4 Liebesromane Oktober 2022 - Fred Wiards - E-Book

4 Liebesromane Oktober 2022 E-Book

Fred Wiards

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: Die Liebesfehde am Nordseestrand Das Glück, von dir geliebt zu werden Isabella und der Schatz am Klavier Ich will aus Liebe heiraten Chefarzt Dr. Ritter - er hat seine Klinik zu einem Krankenhaus gemacht, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Doch jetzt sehnt der engagierte Arzt sich nach mehr Ruhe und einem würdigen Nachfolger... Dr. Thorsten Schäfer, in den Augen seines Chefs ist er der ideale Nachfolger, der einzige, der die Ritter-Klinik im Sinne des Gründers weiterführen kann. Thorsten bekommt eine einmalige Chance, aber der Preis ist hoch: Er soll Anja Ritter heiraten, die Tochter seines Chefs. Sein Herz jedoch gehört der bezaubernden Stefanie...

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Eva Joachimsen, Sandy Palmer, Fred Wiards, Konrad Carisi

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Inhaltsverzeichnis

4 Liebesromane Oktober 2022

Copyright

​Die Liebesfehde am Nordseestrand

Das Glück, von dir geliebt zu werden

Isabella oder der Schatz im Klavier

Ich will aus Liebe heiraten

4 Liebesromane Oktober 2022

Sandy Palmer, Fred Wiards, Konrad Carisi, Eva Joachimsen

Dieser Band enthält folgende Romane:

Die Liebesfehde am Nordseestrand

Das Glück, von dir geliebt zu werden

Isabella und der Schatz am Klavier

Ich will aus Liebe heiraten

Chefarzt Dr. Ritter - er hat seine Klinik zu einem Krankenhaus gemacht, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Doch jetzt sehnt der engagierte Arzt sich nach mehr Ruhe und einem würdigen Nachfolger...

Dr. Thorsten Schäfer, in den Augen seines Chefs ist er der ideale Nachfolger, der einzige, der die Ritter-Klinik im Sinne des Gründers weiterführen kann. Thorsten bekommt eine einmalige Chance, aber der Preis ist hoch: Er soll Anja Ritter heiraten, die Tochter seines Chefs. Sein Herz jedoch gehört der bezaubernden Stefanie...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER MARA LAUE

