4 Krimis Sonderband 1011 - Arthur Gask - E-Book

4 Krimis Sonderband 1011 E-Book

Arthur Gask

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Trevellian und der Tod auf dem Catwalk (Pete Hackett) Commissaire Marquanteur und der Hund (Alfred Bekker) Pennington Wise kommt unter die Räder (Carolyn Wells) Gilbert Larose und das Haus in den Sümpfen: Kriminalroman (Arthur Gask) Eine reißende Bestie geht in Marseille um und tötet Menschen. Angeblich handelkt es sich um einen monströsen Hund. So jedenfalls sagen die Augenzeugenberichte derer, die überlebt haben. Aber die Spurenlage ist verwirrend, IT-Spezialisten und Drogenhändler haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Commissaire Marquanteur und seine Kollegen jagen ein Phantom. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Jack Raymond, Jonas Herlin, Dave Branford, Chris Heller, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Pete Hackett, Carolyn Wells, Alfred Bekker, Arthur Gask

4 Krimis Sonderband 1011

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Inhaltsverzeichnis

4 Krimis Sonderband 1011

Copyright

Trevellian und der Tod auf dem Catwalk: Action Krimi

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​Commissaire Marquanteur und der Hund

Pennington Wise kommt unter die Räder: Kriminalroman

Gilbert Larose und das Haus in den Sümpfen: Kriminalroman

4 Krimis Sonderband 1011

Pete Hackett, Alfred Bekker, Carolyn Wells, Arthur Gask

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Trevellian und der Tod auf dem Catwalk (Pete Hackett)

Commissaire Marquanteur und der Hund (Alfred Bekker)

Pennington Wise kommt unter die Räder (Carolyn Wells)

Gilbert Larose und das Haus in den Sümpfen: Kriminalroman (Arthur Gask)

Eine reißende Bestie geht in Marseille um und tötet Menschen. Angeblich handelkt es sich um einen monströsen Hund. So jedenfalls sagen die Augenzeugenberichte derer, die überlebt haben. Aber die Spurenlage ist verwirrend, IT-Spezialisten und Drogenhändler haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Commissaire Marquanteur und seine Kollegen jagen ein Phantom.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Jack Raymond, Jonas Herlin, Dave Branford, Chris Heller, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Trevellian und der Tod auf dem Catwalk: Action Krimi

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 121 Taschenbuchseiten.

Wer ermordet Models auf dem Laufsteg in aller Öffentlichkeit? Der Verdacht fällt sofort auf die Mitglieder der PETA, die lautstark und aggressiv gegen den Handel mit Pelzen protestieren. Dann werden im Besitz des einen Models gestohlene Bilder entdeckt. Ist der Mörder in Kreisen des organisierten Kunstraubs zu finden? Keine leichte Aufgabe für die FBI-Agenten Trevellian und Tucker.

1

»Du bist dran, Grazia«, sagte Paul Belmont, der New Yorker Modeschöpfer. Soeben kam ein Model zurück, das einen langen Pelzmantel vorgeführt hatte. »Du hast deine Sache gut gemacht, Kelly«, sagte Belmont anerkennend und versetzte der jungen Frau einen leichten Klaps auf die Schulter. Sie lächelte geschmeichelt.

Grazia di Stefano verzog geringschätzig den Mund, dann setzte sie sich in Bewegung. Sie führte eine Pelzjacke mit dazugehöriger Mütze vor. Extravagante Mode. Vor dem Gebäude demonstrierten die Aktivisten der PETA. Parolen wie »Kein Blut für Mode», »Stoppt den Pelzhandel« und »Tiere haben ein Recht auf ein unversehrtes Leben« standen auf den Plakaten, die die Tierschützer in die Höhe hielten. Im Chor riefen sie ihre Parolen.

Grazia lief bis zum Ende des Catwalks, dann machte sie kehrt. Plötzlich bäumte sie sich auf, dann brach sie zusammen …

*

Mein Telefon läutete, ich schnappte mir den Hörer und hob ihn vor mein Gesicht, nannte meinen Namen und hörte die Stimme von Mr. McKee: »Guten Morgen, Jesse«, sagte der Assistant Director. »Können Milo und Sie gleich mal zu mir kommen?«

»Natürlich, Sir.« Ich legte auf. Milo schaute fragend. Ich wies mit dem Kinn zur Tür. »Der Chef hat gerufen.«

Wenig später betraten wir sein Büro. Er kam um seinen Schreibtisch herum, begrüßte uns per Handschlag und forderte uns auf, Platz zu nehmen. Er setzte sich zu uns an den kleinen Konferenztisch und sagte: »Das Police Department hat eine Mordsache an uns abgegeben. Ein mysteriöser Fall. Es geht um den Tod eines Mannequins. Ihr Name ist Grazia di Stefano. Sie wurde bei einer Vorführung auf offener Bühne erschossen. Der Mörder konnte unerkannt entkommen.«

Ich pfiff zwischen den Zähnen. »Kein alltäglicher Fall«, und fragte sogleich: »Sonst irgendwelche Erkenntnisse?«

»Warum drückt man uns den Fall aufs Auge?«, knurrte Milo wenig begeistert.

»Grazia di Stefano hat keinen Wohnsitz im Staat New York«, versetzte Mr. McKee und richtete den Blick auf mich. »Bei der Modenschau wurden Pelze vorgeführt. Die Aktivisten der PETA demonstrierten. Initiator der Vorführung war der Modeschöpfer Paul Belmont. Ein New Yorker Designer.«

Zurück in unserem Büro studierten wir die Akte, die uns der AD ausgehändigt hatte. Der Mord geschah in einem Kaufhaus in der Fifth Avenue. Der Mörder hatte von einer Empore aus geschossen. Er hatte ein Gewehr mit einem Schalldämpfer benutzt. Es waren einige Vernehmungen durchgeführt worden. Doch nirgends bot sich ein Hebel, an dem wir ansetzen hätten können.

Paul Belmont wohnte in der 54th Street. Wir beschlossen, mit ihm zu sprechen. Ich fand einen Parkplatz ein Stück von dem Gebäude entfernt, in dem der Modeschöpfer wohnte. Die Wohnung lag in der neunten Etage. Belmont war Mitte der vierzig und dunkelhaarig. Er war ziemlich extravagant gekleidet. Ein wenig erinnerte er an Karl Lagerfeld, nur dass dieser gut fünfundzwanzig Jahre älter und weißhaarig war.

Belmont bat uns, nachdem ich uns vorgestellt und mich ausgewiesen hatte, in die Wohnung. So ausgefallen wie seine Kleidung war auch die Wohnung eingerichtet. Glas und Chrom. Sicherlich Designermöbel. Eine blondhaarige Frau saß auf der Couch und musterte uns. Belmont stellte sie uns als Kelly Danner vor und erklärte uns, dass sie nicht nur seine Freundin sei, sondern auch für ihn als Model arbeite.

»Aber nehmen Sie doch Platz, Special Agents«, sagte er dann und wies auf die schweren Ledersessel, die um einen niedrigen Glastisch gruppiert waren. »Es geht um den Mord an Grazia, nicht wahr?«, fragte er, als wir saßen. Auch Belmont hatte Platz genommen.

»Sehr richtig«, erwiderte ich.

»Ich habe alles, was ich weiß, schon Ihren Kollegen von der Mordkommission berichtet«, erklärte Belmont. »Es war nicht viel. Wir kamen gar nicht richtig zum Denken. Es war auch kein Schuss zu hören. Zuerst dachten wir, Grazia wäre es schlecht geworden. Aber dann …«

Er brach ab und fuhr sich mit fahriger Geste über das Gesicht.

»Grazia di Stefano stammt nicht aus New York«, sagte Milo.

»Nein. Sie lebte in Cincinnati. Aber sie arbeitet seit Längerem immer wieder mal für mich, und so habe ich sie auch für dieses Event engagiert.« Belmont verdeckte einen Moment seine Augen mit der Hand. »Es ist so schrecklich, und es will mir noch immer nicht in den Kopf. Grazia war so gut drauf.«

»Sie haben die Tierschützer der PETA in Verdacht«, sagte ich. »Das haben Sie zumindest bei Ihrer ersten Vernehmung angegeben.«

»Sie haben ziemlich massiv demonstriert. Die Veranstaltung fand unter Polizeischutz statt. Gäste der Show wurden bedroht. Es ist nicht auszuschließen, dass sich einer dieser militanten Tierschützer mit einem Gewehr in die Show schlich.«

»James Gardner, der die PETA in New York leitet, wurde vernommen«, erklärte ich. »Er distanziert sich vehement von dem Mord und schließt auch aus, dass einer der Aktivisten damit etwas zu tun hat. Natürlich werden wir mit den Leuten, die vor Ort waren, sprechen. – Haben Sie eine Ahnung, ob Grazia di Stefano bedroht wurde?«

»Natürlich distanziert sich Gardner von dem Mord«, erregte sich Belmont. »Vielleicht hat er auch wirklich nichts damit zu tun. Nun, er hat die Demonstranten geschickt. Weiß er denn, ob nicht der eine oder andere mit einer Waffe zu der Demo gekommen ist?« Belmont zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung, ob Grazia bedroht wurde. Allerdings kann ich es mir nicht vorstellen. Wie ich schon sagte: Sie war gut drauf. Wenn sie bedroht worden wäre, hätte sich das sicherlich auf ihren Gemütszustand ausgewirkt und ich hätte eine Veränderung bei ihr wahrgenommen.«

Wir verließen Belmont und fuhren in die 89th Street, wo James Gardner wohnte. Eine Frau öffnete uns die Tür. Sie war etwa Ende zwanzig und hatte dunkle Haare. »Was kann ich für Sie tun?«

»Ich bin Special Agent Trevellian vom FBI New York«, stellte ich mich vor. »Das ist mein Kollege Tucker. Können wir Mister Gardner sprechen?«

»Mein Mann ist in der Arbeit.«

»Wo arbeitet er?«

Es war ein Großhandel für Elektrogeräte in Queens. Die Frau gab uns die genaue Adresse. Ich bedankte mich, und wenig später waren wir auf dem Weg nach Osten. Gardner arbeitete als Buchhalter in dem Betrieb. Er verfügte über ein eigenes Büro, und so waren wir ungestört.

»Ich habe bereits ausgesagt«, gab Gardner zu verstehen. »Es ist richtig, wir haben vor dem Kaufhaus demonstriert. Unser Ziel ist es, zu erreichen, dass die großen Kaufhäuser und Kaufhausketten keine Pelze mehr zum Kauf anbieten. Über unsere Beweggründe muss ich Sie schätzungsweise nicht aufklären, Special Agents. Die sind hinreichend bekannt.«

»Ja, das sind sie. Wir haben die Namen der Männer und Frauen, die Sie mobilisiert haben. Es ist auch amtlich, dass keiner von ihnen das Kaufhaus betreten hat.«

»Ein Polizeiaufgebot hat uns davon abgehalten«, erwiderte Gardner. »Es kam jedoch zu keinerlei Ausschreitungen. Die Demo verlief friedlich. – Wir sind gegen das Abschlachten von Tieren, deren Pelze verarbeitet werden. Aber mit Mord haben wir nichts am Hut. Was sollte auch die Ermordung eines Models für einen Sinn haben? Dadurch wäre nichts aufzuhalten.«

Ich konnte mich dieser Argumentation nicht verschließen. Und ich glaubte auch nicht daran, dass Grazia di Stefano ermordet worden war, weil sie Pelzmode vorführte. Mit dem Mord an ihr ließ sich nicht mal ein Exempel statuieren. Im Hinblick auf die Interessen, die die PETA verfolgte, wäre der Mord an dem Model absolut sinnlos gewesen.

