scham, weil sie nichts mit dem zu tun haben wollte, was ihr Mann und was die Banditen taten, und weil sie doch mit ihnen kam und von den Menschen hier zu den Banditen gezählt werden würde.

Als die Frau die Tür hinter sich schloss, sich das Kopftuch abnahm und die Flut blonder Haare auf ihre Schultern schüttelte, schien draußen die Hölle loszubrechen: Der Sturm bäumte sich auf, als wenn er die Welt zerreißen wollte, das Wetter brüllte wie ein wildes Tier. Der Donner dröhnte, die Erde schien zu erbeben. Von Norden rasten gewaltige Schneemassen heran, die das Land und die Farm zu bedecken schienen, so dass alles Leben ersticken musste. Der Schneesturm schien das Ende der Welt zu bringen …

Die Banditen, die wie Männer aus Schnee und Eis mit einem Hauch der Kälte in den Raum eingedrungen waren, streiften ihre nassen Mäntel und Jacken ab. Sie hielten jetzt alle Waffen in den Fäusten.

„Komm ganz ’rein, Alter. Bleib nicht stehen!” fauchte Tex Sturgis zu dem grauhaarigen Mann hinüber, der immer noch wie gelähmt stand und nun zögernd dem Befehl des Revolvermannes folgte.

„Wir brauchen einen Unterschlupf vor dem Wetter und Hilfe für unseren Partner. Er hat eine Kugel in der Brust!” Virg Olden nahm sich den Hut ab und blies in die hohlen Hände.

„Ich kenne euch nicht, aber wahrscheinlich wäre es besser, dein Kumpan hätte die Kugel im Kopf.” Der Farmer richtete sich von seinem Platz auf. Sein Gesicht war weiß vor Wut.

„Das meinten die Fellows auch, die ihn getroffen haben. Aber wir sind nicht dieser Meinung. Deshalb hältst du besser dein Maul, solange wir hier sind. Damit ersparst du dir viel Ärger. – Bist du der Farmer?” Tex Sturgis trat näher und Olden stellte sich neben ihn.

„Ich bin der Farmer, der Mann, der hier alles aufgebaut hat. Hier bestimme ich. Das ist einer der Gründe, warum ich euch sage, ihr sollt verschwinden, und das auf der Stelle.”

Olden lachte verächtlich. Er wandte sich ab und beachtete den Farmer nicht länger. „Der Mann hat Humor, das muss man sagen.” Der Bandit entdeckte die Kanne auf dem Tisch und beugte sich darüber. „Ihr werdet es nicht glauben, Partner”, knurrte er grinsend und blickte sich zu seinen Leuten um. „Hier ist heißer, schwarzer Kaffee drin. Seit wann haben wir keinen Kaffee gehabt?”

„Seit Ewigkeiten”, sagte der Ire.

„Dann wird es wieder mal Zeit. – Madam, machen Sie uns frischen Kaffee und etwas zu essen. Wir sind ausgehungert und durchgefroren. – Einen feinen Stall haben Sie, Farmer. Wir haben unsere Pferde hineingestellt. Schöne Tiere besitzen Sie. Wenn wir weiterreiten, werden wir bei Ihnen die Pferde tauschen.”

Sam Williams ballte die Fäuste. Sein Sohn hatte das Brennholz vor dem Kamin abgelegt. Er blickte schweigend auf die Wasserlachen, die sich unter der abgelegten Kleidung der Banditen auf den Bodendielen gebildet hatten.

„Ich konnte nichts dafür, Vater. Bestimmt. Ich konnte gar nichts sehen. Das Schneegestöber war so heftig, dass…”

„Ich mache dir keinen Vorwurf, Tom.” „Wie heißt du?” Sturgis herrschte den grauhaarigen Alten an, der noch immer unschlüssig im Raum stand.

„Ich, Joke Harper ist mein Name. Ich arbeite als Farmhand hier.”