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

​Die Liebesfehde am Nordseestrand

Fred Wiards

Dörte Ekhoff liebt Hinnerk Husmann, den Inhaber einer Tauchschule. Hinnerk macht sich an Rena heran, Dörtes Schwester, von der er nichts weiß. Rena wird von Jasper Frerich bedrängt, ihn endlich zu heiraten, braucht aber noch etwas Zeit, sagt sie. Als Jasper eines Tages Hinnerk und Rena zusammen sieht, steht für ihn die Sachlage fest. Aber kann es nicht auch ganz anders sein?
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Alfred Bekker
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“Fred Wiards” ist ein Pseudonym von Alfred Bekker.
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
1
„Vorsicht!“, rief Coord Ekhoff, als das Boot plötzlich heftig hin und her schaukelte. „Rena! Dörte! Seid ihr denn jetzt ganz verrückt geworden! Wo habt ihr denn eure Gedanken?“
Sie waren zu dritt auf dem kleinen Boot – Coord Ekhoff und seine beiden Töchter. Und das bedeutete nicht nur, dass es ziemlich eng war, sondern dass jeder der drei auch sehr genau auf seine Bewegungen achtgeben musste, damit das Fischerboot nicht kenterte. Zwar waren sie alle drei gute Schwimmer, aber nach einem unfreiwilligen Bad im eiskaltem Wasser der Nordsee stand Ekhoff nicht der Sinn.
Und von seinen Töchtern war das eigentlich auch nicht anzunehmen.
Die beiden bildschönen Mädchen sahen ihren Vater etwas erschrocken an.
„Ja, was ist denn los mit euch?“, fragte Ekhoff. „Wenn man mit dem Fischerboot auf die See fährt, ist das nicht gerade der richtige Moment, um herumzuträumen.“
„Ach komm, Vater! Reg dich nicht auf, es ist ja nochmal gut gegangen“, erwiderte Rena.
Ekhoff atmete tief durch.
„So gerade eben“, gab er dann zu. Seine umwölkte Stirn hatte sich unterdessen aber schon wieder sichtbar geglättet.
Wirklich böse sein konnte er den beiden jungen Frauen sowieso nicht.
Die Sonne stand schon tief über dem Horizont, der sich ringsum erstreckte. Das Abendrot spiegelte sich auf der grauen Wasseroberfläche.
Ekhoff Coord genoss diesen Anblick jedes Mal aufs Neue, wenn er mit seinem Boot hinausfuhr. Das unablässige Schauspiel des Meeres beeindruckte ihn immer wieder.
Daran hatte sich in all den Jahrzehnten nichts geändert, in denen er nun schon seine Fischerei auf der Nordsee betrieb, deren ungezügeltes Wasser seinesgleichen suchte.
Zusammen mit seinen Töchtern Rena und Dörte war er mit dem Boot hinausgefahren, um die Reusen zu leeren. Die beiden Mädchen waren zu hübschen, jungen Frauen herangewachsen und halfen fleißig im elterlichen Fischerei-Betrieb mit.
Rena war die jüngere der beiden. Sie hatte blondes, leicht gelocktes Haar, das sie mit einem Haarband zu bändigen pflegte. Ihre grauen Augen waren von derselben Farbe wie die Oberfläche der Nordsee bei gutem Wetter.
Ihre ältere Schwester Dörte hatte etwas dunkleres, aber immer noch blondes Haar, das ihr bis auf die Schultern herabfiel. Sie galt allenthalben als die Temperamentvollere und Mutigere der beiden. Und so hatte Rena nicht selten das Gefühl, etwas ins Hintertreffen zu geraten – besonders wenn es darum ging, einen der ansehnlichen jungen Männer aus der Gegend anzusprechen.
Dörte wagte mehr und aufgrund ihrer charmanten Art gewann sie auch fast immer. Sich einen Korb einzufangen, davor hatte das Mädchen keine Angst. Außerdem spielte sie ganz gerne mit dem Feuer. Rena war da von etwas vorsichtigerer und nachdenklicherer Natur.
Im Ganzen waren die beiden Schwestern allerdings meistens ein Herz und eine Seele – trotz oder gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeit.
Ekhoff wollte gar nicht daran denken, was geschehen würde, wenn die beiden Mädchen irgendwann einmal nicht mehr im Betrieb mithalfen. In diesem Fall musste er dann einen Gehilfen anstellen. Auch wenn seine Frau ihm schon seit längerem riet, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, so wollte der Fischer davon doch erst einmal nichts wissen.
„Nein, Papa, du musst schon ein bisschen aufpassen, dass du nicht vom Kurs abkommst!“, sagte Rena plötzlich.
Coord Ekhoff stellte fest, dass seine Jüngere recht hatte.
Er war so in Gedanken gewesen, dass das Boot jene Uferstelle mit ziemlicher Sicherheit verfehlt hätte, an der die Reusen festgemacht waren. Selbst ohne Fernglas konnte man sie jetzt bereits sehen. Die Pflöcke, an denen sie befestigt waren, ragten leicht über die Wasseroberfläche.
Ekhoff riss die Pinne des Außenbordmotors herum, so dass das Boot auf Kurs kam.
„Ja, ich war ein bisschen in Gedanken“, sagte Ekhoff. „Aber das gilt heute ja wohl nicht allein für mich, oder?“
Sie erreichten gerade die Reusen, da tauchte in der Ferne ein weißes Kajütboot auf, und die drei blickten einige Augenblicke lang wie gebannt dorthin.
„Das ist die NORDMEERJUNGFRAU“, stellte Dörte fest und begann zu winken.
