3 Worte unterwegs - Dan K. Sigurd - E-Book

3 Worte unterwegs E-Book

Dan K. Sigurd

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Beschreibung

Seit Jahren lässt Dan sich im Mauerpark von Passanten und Fans 3 Wörter geben, aus denen er dann spontan Gedichte auf seiner Schreibmaschine verfasst. In Berlin ist er damit äußerst erfolgreich, doch anstatt sich auf seinem Ruhm auszuruhen und die ganze Kohle zu verprassen, die er verdient, zieht der Straßenpoet wieder hinaus in die Welt ... die allerdings immer verrückter zu werden scheint.
Während Dan mit seinen Versen die Menschen in Hamburg, München, Prag und Gibraltar glücklich zu machen versucht, hadert er doch sehr mit dem, was sie so anstellen mit sich und der Welt, diese Menschen ...

Eine einzigartige Mischung aus Poesie und Reiseroman. Gedichte voll aus dem Leben und ein Blick hinter die Kulissen, die keine sind.

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Seitenzahl: 226

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periplaneta

DAN K. SIGURD: „3 Worte unterwegs“ Straßenpoesie

1. Auflage, August 2023, Periplaneta Berlin, Edition MundWerk

© 2023 Periplaneta - Verlag und Medien

Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin

periplaneta.com

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Inspiriert von wahren Begebenheiten. Die Handlung und alle handelnden Personen sind jedoch frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

Coverdesign & Korrektorat: Thomas Manegold

Satz & Layout: Thomas Manegold

Titelfoto by Silver Antonia Bilder im Buch: Silver Antonia & Dan K. Sigurd

print ISBN: 978-3-95996-259-9

epub ISBN: 978-3-95996-260-5

Dan K. Sigurd

3 Worteunterwegs

Straßenpoesie

periplaneta

Vorwort

Seit ich Dan K. Sigurd zum ersten Mal begegnete, sind nun einige Jahre vergangen, von denen weder er, noch ich, noch wir alle damals wissen konnten, dass sie zu den schwer(-)wiegendsten Jahren zählen würden, die bis dato unser aller Leben ereilten. Und, wer weiß, vielleicht wären wir ohne diesen Bruch auch nie zusammengekommen. Denn obwohl wir beide in derselben Branche tätig sind, wären wir uns wohl nie über den Weg gelaufen – ich im Hamsterrad eines Medien­betriebes und er überall und nirgends als Straßenkünstler – wenn Dan nicht eines Tages auf die verrückte Idee gekommen wäre, aus seinen Erlebnissen und seinen Gedichten ein Buch machen zu wollen.

Nie wäre ich auf die Idee gekommen, mir von ihm ein Gedicht verfassen zu lassen, weil ich ja selbst welche schreibe und weil ich solche überlaufenen Örtlichkeiten wie Einkaufszentren und Mauerparks meide. Und nie wäre ich auf die Idee gekommen, mich auf die Straße zu setzen und nach seinem Muster – “Gib mir drei Wörter und drei Euro und ich gebe Dir ein Gedicht“ – als Poet live Gedichte mit einer Schreibmaschine zu verfassen. Ich könnte das nicht. Jedenfalls nicht in dieser Kontinuität und in dieser Geschwindigkeit. Als Straßenpoet wäre ich verhungert. Und ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ein solches Buch so erfolgreich sein würde.

Dan dagegen hat niemals daran gezweifelt. Er ist ausgesprochen gut organisiert und fokussiert und hat einen einzigartigen Blick auf die Welt. Wahrscheinlich, weil er ständig die Perspektive wechselt. Als freier Mensch kämpft er immer ein bisschen ums Überleben und gegen jene Normalitäten, die freien Menschen für gewöhnlich ein Gräuel sind. Die Bürokratie in Behördistan macht den Paradiesvögeln das Leben schwer. Wir reden hier nicht von Steinen, die einem im Weg liegen, es sind Geröllmassen, die tagtäglich als Lawinen Hütten, ach, was sage ich, ganze Städte zerstören und die Wege, selbst jene, die vorher schon keine leichten waren, unpassierbar machen.