„Setz dich hin. Du bleibst hier im Raum. – Du bist also der Farmer, und wie heißt du?”

Sam Williams antwortete nicht. Er beachtete den Revolvermann gar nicht. Mit weiten Sätzen durchquerte Ray O’Tally den Raum und packte den Farmer am Hemdkragen. Er riss ihn vom Stuhl hoch. Die Frau schrie auf, und Jessie Potter wandte den Kopf ab.

„Willst du nicht antworten, verdammter Hund?” schnauzte der Ire. Er zerrte den Farmer durch den Raum. Tom Williams folgte ihm und packte ihn an den Schultern. „Lass meinen Vater los, Bandit!”

Ray O’Tally schlug mit der Linken zu. Tom Williams ging zu Boden und blutete aus der Unterlippe.

„Williams ist mein Name, Sam Williams”, flüsterte in diesem Moment der Farmer. „Das ist mein Sohn Tom, und dort ist meine Frau.”

„Na bitte, warum nicht gleich so.” Der Ire ließ den Farmer los und ging zu dem verletzten Burden zurück, über den Red Potter sich gebeugt hatte. Virg Olden rief durch den Raum, dass er Essen wolle und heißen Kaffee. Zögernd ging die Frau zur Kochstelle. Ihre Bewegungen waren unsicher und schwach. Sie war bleich wie eine Kalkwand.

Jessie Potter stand in einer Ecke an der Tür und schaute wie betäubt allem zu. Beschämt versuchte sie, den Blicken des jungen Farmersohnes auszuweichen, der sich jetzt vom Boden erhob, und in dessen Augen viele Fragen, Zorn und auch Verachtung standen.

Red Potter rief nach heißem Wasser und fragte nach Salbe und Verbandszeug. Draußen wütete der Sturm mit urgewaltiger Kraft und heulte, als belagere ein Rudel Brasadawölfe das Haus.

Während Sturgis die Menschen in Schach hielt, begannen die anderen Männer, an der Kaminbank bei Burden stehend, diesem die Kugel aus der Brust zu operieren.

Mit raschen Schnitten mit seinem scharfen Green-River-Messer hatte Red Potter das Hemd Burdens zertrennt und riss ihm die Fetzen vom Leib. Er streifte ihm die schneenasse und durchblutete Jacke ab und bettete ihn mit dem Kopf in die Krone seines Hutes.

Frank Burden lallte etwas in seiner Bewusstlosigkeit. Sein Gesicht war knochig und verfallen. Die Haut seines sehnigen Oberkörpers wirkte durchscheinend wie Pergament und war verschmiert vom Blut der Wunde. Eiterkrusten hatten sich um den Einschlag herum gebildet.

Die Kugel hatte ein riesiges Loch geschlagen. Der Wundkanal war verstopft mit geronnenem Blut und Stoffasern, die das Geschoß mitgerissen hatte. Red Potter wandte den Kopf. „Heißes Wasser!” schrie er wieder. „Schnell, schnell, Frau. Er stirbt sonst.”

„Soll ich euch erst Kaffee kochen, oder wollt ihr erst heißes Wasser?” Die Frau hatte die Arme verschränkt und blickte den Banditen furchtlos und hart an. „Was glaubt ihr wohl, wo ihr hingekommen seid? Wir wollen euch nicht. Bildet ihr euch ein, wir würden euch bedienen?”

„Weg von der Kochstelle.” Der Ire drängte die Frau unsanft beiseite und packte den rußigen Wasserkessel. Die Frau stolperte und fing sich an einer Stuhllehne. Sie stützte sich auf und atmete schwer.

„Was machen Sie denn mit meiner Mutter, Mister? Wieso stoßen Sie meine Mutter? Glauben Sie, dass es eine große Heldentat ist, eine alte Frau zu stoßen?” Tom Williams stand breitbeinig im Raum und blickte den Iren grimmig an.