„Lass doch, Dörte!“, meinte die Schwester. „Auf die Entfernung sieht dich doch sowieso niemand!“
„Hinnerk wird mich schon bemerken“, meinte Dörte selbstbewusst. „Wer weiß, vielleicht schaut er gerade jetzt mit dem Fernglas in unsere Richtung …“
„Das ist doch Quatsch!“, stieß Rena hervor.
„Was bist du denn so widerborstig?“
„Du tust ja gerade so, als wärst gut bekannt mit Hinnerk!“
„Und was würdest du sagen, wenn ich‘s wäre?“
„Dann würde ich sagen, dass du da gewiss nicht allein bist, Schwesterherz!“
„Ich weiß gar nicht, was du hast, Rena! Du hast doch deinen Jasper! Was ist denn dagegen einzuwenden, dass ich ihn mir genau anschaue, wenn ein neuer Mann in der Gegend auftaucht!“
„Gegen das Schauen hat auch keiner was gesagt, Dörte!“
Ekhoff hatte seinen beiden Töchtern eine Weile erstaunt zugehört. „Ja, was regt ihr euch denn auf? Hinnerk Husmann hat scheinbar einen nachhaltigen Eindruck auf euch gemacht.“
Dörte zuckte die Achseln. „Ganz ansehnlich ist er ja …“
„… aber wie man so hört, lässt er auch nichts anbrennen“, ergänzte Rena.
Dörte sah ihre Schwester mit erstauntem Gesicht an.
„Das braucht deine Sorge nicht zu sein – oder?“
Hinnerk Husmann war vor einiger Zeit in Greetsiel aufgetaucht und hatte eine Tauchschule eröffnet. Ekhoff hatte es erst gar nicht gefallen, dass dadurch mehr Touristen in die Gegend gezogen wurden. Misstrauisch hatte er das Kajütboot Husmanns betrachtet und schon geargwöhnt, dass das Treiben des Neulings vielleicht negative Folgen für den Fischfang haben könnte. Inzwischen war er zu der Erkenntnis gelangt, dass die Nordsee vielleicht doch groß genug für sie beide war.
„Nun verdreht mal nicht vollends eure Hälse“, meinte Ekhoff schließlich, während seine beiden Töchter dem weißen Kajütboot nachblickten. „Oder wollen wir den Fang heute in der Reuse lassen?“
Die beiden Mädchen lachten und dann machten sich die drei ans Werk.
2
Es dämmerte schon, als Ekhoff mit seinen Töchtern zum heimatlichen Fischerhaus zurückkehrte. Es lag idyllisch am Ufer des Siels. Ein schmucker Bootssteg führte ins Wasser hinein.
Und ganz in der Nähe befanden sich ein paar Räucherstuben.
Schon von Weitem sah Coord Ekhoff, dass zwei Personen auf dem Bootssteg waren und ihnen zuwinkten. Die eine Person war seine Frau. Und bei der anderen handelte sich um Jasper Frerich.
„Scheint, als wäre Besuch für dich da“, brummte Ekhoff zu Rena. „Jedenfalls nehme ich an, dass Frerich deinetwegen gekommen ist …“ Ekhoff seufzte. „Musste es denn ausgerechnet einer von denen sein?“
„Ach, Papa! Hast du irgendetwas gegen Jasper vorzubringen? Er ist ein ehrlicher arbeitsamer junger Mann – und für das, was damals unserem Bruder passiert ist, kann er nichts!“
Das Gesicht Ekhoffs wurde düster.
„Eingebildet ist er, der Sohn des Kutterfischers! Hält sich wohl für was Besseres als unsereins!“
„Das ist nicht gerecht, was du jetzt sagst!“, entgegnete Rena sehr ernst.
Vor Jahren hatte Ekhoff neben seinen beiden attraktiven Töchtern auch einen Sohn gehabt. Derk hatte er geheißen.
Zusammen mit Sören, Frerichs älterem Sohn, war er zu einer ausgedehnten Wattenmeertour aufgebrochen. Die beiden jungen Männer waren in die aufkommende Flut hineingeraten und nicht zurückgekehrt. Später hatte man sie beide nur noch tot bergen können. Seitdem war Ekhoff nicht gut auf alles zu sprechen, was den Namen Frerich trug, denn er machte Sörens Leichtsinn für den Tod seines Sohnes verantwortlich.
Allein, so pflegte er immer zu sagen, hätte Derk sich niemals auf ein so riskantes Unternehmen eingelassen.
Und nun ging seine Tochter mit dem jüngeren Sohn des Kutterfischers! Selbst von einer Verlobung war schon die Rede!
Ekhoff konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ihre beiden Familien auf diese Weise miteinander verbunden sein sollten. Allein der Gedanke daran war ihm schon unerträglich, denn jedes Mal, wenn er Jasper sah, wurde er an diese tragische Geschichte erinnert. Die Wunde in seinem Inneren, die nur sehr langsam heilen wollte, wurde dann immer wieder aufs Neue aufgerissen.
Erschwerend kam noch hinzu, dass Jasper Frerich seinem älteren Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten war und sich darüber hinaus in seiner Freizeit auch, genau wie dieser, als eifriger Wattenmeergänger betätigte.
Unwillkürlich ballte Ekhoff die Hände zu Fäusten, als er Jasper auf dem Steg stehen sah.
Kann er sich nicht ein anderes Mädchen aussuchen?, ging es dem Fischer ärgerlich durch den Kopf. Muss es denn ausgerechnet meine Rena sein?
Andererseits war Coord Ekhoff Realist genug, um zu wissen, dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Aber vielleicht, so hoffte er nach wie vor, würde das Mädchen doch noch zur Besinnung kommen und sich anderswo nach einem geeigneten Mann umschauen.