Dem verlieh ich auch Ausdruck, als wir wieder auf dem Weg zum Field Office waren. Milo pflichtete mir bei, indem er sagte: »Ich bin ganz deiner Meinung, Partner. Das Motiv für den Mord ist im privaten Umfeld des Models zu suchen. Wir sollten uns mal mit der Polizei in Cincinnati kurzschließen.«

Zurück im Field Office nahm ich mit dem Police Department in Cincinnati Verbindung auf.

2

Einen Tag später erhielt ich einen Anruf aus Cincinnati. Der Kollege, der mich anrief, hieß Matt Callagher, sein Dienstgrad war Inspektor. Er sagte: »Wir haben mit Isabel di Stefano, einer Schwester der Ermordeten, gesprochen. Außerdem haben wir uns in Grazia di Stefanos Wohnung umgesehen. Ich weiß nicht, ob es für Ihren Fall von Bedeutung ist, Kollege. Aber in der Wohnung hing ein Gemälde, das vor etwas über einem Jahr bei einem Einbruch in eine Galerie in Denver gestohlen wurde. Ein echter Kandinsky.«

»Interessant«, murmelte ich. »Sonst irgendwelche Erkenntnisse?«

»Von Isabel di Stefano habe ich erfahren, dass ihre Schwester bis vor einem halben Jahr mit Paul Belmont liiert war.«

Das war für uns von besonderem Interesse. Wir suchten Paul Belmont sofort auf. »Warum haben Sie uns verschwiegen, dass Sie bis vor einem halben Jahr mit Grazia di Stefano liiert waren?«, fragte ich, nachdem er uns in die Wohnung gebeten und zum Sitzen aufgefordert hatte.

Er presste sekundenlang die Lippen zusammen, sodass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten. Dann antwortete er: »Ich dachte nicht, dass dies von Bedeutung wäre.«

»Das zu entscheiden sollten Sie uns überlassen«, knurrte Milo etwas ungehalten.

»Es ist richtig«, so ergriff Belmont noch einmal das Wort. »Wir waren ein Paar. Fast ein Jahr lang. Ich habe Schluss gemacht. Grazia verließ daraufhin New York und zog zurück nach Cincinnati. Ich habe ihr immer wieder einen Job gegeben. Wir sind nach der Trennung Freunde geblieben.«

»Können Sie mir etwas über den Bekanntenkreis von Grazia erzählen?«

Belmont schüttelte den Kopf. »Nein. Ich weiß allerdings, dass sie nach unserer Trennung Single geblieben ist. Suchen Sie in ihrem Bekanntenkreis etwa ihren Mörder?«

»Nein. Aber in Grazias Wohnung wurde ein Bild gefunden, das vor über einem Jahr aus einer Galerie in Denver geraubt wurde.«

»Was schließen Sie daraus?«

»Dass Grazia di Stefano ein gestohlenes Bild erworben hat. Vielleicht hat jemand aus ihrem Bekanntenkreis eine Ahnung, woher das Gemälde stammt.«

Belmont überlegte kurz. Irgendwie mutete er mich in dieser kurzen Zeitspanne ziemlich geistesabwesend an. »Sicher wusste Grazia nicht, dass das Bild gestohlen war«, sagte er schließlich. »Sie war Kunstliebhaberin. Dahingehend gingen unsere Interessen konform. Auch ich bin Kunstfreund. Ich bin überhaupt für das Schöne empfänglich.«

»Jetzt sind Sie mit Kelly Danner liiert, nicht wahr?«, fragte Milo. »Haben Sie ihretwegen Grazia den Laufpass gegeben?«

»Nein. Dazwischen gab es noch zwei andere Frauen. Wie ich schon sagte: Ich bin für das Schöne ausgesprochen empfänglich.«

Er grinste süffisant.

Milo und ich wechselten einen schnellen Blick.

»Ja, das sieht man an Ihrer Kleidung«, murmelte Milo anzüglich.

»Gefällt sie Ihnen nicht?«

»Nun, sie ist sehr extravagant.«

»Sie gefällt Ihnen also nicht.«

Milo gab darauf keine Antwort.

Ich sagte: »Kelly Danner arbeitet auch für Sie als Model. Gab es zwischen ihr und Grazia Streit?«

»Nein. Außerdem trafen sie anlässlich der Modenschau bei Harper‘s zum ersten Mal zusammen. Kelly wusste gar nicht, dass ich mal mit Grazia ein Verhältnis hatte.«

Ich schaute mich um. »Man sieht, dass Sie Kunstliebhaber sind, Mister Belmont.«

In der Tat hingen eine Reihe von Gemälden an den Wänden.

»Die sind alle echt«, erklärte Belmont stolz. »Haben mich ein kleines Vermögen gekostet, die Bilder. Es sind Sachen namhafter Künstler darunter. Nun, ich betrachte den Erwerb der Bilder auch als Geldanlage. Andere investieren in Gold oder Briefmarken, ich kaufe Bilder. Sie verlieren nie ihren Wert. Im Gegenteil …«

Wir kehrten ins Field Office zurück. Ich rief noch einmal den Kollegen in Cincinnati an und ließ mir die Telefonnummer von Isabel di Stefano geben. Wenig später hatte ich die Schwester der Ermordeten an der Strippe.

»Ich arbeite ebenfalls als Model«, erklärte sie, »und hatte nur wenig Kontakt zu meiner Schwester. So kann ich Ihnen keine Auskunft erteilen, wer zu ihrem Bekanntenkreis gehört. Unsere Eltern leben hier in Cincinnati, und wir sind in dieser Stadt aufgewachsen. Das war wohl auch der Grund, weshalb Grazia – nachdem sie das Verhältnis mit Belmont beendete – nach Cincinnati zurückkehrte.«

»Grazia beendete das Verhältnis?«

»Ja. Das behauptete sie zumindest.«

»Belmont behauptet das Gegenteil«, sagte ich.

»Verletzter Stolz vielleicht, ein gekränktes Ego. Vielleicht verdrängt er es, den Laufpass erhalten zu haben. Ich denke, es spielt keine Rolle.«

Ich war anderer Meinung. »Haben Sie eine Ahnung, weshalb gegebenenfalls Ihre Schwester Schluss machte?«

»Nein. Ich habe mich nie sonderlich für das Privatleben meiner Schwester interessiert.«

Ich bedankte mich. Dann rief ich Paul Belmont an. »Isabel di Stefano behauptet, dass Sie von Grazia di Stefano den Laufpass erhielten«, sagte ich.

»Ist das für den Mordfall von Belang?«, fragte der Modeschöpfer.

»Unter Umständen.«

»Sicher, die Tatsache, dass Grazia mit mir Schluss machte, könnte ein Motiv für den Mord sein.«

»Es ist zumindest nicht von der Hand zu weisen.«

Belmont lachte etwas gekünstelt auf. »Ich weiß nicht, was Ihnen Isabel erzählt hat, aber das Verhältnis zwischen Grazia und mir habe ich beendet. Nach einer gewissen Zeit beginnt mich jede Frau zu langweilen. Ich bin stolz darauf, dass noch nie eine Frau mit mir Schluss gemacht hat.«

Er schien wirklich über ein ausgeprägtes Ego zu verfügen.

»Macho«, murmelte Milo, nachdem ich aufgelegt hatte und seufzte. »Für mich ist dieser Kerl ein Kotzbrocken. Aber ich muss wohl Objektivität bewahren. Darum vergiss, was ich gesagt habe.«

Ich grinste. »Wo du recht hast, hast du recht«, knurrte ich.

3

Detective Lieutenant Max McAllister vom Detective Bureau des NYPD befahl um Punkt 22 Uhr den Zugriff. Die Tür der Wohnung wurde aufgerammt, einige Polizisten drangen in das Apartment ein. Ein Mann schoss erschreckt aus einem Sessel in die Höhe. »Was …«

»Keine Bewegung!«, ertönte es klirrend.

Drei – vier Polizisten besetzten das Wohnzimmer. Sie hielten Pistolen in den Fäusten. Jacob Meredith hielt die Hände in Schulterhöhe. Seine Augen flackerten. In seinem Gesicht arbeitete es.

Der Detective Lieutenant trat vor Jacob Meredith hin. »Sie haben beim Einbruch in Mossman‘s Galerie Ihre Prints zurückgelassen, Meredith. Ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes. Sie haben das Recht, zu schweigen …«

Meredith wurde über seine Rechte aufgeklärt, dann klickten Handschellen.

4

»Die Bande arbeitet grenzüberschreitend«, sagte Mr. McKee. »Darum wurden die weiteren Ermittlungen an uns abgegeben. Kümmern Sie beide sich darum, und halten Sie mich auf dem Laufenden.«

Damit waren Jennifer Johnson und Blair Duvall entlassen. Sie begaben sich in ihr Büro. Nachdem sie sich mit dem Sachverhalt vertraut gemacht hatten, beschlossen Sie, nach Rikers Island zu fahren und Jacob Meredith zu vernehmen.

Meredith war ein Mann von sechsunddreißig Jahren, der eine Reihe von Vorstrafen aufzuweisen hatte. Trotzig erwiderte er die Blicke der beiden Agents.

»Setzen Sie sich«, sagte Jennifer.

Meredith ließ sich nieder, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und legte beide Arme auf den Tisch.

»Wir sind nicht vom Police Department«, gab Jennifer zu verstehen. »Ich bin Special Agent Jennifer Johnson vom FBI New York, das ist mein Kollege Special Agent Duvall.«

»Wieso FBI?«

»Nun, wir denken, dass Sie und Ihre Bande für Einbrüche in verschiedenen Staaten in Frage kommen«, sagte Blair Duvall, der baumlange Afroamerikaner. »Die Handschrift ist immer dieselbe. Es gab Einbrüche in Pittsburgh, Indianapolis, Detroit, New York – nur um einige der Städte zu nennen. Wollen Sie wirklich den Kopf allein in die Schlinge stecken, Meredith?«

»Mister Meredith.«

»Natürlich – Mister Meredith.«

»Ihr müsst mir die Einbrüche erst mal nachweisen«, maulte Meredith. »Okay, okay, den Einbruch in Mossman‘s Galerie gebe ich zu. Aber …«

»Sie haben das Ding doch nicht alleine durchgezogen«, unterbrach ihn Duvall. »Nennen Sie uns Namen, Mister Meredith.« Das Wort Mister betonte Duvall ganz besonders. »Wem haben Sie die Bilder, die gestohlen wurden, verkauft? Sprechen Sie, Mister Meredith. Das Gericht weiß es zu honorieren, wenn sich jemand kooperativ erweist.«

»Was können Sie mir denn anbieten? Komme ich frei, wenn ich Namen nenne?«

»Wir könnten mit dem Staatsanwalt reden. Sicher wissen Sie über die Kronzeugenregelung Bescheid. Ja, da ist sicher etwas zu machen.«

»Reden Sie mit dem Staatsanwalt, und dann kommen Sie wieder.«

»Warum sind Sie so stur, Meredith?«, fragte Jennifer Johnson.