Aber Dan hat diesbezüglich eine wirklich erstaunliche Resilienz. Er wuppt dieses Gegen-den-Strom-Geschwimme – selbst durch Meere metaphorischen Gerölls – mit abgrundtiefer Leichtigkeit. Sein Output ist in vielerlei Hinsicht beeindruckend und seine Dienstleistung ist immer eine Operation am offenen und mit offenem Herzen.

Dan K. Sigurd lässt sich nicht treiben, sondern inspirieren. Tag um Tag sitzt und tippt er im Mauerpark oder sonst wo und macht die Welt so immer wieder ein kleines bisschen besser. Dafür muss man ihm danken und ihn beneiden.

Inzwischen ist Dan K. Sigurds Debüt „Gib mir drei Worte“ ein Lyrik-Bestseller, über dessen Entstehung in diesem zweiten Werk auch ein paar Dinge verraten werden.

Ich danke Dan für das Vertrauen in Periplaneta, für seine liebenswerte Hartnäckigkeit und seinen unbändigen Siegeswillen.

Mir ist dieser fantastische Mensch ein Vorbild geworden. Als ein frei schwebender Geist in schwer(-)wiegenden Zeiten.

Thomas Manegold

Balance, Spiralen, Sonne

gerätst du auch mal

aus der Balance

und strauchelst

sieh es als Chance

einmal innezuhalten

und dein Leben dann vielleicht

völlig neu zu gestalten

ja manchmal reicht

so ein Moment schon

um den Weg aus all den Qualen

zu finden

aus den ewigen Spiralen

in denen so viele von uns gefangen sind

dann können wir die Welt mit neuen

Augen sehen

und uns wieder über die Sonne freuen

Disziplin, Leidenschaft, Freiheit

mit echter Leidenschaft kann man vielleicht

in Freiheit existieren

wenn man der Unterdrückung nicht ausweicht

sich nicht damit abfindet ständig zu verlieren

sondern sich traut Kontra zu geben

doch das erfordert Disziplin

denn dunkle Mächte weben

komplexe Netze

mit den Gesetzen die sie verabschieden

sie lassen einen nicht in Frieden

doch bleib hart und besetze

deine Lieblingsplätze

gib ihnen keinen Millimeter

verteidige deine Schätze!

Universum, Sternzeichen, Schicksal

haben wir wirklich

eine Wahl

oder ist

unser Schicksal

vorbestimmt

durch eine unsichtbare Macht von außen

die uns den freien Willen nimmt?

sicher stellt niemand dort draußen

im Universum die Weichen

ich rede nicht

von Astrologie und Sternzeichen

sondern davon, dass wir tun müssen

was uns vorgegeben ist

von Genen und Umwelteinflüssen

Quallen, Kippen, Sommersprossen

Kippen

bedecken den Boden der Stadt

wie tote Quallen den Strand vor den Klippen

im Seebad

Warnemünde

ich wünschte ich stünde

noch immer dort in den Wellen

wo wir einst den Sommer genossen

aber dieses Glück ist inzwischen verflossen

und nur deine Sommersprossen

erinnern noch daran

doch irgendwann

kehren wir dorthin zurück

sind wir erneut

mit unserem Boot dort

am wunderschönen Ufer vertäut

Zug, Schmetterling, Eisbär

ein Zug

trug

mich durch das Land

bis an

den Rand

der Arktis

wo der Eisbär

zuhause ist

und zurück ans Mittelmeer

wo Möwe und Schmetterling

ihre Flügel schwing’

ich wollte dir von meinen Reisen etwas mitbring’

ganz stolz

doch das Eis schmolz

und die Düfte

verwehten in die Lüfte...

Hausschuh, Kanu, Flamingo

genug der Ruh!

wechsel die

Hausschuh

gegen Stiefel und zieh

hinaus in die

Wildnis wo Flamingo, Nashorn, Gnu

auf Abenteurer wie dich warten

und viele weitere Tierarten

also setz dich in dein Kanu

du darfst nicht länger warten

paddel los

durch unberührte Natur

wer braucht da noch Zoos?