Manchmal wünschte er sich sogar, dass Rena etwas mehr von der Leichtlebigkeit ihrer Schwester gehabt hätte. Dann hätte sie den Fischersohn längst vergessen, davon war er überzeugt.
„Ich sage dir, der ist nichts für dich!“, meinte er, obwohl er wusste, dass Rena ihm kaum zuhören würde. „Jasper ist genauso leichtsinnig wie sein Bruder war. Du willst es nur nicht wahrhaben!“
„Weil es auch nicht der Wahrheit entspricht, Papa!“, versetzte Rena bestimmt.
„Mädchen, Mädchen! So gut kannst ihn noch gar nicht kennen“, schüttelte Ekhoff den Kopf. „Jasper ist doch mit dem goldenen Löffel geboren. Genau wie sein Bruder! Und nur deshalb ist er so leichtsinnig. Lass dir das gesagt sein.“
„Ach, Papa! Wenn du die Vergangenheit doch nur vergessen könntest!“
„Vergessen?“, fragte Ekhoff etwas unwirsch. „Du sprichst von deinem Bruder!“
Rena seufzte. „Das vergesse ich schon nicht. Darauf kannst dich verlassen! Aber ein bisschen freundlicher könntest du trotz alledem zu Jasper sein.“
Das Boot erreichte bald den Steg. Rena sprang an Land und machte es mit geschickten Handgriffen fest.
Ihre Mutter begrüßte die Ankömmlinge mit einem herzlichen Lächeln. „Früh seid ihr diesmal zurück“, stellte Neele Ekhoff fest. „Ich hoffe nur, dass auch etwas in den Reusen war!“
„Ja, ein bisschen war es schon“, murmelte Rena und blickte geradewegs an ihrer Mutter vorbei.
„Ja, du hast Besuch, mein Kind“, kommentierte Neele. Dann beugte sie sich etwas vor und murmelte in gedämpftem Tonfall: „Tu mir einen Gefallen und lass es heute Abend nicht zu spät werden …“
„Nein, das wird es schon nicht“, erwiderte Rena.
Und diese Erwiderung hatte ihren guten Grund.
In letzter Zeit hing zwischen den beiden nämlich ein bisschen der Haussegen schief. Nicht, dass sie sich lauthals gestritten hätten, aber Jasper redete dauernd vom Heiraten und das Mädchen war sich einfach nicht sicher, ob sie dazu schon bereit war. Irgendwie fühlte sie sich für solche Gedanken noch ein bisschen zu jung. Erst einmal etwas vom Leben haben, bevor man sich die ganze Verantwortung auf den Hals lädt!, sagte eine Stimme in Rena. Es gab da noch eine zweite, widerstreitende Stimme, der es eigentlich kaum schnell genug damit gehen konnte, vor den Altar zu treten und einen eigenen Hausstand zu gründen. Aber die zweite Stimme war im Moment noch die Schwächere.
„Moin, Jasper“, seufzte sie, als sie Frerichs Sohn gegenüberstand. „Nett, dass du vorbeischaust …“
Einträchtig gingen sie den Steg entlang und erreichten schließlich das feste Land.
Jasper Frerich war ein attraktiver junger Mann.
Hochgewachsen, mit breiten Schultern und hellwachen Augen, mit denen er das Mädchen begehrlich anblickte.
„Ja, selbst in deiner Arbeitskleidung siehst du hübsch aus, Rena“, meinte er anerkennend. „Und die ist ja nun nicht gerade figurbetont …“
„Ach komm, Jasper!“
„Das war als Kompliment gemeint!“
Rena lächelte. „Ich habe es auch so aufgefasst. Aber du übertreibst damit ein bisschen!“
„Ich sehe das schon richtig.“
„Ich werde mich trotzdem erst mal umziehen, bevor wir zwei was unternehmen … und ich denke, da wirst du wohl kaum etwas dagegen einzuwenden haben!“
Eine halbe Stunde später spazierten die beiden etwas abseits des Fischerhauses am Ufer entlang. Die Nordseewellen um Greetsiel herum strahlten in den unterschiedlichsten Rottönen. Die Sonne sank immer tiefer und würde bald hinter der Kimm verschwinden. Die Gestalten der beiden jungen Menschen warfen lange Schatten auf den Boden.
Hand in Hand gingen die beiden jungen Leute eine ganze Weile lang schweigend am Ufer entlang. Die einsetzende Flut kräuselte die Wasseroberfläche und begann, kleinere Wellen zu erzeugen, die sich unaufhaltsam das Ufer hinauf bewegten.
„Ich verstehe nicht, warum du die Sache noch so weit hinauszögern musst, Rena“, begann Jasper schließlich mit dem Thema, das das Mädchen schon die ganze Zeit über gefürchtet hatte und dessentwegen sie sich auch gar nicht mehr so richtig auf die Treffen mit dem attraktiven Fischersohn freute. „In ein oder zwei Monaten könnten wir heiraten! Ja, das würde ein Fest …“
„Ach, Jasper – hat das nicht noch Zeit?“
„Aber wenn man sich doch liebt!“
„Auf der einen Seite hast du ja recht – aber …“
Rena sprach nicht weiter. Sie stockte und brach ab. Zu ungeordnet waren die Gedanken in ihr, als dass etwas über ihre Lippen kommen würde, das sie später vielleicht bereut hätte.
Sie wollte Jasper nicht verletzen. Und eigentlich mochte sie ihn ja auch wirklich gern.
Könnte er mir nicht einfach ein bisschen mehr Zeit lassen?, ging es dem Mädchen durch den Kopf. Sie konnte es nicht ausstehen, zu etwas gedrängt zu werden. Das war schon als Kind so gewesen, und ihre Eltern hatten das hin und wieder seufzend zur Kenntnis nehmen müssen.
„Aber was?“, hakte Jasper jetzt nach.
Sie blieben stehen.
