3D-Fotos und -Videos - Günter Pomaska - E-Book

3D-Fotos und -Videos E-Book

Günter Pomaska

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Beschreibung

3D-Fotos und -Videos erstellen und präsentieren: So geht’s!

Wünschen Sie sich beim Betrachten Ihrer Reisefotos manchmal, Sie könnten noch einmal an diesen Ort zurückkehren? Wäre es nicht toll, wenn Fotos plötzlich als dreidimensionale Raumbilder vor Ihren Augen erscheinen würden? In diesem Buch erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen, um überzeugende 3D-Fotos und -Videos zu erstellen – von der analogen oder digitalen Aufnahme über die Bearbeitung bis hin zur Präsentation.

Folgende Themen erwarten Sie:
- Der Weg zum 3D-Foto oder -Video mit Stereo-/Monokamera, Smartphone, Action Cam & RaspiCam
- Die komplette Bandbreite der Verfahren: analog, digital & hybrid
- Alles rund um Bildgestaltung, Kameraausrichtung, Gespanne, Side-by-Side-Format, Anaglyphentechnik, Focus Stacking, HDR u.v.m.
- Bildbearbeitung/-optimierung mit StereoPhoto Maker & Co.
- Bildbetrachtung & Präsentation mittels Parallel-/Kreuzblick, Rot-Cyan-Brille, VR-Brille, Shuttertechnik oder 3D-Polarisation
- 3D-Panorama, 360°-Aufnahmen und fotorealistische Computermodelle für Mixed Reality & 3D-Druck

Wenn Sie darauf brennen, Ihre eigenen 3D-Fotos und -Videos mit Kamera oder Smartphone zu erstellen, dann liefert Ihnen dieses Buch alle wichtigen Skills, um Ergebnisse mit Wow-Effekt zu erzielen.

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Günter Pomaska

3D-Fotos und -Videos

Eigene Aufnahmen erstellen, bearbeiten und präsentieren

Die Autoren:

Günter Pomaska, Schwülper

Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.

Ebenso übernehmen Autoren und Verlag keine Gewähr dafür, dass beschriebene Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt deshalb auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­ und Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© JAHR Carl Hanser Verlag Münchenwww.hanser-fachbuch.de

Lektorat: Julia Stepp Herstellung: Isabell Eschenberg Umschlagrealisation: Stephan Rönigk Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-446-45630-3 E-Book-ISBN 978-3-446-45715-7 ePub-ISBN 978-3-446-45823-9