Berlin (Mauerpark)

Pflanze, Ballon, Vorhänge

treibt dich deine

kleine

Wohnung in die Enge?

dann öffne einfach

die Vorhänge

mach

dir das Leben nicht so schwer

hier drinnen spuken nur Gespenster

doch schau aus dem Fenster

dort draußen gibt es so viel zu entdecken

grüne Hecken

ein bunter Eisenbahnwaggon

ein Ballon

der aus den höchsten Höhen herunterschwebt

oder eine rankende Pflanze

die an der Fassade gegenüber klebt

die ganze

Welt dort draußen wartet nur auf dich

Dan vollendete das letzte einer ganzen Reihe von Gedichten, zog es aus seiner Schreibmaschine und überflog es noch einmal. Ihm fiel auf, dass da in letzter Zeit ein Hauch von Fernweh in seinen anscheinend willkürlichen Reimen mitschwang. Er ließ seinen Blick über die friedliche Szenerie um seinen Stammplatz schweifen, den Mauerpark im schönen Berlin. Es war ein warmer Herbsttag und der Baum, an dem er lehnte, hatte bunte Blätter, genau wie all die anderen Pflanzen, die sich den hellen Sonnenstrahlen am blauen Himmel über ihnen entgegenstreckten. Ringsumher erschallte Musik und die Zeiten, in denen dunkle Mächte versucht hatten, der Kunst in diesem Teil der Stadt einen Riegel vorzuschieben, schienen inzwischen einer fernen Vergangenheit anzugehören, an die sich Dan nur noch verschwommen erinnern konnte. Er fühlte sich vollkommen glücklich und rundum wohl. Vielleicht ein bisschen zu wohl. Vielleicht ein wenig gelangweilt. Denn irgendwo tief in seinem Inneren gab es diese leise, aber bestimmte Wanderlust, die er einfach nicht loswurde. Vielleicht war es an der Zeit, die Schreibmaschine einzupacken und neue Orte in dieser Stadt zu erkunden. Vielleicht sollte er quer durchs Land ziehen, den Rest des Kontinents bereisen und sich einer Reihe von Prüfungen unterziehen. Eine literarische Heldenreise, die ihn aus seiner Komfortzone herausführen würde, damit er etwas lernen, seinen Horizont erweitern und schließlich als veränderter, besserer Mensch zurückkehren würde.

Isabella, die ihn heute in den Park begleitet hatte, kam vom Flohmarktgelände zu ihm zurückgeschlendert, den kleinen Dackel Sparky im Schlepptau, auf den sie zurzeit aufpasste. Sie gab Dan einen Abschiedskuss und machte sich auf den Weg, um eine weitere Tierbesitzerin zu treffen, deren Katzen Isabella eine Woche lang morgens gefüttert hatte. Jetzt war die Frau aus dem Urlaub zurückgekehrt und Isabella musste ihr den Haustürschlüssel zurückgeben. Während der Pandemie war die Hotelbranche, in der Isabella vorher gearbeitet hatte, komplett zusammengebrochen und so hatte sie stattdessen begonnen, sich um Tiere zu kümmern. Obwohl der Tourismus inzwischen wieder dabei war sich zu erholen, verdiente sie ihr Geld noch immer mit Petsitting, das, wie so viele Jobs heutzutage, über eine App auf ihrem Smartphone lief. Und genau wie Ride-Shares, die eigentlich nur eine zusätzliche Einnahmequelle bieten sollten, war diese Art von Arbeit für viele mittlerweile zu einem Vollzeitjob geworden, Isabella eingeschlossen. Diese Jobs der sogenannten Gig-Economy behielten einen signifikanten Teil der Einnahmen für sich selbst und boten keine Sozialversicherung oder Lohnfortzahlung bei Krankheit. Und sie duldeten keine Gewerkschaften. Außerdem machten diese App-basierten Teilzeitjobs exzessiven Gebrauch von Gamification-Strategien, was sie genauso suchterregend machte, wie die Spiele-Apps, die direkt neben ihnen auf den Touchscreens der Geräte lagen, welche die meisten Menschen praktisch rund um die Uhr bei sich trugen. Sie werden konditioniert mit einem ständigen Fluss von Endorphinen, die der Körper jedes Mal produzierte, wenn die App in leuchtenden Farben aufblinkte oder einen mit einem leisen „Pling“ über ein neues Jobangebot informierte – ein Glockenklang, wie Pawlow ihn bei seinem Hund eingesetzt hatte. Isabella war schon vorher absolut abhängig von ihrem Smartphone gewesen, das sie ständig in die Hand nahm, um Textnachrichten und soziale Medien zu checken. Jetzt war es schlimmer als je zuvor. Als sie wegging, starrte sie auf ihr Handy und bemerkte nicht, wie Sparky sich immer weiter von ihr entfernte und die Leine quer über den Weg spannte, so dass ein Stolperfalle entstand, die einige Leute straucheln ließ und beinahe zu Fall brachte.