Dieses Mal regte sich Meredith nicht auf über die etwas respektlose Anrede. Er knurrte: »Es ist doch verständlich, dass ich versuche, das Beste für mich rauszuholen.«

»Sicher, das ist legitim«, versetzte Jennifer. »Wir werden also mit dem Staatsanwalt sprechen. Haben Sie schon einen Rechtsanwalt?«

»Einen Pflichtverteidiger.«

»Sie sollten sich mit ihm unterhalten. Sicher rät er Ihnen dazu, uns die Namen Ihrer Komplizen und Ihres Hehlers zu nennen.«

»Sprechen Sie erst mit dem Staatsanwalt. Wenn ich den Mund aufmache, dann muss sich das für mich auch rentieren.«

»Wir kommen wieder«, versprach Jennifer, dann ließ sie Meredith abführen.

5

Mein Telefon läutete, und ich nahm den Hörer ab. »Trevellian, FBI New York.«

»Hallo, Herr Kollege. Hier spricht Special Agent Matt Brunot vom Field Office Baltimore.«

»Hallo, Kollege. Was verschafft mir die Ehre?«

»Eine unerfreulich Sache, Special Agent. Bei einer Modenschau in unserer Stadt kam ein Model ums Leben. Der Name der Lady ist Britta Welsh, sie wurde erschossen. Sie haben in New York doch auch einen Mord an einem Model.«

Ich war wie elektrisiert. »Ja«, sagte ich, als ich die Hiobsbotschaft verarbeitet hatte. »Unter welchen Umständen geschah der Mord?«

»Miss Welsh wurde auf dem Laufsteg erschossen. Der Schütze muss in einem Entlüftungsschacht gesteckt haben. Er entkam unerkannt und hat auch keine brauchbaren Spuren hinterlassen. Ein Profi.«

»Welche Mode hat Britta Welsh vorgeführt?«

»Pelze.«

»Dann waren sicher auch die Aktivisten von PETA vor Ort«, stellte ich fest.

»Ja. Es hat ziemlich heftige Demos gegeben. Die Polizei musste einschreiten. Natürlich haben wir eine Reihe der Aktivisten vernommen. Doch das Ergebnis war null.«

»Wer war Ausrichter der Modenschau?«

»Die Modehauskette Blainsdale. Es wurden Pelze eines französischen Designers gezeigt. Wie es scheint, gehen der Mord bei Ihnen und der an Britta Welsh auf dasselbe Konto. Sind Sie zu irgendwelchen Erkenntnissen gekommen? Haben Sie etwas herausgefunden, was wir vielleicht wissen sollten?«

»Wie ist der Name des Designers?«

»Pierre Barraqué. Er lebt normalerweise in Paris. Die Models wurden ihm von einer Agentur in Chicago zugewiesen.«

»Wir wissen nichts«, musste ich zugeben. »Auch wir haben einige Aktivisten von PETA vernommen, sind aber nicht weitergekommen. Es ergäbe auch keinen Sinn, wenn die PETA Models erschießen lassen würde. Die Organisation würde damit nichts erreichen. Den Aktivisten der PETA geht es darum, auf Modehäuser einzuwirken, keine Pelze mehr zu verkaufen. Die PETA kommt nach meiner Meinung für die Morde nicht in Frage.«

»Was könnte sonst das Motiv für die Morde sein?«

»Wir wissen es nicht. Aber wir sind am Ball. Sollten wir zu irgendwelchen Erkenntnissen kommen, werden wir Sie in Kenntnis setzen.«

»Ich bitte darum. Für den Fall, dass wir etwas herausfinden, werden wir Sie natürlich ebenfalls unterrichten.«

Ich verabschiedete mich und legte auf.

»Das ist ein Hammer«, murmelte Milo.

»Wäre doch interessant, zu wissen, ob Belmont das Model gekannt hat«, sagte ich.

»Denkst du, dass Belmont etwas mit den Morden zu tun hat?«

»Wir müssen jede Eventualität ins Kalkül ziehen«, erwiderte ich.

»Sicher.«

Wir begaben uns in die 54th Street. Bei Belmont befand sich wieder das blonde Modell mit dem Namen Kelly Danner. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte Belmont ein wenig genervt.

»Ein weiteres Model wurde erschossen«, erklärte ich.

Belmont schaute betroffen drein. Er schluckte würgend. Sein Kehlkopf rutschte hinauf und hinunter. »Sagen Sie bloß«, murmelte er.

»Ja, und zwar in Baltimore. Der Name des Mannequins ist Britta Welsh. Sie trat für einen französischen Designer auf. Pelzmode! Kennen Sie das Model?«

Belmont ließ sich schwer in einen Sessel fallen und griff sich an den Kopf. Eine theatralische Geste. »Großer Gott« stöhnte er. »Das – das waren wieder diese verdammten Pelzgegner, diese militanten Aktivisten der PETA.«

»Kannten Sie Britta Welsh?«, wiederholte ich meine Frage.

»Ja – ja. Britta arbeitete manchmal für mich. Das letzte Mal hatte ich sie vor etwa vier Monaten engagiert.«

»Kannten Sie Britta Welsh näher?«, fragte Milo.

Belmont duckte sich ein wenig. »Ich verstehe Ihre Frage. Sie wollen wissen, ob Britta und ich …«

»Ja, Sie haben die Frage richtig verstanden.«

»Nein, da war nichts.« Belmont griff nach der Schachtel Lucky Strike, die auf dem Tisch lag, schüttelte sich eine Zigarette heraus und zündete sie an. Tief inhalierte er den ersten Zug. Dann stieß er den Rauch durch die Nase aus. »Gibt es schon eine Spur?«

»Nein«, antwortete ich. »Im Gegensatz zu Ihnen sind wir jedoch davon überzeugt, dass die PETA für die Morde nicht in Frage kommt.«

»Wer sonst sollte Interesse daran haben, Models zu ermorden?«

»Was brächte der PETA der Tod zweier Models?«, lautete meine Gegenfrage.

Belmont fixierte mich verblüfft. Dann knurrte er: »Die Organisation will Angst und Schrecken verbreiten. Es soll sich kein Model mehr finden, das Pelze vorführt. Das ist das Motiv. Die Aktivisten beschränkten sich nicht mehr auf das Hinausbrüllen von irgendwelchen Parolen. Sie verleihen ihrer Forderung nach Einstellung der Pelzverarbeitung mit einigen Morden Nachdruck.«

Belmont saugte an der Zigarette.

Als wir wieder auf dem Weg zum Field Office waren, sagte Milo: »Ganz ausschließen können wir nicht, dass nicht doch ein Mitglied der PETA der Todesschütze ist.«

»Reden wir noch einmal mit Gardner«, schlug ich vor.

»Einverstanden. Doch sollten wir uns vorher versichern, ob er zu Hause ist.«

Milo suchte die Nummer im elektronischen Telefonbuch heraus, dann rief er an. Da der Lautsprecher der Freisprechanlage aktiviert war, konnte ich hören, dass sich Mrs. Gardner meldete. Milo nannte seinen Namen, dann fragte er, ob James Gardner zu sprechen sei. Die Frau erklärte, dass er sich auch heute in der Arbeit befand. Milo bat um seine Telefonnummer. Und eine Minute später hatte er Gardner an der Strippe. Milo sagte, nachdem er sich vorgestellt hatte: »Es gab einen Vorfall in Baltimore, Mister Gardner. Ein weiteres Model wurde ermordet, und wieder waren die Leute der PETA aktiv.«

»Ich sagte Ihnen doch schon, dass ich in der Ermordung eines Models keinen Sinn sehe. Außerdem hat Baltimore seine eigene Gruppe. Von den Leuten, die mit mir bei Harper‘s demonstrierten, war sicher keiner in Baltimore. Wir haben genug in New York zu tun. Sie haben von mir die Namen der Männer und Frauen.«

Milo nannte Gardner den Tag und die Uhrzeit des Mordes und Gardner antwortete: »Zu dieser Zeit war ich nachweislich in der Arbeit.«

Nachdem Milo das Gespräch beendet hatte, meinte er: »Man wird uns sein Alibi bestätigen.«

»Davon bin ich überzeugt.«

»Eine harte Nuss, die wir mit diesem Fall zu knacken haben.«

»Eine Nuss, an der wir uns vielleicht sogar die Zähne ausbeißen.«

6

»Eine Bewährungsstrafe«, sagte Meredith. »Ja, das hört sich gut an. Na schön, ich verlasse mich darauf. Mein Anwalt ist Zeuge.«

Der Rechtsanwalt nickte.

»Sie können sich darauf verlassen, Mister Meredith«, sagte der Vertreter der Anklagebehörde, der zusammen mit Jennifer Johnson und Blair Duvall nach Rikers Island gekommen war.

»Und mein Mandant wird aus der Untersuchungshaft entlassen?«, sagte der Anwalt.

»Ja. Er muss lediglich seinen Reisepass abgeben, damit er Amerika nicht verlassen kann. Und er muss einmal wöchentlich bei dem für seine Wohnung zuständigen Revier vorstellig werden.«

»Diese Auflagen werde ich einhalten«, versicherte Meredith.

»Dann steht Ihrer Aussage nichts mehr im Weg«, sagte Blair Duvall. »Also packen Sie aus. Wer sind Ihre Komplizen, wer ist Ihr Hehler? Sprechen Sie, Mister Meredith. Und morgen schon sind Sie ein freier Mann.«

Meredith schaute seinen Anwalt an. Dieser nickte. »Gut, dann hören Sie zu«, sagte Meredith.

7

Wir kamen gerade von Mr. McKee, wo wir berichtet hatten, als Jennifer Johnson und Blair Duvall aus dem Aufzug stiegen. Wir begrüßten uns. Duvall grinste. Sein weißes Gebiss bildete einen scharfen Kontrast zur dunklen Farbe seines Gesichts. »Alles klar, Leute? Ihr seht so unzufrieden aus. Was ist euch für ‘ne Laus über die Leber gelaufen?«

»Sieht man uns das an?«, fragte Milo.

Jennifer lachte. »Einen sehr glücklichen Eindruck vermittelt ihr in der Tat nicht.«

Ich berichtete den beiden mit knappen Worten von unserem Fall und erzählte auch, dass wir auf der Stelle traten.