Ihre Blicke trafen sich. Jasper fasste sie bei den Schultern.
Auf seiner Stirn stand eine ernste Falte.
Rena öffnete halb die Lippen. Sie wollte etwas sagen, brachte aber nicht einen einzigen Ton heraus. Ein Kloß saß ihr im Hals.
„Es ist wegen deines Vaters, nicht wahr?“, stellte Jasper dann fest.
„Na …“
„Gib es doch ruhig zu! Wir zwei können doch ehrlich miteinander sein! Ich nehme nicht an, dass dein Vater dir gegenüber anders redet, als er es sonst im Ort tut, wenn er zum Beispiel beim Wirt am Tresen sitzt!“
„Jasper …“, versuchte Rena ihren Freund zu beruhigen.
Aber das war im Grunde sinnlos.
Eigentlich hatte er ja recht, was Ekhoffs Einstellung anging.
Nur stimmte es nicht, dass diese nun etwa der tiefere Grund dafür gewesen wäre, dass Rena bislang auf Jaspers Heiratsabsicht eher zurückhaltend reagiert hatte. Über die Ablehnung ihres Vaters hätte sich das willensstarke Mädchen notfalls hinweggesetzt. Irgendwann, so war ihre Überzeugung, hätte der dann schon seinen Groll aufgegeben. Spätestens dann, wenn sich Enkel einstellten.
„Dein Vater glaubt, dass ich genauso wäre wie mein Bruder. Das ist doch richtig, oder? Und den macht er für den Tod seines Sohnes verantwortlich – obwohl Derk gewiss ein genauso risikofreudiger Wattenmeergänger gewesen ist wie Sören!“
„Ja, das mag schon sein, Jasper!“
„Mache ich vielleicht deine ganze Familie dafür verantwortlich, dass mein Bruder im Meer ums Leben gekommen ist? Das ist doch einfach lächerlich so etwas. Die zwei waren Freunde, haben sich in Gefahr begeben und leider das Risiko falsch eingeschätzt. Das ist alles. Und so traurig das auch sein mag – aber soll diese Geschichte vielleicht die Zukunft vergiften? Unser Leben?“
„Ach, Jasper …“
„Dein Vater wird schon über seinen Schatten springen“, war der Fischersohn überzeugt. Ihrer beider Blicke trafen sich, verschmolzen für Augenblicke miteinander. Rena hatte in diesem Moment fast das Gefühl, seine Gedanken lesen zu können. Er hingegen schien nichts von dem erfasst zu haben, was in ihr vorging.
Rena seufzte.
„Mit meinem Vater hat das nichts zu tun“, sagte sie dann.
Jasper sah sie etwas erstaunt an.
Einen Augenblick lang sagte er kein Wort. Dann ließ er ihre Schultern los.
„Womit dann?“, fragte er nach. „Bist du dir vielleicht doch nicht so sicher, ob du mich liebst? Glaubst du vielleicht, dass da noch was Besseres kommt?“
Jasper atmete tief durch. Es war ihm anzusehen, wie sehr er innerlich aufgewühlt war.
„Jasper, wie kannst du nur so etwas denken!“, erwiderte Rena. „Natürlich liebe ich dich … Ich möchte nur, dass wir uns etwas mehr Zeit geben. Wir sind doch jung! Läuft uns die Hochzeit vielleicht davon?“
Jasper schüttelte den Kopf.
„Ich verstehe dich nicht, Rena. Tut mir leid.“ Er schüttelte wütend den Kopf.
Nun war es also richtig zum Streit zwischen ihnen beiden gekommen. Das hatte Rena immer befürchtet. Deswegen war sie auch Jasper gegenüber bislang nicht mit der vollen Wahrheit herausgekommen.
Doch nun war es geschehen. Und Worte, die einmal gesprochen waren, konnte man nicht wieder zurückholen.
„Ich frage mich, was wirklich hinter deiner Zögerlichkeit steckt, Rena, oder besser gesagt: wer!“
„Jasper!“
„Ja, man muss doch nur eins und eins zusammenzählen, um darauf zu kommen …“ Jasper fasste sich an den Kopf. „Nun ergibt alles plötzlich einen Sinn!“
„Jasper! Das ist doch nicht wahr, was du da sagst!“
„Ach nein?“
Jasper hatte die Hände zu Fäusten geballt.
„Lass uns doch in Ruhe über alles reden. Was ist schon dabei, wenn wir die Sache nicht so überstürzen?“
„Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir alles noch einmal überdenken, Rena.“
„Was soll das heißen?“, fragte Rena tonlos.
„Genau das, was ich gesagt habe. Nicht mehr und nicht weniger.“
„Aber da ist wirklich kein anderer, Jasper! Das musst du mir glauben!“
Rena nestelte am Jackenkragen von Jasper Frerich herum.
Dieser knurrte etwas Unverständliches vor sich hin.
„Ja, lange kannst mir doch sowieso nicht böse sein, Jasper! Also lass es besser ganz!“
„Ganz verrückt machst du mich!“, erwiderte Jasper. Aber sein Gesicht war schon wesentlich weniger ärgerlich. Doch ein gewisses Misstrauen blieb. Und Rena wusste nur zu gut, dass sie dies auch nicht im Handumdrehen ausräumen konnte.
Schließlich gab sich Jasper einen Ruck. Er legte den Arm um Rena, und sie schmiegte sich an seine Schulter.
„Du musst nicht alles ernst nehmen, was ich so daher rede“, meinte er dann. „Aber die Sache hat mich so aufgewühlt … Im Grunde will ich doch nichts anderes, als mit dir zusammen glücklich werden, Rena.“
3
Hinnerk Husmann blickte von der Veranda seiner Tauchschule aus auf die abendliche Nordsee. Das Kajütboot, mit dem er seine Tauchschüler hinausfuhr, lag gut vertäut an der Anlegestelle. Eike Janssen, sein Gehilfe, hielt eine Angel in der Hand, aber das Glück war ihm nicht hold. Immer wieder warf er den Köder aus, aber an diesem Abend war es wie verhext. Er bekam nichts an den Haken.