Dan stellte mit Entsetzen fest, dass seine eigene Hand den Weg in seine Tasche gefunden hatte und er nun ebenfalls auf sein Handy starrte. Trotzdem fuhr er damit fort, seinen Account auf einer Social-Media-Seite zu checken, die ihn sofort mit einer großen Dosis Dopamin belohnte, als er eine Nachricht öffnete, die ihm eine einstige Auftraggeberin geschrieben hatte:

„Hi!!! Vor etwa 2 Jahren hast du für meinen Freund und mich ein tolles Gedicht geschrieben. Aber bei unseren mehrfachen Umzügen habe ich das Original verloren und ich bin so traurig darüber. Es ist ein Symbol unserer Liebe und ich würde es gerne bei unserer Hochzeit nächstes Jahr vorlesen.

Könntest du es vielleicht neu schreiben und uns schicken? Schreibst du immer noch im Mauerpark? Wir können direkt zu dir kommen und es abholen.

Ich schicke dir jetzt mal ein Bild davon, mit dem Text.

Ich hoffe, du kannst uns helfen und wünsche dir eine schöne Woche.”

Dan lächelte, schrieb zurück, dass sie ihn heute im Park besuchen könnte und tippte dann das Gedicht mithilfe des Fotos, das sie mitgeschickt hatte:

fountain, smoke, honeymoon

soon

your honeymoon

might end

but you need to

understand

your love is a fountain

that will never run dry

even if outside forces

may try

to pull you apart

the affection in your heart

won’t just go up in smoke

do have another sip

and take another toke

on your trip

together

for ever …

Als Dan eine weitere Social-Media-App öffnete, erwartete ihn die nächste Überraschung. Ein anderer ehemaliger Kunde von ihm hatte ihn auf einer beliebten Foto-Sharing-Seite gefunden und auch er hatte eine ganz besondere Bitte:

„Ich habe dich letztens im Mauerpark gesehen und habe mir sofort mit einer guten Freundin ein Gedicht bei dir schreiben lassen. Dafür wollte ich mich nochmal bei dir bedanken! Es ist wirklich schön geworden. Bist du zufällig an diesem Sonntag wieder im Mauerpark? Könnte ich dich um einen Gefallen bitten? Ich bin morgen dort mit meiner Freundin, wir haben bald unser einjähriges Jubiläum. Könnte ich dir einen Text schicken und du schreibst ihn mit deiner Schreibmaschine und gibst ihn ihr, wenn sie zu dir kommt?“

Dans Lächeln wurde noch breiter und als er das Gedicht abtippte, wurde ihm ganz warm ums Herz:

Ein Ruf geht durchs Land,

ein Bote ist gesandt,

Vom König, denn der ist auf Suche,

nach einer Prinzessin wie aus dem Buche!

Ist sie noch nicht überstimmt,

Wenn Zweifel überhand nimmt,

Dann soll sie bekommen, ihr Geschenk:

Das Königreich Berlin gewährt Ihnen für Ihren Aufenthalt eine Gutschrift in Höhe von: 50.00 Goldmünzen!

Diese sind für den heutigen Tag auf dem Sonntagsmarkt im Mauerpark gültig!

Der berühmte Mauerpark-Pianist und seine Band erschienen und stellten sich direkt gegenüber von Dan auf. Schnell waren sie von Menschen umringt und viele von ihnen bemerkten Dan, der schon bald wieder ein Gedicht nach dem anderen schrieb:

Bullerei, Mauerpark, Kontakt

kommt die Bullerei

im Mauerpark

vorbei

pass auf, dass sie nicht auf dir rumhackt

denn manchmal kann man den Kontakt

halt nicht vermeiden

dann muss man sich entscheiden

ob man sich ihrem Willen beugt

schmerzt es auch in den Eingeweiden

oder ob man Mut bezeugt

sich traut sich öffentlich zu entkleiden

zu betrinken

zu krakeelen

seinen eigenen Weg zu wählen!