Verwendete Schriften: SourceSansPro und SourceCodePro (Lizenz) CSS-Version: 1.0

Inhalt

Titelei

Impressum

1 Einführung

1.1 Von der Camera obscura zur VR-Brille

1.2 Stereoskopie und Stereofotografie

1.3 Analog fotografieren und hybrid verarbeiten

1.4 Digitale Fotos und Videos mit Smartphone, Action Cam & Co.

1.5 Bildbetrachtung mit Stereoskop oder Anaglyphenbrille

2 Zur Geschichte des Raumbildes

2.1 Stereoskopie und Fotografie

2.2 Bildverlage, Stereokarten, Genres

2.3 Entwicklungen der Kameraindustrie

2.4 Stereofotografie mit dem Glyphoscope

3 In die Tiefe schauen mit Kalkül – räumliches Sehen und Aufnahmeplanung

3.1 Betrachtung von Raumbildern

3.2 Training der freiäugigen Betrachtung

3.2.1 Mit Schielen zum Raumbild – der Kreuzblick

3.2.2 In die Ferne schauen – der Parallelblick

3.3 Zur Geometrie des Stereobildes

3.4 Durch das Fenster geschaut – Scheinfenster und schwebendes Fenster

3.5 Kamerahaltung und Bildgestaltung

4 Analoge 3D-Fotografie

4.1 View-Master – ein System für das Kleinstformat

4.1.1 View-Master Personal

4.1.2 View-Master Color

4.1.3 Montage und Projektion

4.2 Fotografie mit der Stereokleinbildkamera

4.2.1 Die Amerikaner: Stereo Realist & Co.

4.2.2 Belplasca aus Dresden

4.2.3 FED Stereo

4.3 Stereokameras für den 120er Rollfilm

4.3.1 Duplex Super 120

4.3.2 Stereokamera Sputnik

4.4 3D-Fotografie mit Monokameras

4.4.1 Halbbilder mit Standpunktwechsel

4.4.2 Strahlenteiler

4.4.3 Synchron-Gespanne

4.5 Präsentation analoger Stereobildpaare

4.5.1 Diarahmung und Durchlichtbetrachtung

4.5.2 Projektion von Stereodias

5 Hybride Stereobild-Bearbeitung

5.1 Auf Polyester gebannt

5.1.1 Filmformate

5.1.2 Filmtypen und Entwicklung

5.2 Digitalisierung von Filmen

5.2.1 Vom Bild zum Pixel mit dem Flachbettscanner

5.2.2 Abfotografieren des Filmmaterials

5.3 Bildverbesserung und Umbildung

5.3.1 Radiometrische Bildverbesserung

5.3.2 Geometrische Umbildung

5.4 Auflichtbetrachtung

5.4.1 Paralleles Sehen mit Stereoskopen

5.4.2 Mit ImageMagick zum SbS-Format

5.4.3 Übereinandergedruckt – die Anaglyphentechnik

5.4.4 Online-Anaglyphen mit PHP

5.4.5 In Streifen zerlegt – Lentikularbilder

5.5 3D-Foto-Editoren

5.5.1 Anaglyphensoftware

5.5.2 StereoPhoto Maker

5.5.3 3DCombine

6 Digitale 3D-Fotografie

6.1 Das algorithmische Bild

6.1.1 Kamerakalibrierung

6.1.2 Präzision ohne Basis

6.1.3 Fokus-Stacking

6.1.4 High Dynamic Range (HDR)

6.1.5 Serienaufnahmen ohne Geister

6.2 Twin-Sets oder Gespanne

6.2.1 Digitale Kompakte

6.2.2 Action Cams

6.2.3 Eine Himbeere mit zwei Augen

6.3 3D-Fotografie mit der digitalen Zweiäugigen

6.3.1 Fuji Finepix Real 3D

6.3.2 Nah dran mit Lumix 12.5

6.4 Generation Selfie – smart 3D

6.4.1 Spiegel für dynamische Motive

6.4.2 Makro mit dem Handy

6.4.3 3DSteroid für Smartphones und Tablet-Computer

6.5 Stereoskopisches Panorama

6.5.1 Rotierende Basis

6.5.2 3D-Panorama mit einer Monokamera

6.5.3 3D-Panorama mit einer 360-Grad-Kamera

7 Als die Bilder laufen lernten – vom 3D-Foto zum 3D-Video

7.1 Software für Cut & Play

7.1.1 Videoschnitt

7.1.2 StereoMovie Maker

7.1.3 3D-Videoplayer

7.2 Mediadaten

7.3 Vom Foto zur Videoshow

7.4 3D-Videoaugen

7.4.1 Miniaturkameras – die Kamerazwerge

7.4.2 Parallelbetrieb zweier Webcams

7.4.3 Hardware mit zwei Augen – 3D-Pocket-Camcorder

7.4.4 Kamerastabilisierung

7.5 Rundumblick im Video

7.5.1 360-Grad-Kameras

7.5.2 YouTube im 3D-Modus

7.5.3 Virtual Reality (VR)-Brillen

7.5.4 Virtual Reality (VR) auf Webseiten

8 Reality Capture – fotorealistische Computermodelle für 3D-Druck, Mixed Reality & Co.

8.1 Computer können sehen

8.2 3D-Rekonstruktionen

8.2.1 Bildaufnahme und -vorbereitung

8.2.2 Orientierung und Modellbildung

8.2.3 Feinschliff der Rohdaten

8.3 3D-Stereo-Rendering

8.4 Mixed Reality

9 Schlusswort

9.1 Präsentation und Publikation

9.1.1 Projektion

9.1.2 Bildergalerien im Web

9.1.3 Fotos mit 3D-Effekt

9.2 VR-Brille statt Stereoskop?

9.3 Nostalgie und Gegenwart

1. Einführung
1.1 Von der Camera obscura zur VR-Brille

Ein Foto ist ein zweidimensionales Medium, das räumliche Informationen als Zentralprojektion aufzeichnet. Die mathematisch korrekte Zentralprojektion ist seit Mitte des 15. Jahrhunderts nachgewiesen. Als Vorlage der Perspektive diente Malern die Camera obscura. Eine dauerhafte Aufzeichnung der Bilder wurde dagegen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung fotografischer Verfahren möglich. Sir Charles Wheastone gelang etwa zur gleichen Zeit mit seinem Stereoskop genannten Apparat der Nachweis, dass räumliches Sehen beim Menschen durch die leicht unterschiedlichen Blickwinkel des rechten und des linken Auges begründet ist.

Man kann also mittels zweier Bilder, die von unterschiedlichen Standpunkten aus aufgenommen werden, einen künstlichen Raumeindruck hervorrufen. Unter dem Begriff Stereoskopie versteht man die Gesamtheit der Verfahren zur Aufnahme und Wiedergabe von raumgerechten Bildern. Ebenso hat sich die Bezeichnung 3D für Fotografie und Film durchgesetzt, konkurriert aber heute mit Begriffen der Computergrafik. Eine 3D-Computergrafik ist üblicherweise eine Abbildung des intern gespeicherten Datenmodells einer 3D-Szene. Man spricht auch von einem Rendering. Hingegen besteht eine 3D-Fotografie aus zwei Bildern, dem linken und rechten Halbbild eines Bildpaares, das bei binokularer Betrachtung als Raumbild erscheint. Die Stereofotografie wird auch mit dem Begriff S3D bezeichnet.

Stereobild

Ein Stereobild besteht aus zwei Halbbildern, einem für das rechte und einem für das linke Auge, die bei gleichzeitiger getrennter Betrachtung zum Raumbild verschmelzen.

Die 3D-Fotografie hat in den letzten 150 Jahren immer wieder mal mehr und mal weniger Aufmerksamkeit hervorgerufen. In den Anfängen war es die weite Verbreitung der Stereokarten und Betrachtungsgeräte, die in den Wohnzimmern des Bürgertums präsent sein mussten. Es folgten Dokumentationen des Ersten Weltkrieges auf Glasplatten und in Deutschland die Propaganda während der NS-Herrschaft durch den Raumbild-Verlag Otto Schönstein. Um 1930 hatte Otto Gruber die Idee des View-Masters, der bis heute noch aktuell ist. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden diverse Stereokameras für den Kleinbildfilm produziert. 2010 war das Jahr der 3D-Fernseher. Am 28. August 2010 erschien die Bild-Zeitung komplett als Anaglyphendruck in 3D. Heutzutage sind wir durch Googles Cardboard bei Virtual Reality auf dem Smartphone angekommen.

Doch worin besteht der Mehrwert eines Raumbildes? Sicher ist es immer noch der Wow-Effekt beim Tiefeneindruck, mehr noch als das Motiv selbst, das ebenso die Forderung nach 3D stellen kann. Bei der Vielzahl an Apps für Smartphones finden sich auch etliche Pseudo-3D-Apps in den Stores. Das Interesse an räumlichen Darstellungen ist demnach ungebrochen. Probieren Sie es doch einfach einmal mit Print und Stereoskop, Anaglyphenbrille, Google Cardboard oder Website aus – analog, hybrid oder digital.

Dieses Buch soll kein Kompendium der Stereoskopie sein. Es ist eine Anleitung zum Fotografieren mit bzw. in 3D sowie zur Raumbildpräsentation mithilfe der technischen Möglichkeiten von Computer und Internet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Zuge der neuen Do-it-yourself-Bewegung, der Maker-Szene, die analoge Fotografie unter den Kreativen weiterlebt. Do it yourself (kurz: DIY, Englisch für Mach es selbst) ist eine Bewegung, die Anfang der 1950er Jahre entstand. Hinter dem Begriff steht die Idee, handwerkliche Tätigkeiten selbst und ohne professionelle Hilfe auszuführen. Die Thematik ist nach wie vor aktuell und findet heutzutage Ausdruck in der Maker-Szene. In vielen Städten gibt es FabLabs, offene Werkstätten oder Maker Spaces, in denen hochtechnisierte Produktionsmittel wie 3D-Drucker oder CNC-Maschinen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Ähnliche Motivationen zum Selbermachen findet man auch unter den Fotofreunden.

1.2 Stereoskopie und Stereofotografie

Die Stereoskopie entfaltete bei fast gleichzeitiger Entwicklung der Fotografie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine besondere Faszination. Fotografische Apparate dieser Zeit wird man heutzutage kaum noch einsetzen, die Entwicklungen der Fotoindustrie aus den 1950er Jahren sind aber für den vorangehend erwähnten Anwenderkreis durchaus von Interesse. Eine andere Gruppe von Leuten sieht sich durch die hochaktuelle virtuelle Realität auf mobilen Computern mit der Stereoskopie und 3D-Verfahren konfrontiert.

In diesem Buch geht es um die praktische Anwendung von 3D-Fotografie – von der analogen Technik über die hybride Stereobildbearbeitung bis hin zur rein digitalen Technik. Dabei stehen Budgetlösungen für den ambitionierten Amateur im Fokus, nicht professionelle High-End-Systeme. Anstelle von umfangreichen theoretischen Abhandlungen, wie man sie in Fachbüchern zur 3D-Fotografie findet, enthält dieses Buch eine Vielzahl von praktischen Hinweisen zu Materialien, Aufnahmetechnik und Bezugsquellen.

Die zeitgleiche Aufnahme zweier parallaktisch unterschiedlicher und annähernd inhaltsgleicher Halbbilder verlangt dem Fotografen zusätzliche Fertigkeiten ab. Nur bei Einhaltung gewisser Restriktionen gelingt die Verschmelzung zum Raumbild bei der Betrachtung eines Stereobildes. Da auch die Betrachtung in aller Regel eine besondere Einrichtung erfordert, muss man sich eingangs unbedingt mit der Rechtfertigung und Charakteristik eines Raumbildes auseinandersetzen.