Jennifer sagte: »Dafür waren wir erfolgreich. Wir ermitteln eine Einbruchs- und Diebstahlserie. Es geht um Gemälde. Die Diebe sind in ganz Amerika tätig. Museen und Galerien. Heute hat der Bursche, der in diesem Zusammenhang festgenommen wurde, geredet. Wir haben Namen. Und nun werden wir uns daran machen, den Kerlen ein wenig auf die Finger zu klopfen.«

»Das ist ja interessant«, sagte ich. »In Grazia di Stefanos Wohnung wurde ein gestohlenes Bild entdeckt. Es stammt aus einem Einbruch in Denver.« Ich lachte. »Vielleicht hat euer Mann das Bild geklaut.«

Blair Duvall holte ein Büchlein aus der Innentasche seiner Jack und schlug es auf, warf einen Blick hinein und sagte: »Ich glaubte mich doch erinnern zu können. Denver ist unter den Städten, die uns Meredith genannt hat.«

Jennifer sagte: »Der Kerl, der die Bande beschäftigte, heißt Morgan Stilwell. Bei ihm wurden die gestohlenen Kunstwerke abgeliefert.«

»Ihr werdet euch den Burschen sicher kaufen«, sagte ich.

»Worauf du einen lassen kannst, Kollege«, sagte Duvall.

Jennifer verdrehte die Augen.

Milo und ich lachten. Ich fragte: »Wie heißt die Galerie in Denver?«

»Mit Namen konnte uns Meredith nicht dienen«, erwiderte Duvall. »Aber das herauszufinden dürfte ja kein besonderer Kraftakt sein. Lasst es uns wissen, wenn ihr den Namen festgestellt habt.«

»Sollen wir euch etwa die Arbeit abnehmen?«, knurrte Milo.

Duvall lachte. »Den Dummen, der uns die Arbeit abnimmt, haben wir leider noch nicht gefunden. Vielleicht willst du es sein, Milo.«

»Ha, ha.«

»Wir werden den Namen der Galerie herausfinden«, versicherte Jennifer.

Wir gingen weiter. Wenig später befanden wir uns in unserem Büro. Ich rief in Cincinnati an und fragte den Kollegen nach dem Namen der Galerie, aus der vor etwa einem Jahr der Kandinsky gestohlen worden war.

»Galerie vierundzwanzig«, sagte der Kollege wenig später. »Sie gehört einem Mann namens Jason Webster. Habt ihr eine Spur?«

»Bei den Dieben handelt es sich um eine New Yorker Bande«, erwiderte ich. »Wir kennen auch den Namen des Hehlers.«

»Halten Sie mich auf dem Laufenden, Trevellian.«

»Ehrensache.«

Ich legte auf. In dem Moment läutete mein Telefon. Ich hob es wieder vor mein Gesicht und meldete mich. Es war der Kollege aus Baltimore, der sagte: »Auch im Fall von Britta Welsh konnten wir das Geschoss sicherstellen, mit dem sie getötet wurde, Trevellian. Es stammt aus derselben Waffe, mit der Grazia di Stefano ermordet wurde. Damit ist also klar, dass es sich um ein und denselben Täter handelt.«

»Lassen Sie mir bitte das ballistische Gutachten zukommen«, sagte ich.

»Sie haben es in drei Minuten im elektronischen Postfach.«

»Vielen Dank.«

Da Milo dank des aktivierten Lautsprechers alles hören konnte, was gesprochen worden war, musste ich nichts wiederholen. Er sagte: »Wenn wir wenigstens das Motiv wüssten, das für den Tod der Models tragend ist, dann wären wir einen gehörigen Schritt weiter. So aber …«

Milo brach ab.

*

Der erste Mann auf der Liste der Namen, die wir von James Gardner erhalten hatten, hieß Richard Vaughn. Er wohnte in West 97th Street. Vaughn war vierundzwanzig Jahre alt und arbeitslos. Er trug einen Ohrring und hatte die langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Er ließ uns in seine Wohnung.

»Sie sind PETA-Aktivist«, sagte ich.

»Ja, ich kämpfe gegen den Handel mit Pelzen, gegen den Mord an Tieren, die gezielte Aufzucht von Pelztieren zum Zweck der Abschlachtung und gegen jeden, der mit dem Verkauf von Pelzen auch nur einen einzigen Cent verdient.«

»Würden Sie für Ihre Überzeugung auch zur Waffe greifen?«

Vaughn lachte gallig auf. »Ich weiß – Sie untersuchen den Mord an dem Model. Aber damit sind Sie bei mir und meinen Gesinnungsgenossen, die die Pelzindustrie bekämpfen, an der falschen Adresse. Wir sind gegen Blutvergießen, wie unsere Aktionen in ausreichender Form untermauern. Das gilt auch für Menschenblut.«

»Sie treten bei Ihren Demos ziemlich massiv auf.«

»Wir wollen Zeichen setzen. Nur so können wir den einen oder anderen Händler bewegen, aus dem Geschäft mit den Pelzen auszusteigen. Und der Erfolg gibt uns recht. Wir haben …«

Ich unterbrach seinen Redefluss, indem ich sagte: »Wir haben uns via Internet kundig gemacht. Ja, Ihre Erfolge sind beachtlich. Zum Teil ist es aber auch ein Kampf gegen Windmühlenflügel, den Sie führen.«

»Das haben Sie richtig erkannt, Special Agent. Aber wir geben nicht auf.«

»In der Zwischenzeit kam es wieder zu einem Mord an einem Model«, sagte ich.

»Ich habe davon gehört. Nun, wir waren in Baltimore nicht vertreten. Aber wir haben dort unsere Leute.«

Mir war innerhalb dieser wenigen Minuten, die seit unserem Betreten der Wohnung vergangen waren, klar geworden, dass dieser Mann kein Mörder war. Wir stellten noch einige belanglose Fragen, dann verabschiedeten wir uns.

Die nächste Adresse war ein Mann namens Cole Frederick. Er wohnte in East 75th Street.

8

Blair Duvall legte seinen Daumen auf den Klingelknopf. Das »Dingdong« der Glocke war durch die geschlossene Tür zu vernehmen. Es dauerte nicht lange, dann verdunkelte sich die Linse des Spions, und dann wurde die Tür eine Handbreit aufgezogen und eine weibliche Stimme fragte: »Was kann ich für Sie tun?«

Jennifer übernahm es, sich und ihren Partner vorzustellen. Sie zeigte auch ihre ID-Card. Die Frau hatte die Tür ein wenig weiter geöffnet. »Wir würden gerne Ihren Mann sprechen«, erklärte Jennifer schließlich.

»Der ist in der Galerie. Was wollen Sie denn von ihm?«

»Das werden wir Ihrem Mann erzählen. Die Galerie befindet sich in der Warren Street, nicht wahr?«

»Richtig, neunundsiebzig Warren Street.«

Jennifer und ihr Partner verabschiedeten sich von der Frau. In der Galerie in der Warren Street trafen sie auf eine elegante Lady um die vierzig. Sie trug eine Brille und hatte die Haare zu einem strengen Knoten zusammengebunden.

»Guten Tag«, grüßte Blair Duvall und lächelte. »Sie erinnern mich an Miss Jeffords, Ma‘am. Ja, die Ähnlichkeit ist frappierend.«

Die Brauen der Lady zuckten in die Höhe. Es verlieh ihrem Gesicht einen arroganten Ausdruck. »Wer bitte ist Miss Jeffords?«

»Das war meine Lehrerin in der Grundschule in New Orleans.«

»Mag sein«, sagte die elegante Lady mit verschlossener Miene. »Womit kann ich Ihnen dienen?«

»Sagen Sie uns, wo wir Mister Stilwell finden.«

»Der hat nach dem Anruf seiner Frau vor etwa einer halben Stunde die Galerie verlassen und sagte mir nicht, wohin er sich begibt. Kann ich ihm etwas bestellen?«

»Nein«, erwiderte Jennifer. Dann nahm sie ihr Telefon zur Hand und rief beim Police Department an. »Wir befinden uns in Stilwells Art Gallery in der Warren Street und benötigen ein Team für eine Durchsuchung des Ladens. Es wird vermutet, dass Stilwell mit gestohlenen Bildern handelt.«

Die elegante Lady prallte regelrecht zurück.

Jennifer fuhr fort: »Außerdem bitte ich ein Team nach hundertfünfundsechzig West neununddreißigste Straße zur Wohnung von Stilwell zu schicken. Wir werden uns dorthin begeben, sobald Ihre Leute in der Warren Street angekommen sind.«

»Aber …«, stammelte die elegante Lady.

»Das ist so«, sagte Blair Duvall. »Aber Sie müssen sich nicht sorgen. Es sei denn, Sie sind in die dunklen Machenschaften Ihres Chefs verstrickt.«

»Ich – ich …«

Der Frau fehlten die Worte.

Es dauerte fast anderthalb Stunden, bis das Team aus dem Police Department eintraf. Jennifer und Blair Duvall überließen den Kollegen das Feld und fuhren in die 39th Street. Dort waren ebenfalls schon einige Kollegen bei der Arbeit.

Mrs. Stilwell war außer sich. Sie hatte bereits mit einem Rechtsanwalt Verbindung aufgenommen.

»Sie haben Ihren Mann gewarnt«, sagte Jennifer. »Wohin hat er sich abgesetzt?«

»Was Sie meinem Mann unterstellen, ist eine Unverschämtheit. Er ist ein seriöser Kunsthändler und …«

»Wir haben eine anders lautende Aussage«, unterbrach Blair Duvall die Frau. »Danach betätigt sich Ihr Mann als Hehler gestohlener Bilder. Und wenn wir auch nur ein einziges gestohlenes Bild bei ihm finden, dann – schätze ich – ist er dran. Warum hat er sich denn verdrückt? Weil er ein reines Gewissen hat?«

Die Frau wandte sich ab.

Eine halbe Stunde später erschien der Rechtsanwalt. »Was werfen Sie meinem Mandanten vor?«, fuhr er Jennifer und Blair an.

»Wir haben die Aussage eines Mannes, der einige Einbrüche in Galerien und Museen gestanden hat. Danach hat Ihr Mandant die gestohlenen Kunstwerke angekauft.«

»Das dürfte eine Unterstellung sein. Mein Mandant …«

»Ihr Mandant hat sich abgesetzt«, unterbrach ihn Blair. »Warum wohl?«

Der Rechtsanwalt warf Mrs. Stilwell einen verunsicherten Blick zu. Sie atmete tief durch und sagte schließlich: »Mein Mann befindet sich im Olcott.«

»Können Sie ihn anrufen?«, fragte Jennifer.