Fernsehturm, blau, Traum

die Häuser dieser Stadt sind grau

doch ist der Himmel über ihr blau

hüpft mein Herz voller Freude

wenn ich heraufschau

zur Spitze des Fernsehturms

- ein Traum

ja an solchen Tagen

kann ich mein Glück kaum

fassen

hier leben zu dürfen

inmitten all der Massen

die kaum alle

in die engen Straßen und Gassen

passen

Wasser, Weg, Quarantäne

ich quäle

mich schon wieder

in der Quarantäne

verwese

langsam vor mich hin

wie alter Käse

bin eingesperrt in meinen 4 Wänden

und habe das Gefühl

hier werd’ ich elendig verenden

denn sie sind wie Dämme

die mich beschränken

doch ich brauche keine Kanäle

die mich lenken

ich wähle

meinen Weg selbst

denn wildes Wasser muss fließen

man kann es nicht einfach in eine Kanne zwängen

und nach Gutdünken damit gießen

Der junge Mann, der ihm zuvor geschrieben hatte, erschien mit seiner Freundin, die zögerlich an Dan herantrat: „Mir wurde gesagt, ich soll nach ... ‚dem Brief des Königs‘ fragen?!“

Er überreichte ihr das Gedicht, das ihr Freund für sie verfasst hatte, während der junge Mann Dan heimlich ein paar Euro für seine Hilfe zusteckte. Das Mädchen war zu Tränen gerührt, genau wie Dan, der seit der Pandemie noch näher am Wasser gebaut war, als er es ohnehin schon immer gewesen war.

Kurze Zeit später tauchte auch die Frau auf, die ihm auf der anderen Social-Media-Seite geschrieben hatte und Dan war erneut den Tränen nahe, als sie ihm von ihrer bevorstehenden Hochzeit erzählte. Doch als sie schließlich ihrer Wege ging, kehrte das Gefühl der Sehnsucht zurück.

‚Verdammte Harmonie!‘, dachte Dan bei sich. ‚Ich brauche etwas Drama und Abenteuer in meinem Leben!‘

Noch einmal ließ er seinen Blick über die herumtollenden Hippies schweifen, die ihn umgaben. Dann schüttelte Dan energisch den Kopf und packte hastig seine Schreibmaschine ein, wobei er sich schwor, sie beim nächsten Mal auf unbekanntem Terrain aufzustellen.

„Es ist an der Zeit, auf Reisen zu gehen“, verkündete Dan und zog seinen kleinen roten Wagen aus dem Park hinaus, der untergehenden Sonne entgegen.

XXX

Griechenland, Sonne, Liebe

in Griechenland

scheint das Leben so leicht

wo das Meer

bis an den Horizont reicht

ist glücklich sein nicht schwer

wo die Sonne

uns erfüllt mit Liebe

und Wonne

dort will ich ewig bleiben

will auf dem Rücken

auf der Wasseroberfläche treiben

voller Entzücken

man kann es kaum beschreiben

dieses Gefühl von Freiheit

lass uns bald wieder dorthin fliegen

zu den Schildkröten und Ziegen!

Meer, Insel, Mango

ich wär

so gern auf einer einsamen Insel

im Meer

wo ich den ganzen Tag lang nur

Mangos verzehr

und Fische fange

mit einem Speer

doch stattdessen steh ich hier

im Feierabendverkehr

und frier

im Regen

ich frag mich

weswegen?