Auf einige Phänomene der Raumbildbetrachtung soll kurz hingewiesen werden. In monotonen Motiven tritt die Oberflächenstruktur der Objekte besser in Erscheinung. Bei Mineraliensammlern ist daher die 3D-Fotografie übliche Praxis. Auch ist dort das stereoskopische Glitzern gefragt. Die Interpretation einer extrem komplexen Szene wird durch die räumliche Betrachtung wesentlich erleichtert.

 

Bild 1.1Interpretation von Wasseroberfläche und Spiegelbild

Andere Phänomene der Raumbildbetrachtung sind das Erkennen verdeckter Strukturen, die Akzeptanz nicht fokussierter Halbbilder oder auch das Auffüllen leerer Bildbereiche. Es ist hinreichend, wenn nur ein Halbbild die richtige Fokussierung aufweist. Das zweite Bild kann dagegen mit Unschärfe daherkommen, denn das Gehirn bevorzugt beim Verschmelzungseffekt der Bilder gewisse Daten.

Wasseroberfläche und Spiegelbild der Pergola aus Bild 1.1 stehen senkrecht aufeinander, was im Raumbild deutlicher erkennbar ist als im Monobild. Auch Bild 1.2 zeigt, dass im Raumbild mehr Information steckt – hier dargestellt durch die Halbbilder und die Tiefenmatrix, berechnet aus dem Stereobildpaar. Helle Bildbereiche liegen näher an der Kamera als dunkle Bereiche.

 

Bild 1.2Tiefenmatrix – die dritte Dimension im Stereobild

Die wissenschaftlich-technische Auswertung und Interpretation des Bildmaterials, z. B. bei der Ermittlung von maßgerechten Informationen der Objekte, ist notwendigerweise ein Einsatzgebiet der Stereoskopie. Der technisch interessierte Fotograf findet den Reiz in der besonderen Art der Bildgewinnung, während der Beobachter dem Wow-Effekt bei der Betrachtung erliegt. Machen wir uns also auf in die Welt der Stereoskopie bzw. 3D-Fotografie!

1.3 Analog fotografieren und hybrid verarbeiten

Unter Anwendung der digitalen Fotografie gelingen auch dem Fotoamateur Bilder mit beeindruckender Qualität. Ein Vollformatsensor der Auflösung von 50 MP (z. B. Canon EOS 5D 8.688 × 5.792 Pixel Auflösung) liefert hinreichend Daten für einen hochwertigen Druck in der Größe DIN A1. Berücksichtigt man die weitergehenden Möglichkeiten der Aufnahmetechnik und der digitalen Weiterverarbeitung, kommt die Frage auf, warum man überhaupt noch analog fotografieren sollte?

Aufgrund der immer schneller fortschreitenden digitalen Fototechnik, seien es Kamera- oder Softwareentwicklungen, erhält auch die Community der analogen Fotofreunde als Gegenbewegung wieder vermehrt Zuspruch. Im Internet hat sich ein Netzwerk aus Lieferfirmen für Filmbedarf und Zubehör, Entwicklungslaboren, Anwenderforen und Auktionsportalen herausgebildet. Die Ursprünge hierfür liegen sicherlich auch in der Wiederbelebung der 1982 entwickelten russischen Kleinbildkamera Lomo LC-A durch eine Gruppe Wiener Studenten, woraus der Begriff Lomografie entstanden ist.

Trotz oder gerade wegen des Siegeszuges, den die digitale Fotografie angetreten hat, besteht die Faszination des Analogen bei kreativen Fotoliebhabern weiterhin. Vergleichbares ist mit der Stereofotografie festzustellen. Noch immer tritt ein Aha-Effekt ein, wenn ein Bildpaar im Stereobetrachter zum Raumbild verschmilzt. In diesem Buch begegnen Sie den vielen Facetten der 3D-Fotografie.

Nach einem Exkurs in die Geschichte der Stereoskopie und Fotografie in Kapitel 2 wird die 3D-Fotografie ab den 1950er Jahren in Kapitel 4 nicht nur nacherzählt, sondern nachgearbeitet. Die Apparate des vergangenen Jahrhunderts sind auf den Auktionsplattformen im Internet als Sammlungsstücke und als Gebrauchsgeräte noch zu erwerben.

Neuwertige analoge Kameras, vornehmlich russischer Konstruktion, können Sie bei der Lomographischen Gesellschaft erwerben. Nachbauten deutscher Klassiker wie Leica oder Contax können Sie auf Internetauktionen ersteigern. Bei eBay finden Sie neben den fotografischen Apparaten aus vergangenen Zeiten auch die entsprechenden Ersatzteile und das Zubehör. Nicht mehr produzierte Filmformate und abgelaufenes Material sind begehrte Objekte der Bieter. Was der analoge Fotoenthusiast beim Umgang mit der alten Technik empfindet, mag ein Außenstehender nicht nachempfinden können. Doch bei der Betrachtung eines professionellen Schwarzweißfotoabzuges auf klassischem Barytpapier in Museumsqualität entdeckt auch ein unvorbelasteter Beobachter das Potenzial der analogen Fotografie wieder.

Hybride Verarbeitung ist das Stichwort beim Übergang vom Analogen zum Digitalen. Mit eben dieser hybriden Stereobildbearbeitung beschäftigt sich Kapitel 5. Den analogen Kameras wird wieder eine Chance gegeben – und zwar den Apparaten, die der Hobbyfotograf noch im Schrank hat, oder den Gebrauchsmodellen, die man auf Auktionsplattformen erwerben kann. Der Film muss mit chemischen Mitteln entwickelt werden, die Negative bzw. Diapositive kommen auf den Scanner. Dabei wird auch ein kritischer Blick auf den Einsatz der betagten Apparate geworfen. Objektiv ist der individuelle Vorzug einer analogen Stereokamera aus Leningrad gegenüber einem Gespann digitaler Kompakter selbstverständlich nicht zu beurteilen. Die Auseinandersetzung mit den Apparaten und Methoden orientiert sich an der Einstellung zu Verlangsamung und Individualität der Fotografie.

1.4 Digitale Fotos und Videos mit Smartphone, Action Cam & Co.

Die Zielsetzung dieses Buches hinsichtlich Aufnahme und Wiedergabe der seit etwa 1850 bekannten Stereoskopie ist selbstverständlich auch unter den heutigen Gegebenheiten zu sehen. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde eine neue Generation von Kameras für die Kleinbildfotografie entwickelt. Jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind wir mit mobilen Geräten wie Smartphone und Tablet-Computer in der virtuellen Realität angekommen. Kapitel 6 widmet sich daher den aktuellen digitalen Aufnahmesystemen und den erweiterten Techniken wie der HDR-Fotografie, dem Stacking, Panoramaaufnahmen, den VR-Formaten und dem 3D-Video. Das Cardboard aus dem Pizzakarton wird zum Stereoskop, 160 Jahre nach dessen Erfindung.

Das Angebot an klassischen digitalen Stereokameras ist nicht sehr umfangreich. Die artenreine Digitalverarbeitung bekommt jedoch einen neuen Schub durch den derzeitigen Hype um Action Cams, 360-Grad-Kameras und VR-Brillen wie Oculus Rift & Co. Spätestens beim Blick durch die VR-Brille tritt bestimmt der schon erwähnte Wow-Effekt ein.