»Ich werde mit meinem Mandanten telefonieren«, schnappte der Rechtsanwalt und wandte sich an die Frau. »Bitte, Mrs. Stilwell, geben Sie mir seine Nummer.«

Er bekam sie und tippte sie in sein Handy. Gleich darauf sagte er: »Hallo, Mister Stilwell. Hier spricht Rechtsanwalt Glenn Stamford. Ihre Frau hat mich konsultiert. In Ihrem Haus befindet sich Polizei.«

Der Anwalt lauschte kurze Zeit, dann ergriff er wieder das Wort: »In Ordnung, Mister Stilwell. Ich hole Sie ab.«

Stamford beendete das Gespräch und sagte: »Mein Mandant ist bereit, sich zu stellen. Ich hole ihn im Olcott ab und komme mit ihm zu Ihnen ins Field Office. Ist das in Ordnung?«

Jennifer nickte. »Sind zwei Stunden ausreichend?«

Der Rechtsanwalt warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Okay, wir kommen um elf Uhr.«

Jennifer und ihr Teampartner verließen die Wohnung und fuhren ins Field Office. »Bin neugierig, was er uns als Ausrede präsentiert, weil er sich abgesetzt hat«, meinte Blair Duvall.

Jennifer zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass wir fündig werden.«

»Aber wir haben Meredith‘ Aussage. Und es gibt noch einige weitere Namen, die uns Meredith genannt hat. Egal, ob wir gestohlene Bilder bei Stilwell finden oder nicht – wir werden ihn festnageln.«

Morgan Stilwell und sein Anwalt kamen kurz vor 11 Uhr ins Field Office. Jennifer forderte die beiden auf, Platz zu nehmen. Stilwell war ein Mann von etwas über fünfzig Jahren, seine Haare waren grau und licht, sein Gesicht war wie zu Stein erstarrt, lediglich in seinen Augen war Leben. Sie waren unablässig in Bewegung. Zeichen seiner Unsicherheit.

»Sie wissen, was Ihnen vorgeworfen wird?«, eröffnete Jennifer das Gespräch.

In Stilwells Mundwinkeln zuckte es einige Male, dann erwiderte er: »Mein Anwalt hat mich in Kenntnis gesetzt. Ihre Vorwürfe sind natürlich lächerlich. Meine Weste ist absolut weiß.«

»Und warum haben Sie sich dann im Olcott verkrochen?«, blaffte Blair Duvall.

»Als mich meine Frau anrief, geriet ich in Panik.«

»Mein Mandant befürchtete, von Ihnen festgenommen zu werden. Darum reagierte er panisch. Man weiß ja, dass das FBI nicht gerade zimperlich ist.«

»Ich halte das für eine faule Ausrede«, knurrte Blair Duvall. »Aber es kann im Endeffekt dahingestellt bleiben. Wir haben die Aussage eines Mannes, der als Kunstdieb überführt wurde. Er beschuldigt Sie, Mister Stilwell.«

»Darf man seinen Namen erfahren?«, blaffte der Anwalt.

»Jacob Meredith. Er hat Einbrüche in Denver, Pittsburgh, Indianapolis, Detroit und New York gestanden und nach dem Namen seines Hehlers befragt nannte er uns den Ihren.«

»Das ist eine Lüge!«, erregte sich Stilwell.

»Bis zu einer endgültigen Klärung werden wir Sie jedenfalls festnehmen, Mister Stilwell«, versetzte Jennifer. »Es wird eine Anhörung geben, in deren Rahmen Meredith als Zeuge aussagen wird. Und dann haben Sie Gelegenheit, dem Gericht Ihre Version zu erzählen. Außerdem …«

Jennifer brach ab.

»Was?«, stieß der Anwalt hervor.

Jennifer lächelte süffisant. »Außerdem haben wir noch ein paar Namen auf unserer Liste – die Namen von Männern, die zusammen mit Jacob Meredith die Einbrüche verübten. Wir werden diese Männer verhaften. Und sie werden ganz gewiss den Namen ihres Hehlers nennen.«

In Stilwells Miene arbeitete es krampfhaft. Seine Kiefer mahlten. Er atmete stoßweise. Von seinen Zügen war abzulesen, dass er mit sich rang. Schließlich stieß er hervor: »Ich sehe es schon: Es hat keinen Sinn. Ja, es stimmt. Ich habe gestohlene Gemälde angekauft.«

Der Anwalt schaute seinen Mandanten mit großen Augen an.

»Na also«, sagte Blair Duvall und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, »geht doch. Vielleicht möchten Sie sich erst mit Ihrem Anwalt besprechen, ehe Sie ein Geständnis ablegen.«

Stilwell nickte.

9

Weder in Stilwells Wohnung noch in seiner Galerie wurden gestohlene Bilder gefunden. Morgan Stilwell verschwieg die Namen seiner Kunden, denen er die geraubten Kunstwerke verkauft hatte. Die Einbrüche waren auf »Bestellung« ausgeführt worden. Jennifer Johnson und Blair Duvall verhafteten vier weitere Männer, die zusammen mit Jacob Meredith die Einbrüche verübt hatten.

Wir hatten ein Bild von dem Kandinsky, der in Grazia di Stefanos Wohnung in Cincinnati sichergestellt worden war, ausgedruckt. Milo und ich begaben uns in den Zellentrakt, in dem Morgan Stilwell bis zur Anhörung arretiert war, und ließen den Gefangenen vorführen.

»Ohne meinen Anwalt spreche ich kein Wort mit Ihnen!«, blaffte der Hehler.

»Das ist Ihnen natürlich unbenommen«, erklärte Milo. »So sammeln Sie allerdings keine Punkte. Aber bitte, verständigen Sie Ihren Anwalt.«

»Was wollen Sie?«, lenkte Stilwell plötzlich ein.

Ich legte ihm den Ausdruck von dem Kandinsky vor. »Das Bild stammt aus einem Einbruch in Denver, Colorado.«

»Ich kenne es.«

»Wem haben Sie es verkauft?«

»Ich verrate keinen meiner Kunden.«

»Warum nicht? Sie haben nichts davon, wenn Sie diese Leute schützen.«

Milo mischte sich ein und sagte: »Das Bild wurde in einer Wohnung in Cincinnati sichergestellt. Besitzer der Wohnung war ein Mannequin namens Grazia di Stefano. Die Frau wurde in der Zwischenzeit ermordet.«

»Den Namen kenne ich nicht. Ich kann ausschließen, dass ich ihr das Bild verkauft habe.«

»Wem dann?«, fragte ich.

»Ich weiß es nicht mehr.«

»Denken Sie nach!«

»Ich weiß es wirklich nicht mehr, Special Agents.«

Und dabei blieb Stilwell. Wir ließen ihn abführen und begaben uns in das Büro von Jennifer Johnson und Blair Duvall.

»Wir haben mit Stilwell gesprochen«, sagte ich. »Es geht um dieses Kunstwerk.« Ich legte den Ausdruck mit dem Kandinsky auf den Tisch. »Es wurde in Denver gestohlen und fand sich in Grazia di Stefanos Wohnung wieder.«

»Denkt ihr, dass das Bild etwas mit ihrer Ermordung zu tun hat?«, fragte Jennifer.

Ich hob die Schultern. »Wir müssen jeder möglichen Spur nachgehen.«

Milo sagte: »Paul Belmont hat sich als Kunstliebhaber geoutet. Vielleicht sollten wir das Bild ihm einmal vorlegen.«

»Denkst du, dass es eine Verbindung gibt? Stilwell – Belmont – Grazia di Stefano.«

»Ich weiß es nicht.«

»Ich mache eine Fotokopie von dem Bild«, sagte Jennifer.

»Ich erledige das«, erklärte sich Blair bereit, nahm das Blatt Papier und verließ das Büro, um zum Fotokopierer zu gehen.

»Und?«, fragte Milo. »Habt ihr euch schon zusammengerauft?«

»Manchmal nervt er«, antwortete Jennifer lächelnd. »Aber man kann sich auf ihn verlassen. Ich denke, er fügt sich ganz gut ein bei uns.«

»Davon bin ich überzeugt«, gab ich zu verstehen. »Er ist in Ordnung.«

Bald darauf kam Blair zurück und gab mir den Ausdruck zurück. »Schon erledigt«, sagte er und grinste. »Wir werden das Bild Meredith vorlegen. Vielleicht kann er uns darüber etwas erzählen.«

Wir ließen Jennifer und Blair allein. Als wir unser Büro betraten, klingelte mein Telefon. Ich beeilte mich, den Hörer an mich zu nehmen und nannte meinen Namen. Eine weibliche Stimme erklang: »Hallo, Special Agent. Hier spricht Isabel di Stefano.«

»Guten Tag, Miss di Stefano.«

»Mit mir hat der Nachlassverwalter meiner Schwester Verbindung aufgenommen, Special Agent. Auf das Konto meiner Schwester sind seit einem halben Jahr monatlich fünftausend Dollar eingezahlt worden. Die Einzahlungen erfolgten in bar bei der Citi Bank in New York. Ich bin bezüglich des Geldeinganges ziemlich verwundert, nachdem meine Schwester kein festes Engagement hatte und nur unregelmäßig über Einkünfte verfügte.«

»Wir werden der Sache nachgehen«, versprach ich. »Geben Sie mir doch die Telefonnummer des Nachlassverwalters. Ich muss wissen, wann die Überweisungen erfolgten.«

»Das habe ich mir aufgeschrieben.«

Ich schnappte mir einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier aus dem Drucker, dann forderte ich Isabel di Stefano auf, mir die Daten sowie die Telefonnummer des Nachlassverwalters zu nennen. Ich schrieb mit, schließlich bedankte ich mich und beendete das Gespräch.

Gleich darauf hatte ich den Nachlassverwalter an der Strippe. Auf meine Frage erklärte der Mann: »Die Kontoauszüge weisen weder den Einzahler aus noch einen Grund für die Überweisung. Ich kann Ihnen dahingehend keine Auskunft erteilen. Ich rate Ihnen, die Originale der Überweisungsaufträge bei der Citi Bank einzusehen.«

»Das werden wir«, versicherte ich.

Die erste Überweisung war Anfang Juli vorgenommen worden, die letzte Anfang November. Der Mord an Grazia di Stefano geschah am 29. November. Im Dezember war keine Gutschrift mehr auf ihrem Konto erfolgt.

Die Unterschrift auf den Überweisungsbelegen war nicht zu entziffern. Wir befragten die Angestellten, die die Einzahlungen entgegengenommen hatten, und sie erklärten einvernehmlich, dass es sich bei dem Einzahler um einen Mann von etwa vierzig bis fünfundvierzig Jahren mit dunklen Haaren gehandelt hatte.

Wir nahmen die Originale der Überweisungsaufträge mit und überließen sie der SRD. Einen Tag später hatten wir ein Ergebnis. Auf allen Überweisungsaufträgen waren dieselben Fingerabdrücke festgestellt worden. Die Prints waren nicht registriert.

»Die Überweisungen erfolgen seit einem halben Jahr«, sagte ich. »Vor etwa einem halben Jahr beendeten Grazia di Stefano und Paul Belmont ihr Verhältnis. Die Beschreibung des Mannes, der jeweils fünftausend Dollar einzahlte, passt sehr gut auf Belmont. Wir sollten uns vielleicht mal mit dem Burschen unterhalten.«

»Eine gute Idee«, meinte Milo. »Ich rufe bei ihm an. Ich will nämlich den Weg in die vierundfünfzigste Straße nicht umsonst machen.«

Milo tippte die Nummer in seinen Apparat, gleich darauf sagte er: »Hallo, Mister Belmont. Wir haben einige Fragen an Sie. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie kommen zu uns, oder wir statten Ihnen einen Besuch ab.«

»Was für Fragen?«, tönte es aus dem Lautsprecher.