gute Pflegekraft, Krankenhaus, wichtig

es ist richtig

wichtig

eine gute Pflegekraft

zu haben

die es fertigbringt

sich trotz allem nicht zu verausgaben

die wahre Wunder wirkt

und

dich schnell gesund

aus dem Krankenhaus wieder heraus

bekommt

solche Helden verdienen mehr als nur Applaus

Leben, Crypto, Energie

in den Minen wo

Crypto

geschürft wird - praktisch imaginäres Geld

da graben wir unser eigenes Grab

und doch hält

der Hype viele weiter in seinem Bann

ich muss nur daran

denken

und ich erschaudere

denn saubere

Energie zu finden ist schwer

es gibt noch immer nicht genug

Windräder

aber unglaublich viel Lug

und Betrug

von Ölfirmen

für ein umweltfreundliches Leben ist der Zug

längst abgefahren …

Kuckuck, Schinkenstraße, Verderben

die Menschen hier unten

auf Erden

rennen schnurstracks

in ihr Verderben

was zum Kuckuck ist bloß mit ihnen los

inzwischen bleibt als letzter Ausweg nur noch

ein Floß

zu bauen

um dann von ihm aus

zuzusehen wie das Grauen

sich langsam ausbreitet

und langsam alles untergeht

bis schließlich selbst in der Schinkenstraße

ein Taifunwind weht

Flugzeug, Hula-Hoop, Spuk

wir können fliegen

es ist kein Spuk

können die Schwerkraft besiegen

in einem Flugzeug gen Süden gleiten

um dort in der Sonne zu liegen

um auf Ponys zu reiten

um einen Hula-Hoop zu schwingen

um zu lachen

und vor Freude in die Luft zu springen

also lass

den Flieger starten

ich will nicht mehr länger warten

Andalusien & Gibraltar

Dan erwachte recht früh am Morgen. Er schnappte sich sofort sein Handy, um zu sehen, ob sich die Prognosen zum Ausgang der Bundestagswahl über Nacht bewegt hatten. Dann begab er sich zu Isabella in die Küche, wo sie gerade ihren Laptop zuknallte, um sich eine 15-minütige Pause von ihrem Deutschkurs zu gönnen. Coronabedingt wurde der noch immer komplett online abgehalten, was ihnen diese gemeinsame Reise nach Spanien überhaupt erst ermöglicht hatte, da sie lediglich jeden Morgen die Videokonferenz der Unterrichtsstunde auf dem Laptop aufrufen musste. Sie sah Dan mit müden Augen an, aber als er sie fragte, ob sie heute noch nach Gibraltar fahren wolle, nickte sie langsam. Nach dem Frühstück setzte sie ihren Sprachkurs fort, während Dan hinunter an den Strand ging. Sobald er sich in die kalten Wellen stürzte, verschwanden die Kopfschmerzen, die ihn geplagt hatten. Er ließ sich eine Weile auf dem Rücken treiben und streckte sich dann auf seinem Handtuch in der Sonne aus. In der Ferne ragte der Fels von Gibraltar aus dem Meer und dahinter war die Küste Afrikas zu sehen.

Als es Zeit zum Mittagessen war, ging Dan zurück ins Haus, wo er Nudeln kochte und Pilze schnitt, die Isabella anschließend mit einer edlen Trüffelcreme mixte. Nachdem sie mit Essen und Packen fertig waren, füllte Dan den Kofferraum des kleinen Wagens von Isabellas Mutter und hockte sich dann auf den Bürgersteig daneben, um auf Isabella zu warten. Schließlich kam sie heraus, setzte sich hinter das Steuer und fuhr sie aus der Stadt hinaus. Während sie durch die hügelige Landschaft fuhren, konnten sie die Überreste des Waldes sehen, der vor etwas mehr als einer Woche von einem großen Feuer verwüstet worden war. Es war über die Berggipfel gekommen und hatte beinahe die Tore der Stadt erreicht. Die Linie, an der die Flammen schließlich zurückgeschlagen worden waren, war noch immer deutlich zu erkennen; darüber waren die Hügel schwarz, darunter gab es noch Grün, vermischt mit dem ikonischen roten Felsen, der diesem Landstrich seinen Namen gab. Nach einem weiteren ungewöhnlich heißen Sommer waren die Wälder unglaublich trocken und so hatte die Sierra Bermeja eine ganze Woche lang gebrannt. Für eine geraume Zeit hatten die Feuerwehrleute nicht einmal versucht, das Feuer zu löschen, sondern sich lediglich darum bemüht, es einzudämmen. Sie nannten es „un monstruo hambriento“, etwas, was sie noch nie zuvor gesehen hatten.

Vor etwa 15 Jahren hatte es in der gleichen Gegend schon einmal gebrannt, aber dieses Mal war es anders.

In den dicken, schwarzen Feuerwolken konnten elektrische Stürme wüten. Hin und wieder gab es Eruptionen, die Funken in alle Richtungen sprühten, und immer wieder neue Brände auslösten. Nach sieben Tagen dieser hoffnungslosen Höllenbrunst regnete es endlich und erst danach gelang es den Feuerwehrleuten, das Inferno unter Kontrolle zu bringen, das einem von ihnen das Leben gekostet und unzählige Dorfbewohner aus ihren Häusern vertrieben hatte.