Völlig neue Wege werden durch die 360-Grad-Videotechnik beschritten, die der Kategorie Virtual Reality zugeordnet wird (Kapitel 7). Auch Reality Capture ist eine der aktuellen Aufnahmetechniken (Kapitel 8). Hier wird nicht nur mit RGB-Kameras gearbeitet, sondern Tiefenkameras ermitteln das räumliche Abbild, während der Fotosensor für die Textur sorgt. Somit kommt es zu Modellen der Wirklichkeit, die in Computerszenarien eingefügt werden oder den 3D-Drucker füttern. Wer von diesen Modellen ein stereoskopisches dreidimensionales Bild (S3D) oder Video erzeugen möchte, der definiert in der Rendersoftware eines Animationsprogramms eine stereoskopische Kamera.

Mit der Videotechnik kann das Printmedium nur bedingt mithalten. Deshalb finden Sie auf meinem YouTube-Kanal https://www.youtube.com/user/MrGuenter48 Videos und VR-Material. Ein Großteil der Weblinks in diesem Buch können Sie übrigens auch über einen QR-Code (siehe Randspalte) aufrufen.

Sobald wir in die Trickkiste der Digitalfotografie greifen, müssen wir uns auch mit der Anwendungssoftware auseinandersetzen (Kapitel 7). Hier werden wir fast ausschließlich auf Open-Source-Tools und Freeware zurückgreifen. Bildverarbeitung und Stereomontage sind gefragt. Mit ImageMagick und FFmpeg, den Kommandozeilenwerkzeugen für Foto und Video, geht es der Sache auf den Grund. Bei Bedarf schauen wir nach einem Panoramatool, bemühen Programme für das Reality Capture und nutzen die Blender Render Engine.

1.5 Bildbetrachtung mit Stereoskop oder Anaglyphenbrille

Nach einem Blick auf die ersten Jahre der Stereoskopie und Fotografie in Kapitel 2 wendet sich Kapitel 4 der analogen Aufnahmetechnik aus Sicht des Fotoenthusiasten sowie der Präsentation des Originalbildmaterials zu. Es wird gezeigt, wie man mit den zweiäugigen Sucherkameras aus den 1950er Jahren Diapositive im Bildbetrachter und in der Projektion mit Polfiltertechnik anschauen kann. Mit der hybriden Methode, das heißt der digitalen Auswertung und Bearbeitung analoger Aufnahmen, die in Kapitel 5 vorgestellt wird, wachsen die Aufnahmewelten der Veteranen mit denen moderner Kameras zusammen.

Kapitel 9 zeigt, wie das erstellte Bildmaterial zeitgemäß publiziert wird. Die Daten lassen sich nicht nur in Form von Printmedien, sondern auch via TV und Beamer präsentieren. Internet, Tablet-Computer, Smartphone und natürlich VR-Brillen sind die angesagten Medien.

Die Website zum Buch (http://www.3D.imagefact.de) bietet Ihnen Bildmaterial und Zusatzinformationen an.

Im Buch sind analoge Stereobilder als Stereokarten im Side-by-Side-Format gestaltet (siehe Bild 1.3). Das Bildformat ist konform zum Raumbild-Verlag-Stereoskop. Die Halbbildbreite beträgt 52 mm, die Seitenverhältnisse sind 1 : 1, 3 : 2 oder 4 : 3. Mit den gängigen Prismenbetrachtern und Lorgnetten bzw. über den sogenannten Parallelblick stellt sich das Raumerlebnis ebenfalls schnell ein. Bitte erlauben Sie den Augen ein paar Sekunden Eingewöhnungszeit. Wenn Sie Bedarf an einem Loreo Lite 3D Viewer oder an einer Lorgnette haben, dann besuchen Sie http://perspektrum.de als Bezugsquelle für Stereozubehör. Natürlich gibt es auch andere Bezugsquellen, aber diese Empfehlung gestatte ich mir.

 

Bild 1.3Für das Raumbild-Verlag-Stereoskop formatierte Stereokarte (alternativ stellt sich das Raumerlebnis auch über die gängigen Prismenbetrachter und Lorgnetten oder den Parallelblick ein)

Des Weiteren finden Sie großformatige Anaglyphenbilder für die Betrachtung mit einer Rot-Cyan-Brille (siehe Bild 1.4), die diesem Buch beiliegt, und Anordnungen für den freiäugigen Kreuzblick im Buch (siehe Bild 1.5).

Über die Website zum Buch (www.3d.imagefact.de) haben Sie wahlfrei den Zugriff auf gängige Stereoformate und hohe Auflösungen.

Von den Stereokarten im Side-by-Side-Format abgesehen, sind die im Buch enthaltenen 3D-Bilder immer mit einem der folgenden vier Icons (siehe Tabelle) versehen – abhängig davon, durch welche Betrachtungsweise sich der 3D-Effekt einstellt. In Kapitel 3 erfahren Sie, wie Sie den Parallelblick bzw. Kreuzblick anwenden.

Symbol

Betrachtungsweise

Parallelblick (alternativ Prismenbetrachter oder Lorgnette)

Kreuzblick

Rot-Cyan-Brille

Google Cardboard, VR-Brille

Die Bildmotive haben nicht den Anspruch, höchste fotografische Qualität zu erreichen. Es steckt meistens auch ein experimenteller Charakter in den Abbildungen. Die entsprechende Hardware (Kameras sowie Betrachtungseinrichtungen) sollte unbedingt zum Einsatz kommen. Dem Alter der Geräte entsprechend kommen in den folgenden Kapiteln zunächst das Glyphoscope von Jules Richard, die Stereo Realist und die Belplasca zur Anwendung. Die analoge Phase wird mit den russischen Zweiäugigen (Sputnik) beendet. Anhand digitaler Twin-Sets und der zweiäugigen Fuji Real 3D werden die entsprechenden Aufnahmetechniken vorgestellt. Sodann sind wir schon bei den Gadgets, den Action Cams, der Smartphone-Fotografie und den 360-Grad-Formaten in der heutigen Welt des Internets angelangt. Hardware und Software haben Vortritt gegenüber Bildgestaltung und Motivwahl.

 

Bild 1.4Daimler aus dem Jahre 1928 (aufgenommen mit Fuji Fine Pix Real 3D im Deutschen Museum Verkehrszentrum)

 

Bild 1.5Reiterstandbild des Herzogs Friedrich Wilhelm auf dem Schloßplatz in Braunschweig (Action Cam mit HDR-Bearbeitung, Kreuzblick)

2. Zur Geschichte des Raumbildes

Die Entwicklung von Stereoskopie und Fotografie verlief in den Anfängen annähernd parallel. Unter dem Begriff Stereoskopie versteht man die Wiedergabe von zweidimensionalen Abbildungen mit Tiefeneindruck. Erste Versuche mit dem Stereoskop und dem künstlichen räumlichen Sehen wurden mit Zeichnungen durchgeführt. Etwa zur gleichen Zeit gewann man Erkenntnisse zur dauerhaften Aufzeichnung von Fotos. Neben der Konstruktion monokularer Kameras wurde damit auch die Entwicklung der Stereokameras eingeleitet.