»Das wollen wir unter sechs Augen besprechen«, versetzte Milo.

»Na schön, dann kommen Sie her. Ich erwarte Sie.«

Ich faltete den Ausdruck mit dem Kandinsky zusammen und steckte ihn in die Tasche.

Der Sportwagen trug uns nach Norden. Belmont schaute nicht gerade begeistert drein, als er uns die Tür öffnete. Von Kelly Danner war heute nichts zu sehen.

Ich holte den Bogen Papier mit dem Kandinsky aus der Innentasche meiner Jacke, faltete ihn auseinander und reichte ihn Belmont. »Kennen Sie dieses Bild?«

Er warf einen Blick darauf, presste einen Moment lang die Lippen zusammen, dann reichte er mir den Ausdruck zurück und sagte: »Nein. Was hat es damit auf sich?«

»Es wurde in Grazia di Stefanos Wohnung sichergestellt. Ein echter Kandinsky.«

»Das ist unverkennbar.«

»Das Bild wurde aus einer Galerie in Denver geraubt. Wir haben die Kunstdiebe und den Hehler in der Zwischenzeit verhaftet.«

»Ich verstehe nicht, warum Sie deswegen zu mir kommen.«

»Grazia di Stefano hat seit einem halben Jahr monatlich fünftausend Dollar von einem – hm, unbekannten Gönner erhalten.«

Ich beobachtete das Gesicht von Belmont, um eventuell aus seiner Reaktion Schlüsse zu ziehen. Aber er verriet sich mit keinem Wimpernzucken.

»Vielleicht hat sie jemand erpresst«, mischte sich Milo ein. »Von Grazias Schwester wissen wir, dass sie kein festes Engagement hatte – also über kein geregeltes Einkommen verfügte. Wer sollte ihr grundlos fünftausend Dollar im Monat bezahlen?«

»Ich habe vor einem halben Jahr etwa mit Grazia Schluss gemacht«, erwiderte Belmont achselzuckend. »Außerdem sagte ich es bereits: Ich habe sie einige Male für Auftritte engagiert.«

»Das Geld wurde jeweils bar bei der Citi Bank eingezahlt«, erklärte ich unbeirrt. »Der Einzahler wurde uns als Mann von etwa vierzig bis fünfundvierzig Jahren mit dunklen Haaren beschrieben.«

»Ich bin dreiundvierzig und dunkelhaarig. Aber aus dieser Tatsache sollten Sie keine falschen Schlüsse ziehen.«

»Wir können Sie den Bediensteten der Bank gegenüberstellen.«

Belmont zuckte zusammen. Ich nahm in seinen Augen ein unruhiges Flackern wahr.

Ich faltete das Blatt Papier wieder zusammen und steckte es in die Tasche. Dann verließen wir Belmont.

10

Einen Tag später war es amtlich. Die Fingerabdrücke, die Belmont auf dem Bogen Papier mit dem Kandinsky hinterlassen hatte, waren identisch mit den Prints auf den Überweisungsträgern, die wir bei der Citi Bank beschlagnahmt hatten. Damit war erwiesen, dass Paul Belmont der Einzahler war.

»Bin neugierig, was der feine Herr dazu sagt«, knurrte Milo grimmig.

»Mit irgendeiner lapidaren Ausrede wird er uns sicherlich bedienen«, antwortete ich.

Mit unserer Erkenntnis konfrontiert stieß Belmont hervor: »Na schön, ich habe Grazia nach unserer Trennung finanziell unterstützt. Ich hatte Mitleid mit ihr. Das war auch der Grund, weshalb ich ihr hin und wieder einen Job gab. Sie war nicht besonders gut. Und bei anderen Modeschöpfern hatte sie kaum eine Chance. Ich fühlte mich ihr gegenüber moralisch verpflichtet.«

»Und warum verschwiegen uns das, als wir gestern bei Ihnen waren und mit Ihnen über die monatlichen Zahlungen an Grazia sprachen?«

»Ich wollte kein Aufhebens davon machen.«

»Halten Sie uns bitte nicht für dümmer, als wir vielleicht aussehen«, presste Milo hervor. Sein Tonfall war Spiegelbild seiner Stimmung. Ein Blick in sein Gesicht verriet mir, dass er wütend war. Milo ließ sich nicht gern auf den Arm nehmen.

»Sie haben auf den Überweisungsaufträgen weder Ihren Namen angegeben, noch haben Sie sie mit einer leserlichen Unterschrift quittiert«, sagte ich.

»Grazia wusste, von wem das Geld kam. Alles andere ist doch unerheblich.«

»Warum haben Sie ihr dreißigtausend Dollar gezahlt?« Ich übte mit meinem Blick Druck auf Belmont aus, und er schaute zur Seite. »Grazia hat Sie erpresst, nicht wahr?«

»Womit sollte ich erpressbar sein?«

»Das werden wir herausfinden. Sie ahnen sicher, was das unter dem Strich für uns heißt.«

Belmont starrte mich an.

Ich sprach es aus: »Sie hatten gegebenenfalls ein Motiv für den Mord an Grazia.«

Meine Worte fielen wie Hammerschläge.

Belmont zog den Kopf zwischen die Schultern. »Die Zahlungen an Grazia erfolgten freiwillig«, knirschte er dann. »Ich verdiene genug Geld, um mir das leisten zu können. Schließlich waren wir ein Jahr lang zusammen.«

»Leisten Sie auch an Ihre anderen Verflossenen derartige Zahlungen?«, erkundigte sich Milo.

»Nein. Bei Grazia war es etwas anderes.«

Als wir auf dem Weg zurück ins Field Office waren, sagte Milo: »Wenn Grazia Belmont erpresst hat, haben wir auch ein Mordmotiv. Aber warum musste Britta Welsh sterben?«

»Darauf kann ich dir auch keine Antwort geben. Wir werden noch einmal mit Baltimore Verbindung aufnehmen, damit die Kollegen die Konten des Models überprüfen. Vielleicht waren auch Geldeingänge zu verzeichnen.«

Diese Annahme erwies sich als irrig. Auf Britta Welsh‘ Konto waren keine Zahlungen eingegangen, die nicht zu belegen gewesen wären.

Dennoch richtete sich unser Verdacht auf Paul Belmont. Doch wir hatten gegen ihn nichts in Händen. Seine Behauptung, dass er Grazia di Stefano freiwillig finanziell unterstützt habe, war zwar absolut unglaubwürdig, aber nicht zu widerlegen.

Wir sprachen mit Mr. McKee darüber. Auch der AD wusste keinen Rat für uns. Er sagte: »Ein Zusammenhang zwischen den beiden Morden besteht. Die beiden Models wurden mit der gleichen Waffe erschossen. Für den Mord an Grazia di Stefano gäbe es möglicherweise sogar ein Motiv. Aber aus welchem Grund musste Britta Welsh sterben? Es gibt eine Unbekannte in diesem Spiel, Gentlemen. Und die gilt es herauszufinden.«

11

Dreimal tutete das Telefon bei Gordon Barrett, dem bekannten New Yorker Galeristen. Er schnappte sich den Hörer und nannte seinen Namen. Ein Mann sagte: »Haben Sie Interesse an einem Geschäft, Mister Barrett?«

»Welches Geschäft?«

»Wir haben einige Bilder anzubieten. Originale. Monet, Velázquez, Constable, Joan Miró …«

»Woher haben Sie die Bilder?«

»Das spielt keine Rolle. Sie können das Geschäft Ihres Lebens machen. Ich biete Ihnen die Bilder zu einem Drittel ihres tatsächlichen Wertes an.«

»Ich müsste mir die Kunstwerke erst ansehen.«

»Sie misstrauen mir?«

»Nun, es gibt viele Fälschungen.«

»Aber Sie hätten Interesse?«

»Ich muss mir das erst überlegen. Sind die Bilder gestohlen?«

»Wo denken Sie hin? Ich habe sie geerbt.«

»Ich überlege es mir. Melden Sie sich morgen wieder. Sagen wir gegen Mittag.«

»Was gibt es da zu überlegen? Denken Sie mal nach. Ich biete Ihnen die Bilder zu einem Bruchteil dessen, was sie tatsächlich wert sind.«

»Das ist ausgesprochen verlockend. Trotzdem bitte ich mir Bedenkzeit aus.«

»Na schön, ich rufe morgen Mittag noch einmal an. Bis dann, also.«

Barrett legte auf und schaute versonnen. Gedankenvoll nagte er an seiner Unterlippe. Vor ein paar Tagen hatte erst in der Times gestanden, dass ein namhafter New Yorker Galerist wegen Hehlerei festgenommen worden war. Er hatte Einbrüche in verschiedene Galerien und Museen des Landes initiiert. Wenn er sich richtig erinnerte, hatte das FBI die Ermittlungen geführt.

Der Kunsthändler schaltete seinen Computer ein und holte das elektronische Telefonbuch auf den Monitor. Er fand, was er suchte und tippte die Nummer des FBI ins Telefon, gleich darauf meldete sich eine rauchige Frauenstimme: »FBI Field Office New York, mein Name ist Linda. Was kann ich für Sie tun?«

»Ich will einen der Beamten sprechen, die in der Sache mit den Kunstdiebstählen ermittelten.«

»Einen Moment, ich verbinde Sie«, sagte die Telefonistin mit der sexy Altstimme, und wenig später meldete sich Jennifer Johnson.

Barrett stellte sich vor, dann sagte er: »Soeben erhielt ich einen Anruf. Jemand bot mir wertvolle Gemälde zu einem Drittel ihres tatsächlichen Wertes an. Ich denke, dass es sich um gestohlene Bilder handelt. Und da war doch erst vor ein paar Tagen die Sache mit diesem Galeristen, mit diesem Stilwell …«

»Wir kommen zu Ihnen, Mister Barrett«, erklärte Jennifer. »Wo können wir Sie sprechen?«

»In der Galerie. Die Adresse ist …«

12

Barrett griff nach dem Telefon. »Gordon Barrett.«

»Hallo, Barrett, haben Sie es sich überlegt?«

»Ja. Wo kann ich mir die Bilder ansehen?«

»Hundertvierundsechzig East einunddreißigste Straße, dritte Etage. Der Name auf dem Türschild lautet R. Anderson. Wann können Sie kommen?«

»Ich bin in einer Stunde bei Ihnen.«

»Gut, ich warte auf Sie.«

Gordon Barrett unterbrach die Verbindung und rief das FBI an, und als er Jennifer Johnson an der Strippe hatte, sagte er: »Hundertvierundsechzig East einunddreißigste Straße, dritte Etage, der Name ist R. Anderson.«

»Vielen Dank, Mister Barrett.«

13

Jennifer Johnson und Blair Duvall fuhren in die 31st Street. Sie parkten vor dem Gebäude mit der Nummer 164 und stiegen aus. Es handelte sich um ein Wohn- und Geschäftshaus. Sie begaben sich zur Rückseite und stellten fest, dass es keine Feuerleiter gab. Dann fuhren sie mit dem Aufzug in die dritte Etage. An der Tür mit dem Namensschild R. Anderson läutete Jennifer. Gleich darauf öffnete ein Mann. Ein Grinsen zog seinen Mund in die Breite – offensichtlich erwartete er jemand. Das Grinsen erlosch jedoch, als er Jennifer und Blair sah. »Wer sind Sie?«

»Ich bin Special Agent Jennifer …«

Die Tür flog zu.