Isabellas Familie hatte den Bränden von ihrem Haus aus hilflos zugesehen, während Isabella sich noch machtloser fühlte, da sie die Katastrophe auf dem Fernsehbildschirm im fernen Berlin mitansehen musste. Dan hatte versucht, sie davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich etwas bewirken konnte, indem sie bei den Berliner Bezirkswahlen ein Kreuz für resoluten Klimaschutz machte. Aber dieser kleine Schritt hin zu wirksamer Veränderung schien hohl, vor allem, wenn man bedachte, dass sie wieder einmal ein Flugzeug hierher genommen hatten, weil es einfach viel billiger und schneller war als eine Zugfahrt. Und in diesem Moment fuhren sie mit einem Auto, das Kohlendioxid ausspuckte, weil es entlang der Costa del Sol nicht einmal eine Zugverbindung gab.

Dan wurde aus diesen düsteren Grübeleien gerissen, als der Felsen von Gibraltar vor ihnen auftauchte. Sie näherten sich ihm aus einem ungewöhnlichen Winkel. Von dieser Seite sah er für Dan etwas fremd aus, da drei Berggipfel zu sehen waren statt der gewohnten zwei. Die Abgase der nahe gelegenen Raffinerien erfüllten die Luft mit einem Geruch, der Dan an frisch gepopptes Popcorn erinnerte.

Sie fuhren durch La Linea, die Hauptstadt der Schmuggler, die auf dem Festland vor der Grenze zum Felsen gewachsen war. Dort wurde der billige Tabak jede Nacht über die Zäune geworfen, die das britische Hoheitsgebiet abriegeln sollten. Die spanische Polizei war hilflos gegen die Narcos, die außerdem regelmäßig nach Einbruch der Dunkelheit mit kleinen, schnellen Booten voller Haschischziegel von der afrikanischen Küste herüberkamen. Die Clans beschäftigten Jugendliche und junge Erwachsene, die in der armen Stadt lebten, in der es für sie nur wenige Karrierechancen gab. Sie arbeiteten als Wachposten an zahllosen Straßenecken und machten so Hunderte Euro mehr, als sie jemals als Burgerbrater in irgendeinem Schnellimbiss verdienen könnten.

„Sollen wir das Auto in La Línea stehenlassen und zu Fuß über die Grenze gehen?“, fragte Isabella. „Oder sollen wir diesmal damit reinfahren?“

„Wirklich? Na, du weißt doch, dass ich schon seit langem davon träume, das Auto zu nehmen! Du warst doch diejenige, die immer dagegen war ...“

„Ja, weil ich da so oft in der Schlange gestanden habe ... und sie durchsuchen dein Auto!“

„Aber das ist doch jetzt gar nicht mehr so. Es ist jetzt alles anders, nach dem Brexit. Sie haben hier jetzt auch den ‚Backstop‘, sie kümmern sich um den Zoll am Flughafen und im Hafen. Die Grenze ist im Grunde komplett offen ... angeblich ...“

„Tja, es ist Montag, also wird’s wohl keine langen Autoschlangen geben“, sagte Isabella und es stellte sich heraus, dass sie recht hatte, als sie sich durch die Serpentinen schlängelten, die normalerweise voll von unzähligen wartenden Fahrzeugen waren. Dieses Mal waren nur zwei Autos vor ihnen, als sie sich der Grenze näherten. Dan holte ihre Ausweise hervor, aber letztendlich interessierten sich weder die spanischen noch die britischen Zollbeamten wirklich dafür. Sie warfen nur einen kurzen Blick durch das Fenster und winkten sie weiter.