2.1 Stereoskopie und Fotografie

Es war Sir Charles Wheatstone, ein britischer Physiker, der die Beobachtung machte, dass das linke Auge eines Menschen aus einem anderen Blickwinkel sieht als das rechte Auge. Mit einem einfachen Versuch wies er die Beobachtung nach und erläuterte damit die Ursache der Tiefenerkennung des Menschen. Er zeichnete von einem Objekt zwei Perspektiven, jeweils eine aus Sicht des linken Auges und eine andere aus der Sicht des rechten Auges. Die Bilder wurden auf eine Holzschiene gelegt und über Spiegel den Augen getrennt zugeführt, woraufhin ein dreidimensionales Bild entstand. Das Gerät bekam die Bezeichnung Spiegelstereoskop. 1838 wurde das Experiment der Öffentlichkeit vorgestellt (siehe Bild 2.1).

 

Bild 2.1Das von Wheatstone 1838 vorgestellte Experiment (Quelle: http://wikipedia.org, gemeinfrei)

Das Prinzip der Lochkamera (Camera obscura) wurde bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. von Aristoteles beschrieben. Die ersten Erfolge, die Bilder einer Camera obscura auf Metallplatten aufzuzeichnen, konnte der Franzose Joseph Nièpce 1826 verzeichnen. Etwa ein Jahr nach der Vorstellung des Spiegelstereoskops wurde der fotografische Prozess der Daguerreotypie bekannt, benannt nach seinem Erfinder Jaques Daguerre, ebenfalls ein Franzose, der mit Nièpce zusammenarbeitete. Mit Silber beschichtete Kupferplatten wurden spiegelglatt poliert und mit chemischen Mitteln lichtempfindlich gemacht. Die Platte kam in eine Kassette und wurde in die Kamera geschoben. Unmittelbar nach der Belichtung wurden diese Plaques in der Dunkelkammer entwickelt und fixiert. Jedes Bild war ein seitenverkehrtes Original, das sich nicht vervielfältigen ließ und unter einem bestimmten Lichteinfall zu betrachten war. Die Daguerreotypie galt als das erste praktikable Fotografieverfahren mit hoher Detailtreue.

Räumliches Sehen

Beim natürlichen Sehen entsteht die Tiefenerkennung durch die Konvergenz der Augenstellung und die Tiefenwahrnehmung bei unmittelbar beidäugiger Betrachtung. Das Unterscheidungsvermögen nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab und endet bei etwa 900 m.

Wheatstone griff die Erfindung von Daguerre auf und ließ zwei Fotos eines Gegenstandes mit leicht versetzter Kamera anfertigen. Aufgrund der besonderen Lichtbedingungen, unter denen die Daguerreotypien betrachtet werden mussten, zeigte sich sein Stereoskop noch nicht besonders geeignet, deshalb wurde es modifiziert. Zunächst ersetzten Linsen die Spiegel. Der Schotte David Brewster übernahm schließlich die Weiterentwicklung. Er ordnete die Bilder nebeneinander an und vergrößerte sie durch zwei prismatische Linsen. Über einen Spiegel wurden die Daguerreotypien im entsprechenden Winkel beleuchtet (siehe Bild 2.2).

 

Bild 2.2Brewsters Stereoskop (Quelle: http://wikipedia.org, gemeinfrei)

Sir David Brewster fand in England wenig Aufmerksamkeit für seine Entwicklung. Als er diese jedoch nach Paris brachte, erkannten die Optiker Asoleil und Duboscq die Bedeutung dieses Instruments und gingen damit in Produktion. Jules Duboscq präsentierte das Gerät 1851 anlässlich der Weltausstellung in London. Königin Viktoria war bei ihrem Messebesuch begeistert und erweckte damit das allgemeine Interesse. So kam die Sache ans Laufen, und Duboscq konnte Aufträge schreiben.

Da die Anfertigung der Daguerreotypien Unikate und auch nicht einfach herzustellen waren, fehlte es noch an der fotografischen Möglichkeit zur Vervielfältigung. Auch sollten noch geeignete Kameras entwickelt werden. Der Engländer William Henry Fox Talbot erfand ein Negativ-Positiv-Verfahren. Mit dem Salzprint konnte eine praktisch unbegrenzte Anzahl von Kopien angefertigt werden. Auch verkürzten sich durch die gewählte Chemie die Belichtungszeiten erheblich.

Eine Qualitätsverbesserung der Bilder trat durch das Albumin-Verfahren ein. Eine auf Eiweiß und Silbernitrat basierende Emulsion wurde auf Papier zur Anfertigung von Kopien aufgetragen. Das entwickelte Papier wurde auf Karton aufgeklebt und lieferte ein detailreiches und je nach Überzug glänzendes oder mattes Bild. Trotz der noch immer langen Belichtungszeiten konnte sich aufgrund des Albumin-Verfahrens die Porträtfotografie und die Herstellung von Stereokarten zum Massenmedium entfalten. Die Fotos zeigten eine hohe Qualität. Das Verfahren wurde bis 1900 praktiziert und wird noch heute in der künstlerischen Fotografie angewandt.

Eine weitere Entwicklung der Fotochemie war um 1851 die Kollodium-Nassplatte auf großformatigem Glasträger, die zeitnah zur Aufnahme entwickelt werden musste und somit ein Labor vor Ort voraussetzte. Ab den 1880er Jahren löste die Trockenplatte das nasse Kollodiumverfahren ab. Bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden Glasplatten als Negativträger genutzt. Danach kam das Zelluloid auf, das aufgrund seiner mangelnden Sicherheitseigenschaften durch Triacetat (Safety Film) ersetzt wurde und neben Planfilm dem Rollfilm zum Durchbruch verhalf.

2.2 Bildverlage, Stereokarten, Genres

Die Kameratechnik war in den frühen Jahren der Stereoskopie noch nicht so weit entwickelt, dass Instrumente für jedermann verfügbar waren. Insofern lag das große Geschäft im Bereich der Stereoskope und Stereokarten zunächst bei den Bildverlagen. Weltweit waren Fotografen unterwegs und brachten Länder, detailgetreue Stadtansichten, Menschen, Flora und Fauna in die Wohnstuben des Bürgertums (siehe Bild 2.3).