„Lass es gut sein, Eike!“, rief Hinnerk. „Heute fängst du doch nichts mehr!“
Eike Janssen sah das etwas später selbst ein. Er rollte die Angelschnur ein und kehrte in Richtung der Tauchschule zurück.
Hinnerk Husmann hatte sie in einem leerstehenden Fachwerkhaus eingerichtet, das zuvor schon jahrelang leer gestanden hatte.
„Ja, was machst denn für ein griesgrämiges Gesicht, Hinnerk?“, meinte Eike. Er war einige Jahre älter als sein Arbeitgeber und hatte zuvor als Seemann auf einem der Fischkutter gearbeitet. „Das Geschäft geht doch nicht schlecht!“
„Hast du eine Ahnung“, murmelte Hinnerk, und sein Gesicht verfinsterte sich dabei etwas.
Eike sah Hinnerk verwundert an.
„Ja, was soll das denn heißen? Waren denn nicht genug Touristen auf dem Boot, die sich die Taucherei zeigen lassen wollten? Mehr hätten wir doch kaum verkraften können – es sei denn, du stellst noch ein paar Hilfskräfte ein. Aber so leicht wird wohl niemand zu finden sein, der genug vom Tauchen versteht …“
„Unsere Kosten sind einfach zu hoch, Eike. Und jetzt am Anfang drückt natürlich auch noch ein Berg Schulden. Ich muss mir was überlegen.“
„Ich versteh das nicht“, schüttelte Eike den Kopf. „Die Tauchschule ist doch gut angelaufen.“
„Nicht gut genug, Eike“, entgegnete Hinnerk Husmann. „Ich will dir keine Angst machen, aber die Situation ist so ernst, dass es im Handumdrehen vorbei sein kann.“
„Ich würde das sehr bedauern“, meinte Eike dann, nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte. „Schon deshalb, weil ich die Arbeit sehr gerne mache … aber wenn‘s hart auf hart kommt, dann kann ich jederzeit bei einem Fischer wieder anfangen!“
„Ich hoffe nicht, dass es soweit kommt!“
Eike Janssen nickte. „Es wird sich schon eine Lösung ergeben.“
„Dein Wort in Gottes Ohr!“
„Mit ein bisschen mehr Zuversicht lebt es sich doch entschieden leichter!“
Hinnerk Husmann schwieg dazu, dachte sich aber seinen Teil. Du hast gut reden!, ging es ihm durch den Kopf. Dein Geld ist es ja auch nicht, von dem alle Ausgaben bestritten werden müssen!
Dass es am Anfang nicht leicht sein würde, so ein Geschäft aufzubauen, damit hatte er gerechnet.
Aber dass er schon nach so kurzer Zeit mit einem Bein im Ruin stand, das konnte er selbst noch kaum glauben. Doch die Zahlen waren eindeutig.
So oft er darin auch herumrechnete, sie wurden dadurch einfach nicht rosiger. Sollte ich mich wirklich so verschätzt haben?, ging es ihm durch den Kopf. Das Tauchen war seine Leidenschaft und vielleicht hatte ihn das blind und leichtsinnig gemacht.
„Vergiss nicht, das das größte Kapital für uns dort liegt“, hörte er nun die ermunternde Stimme seines Gehilfen, der bei diesen Worten hinaus auf das Wasser deutete. „Es dürfte kaum ein Gewässer mit so vielen Möglichkeiten geben. Ein Paradies für jeden Taucher!“
„Ja, ich weiß“, seufzte Hinnerk. „Aber was auch immer werden wird – dieser Tag ist erst mal vorbei … Für heute ist jedenfalls Feierabend, ich werde versuchen, keinen Gedanken mehr an die Zahlen zu verschwenden!“
Das war natürlich ein Wunsch, der sich wahrscheinlich nicht realisieren ließ. Die Sorgen würden Hinnerk Husmann nicht loslassen, so sehr er sich das auch gewünscht hätte.
Eike nickte und verabschiedete sich.
Einen Augenblick später hörte Hinnerk ihn mit dem Wagen davonfahren.
Nachdenklich blickte Hinnerk Husmann dann eine ganze Weile auf das weiße Kajütboot. Ein schöner Anblick, wie es da am Steg lag. Hinnerk hatte viel in das Boot investiert. Ich hoffe nur, dass ich das alles halten kann!, ging es ihm durch den Kopf.
4
Als Dörte Ekhoff die Tauchschule an diesem Abend erreichte, sah sie Hinnerk Husmann in der Nähe des Stegs. Dörte war am Flussufer entlanggegangen.
Aber es war durchaus kein Zufall, dass ihr Spazierweg sie geradewegs an der Tauchschule vorbeiführte. Sie hatte gehofft, Hinnerk hier zu treffen. Natürlich sollte es ganz zufällig aussehen.
Und wie es schien, sollte das Mädchen Glück haben.
Hinnerk Husmann war sogar allein!
Dörtes Herz schlug etwas schneller.
Seit sie Hinnerk zum ersten Mal gesehen hatte, musste sie dauernd an ihn denken. Immer wieder kreisten ihre Gedanken und Empfindungen um diesen Fremden, der zur Nordseeküste gekommen war, um hier Touristen das Tauchen beizubringen. Gut sieht er aus!, dachte Dörte. Das dunkelblonde, leicht gewellte Haar, die hochgewachsene Gestalt …
Jetzt nur nicht den Mut verlieren!, ging es ihr durch den Kopf.
Die Mädchen aus Greetsiel waren ganz verrückt, seit Hinnerk Husmann in die Gegend gekommen war. Und fast immer sah man ihn in Begleitung. In der Disco rissen sich die jungen Frauen geradezu um die Chance, mit Hinnerk über die Tanzfläche zu wirbeln. Er war inzwischen überall als heiterer, geselliger Mensch bekannt, der gerne scherzte und ein gekonnter Süßholzraspler war. Aber festgelegt hatte er sich bislang wohl noch nicht. Jedenfalls hoffte Dörte, dass es so war.