„Was für eine Erleichterung!“, sagte Dan, als sie über die riesige Betonplattform fuhren, die sie vom Felsen trennte. „Ich muss die Schreibmaschine nicht den ganzen Weg über das Flugfeld tragen! Naja, meinst du, das Parken wird am Ende mehr kosten als der Bus zum Casemates Square?“

„Wahrscheinlich ...“, antwortete Isabella, und nachdem sie eine Weile im Kreis gefahren waren, landeten sie schließlich in einem Parkhaus. Dan folgte Isabella zurück nach draußen, den grünen Koffer mit der alten Olivetti ihrer Mutter in der einen Hand, einen kleinen Plastikhocker in der anderen. Sie gingen an einem glatzköpfigen Straßenmusiker mit schiefen Zähnen vorbei, der im Schatten einer großen grauen Mauer auf seiner Gitarre spielte, und betraten einen kleinen Tunnel. Am anderen Ende traten sie auf einen großen Platz hinaus. Sie überquerten ihn und Dan setzte sich vor ein paar klassische rote, britische Telefonzellen. Er benutzte eine Betonbarriere, die wie der Fels von Gibraltar geformt war, als Sitz und stellte seine Schreibmaschine auf dem Kopfsteinpflaster vor sich auf. Isabella machte sich auf den Weg, um ihren Kater von der Hochzeitsfeier, die sie gestern besucht hatten, mit einem starken schwarzen Tee und ein paar Scones zu kurieren.

Es dauerte nicht lange, bis der erste Passant stehen blieb und nach einem Gedicht fragte. Ein junger Brite gab ihm drei Worte und fügte dann hinzu: „Bist du noch eine Weile hier? Ich gehe nur einen Happen essen und komm dann später wieder, um es abzuholen!“

Neben seiner Schreibmaschine bot Dan einen selbstgedruckten Gedichtband an, da er noch immer keinen Buchvertrag unterschrieben hatte. Der Mann nahm eines der dünnen Heftchen, bevor er ging, und reichte Dan einen 10-Pfund-Schein mit den Worten: „Behalt’ den Rest!“

Dan betrachtete das Bild der britischen Königin auf der Banknote, die ihm noch immer unglaublich kostbar erschien, und schrieb dann:

freckles, book, crime

you look cute

no one would take you for a brute

with your pigtails and your freckles

you’re not someone who yells and heckles

but every once in a blue moon

there comes a time

when you like to commit

a crime

and because you look so innocent

-you get away with it

people are hard to understand

it takes cunning and wit

many mistook

you for a saint

but don’t judge a book

by its cover!

Bald darauf folgten weitere Passanten mit Herz für Poesie und so tippte Dan Gedichte wie:

wine, solitude, girlies

please

girlies

if you’re in the mood

for some solitude

go out into nature

switch from haute couture

to shorts and boots

you can bring some wine

that’s fine

but promise me, you will unwind

disconnect yourself

from the hive-mind

climb up onto a high shelf

and just breathe in

let go of all that modern sin!

Vater, Sohn, Trip

Vater und Sohn

waren zusammen schon

an unzähligen Orten

die Pforten

von so vielen Städten haben sie

durchschritten

und fanden sich inmitten

verschiedenster Kulturen

egal wo sie hinfuhren

jeder Trip war

etwas Besonderes

ganz klar

denn sie waren zusammen da!

I love Gibraltar

even if the winds

are sometimes rough

I love

Gibraltar

that beautiful

shining star

in the sea

where we

speak English

and drink tea

surrounded by fish

and with the monkey

as our patron saint

you could not find

even one complaint

Die rauen Winde von Gibraltar wurden immer heftiger. Als Isabella mit einer großen Plastiktüte voller Tabakwaren zurückkam, beschloss Dan, für heute Schluss zu machen. Sie holten ihr Auto wieder aus den Eingeweiden des Parkhauses und manövrierten es durch die engen Straßen und Tunnel. Alles kam Dan unglaublich eng und vollgestopft vor, die Gebäude dicht an dicht, die sich zu ihrer Linken an den Felsen klammerten, und zu ihrer Rechten die Miniaturtankstellen neben der Straße und die ehemals aktiven, riesigen grünen Maschinengewehre, die noch immer auf Sockeln zum Meer hin montiert waren. Als sie bemerkten, dass die Sonne in den spanischen Hügeln jenseits des Ozeans versank, fuhr Isabella an den Straßenrand, von wo aus sie die letzten Strahlen genossen. Hier war das Parken kostenlos und so ließen sie das Auto stehen und gingen hinunter zur Strandpromenade. An ihrem Ende führte eine Eisenleiter direkt in die schäumenden weißen Wellen und Isabella rief erstaunt aus: „Hier gehen echt Leute schwimmen?!“