 

Bild 2.3Stereokarte des Bildverlags Underwood & Underwood

Wie bereits erwähnt, galt die Einführung des Albumin-Verfahrens als Beginn der Porträtfotografie. Im Bereich des Theaters war die 3D-Fotografie eine Unterstützung zur Gestaltung des Bühnenbildes und diente der Aufnahme von Opernszenen. Die bekannten Schauspieler ließen von sich 3D-Porträts anfertigen und auf Stereokarten bringen. Selbstverständlich fand auch die erotische Fotografie sofort das Interesse der Fotografen und Zuspruch bei den Konsumenten. Nic Leonhardt beschreibt in seiner Publikation das gesamte stereoskopische Repertoire der damaligen Zeit sehr detailliert.1

1854 wurde die London Stereoscopic Company2 (LSC) gegründet, deren Geschäftsmodell die Verbreitung von Stereobildkarten und Betrachtern war. Man bedenke, dass weder Fernsehen, Film noch Internet den Menschen bis dahin bekannt waren. Bei der Betrachtung von Stereokarten kam die Illusion auf, selbst an der Szene teilzuhaben, was sie sehr populär machte. Bereits 1856 konnte die Gesellschaft eine Sammlung von 10.000 Bildern bereithalten. Eine der neueren Produktionen der London Stereoscopic Company ist der 3D-Bildband über die Rockband Queen, der 2016 erschien.3

Zu den Erfolgen der Stereokarten trug auch eine Modifikation des Brewster-Stereoskops von Holmes bei. 1861 entwickelte Oliver Wendell Holmes ein massentaugliches Handgerät, von dem Millionen Stück hergestellt wurden (siehe Bild 2.4). Nicht zuletzt war auch die Entwicklung der Eisenbahn ein Faktor der Erfolgsgeschichte, weil sie die Mobilität der Fotografen beschleunigte.

 

Bild 2.4Holmes’ Handstereoskop um 1900

Eine ganz besondere Art des Stereobildes war das sogenannte Tissue. Bildträger der nebeneinander montierten Halbbilder war ein sehr dünnes Albumin-Papier. Die Bilder wurden von der Rückseite her handkoloriert und mit einem feinen Gewebe abgedeckt. Nunmehr konnte man bei Auflicht und Durchlicht unterschiedliche Tag-Nacht-Bilder erstellen (siehe Bild 2.5). Es wurden auch Lichter durch Einstiche im rückseitigen Papier simuliert. Diese Art der Stereokarten war sehr empfindlich. Gut erhaltene und komplette Serien haben daher ihren Preis. Ein besonderes Genre waren die Diableries. Eine Diablerie ist eine spezielle Stereokarte, die Szenen des irdischen Lebens in der Hölle zeigt. Die Bilder wurden ab 1860 in Serien als Tissue-Stereo-Views herausgegeben und zeigen die modellierten Miniszenen des Lebens aus der Hölle heraus. Diableries – Stereoscopic Adventures in Hell ist eine beeindruckende Publikation, die ebenfalls bei der London Stereoscopic Company erschienen ist.4

 

Bild 2.5Tissue-Stereokarte (links: Auflicht, rechts: Durchlicht)

In Amerika entwickelten sich aus kleinen Firmen große Konzerne. Auf den Stereokarten der Jahrhundertwende finden wir die Namen Underwood & Underwood (siehe Bild 2.3), Stereo-Travel Co., Key Stone View Company und andere. Die Stereokarten wurden in buchförmigen Alben mit Reisehinweisen und Kartenmaterial angeboten – wenn man so will, ein frühes Google Earth. Underwood & Underwood produzierten 1901 etwa 25.000 Stereokarten am Tag und im gesamten Jahr 300.000 Stereoskope.5

Pioniere der Stereoskopie gab es natürlich auch in Europa, namentlich in Frankreich und Deutschland. Aus dem Ersten Weltkrieg ist noch eine Vielzahl von Glasdias in Umlauf, die mit Durchlicht-Linsenstereoskopen für die inzwischen standardisierten Formate 45 × 107 mm und 6 × 13 cm zu betrachten sind (siehe Bild 2.6).

 

Bild 2.6Glasdia aus dem Ersten Weltkrieg mit fokussierbarem Linsenstereoskop von Photo-Plait (Paris)

In Deutschland reiste um die Jahrhundertwende August Fuhrmann mit seinem Kaiserpanorama durch die Lande. Gegen eine kleine Gebühr konnten 25 Personen in der karussellartigen Einrichtung vor den Okularen Platz nehmen und im Zeittakt 25 Raumbilder betrachten (siehe Bild 2.7). Ein Exemplar des Kaiserpanoramas kann man heute u. a. noch im Deutschen Historischen Museum in Berlin bewundern.

 

Bild 2.7Kaiserpanorama von August Fuhrmann (Quelle: http://wikipedia.org, gemeinfrei)

Einer der großen Produzenten von Stereokarten und Betrachtern war die Neue Photographische Gesellschaft Berlin-Steglitz. Gegründet wurde die Gesellschaft 1894 und lieferte bis 1921 ein umfangreiches Repertoire an Stereomotiven. Die Gesellschaft stellte auch eigene Betrachter her.

1932 gründete Otto Schönstein den Raumbild-Verlag. Er gab eine Zeitschrift mit dem Titel Raumbild heraus und veröffentlichte Raumbild-Alben. In Zusammenarbeit mit dem Nazipropagandaorgan, das die Stereofotografie für sich entdeckte, kam es auch zu einem Bildband über die Olympischen Spiele in Berlin. Dieser Bildband wurde vom Raumbild-Verlag mit einem eigenen Stereoskop herausgegeben. Fotograf war ein Reichsbildberichterstatter namens Hoffmann. Für den kompletten Bildband werden bei Auktionen heute um die 300 € aufgerufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien 1952 noch einmal ein Band der Spiele von Helsinki. Das Interesse an der 3D-Fotografie verlagerte sich nun aber hin zu individuellen Eigenanfertigungen mit Stereokameras für Kleinbildfilme, die in den Handel kamen. Damit ist unser kompakter Überblick zur Geschichte des Raumbildes in der heutigen Zeit angekommen. In Kapitel 4 (Analoge 3D-Fotografie) kommen Fotoapparate dieses Genres zum praktischen Einsatz.

2.3 Entwicklungen der Kameraindustrie

Zu den ersten Kameras der Fotografiegeschichte gehörten die einfachen Plattenkameras ohne Auszug. Mit Mattscheibenrahmen, Kassetten und Durchsichtsucher hatte man schon eine bessere Ausführung. Die ersten Raumbilder vor Einführung von Stereokameras wurden durch Verschieben des Standpunktes mit einer oder mit zwei nebeneinanderstehenden Kameras aufgenommen. Das erforderte eine Verkleinerung der großen Formate. Später fertigte man doppelt breite Kameras mit einer inneren Teilung und zwei identischen Objektiven an.

 

Bild 2.8J. Lancaster & Son Stereoscopic Camera 1898 (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Stereo_cameras, Creative Commons, Fotograf: Clem Rutter)

Die Konstruktionselemente der Plattenhandkameras waren der Laufboden, der Mattscheibenrahmen, das Objektivbrett und der ausziehbare Balgen, der das Objektivbrett mit dem Mattscheibenrahmen lichtdicht verband. Je nach Konstruktion war entweder der Mattscheibenrahmen oder das Objektivbrett auf den Führungsschienen verschiebbar. Wie aus Bild 2.8 ersichtlich, war das Objektivbrett austauschbar und konnte auch mit nur einem Objektiv bestückt werden. Die Kamera in Bild 2.8 ist ein Modell von Lancaster & Son und wurde 1898 in Birmingham hergestellt. Ein gängiges Format der Glasplatten war 13 × 18 cm. Mit Instrumenten dieser Art waren die Fotografen der Bildverlage weltweit unterwegs. Im Laufe der Jahre wurden spezielle Stereokameras auch für den allgemeinen Gebrauch entwickelt, die teilweise mit zwei Balgen ausgestattet waren. Die Bildformate reduzierten sich auf 6 × 13 cm und später auf 45 × 107 mm. Mehrfachkassetten für den Plattenwechsel gab es bereits für Glasplatten, bevor sich der Planfilm durchsetzte. Die Entwicklung des Rollfilms hat das Bildformat nicht mehr derart beeinflusst. Ein Halbbild hat bis heute die Filmbreite von 6 cm beibehalten.