Sie fasste sich ein Herz und ging weiter.
„Hallo“, grüßte sie, als er sich eher zufällig nach ihr umdrehte.
Er nickte ihr zu.
„Hallo!“ Sein Lächeln wirkte sympathisch. Der Blick seiner braunen Augen ging Dörte durch und durch. „So allein am Abend?“
„Ja, es ist nichts los heute im Ort.“
„Da sprichst du ein wahres Wort!“
„Aber das größte Schauspiel findet sowieso täglich hier statt.“ Sie deutete zur Kimm, hinter der die Sonne inzwischen versunken war.
„Du meinst den Sonnenuntergang in der Nordsee?“
„Ja. Ich glaube, mir wird es auch in Jahren noch nicht langweilig, das anzuschauen!“
Hinnerk zuckte die Achseln. „Ich bin zwar noch nicht so lange hier, aber ich kann wohl nachempfinden, was du meinst.“
Er zog ein wenig die Augenbrauen zusammen, als er sie musterte.
„Bist du nicht Rena Ekhoff?“, fragte er dann. „Die Tochter des Fischers?“
Dörtes Gesicht wurde dunkelrot, teilweise vor Scham, zum anderen Teil aus Wut.
„Nein, ich bin nicht Rena!“, erwiderte sie, wobei sie sich große Mühe geben musste, einen gekränkten Unterton zu verbergen. Das fing ja gut an! Verwechselte dieser Mann sie einfach mit ihrer Schwester!
Bin ich denn so unscheinbar?, ging es ihr ärgerlich durch den Kopf.
Im Allgemeinen war es so, dass sie die Kontaktfreudigere und Mutigere von beiden war, so dass man ihren Namen auch schneller in Erinnerung behielt. Dass es mal umgekehrt sein könnte, passte Dörte überhaupt nicht.
„Ja, aber …“
„Ich bin Dörte Ekhoff, nicht Rena. Das ist meine Schwester!“
„Tut mir leid, dann habe ich euch wohl verwechselt!“
Dörte versuchte so zu tun, als hätte ihr das überhaupt nichts ausgemacht. Sie zuckte die schmalen Schultern und meinte: „Woher solltest du dich auch an mich erinnern? Wir haben uns ja auch beim Fischerfest letzte Woche nur einen Tanz lang in den Armen gehalten.“
Ein bisschen Verschnupftheit klang nun aber doch aus ihren Worten heraus.
Und Hinnerk bemerkte das.
Er sah sie an.
„Ja, ich habe vielleicht den Namen verwechselt – aber das Gesicht, das habe ich nicht vergessen!“, behauptete er. „Ich meine, was ist schon ein Name? Es gibt sogar hier in Greetsiel mehrere Mädchen, Rena oder Dörte heißen! Aber mit einem Gesicht ist das etwas ganz anderes. Das ist einmalig. Und deines ganz besonders.“
Dörte hob den Kopf.
„Ach, das sagst du jetzt so …“
„Ich sage nichts, was ich nicht auch so meine!“, erwiderte Hinnerk im Brustton der Überzeugung.
„Ach, wirklich?“
Sie mussten beide lächeln.
„Natürlich!“, bekräftigte Hinnerk.
„Komisch, aber dir geht da ein ganz anderer Ruf voraus, Hinnerk!“
Er näherte sich ihr etwas. Sie standen jetzt nur noch etwa einen Schritt voneinander entfernt. Der Anfang ist gemacht!, dachte Dörte. Er sah sie auf eine Weise an, die ihr gefiel.
Sie glaubte Schmetterlinge in ihrem Bauch zu haben.
Und gleichzeitig erhob sich eine warnende Stimme in ihrem Inneren. Sei auf der Hut!, sagte diese Stimme. Du wärst nicht die Erste, die auf dieses umwerfende Lächeln schon hereingefallen ist und anschließend keinen freien Willen mehr hatte.
„Ja, wie das so ist, wenn ein Fremder in ein Dorf wie Greetsiel kommt“, meinte Hinnerk dann, während Dörte wie gebannt an seinen Lippen hing. Der Klang seiner Stimme schien sie zu verzaubern. „Es wird eben viel geredet über den, der als Fremder kommt! Das ist gewissermaßen ein Naturgesetz. Aber ich kann dich beruhigen! Das meiste von dem, was du wahrscheinlich gehört hast, stimmt nicht!“
„Dass du ein Süßholzraspler erster Klasse bist, stimmt aber!“, erwiderte Dörte in gedämpftem Tonfall. „Davon habe ich mich heute selbst überzeugen können …“
Hinnerk zuckte die Achseln. „Was bleibt mir anderes übrig – wenn ich unverhofft einem so schönen Mädchen begegne?“
„Jetzt tust du es wieder!“
„Natürlich – ich werde durch deine Anwesenheit förmlich dazu gezwungen!“
Sie lachten beide.
Und dann verschmolzen für einem Moment ihrer beider Blicke miteinander.
Sie schwiegen, lauschten einen Augenblick den Wellen, die die Flut vom Meer auf der Seeoberfläche bildete und in einem steten Rhythmus ans Ufer spülte.
„Es freut mich sehr, dass wir uns heute Abend hier getroffen haben“, sagte Hinnerk dann. Und das meinte er wirklich so, denn Dörtes Anwesenheit hatte genau das bewirkt, wonach er sich zuvor so gesehnt hatte.
Hinnerk hatte die Sorgen, die ihn plagten, für eine kurze Zeit vollkommen vergessen.
„Es muss dabei nicht bleiben“, sagte sie dann. „Ich komme öfter hier vorbei …“
„Warum habe ich dich dann nie bemerkt?“