Blair Duvall schob Jennifer mit einem schnellen Griff zur Seite und rammte mit der Schulter die Tür auf. Seinen hundert Kilo hielt sie nicht stand. Es krachte und splitterte. Duvall trat sofort in den Schutz der Wand. Die beiden Agents hatten ihre Pistolen gezogen.

Jennifer rief: »Anderson!«

»Was ist?«

»Geben Sie auf.«

»Niemals. Kommt nur herein.«

»Wir werden Sie in der Wohnung festnageln und in aller Seelenruhe darauf warten, dass ein Team von Spezialisten vom Police Department aufkreuzt, das Sie ohne viel Federlesens herausholt.«

Ein Schuss krachte. Die Kugel pfiff durch die offene Tür und meißelte ein faustgroßes Loch aus der gegenüberliegenden Wand. Putz und Mauerwerk spritzten.

»Was soll das, Anderson?«, fragte Blair Duvall. »Glauben Sie, Sie können uns damit beeindrucken?«

»Der Teufel soll Barrett holen!«, fauchte Anderson.

»Kommen Sie waffenlos und mit erhobenen Händen ins Treppenhaus«, forderte Jennifer den Gangster auf. »Oder wir kommen hinein. Zwingen Sie uns nicht, auf Sie zu schießen.«

»Schon gut, schon gut!«

Gleich darauf verließ Anderson die Wohnung. Er hatte die Hände in Schulterhöhe erhoben. Hart traten die Backenknochen in seinem Gesicht hervor, so sehr biss er die Zähne zusammen. Handschellen klickten. Die beiden Agents betraten die Wohnung. Anderson musste sich setzen. Auf dem Tisch lag seine Waffe. An einem Schrank lehnten etwa ein Dutzend Bilder.

»Woher haben Sie die?«, fragte Jennifer.

»Findet es heraus!«, erwiderte der Gangster trotzig.

»Das werden wir ganz sicher«, versicherte Jennifer.

Indessen hatte Blair Duvall die SRD verständigt. Sie würde mit einem Team anrücken und die Wohnung auf den Kopf stellen. Nachdem die Beamten eingetroffen waren, brachten die beiden Agents Anderson ins Field Office, wo er arretiert wurde. Dann sprach Jennifer mit dem Police Department. Sie erfuhr, dass in Philadelphia eine Galerie ausgeraubt worden war. Der Einbruch geschah vor fünf Tagen. Die Täter hatten keine brauchbaren Spuren zurückgelassen.

Jennifer und Blair begaben sich in den Zellentrakt und ließen Anderson vorführen. Er schaute verkniffen drein.

»Philadelphia also«, sagte Jennifer.

Die Backenknochen des Gangsters mahlten.

»Geben Sie‘s schon zu«, stieß Duvall hervor. »Sie haben den Bruch doch nicht alleine gemacht. Nennen Sie uns die Namen Ihrer Komplizen.«

»Ben Sanborn«, sagte Anderson, der einzusehen schien, dass er verloren hatte.

»Für wen haben Sie gearbeitet?«

»Das weiß ich nicht.«

»Erzählen Sie das Ihrer Großmutter«, knurrte Blair Duvall.

»Ich weiß es wirklich nicht. Er sagte, meinen Namen habe er von …« Anderson brach ab.

»Warum sprechen Sie nicht weiter?«, drängte Jennifer.

»… von Morgan Stilwell.«

»Haben Sie für Stilwell gearbeitet?«

»Er war mal mein Hehler. Dann haben wir uns zerstritten, weil er nicht den Preis zahlte, den ich forderte.«

»Wann arbeiteten Sie das letzte Mal für ihn?«

»Vor zwei Jahren. Ich bekam Aufträge von ihm. Die gewünschten Kunstwerke zu besorgen war meine Sache. Aber dann …«

»… zerstritten Sie sich – Sie sagten es bereits.« Jennifer machte eine kurze Pause, dann fragte sie: »Die Bilder, die wir in Ihrer Wohnung sichergestellt haben – stammen sie alle aus dem Raub in Philadelphia?«

»Es waren noch mehr Bilder. Sechs suchte sich der Mann aus, für den wir die Sache erledigten. Die anderen wollte ich in eigener Regie verhökern. Leider geriet ich an den Falschen.«

»Wie nahm der Mann mit Ihnen Verbindung auf?«

»Telefonisch.«

»Haben Sie ihn gesehen, als er sich die Bilder aussuchte?«

»Nein, lediglich seinen Boten sah ich. Der Bursche ist Ende dreißig und dunkelhaarig.«

»Wie lief der Deal ab?«

»Der Bote holte die Bilder ab. Gestern brachte er diejenigen, die sein Auftraggeber nicht kaufte, zurück. Es sind die, die Sie in meiner Wohnung sicherstellten.«

»Der Bote übergab Ihnen auch das Geld für die Kunstwerke?«

»Ja.«

Jennifer fuhr den Computer hoch, der da stand und klickte sich in das Archiv ein. Aus der elektronischen »Verbrecherkartei« filterte sie die Personen heraus, die aufgrund von Andersons Beschreibung als »Bote« in Frage kamen und einen Wohnsitz in New York City hatten. Anderson musste sich vor den Computer setzen und sich die Bilder ansehen. Immer wieder schüttelte er den Kopf. Über eine Stunde schaute er sich die Konterfeis von Männern an, die im Archiv erfasst waren. Der Mann, der als Bote zwischen Anderson und seinem Auftraggeber fungierte, war nicht darunter.

Am Ende fragte Jennifer den Gangster noch, wo sein Komplize wohnte. Er nannte die Adresse. Anderson kam wieder in seine Zelle, Jennifer und Blair fuhren los, um Ben Sanborn zu verhaften. Der Bursche leistete keinen Widerstand. Zu ihrem Auftraggeber konnte er keinerlei Angaben machen. Mit dem hatte Anderson verhandelt, Sanborn hatte nicht einmal den Burschen gesehen, der die Bilder abholte und das Geld brachte. Er war nur ein kleiner Fisch, den Anderson vor seinen Karren gespannt hatte.

Jennifer und Blair fuhren nach Rikers Island und ließen Morgan Stilwell vorführen. Stilwell war nervös. Unablässig knetete er seine Hände. »Sie erfahren von mir nicht mehr, als ich Ihnen schon gesagt habe«, erklärte er mit belegter Stimme.

»Wir haben einen Burschen namens Roger Anderson geschnappt«, gab Blair Duvall zu verstehen.

Stilwell schien auf seinem Stuhl zu schrumpfen. »Zu dem hatte ich in den letzten zwei Jahren keinerlei Kontakt.«

»Wem haben Sie seine Telefonnummer verraten?«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Anderson raubte eine Galerie in Philadelphia aus. Die Bilder hat jemand bei ihm bestellt. Andersons Adresse hatte er von Ihnen. Also, Stilwell, wem haben Sie die Adresse gegeben?«

»Ich erinnere mich nicht.«

»Denken Sie nach.«

Stilwell blieb dabei.

14

Auf den Bildern, die in Andersons Wohnung sichergestellt wurden, waren eine Reihe von Fingerabdrücken festgestellt worden. Natürlich waren die Abdrücke von Anderson und Sanborn darunter, da waren aber auch Abdrücke, die nicht registriert waren. Wahrscheinlich die Prints des Mannes, der die Bilder geholt und wieder zurückgebracht hatte.

Es war morgens, kurz nach 8 Uhr, als Jennifer Johnsons Telefon klingelte. Sie nahm ab und meldete sich. Es war der Rechtsanwalt von Morgan Stilwell. Er sagte: »Mein Mandant ist nun bereit, zu sprechen. Er hat begriffen, dass ihm nur noch Kooperation helfen kann. Wenn Sie also wollen, treffen wir uns um elf Uhr in Rikers Island.«

»Und ob wir wollen«, stieß Jennifer hervor. »Übrigens eine sehr vernünftige Entscheidung Ihres Mandanten, nachdem er auch noch von Anderson belastet wird. Man muss ihn dazu geradezu beglückwünschen.«

»Bis elf Uhr also.«

Kurz vor dem vereinbarten Termin trafen Jennifer und Blair Duvall im Gefängnis ein. Man führte sie in den Vernehmungsraum, wo sie es sich setzten. Gleich darauf erschien eine Schreibkraft, die das Geständnis niederschreiben sollte. Wenige Minuten später kamen Stilwell und sein Rechtsanwalt. Die beiden setzten sich an den Tisch in der Raummitte.

»Dann schießen Sie mal los, Mister Stilwell«, forderte Jennifer den Hehler auf.

Stilwell begann zu sprechen.

15

Es klopfte an die Tür unseres Büros, im nächsten Moment wurde sie geöffnet und Jennifer erschien im Türrahmen. Hinter ihr war Blair Duvall zu sehen, der sie wie ein Turm überragte. »Ah, Jennifer, Blair«, sagte ich. »Kommt herein.«

Sie nahmen Platz, Jennifer sagte: »Stilwell hat ein Geständnis abgelegt. Nun ratet mal, wer einer seiner Hauptabnehmer war.«

»Du wirst es uns sicher gleich sagen«, knurrte Milo.

»Das erratet ihr nie«, gab Blair zu verstehen und grinste.

»Dann spannt uns nicht unnötig auf die Folter«, bat ich.

»Es ist Paul Belmont.«

Es durchfuhr mich wie ein Stromstoß.

Jennifer fuhrt fort: »Das Bild, das aus der Galerie in Denver geraubt und in Grazia di Stefanos Wohnung sichergestellt wurde, hat ebenfalls Belmont gekauft.«

»Sieh an, sieh an«, murmelte Milo.

»Die Frage ist, ob Belmont wusste, dass die Bilder gestohlen waren«, gab ich zu bedenken.

»Stilwell hat es ihm nicht direkt auf die Nase gebunden. Aber er wusste wohl Bescheid. Stilwell hat uns erzählt, dass Belmont extra eine Wohnung angemietet hat, die er als seine private Galerie bezeichnet. Außerdem hat Stilwell die Bilder zu einem Preis verkauft, die jeden Kunstverständigen – und ein solcher zu sein nimmt Belmont doch für sich in Anspruch – stutzig machen musste.«

»Man darf gespannt sein, was der feine Herr für eine Erklärung dafür hat«, sagte Milo.

»Hat euch Stilwell die Adresse der Wohnung genannt, in der Belmont seine private Galerie eingerichtet hat?«, fragte ich.