Nach 1900 gab es in Deutschland eine Vielzahl von Kameraherstellern, die Stereokameras mit unterschiedlichen Konstruktionsmerkmalen von der Kastenkamera über die Laufbodenkamera bis hin zur Spreizenkamera im Programm hatten. Die Aufnahmeformate hatten sich mehr oder weniger auf das Format 45 × 107 mm oder 6 × 13 cm standardisiert. Einige dieser Unternehmen schlossen sich zur Ica AG zusammen. Die Ica wiederum ging 1926 in der Zeiss Ikon AG auf. Darunter fiel auch die Optische Anstalt C. P. Goerz, Berlin und das renommierte Unternehmen Ernemann-Werke AG, Dresden. Ica galt als der führende europäische Kamerahersteller. An Stereokameras wurden die Stereolette und mit der Stereo Ideal ein ähnliches Modell als Laufbodenkamera angeboten. Das Spitzenfabrikat der Ica AG war das Polyskop, um 1910 als Plattenkamera entwickelt.

Im Folgenden widmen wir unsere Aufmerksamkeit dem Modell A des Ica Polyskops vom Anfang der 1920er Jahre. Das äußere Bildformat des in Bild 2.9 vorgestellten Modells ist 45 × 107 mm. Mit den inneren Halbbildformaten von 42 × 45 mm ist es annähernd quadratisch. Die Objektive waren Tessare 4,5/65 mm von Carl Zeiss Jena. Diese Kastenkamera gehörte mit ihrem stabilen Aluminiumkörper zu den Präzisionsinstrumenten. Zwischen Objektivträger und Kamerakörper befinden sich zwei kurze Balgen zur Feinjustierung der Fokussierung über einen Zahntrieb. Die Objektivplatte ist senkrecht verschiebbar. Die Motiveinstellung erfolgt über einen Rahmen- und Reflexsucher mit Unterstützung durch eine Dosenlibelle. Der Reflexsucher ist mittig zwischen den Objektiven eingebaut. Belichtungszeiten sind 1 bis 1/300 s, realisiert durch einen Compur-Verschluss. Integriert ist die Aufnahme eines Drahtauslösers. Die Kamera konnte mit Metallkassetten für einzelne Glasplatten oder einem Magazin mit zwölf Platten bestückt werden. Das in Bild 2.9 gezeigte Modell hat bereits eine Kassette für ein Agfa-Filmpack.

 

Bild 2.9Ica Polyskop um 1920 mit Kassette für Filmpacks

Das Modell B des Ica Polyskops mit ähnlicher Ausstattung war für das größere Format 6 × 13 cm verfügbar. Durch seitliche Verschiebung der Objektive konnte es auch für Panoramaaufnahmen eingesetzt werden. Ein weiteres Kameramodell in der breiten Angebotspalette von Ica war die Minimum Palmos. Trotz dieser Marktpräsenz erwuchs auf dem Sektor Stereoskopie ab 1920 ein weiterer Konkurrent im eigenen Land.

1920 gründeten in Braunschweig Reinhold Heidecke und Paul Franke eine Produktionsstätte für eine zweiäugige Spiegelreflex-Rollfilmkamera, die späteren Rollei-Werke. Die Rolleiflex sollte Fotogeschichte schreiben. Die ersten Kameras, die das Werk verließen, waren aber Stereokameras. Das Heidoskop und das Rolleidoskop, die ziemlich schnell den Markt dominierten, spülten Finanzmittel in die Kassen. Es waren die Cashcows, wie man heute sagen würde. Erst 1927 wurden dann die ersten Spiegelreflexkameras marktreif.

Neuentwicklungen von Stereokameras für den 135er Rollfilm kamen nach dem Ersten Weltkrieg heraus. In Deutschland wurde die Iloca Stereokamera von Wilhelm Witt in Hamburg gebaut, eine Edixa Stereo kam von den Gebr. Wirgin aus Wiesbaden. Die Belca-Werke in Dresden stellten 1948 die Belplasca vor. Diese Kamera ist auch noch heutzutage für die analoge Stereofotografie von Interesse. Auch aus Amerika kamen vergleichbare Modelle wie die Stereo Realist von David White. In Kapitel 4 (Analoge 3D-Fotografie) werden Sie diesen Apparaten noch in der Anwendung begegnen. In den 1950er Jahren konnten sich viele Hobbyfotografen mit den Geräten ausstatten und sich für die 3D-Fotografie begeistern.

2.4 Stereofotografie mit dem Glyphoscope

Ohne Zweifel ist die weite Verbreitung der stereoskopischen Fotografie auch auf die Entwicklungen von Jules Richard zurückzuführen. Richard war mit seinem Verascope und dem Glyphoscope ein Pionier in der Entwicklung von Stereokameras für jedermann. Dazu konstruierte er eigene Stereobetrachter und Stereoautomaten. Aufgrund der bis in die 1960er Jahre gefertigten Vielzahl von Geräten sind diese noch heute zu haben. Das zuletzt gefertigte Modell Verascope F40 gehört zu den Spitzenmodellen der 135er Sucherkameras, die mit der Dresdener Belplasca vergleichbar sind.

Jules Richard, Jahrgang 1848, stieg nach einer Lehre als Uhrmacher in den Betrieb seines Vaters ein und begann dort mit der Konstruktion von wissenschaftlichen Messinstrumenten und Fotoapparaten. Die Firma wurde 1891 von Société Richard Freres in Société Jules Richard umbenannt. Noch heute existiert die Firma unter der Bezeichnung JRI Maxant.

 

Bild 2.10Verascope mit Wechselmagazin für zwölf Glasplatten

1893 wurde die Ganzmetallkamera Verascope vorgestellt (siehe Bild 2.10). Die Idee war, eine kompakte und mobile Kamera mit einfacher und zuverlässiger Bedienbarkeit herzustellen. Die Kamera wurde mit Wechselmagazinen für zwölf Glasplatten ausgestattet. Das äußere Format von 45 × 107 mm liefert zwei annähernd quadratische Halbbilder der Größe 45 × 42 mm. Aufgrund der geringen Brennweite der Tessare von 55 mm und der präzisen Fertigung kann auf eine Fokussierung verzichtet werden. Der Fixfokus deckt einen Bereich von 1,7 m bis unendlich ab. Die Blendenöffnungen sind 4,5; 8 und 16. Der Verschluss ist eine Guillotine-Konstruktion mit Zeiten zwischen 1/9 und 1/150 s. Zwei Dosenlibellen, ein Durchsichtsucher und ein heller Prismensucher unterstützen die Motivwahl. Man spricht von ca. 80 Modellvarianten einschließlich der Formate 6 × 13 cm und 7 × 13 cm, in denen das Verascope bis in die späten 1930er Jahre hinein hergestellt wurde. Danach kam die Version Verascope F40 für 135er Rollfilm, die mit großem Erfolg noch bis Ende der 1960er Jahre anzutreffen war. Wenn Sie Interesse für die Kameras von Jules Richard und seine Fotografie haben, dann ist das Museum für historische 3D- und Aktphotographie6 in Fehrbellin/Lentzke einen Besuch wert.

Sucher

Der Sucher dient der Festlegung des Bildausschnitts bei der fotografischen Aufnahme. Ein einfacher Durchsichtsucher besteht aus Rahmen und Diopter. Beim Aufsichtsucher hingegen erfolgt der Einblick von oben über eine Strahlenumlenkung mittels Spiegel oder Prisma.

Auktionspreise für eine F40 als Gebrauchsmodell erzielen heute um die 500 €. Für ein gut erhaltenes Verascope als Sammlerstück werden etwa 250 € aufgerufen. Bild 2.10 zeigt das Verascope nicht etwa auf dem Kopf, wie aufgrund der Beschriftung zu vermuten ist. Libelle und der Einblick in den Sucher befinden sich auf der Oberseite.

Für das kleinere Budget konstruierte Jules Richard das Glyphoscope, eine Kombination aus 3D-Betrachter und Kamerateil mit Metallkassetten für Glasplatten. Der Körper des Stereoskops besteht aus einem festen Bakelit, während der Kamerateil aus Messing gefertigt ist. Zwei Achromate 60 mm mit Blendenöffnungen 8, 16 und 22 liefern die Bilder bei Fixfokus von 1,8 m bis unendlich und fester Belichtungszeit des Guillotine-Verschlusses von 1/50 s. Die Motiveinstellung kann über den Durchsichtsucher oder die Mattscheibe im Kassetteneinschub erfolgen (siehe Bild 2.11).

Achromat

Licht unterschiedlicher Wellenlänge wird verschieden stark gebrochen. Dadurch entsteht bei einer Linse ein Abbildungsfehler, der chromatische Aberration (CA) genannt wird und als Farbsaum erkennbar ist. Eine Kombination aus zwei Linsen minimiert den Abbildungsfehler und wird als Achromat bezeichnet.

 

Bild 2.11Glyphoscope: Kamerateil, Betrachter, Mattscheibe und Plattenkassette

Um ein Gefühl für die Aufnahmetechnik vom Anfang des 19. Jahrhunderts, also vor etwa 110 Jahren, zu bekommen, soll das Glyphoscope hier einmal im praktischen Einsatz vorgestellt werden. Auf die eigene Beschichtung der Glasplatten soll an dieser Stelle allerdings verzichtet werden. In der Dunkelkammer oder im Dunkelsack wird ein Stück Planfilm zurechtgeschnitten und in die Kassetten eingelegt. Ausgerüstet mit einigen Kassetten geht es dann mit Stativ und Kamera vor Ort.

Die Kassette ist eingeschoben und die Abdeckung herausgezogen. Der Verschluss wird gespannt und Blende 8 ist eingestellt. Das Motiv wird nun anvisiert und der Auslöser betätigt. Danach wird die Kassettenabdeckung wieder eingeschoben, die Kassette wird gewechselt und der Vorgang wird noch einmal mit einer anderen Blende wiederholt. Im nächsten Schritt werden die Bilder entwickelt, und wir erhalten ein Negativ mit dem linken Halbbild links und dem rechten Halbbild rechts (siehe Bild 2.13). Wollen wir das Bild betrachten, müssen wir die Bilder wie bei jeder Stereokamera mit zwei Objektiven tauschen (siehe Bild 2.14).

 

Bild 2.12Mattscheibenbild seitenverkehrt und auf dem Kopf

 

Bild 2.13Negativ seitenverkehrt und auf dem Kopf

 

Bild 2.14Positiv, aber vertauschte Halbbilder

Der Umtauschvorgang ist kein Problem und war es für Jules Richard gewiss nicht. Er hat dafür ein Umkehrstereoskop und ein entsprechendes Kopiergerät gebaut. Ein etwas einfacheres Gerät war der Kopierrahmen, den man in Einzelschritten manuell bedienen muss (siehe Bild 2.15). Der Kopierrahmen hat die Länge des Negativs plus Objektivabstand. In der Mitte befindet sich die Belichtungsöffnung. Das mit dem linken Objektiv aufgenommene Bild muss links in der Positivkopie erscheinen, das mit dem rechten Objektiv rechts in der Positivkopie. In Bild 2.12 sehen Sie das Mattscheibenbild der Kamera. Sowohl das linke als auch das rechte Bild erscheinen auf dem Kopf und seitenverkehrt.

Legt man nun das Negativ links in den Kopierrahmen und das Positiv rechts in den Kopierrahmen, Schichtseite gegen Schichtseite, und belichtet, dann ist das rechte Bild aufrecht und seitenrichtig rechts auf dem Positiv. Im zweiten Belichtungsgang wird das Negativ gegen das Positiv im Rahmen verschoben. Die Kontaktkopie zur Betrachtung ist nun erstellt. Auf diese Weise hat man es vor 100 Jahren gemacht – vom Negativ zur mehrfachen Positivkopie. Respekt!

Mit der Aufnahme des Dionysos, 1973 vom Bildhauer Jürgen Weber geschaffen und 1997 vor dem AudiMax der TU Braunschweig aufgestellt, habe ich eine kleine Zeitreise unternommen (siehe Bild 2.16). Zugegebenermaßen wurde die analoge Schiene nach der Filmentwicklung verlassen. Scanner und Bildbearbeitung standen mir von da an zur Seite.

 

Bild 2.15Einfacher Kopierrahmen

 

Bild 2.16Negativ-Positiv-Kontaktkopie aus dem Kopierrahmen, hier in Nebeneinander-Anordnung als Stereokarte

Literatur

Jöhnk, Carsten/Osten, Wolfgang/Rotermund, Meike: Das verführte Auge. Wege in die 3. Dimension. Ausstellungskatalog. Focke Museum, Bremen 2001

Kaulen, Wim van: 3D Past and Present. 3D-Book Productions. Borger, The Netherlands 1986

Leonhardt, Nic: Durch Blicke im Bild. Stereoskopie im 19. und 20. Jahrhundert. Neofelis Verlag 2016

Lorenz, Dieter: Fotografie und Raum. Waxmann 2012

Pritschow, Karl: Die photographische Kamera und ihr Zubehör. Springer 1931 (Nachdruck: Lindemann 1989)

1Leonhardt, Nic: Durch Blicke im Bild. Stereoskopie im 19. und 20. Jahrhundert. Neofelis Verlag 2016

2 London Stereoscopic Company: http://www.londonstereo.com

3May, Brian: Queen in 3D. earBOOKS, Edel Germany GmbH 2017 (ISBN 978-3943573299)

4May, Brian/Pellerin, Denis/Fleming Richardson, Paula: Diableries. Stereoscopic Adventures in Hell. London Stereoscopic Company 2013 (ISBN 978-0957424609)

5Kaulen, Wim van: 3D Past and Present. 3D-Book Productions. Borger, The Netherlands 1986

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