»Queens, Stafford Avenue Nummer zweihundertdrei.«

»Worauf warten wir?«, fragte Milo.

Jennifer und Blair verabschiedeten sich, ich telefonierte mit dem Police Department, dann fuhren wir mit dem Aufzug in die Tiefgarage, und wenig später rollten wir mit dem Sportwagen auf die Federal Plaza. Wir fuhren nicht nach Queens, sondern in die 54th Street. Paul Belmont öffnete uns. Er starrte uns unter zusammengeschobenen Brauen hervor an. »Was wollen Sie denn schon wieder?«

»Es haben sich einige neuen Erkenntnisse ergeben«, antwortete ich. »Dürfen wir reinkommen?«

»Bitte.« Belmont trat zur Seite und vollführte eine einladende Handbewegung. Wir betraten die Wohnung. Kelly Danner saß in einem der schweren Sessel und rauchte.

»Erkenntnisse im Hinblick worauf?«, fragte Belmont ungeduldig.

»Den Kandinsky, den ich Ihnen zeigte, haben Sie von Morgan Stilwell gekauft«, sagte ich.

Belmont zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Für einen Moment entgleisten seine Züge. Dann stieß er hervor: »Ich kann mich nicht erinnern. Aber ich habe viele Kunstwerke gekauft. Möglich, dass der Kandinsky darunter war.«

»Stilwell hat uns von Ihrer privaten Galerie in Queens erzählt«, erklärte Milo.

Belmont mutete plötzlich sprungbereit an. In seinen Augen flackerte es unruhig. »Ich sagte Ihnen doch, dass ich Kunstliebhaber bin. Ja, ich habe eine Wohnung in Queens gemietet, in der ich teure Bilder aufbewahre.« Er legte die rechte Hand an die Stirn. »Stilwell, richtig, der Galerist in der Warren Street. Richtig, von dem habe ich einige Werke gekauft.«

»Zu Ihrer Wohnung in Queens ist bereits ein Team aus dem Police Department unterwegs«, sagte ich.

Belmont zuckte zusammen. Mir entging es nicht. »Wussten Sie, dass die Bilder, die Sie von Stilwell kauften, gestohlen waren?«

»Was sagen Sie da?«

»Ich sagte gestohlen!«

»Nein, ich – ich hatte keine Ahnung.«

»Sie sind nie stutzig geworden, dass Ihnen die Bilder zu einem ausgesprochen günstigen Preis angeboten wurden?«

»Ich hielt es für ein gutes Geschäft«, murmelte Belmont. »Heißt das, dass …«

Er verstummte und schluckte würgend.

»Das heißt, dass die Bilder den Besitzern zurückgegeben werden«, sagte ich. »Und es heißt, dass wir gegen Sie ermitteln werden, um herauszufinden, ob Sie wirklich derart unbedarft waren, als Sie die Bilder erwarben.« Plötzlich hatte ich eine Idee. »Sagte Ihnen der Name Roger Anderson etwas?«

Belmont blinzelte nervös. »Nein. Wer ist das?«

»Ein Kunstdieb.«

»Wie kommen Sie darauf, dass ich diesen Mann kenne.«

»Weil Ihnen möglicherweise Morgan Stilwell seinen Namen und seine Telefonnummer genannt hat.«

»Nein, ich kenne diesen Mann nicht.«

»Nun, wir werden sehen.«

»Sie möchten mir wohl unbedingt etwas am Zeug flicken, wie?«, blaffte Belmont.

»Wir versuchen, Recht und Gesetz Geltung zu verschaffen«, konterte ich. »Und wenn Sie in gesetzeswidrige Machenschaften verstrickt sein sollten, werden Sie dafür die Konsequenzen zu tragen haben.«

»Ich werde meinen Anwalt anrufen.«

»Tun Sie das.«

Es läutete an der Wohnungstür. Belmont schaute mich fragend an. Ich sagte: »Das wird das Team der SRD sein, das diese Wohnung durchsuchen wird. Verfügen Sie darüber hinaus über weitere Wohnungen?«

»Finden Sie‘s heraus, Trevellian!«, schnaubte Belmont erbost, dann öffnete er die Tür. Die Kollegen klärten ihn auf, wer sie waren, dann kamen sie in die Wohnung.

»Ich rufe meinen Anwalt an«, sagte Belmont und griff zum Telefonhörer.

16

Ein Kollege vom Police Department rief mich an und sagte: »Wir haben zwei Dutzend Gemälde in der Wohnung in Queens sichergestellt. Sie befinden sich auf dem Transport ins Department. Inwieweit sie gestohlen sind, müssen wir nach checken.«

Auch in der Wohnung in der 54th Street wurden über ein halbes Dutzend Bilder sichergestellt und abtransportiert.

Ehe Belmonts Anwalt erschien, verließen wir die Wohnung.

Zurück im Field Office erhielt ich einen Anruf von der SRD. Der Beamte sagte: »Wir haben Stilwells Computer ausgewertet und sind auf einige E-Mail-Adressen gestoßen. Alias-Adressen. Wir haben die Adressaten festgestellt. Unter anderem ist einer der Empfänger Paul Belmont. Die Adresse gehört zu einem Anschluss in Monsey.«

Der Kollege nannte mir die genaue Adresse.

Belmont besaß also eine weitere Wohnung außerhalb New Yorks, und zwar in Monsey. Die kleine Stadt lag westlich von New York und war vielleicht eine halbe Fahrstunde vom Big Apple entfernt, die Fahrzeit durch Manhattan nicht mitgerechnet. Wir fuhren nach Norden und benutzten ab Tarrytown den Highway 287. Das Anwesen lag außerhalb der Stadt. Es handelte sich um eine alte Farm. Ein Auto stand im Hof. Die Fensterläden des Farmhauses waren geöffnet. Es gab einige Schuppen, Ställe und Scheunen. Sie waren aus Holz errichtet. Alles mutete grau in grau an. Der Hof war staubig. Zwischen den Gebäuden wucherte hüfthohes Unkraut.

Wir hielten auf dem Weg, der direkt in den Hof mündete, an und stiegen aus. Bei dem Wagen, der im Hof stand, handelte es sich um einen weißen Lincoln. Er hatte eine Nummer des Staates New York. An einem der Fenster nahm ich eine flüchtige Bewegung wahr. Ich machte Milo darauf aufmerksam. Und dann trat ein Mann vor die Tür. Milo und ich setzten uns in Bewegung. Der Bursche war Ende dreißig und dunkelhaarig. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Zwei Schritte vor ihm hielten wir an. »Guten Tag«, grüßte ich.

Er erwiderte meinen Gruß und schaute fragend.

»Ich bin Special Agent Trevellian vom FBI New York«, stellte ich mich vor und wies auf Milo. »Mein Kollege Tucker. Gehört Ihnen diese Farm?«

»Nein. Ich habe sie gemietet.«

»Wer ist Besitzer?«

»Sein Name ist Paul Belmont.«

»Uns führt eine E-Mail-Adresse her«, erklärte ich und nannte die Adresse.

»Mein Name ist Craig Warner«, gab der Mann zu verstehen. »Ich habe das Haus möbliert gemietet. Es ist richtig, ein Computer steht drin. Er ist auch vernetzt.«

»Stehen Sie in Kontakt mit dem Vermieter?«

»Nein.«

»Seit wann leben Sie hier?«

»Seit etwa zwei Monaten.«

»An die Adresse wurde noch vor zwei Wochen eine E-Mail geschickt. Dürfen wir uns drin ein wenig umsehen?«

»Haben Sie einen Hausdurchsuchungsbefehl?«

»Den können wir jederzeit besorgen.«

»Besorgen Sie ihn und kommen Sie damit wieder«, sagte Warner.

»Nein«, versetzte ich und schüttelte den Kopf. »Da wir annehmen müssen, dass Beweismittel beseitigt werden sollen, werden wir die Wohnung jetzt betreten. Sie sollten nicht versuchen, uns daran zu hindern.«

Einen Moment lang sah es so aus, als wollte Warner aufbegehren, dann aber zuckte er mit den Schultern und sagte: »Tun Sie sich keinen Zwang an, Special Agents. Ich habe nichts zu verbergen.«

Er ging vor uns her ins Haus. Auch hier hingen Bilder an den Wänden. Auf einem Schreibtisch in einer Ecke des Wohnzimmers stand der Computer. Ich ging hin und schaltete ihn ein. Warner beobachtete uns. Das Betriebssystem war kennwortgeschützt.

»Kennen Sie das Passwort?«, fragte ich Warner.

»Nein. Computer sind nicht mein Ding. Mich interessiert das Gerät nicht.«

Ich war davon überzeugt, dass er log.

»Okay«, sagte ich. »Dann nehmen wir den Rechner mit. Gehören die Bilder an den Wänden hier Ihnen, oder gehören sie zur Einrichtung?«

»Sie hingen bereits hier.«

»Wir nehmen sie auch mit.«

»Was soll das?«

»Es ist nicht auszuschließen, dass die Bilder gestohlen wurden.«

»O verdammt!« Warner kratzte sich hinter dem Ohr.

Milo löste die Kabel von dem Tower des Rechners, ich nahm die Bilder von den Wänden. Dann trugen wir alles hinaus und brachten es im Kofferraum des Sportwagens unter. Als wir wieder die Wohnung betraten, telefonierte Warner. Er sagte gerade: »… einen Durchsuchungsbefehl konnten sie nicht vorlegen. Aber der eine faselte etwas von Beweismitteln …«

Warner brach ab und senkte die Hand mit dem Hörer.

»Mit wem telefonieren Sie?«, fragte ich.

»Mit meinem Vermieter.«

»Geben Sie ihn mir.« Ich erhielt den Hörer und meldete mich.

»Was fällt Ihnen ein, Trevellian?«, herrschte mich Belmont an. »Ich werde mich über Sie beschweren. Sie haben keinen Durchsuchungsbefehl und …«

»Den brauche ich unter bestimmten Voraussetzungen nicht«, so schnitt ich Belmont das Wort ab, denn ich hatte keine Lust, mir seine Tirade anzuhören. »Außerdem werden wir ihn nachreichen. Warum haben Sie uns verschwiegen, dass Sie diese Farm besitzen?«

»Weil ich es nicht für notwendig befand, Sie darüber in Kenntnis zu setzen. Ich habe sie vermietet.«

»Sie standen mit Stilwell per E-Mail in Kontakt«, sagte ich. »Die E-Mail-Adresse hat uns zu der Farm geführt. Wir haben den Computer beschlagnahmt, ebenso einige Bilder, die hier an den Wänden hingen. Außerdem werde ich eine Hausdurchsuchung veranlassen.«

»Zur Hölle, Trevellian, ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht.«

»Die Bilder auf der Farm – haben Sie die auch von Stilwell gekauft?«

»Einige davon. Aber ich hatte doch keine Ahnung, dass sie gestohlen sind.«

Ich beendete das Gespräch und rief die Spurensicherung an. Man versprach mir, ein Team zu schicken.