„Vielleicht, weil du die Abende gewöhnlich in der Kneipe verbringst!“ Dörte atmete tief durch. „Jetzt muss ich jedenfalls wieder gehen“, sagte sie, obwohl sie eigentlich noch ganz gerne geblieben wäre. Aber sie wollte sich ihm auf keinen Fall aufdrängen. Umgekehrt sollte es sein! Hinnerk sollte an ihrer Angel zappeln wie ein geköderter Fisch! Sie berührte ihn leicht am Arm. „Mach‘s gut“, sagte sie und wandte sich zum Gehen.
„Bis Morgen!“, rief ihr Hinnerk Husmann nach, nachdem sie schon einige Meter hinter sich gebracht hatte. Dörte drehte sich noch einmal um, sagte nichts, sondern lächelte nur.
5
Es war schon spät, als Jasper Frerich an diesem Abend nach Hause kam. Die Sonne war längst untergegangen, und seine Mutter hatte sich schon ein wenig Sorgen gemacht.
Ihr Mann hatte sie zu beruhigen versucht.
„Der Junge ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Du solltest dich deswegen nicht verrückt machen!“
Aber inzwischen war Mitternacht vorbei. Und selbst, wenn Jasper in die Kneipe ging, war er nie so lange weggeblieben.
Als er das Wohnzimmer betrat, wirkte Jasper sehr in sich gekehrt und niedergeschlagen.
Der Fischer und seine Frau saßen an einem großen, rustikalen Holztisch und sahen ihn fragend an.
„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte Frerich.
„Es ist nichts“, brummte Jasper.
Mit seinem Vater konnte er nicht darüber reden, dass der Abend mit Rena nicht so verlaufen war, wie der junge Fischersohn sich das eigentlich vorgestellt hatte. Zwar wusste Frerich, dass sich sein Sohn hin und wieder mit der Tochter des Reusenfischers traf, aber begeistert war er davon nicht.
Allein der Name Ekhoff erinnerte ihn an den schmerzlichen Verlust seines älteren Sohnes. Ein Verlust, der durch nichts zu ersetzen war.
Die Mutter sah ihren Sohn prüfend an.
„Ist es wegen des Mädchens?“, schloss sie messerscharf.
Jasper wich ihrem Blick aus.
Aber seine Mutter kannte ihn nur zu gut. Ihr etwas vorzumachen war für Jasper nahezu unmöglich.
„Ja …“
„Nun setz dich mal und heraus mit der Sprache!“, forderte Witta Frerich. „Habt ihr Streit, Rena und du?“
„Ich weiß nicht …“
„Was weißt du nicht, Junge?“
„Sie meint, dass wir uns noch Zeit lassen sollen mit dem Heiraten. Aber ich bin da ganz anderer Ansicht. Und mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob ihre plötzliche Zurückhaltung nicht einen anderen Grund hat.“
Witta Frerich hob die Augenbrauen.
„Was meinst du denn damit?“
Er zuckte die Achseln. „Vielleicht muss ich auch erst mal eine Nacht über alles schlafen“, meinte er dann. Aber insgeheim wusste er, dass er am nächsten Morgen auch nicht glücklicher sein würde. Nachdem er und Rena auseinandergegangen waren, hatte Jasper noch einen weiten Umweg gemacht und hatte dabei nachgedacht. Zu einem Ergebnis war er allerdings bislang nicht gekommen.
Was soll ich tun?, fragte er sich.
Er liebte Rena von ganzem Herzen.
Aber auf der anderen Seite fraß das Misstrauen an ihm. Er glaubte ihr einfach nicht, dass die Tatsache, dass das Mädchen mit dem Heiraten noch warten wollte, nichts mit der Person des jungen Tauchlehrers zu tun hatte.
„Ja, such dir ein anderes Mädchen, Junge!“, meinte der Vater. „Es gibt doch genug attraktive junge Frauen hier im Tal, du bist doch nicht auf Rena Ekhoff angewiesen!“
Jasper seufzte.
„Wenn das so einfach wäre“, meinte er. Aber sein Herz hatte da auch ein Wörtchen mitzureden und das sprach eine ganz eindeutige Sprache.
Jasper wünschte seinen Eltern eine gute Nacht.
Er hatte keine Lust, sich noch länger über die leidige Angelegenheit zu unterhalten.
„Willst du nicht noch etwas essen?“, fragte die Mutter.
Jasper schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich habe keinen Hunger“, behauptete er und ging dann die Treppe hinauf, die zu seiner Kammer führte.
Witta Frerich sah ihren Mann mit besorgtem Gesicht an.
„Der Junge ist nicht wiederzuerkennen!“, meinte sie. „Früher hat er solche Dinge doch immer viel leichter genommen.“
„Ja, Rena Ekhoff hat ihm wohl ganz gehörig den Kopf verdreht. Viel mehr, als wir vielleicht ahnen.“
„Wenn man mal davon absieht, dass sie aus einer Familie kommt, gegen die du gewisse Vorbehalte hast, dann ist doch eigentlich gegen das Mädchen auch nichts einzuwenden, finde ich“, meinte Witta Frerich. Und dann legte sie, als sie den erstaunten Gesichtsausdruck ihres Mannes sah, ihre schmale Hand auf die seine und lächelte ihn zärtlich an. „Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. So, wie es ausschaut, wird sowieso nichts aus den beiden! Jedenfalls kein Paar!“
6
„Erzähl mal, Schwesterherz! Wo bist du denn mit Jasper gewesen?“, erkundigte sich Dörte aufgeregt, als die beiden Schwestern noch sehr spät bei Rena im Zimmer saßen. Das taten sie oft. Und dann teilten sie ihre großen und kleinen Geheimnisse miteinander.
„Ach, nichts besonderes“, meinte Rena mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Es ist so, dass es Jasper einfach nicht abwarten kann …“
„Was – abwarten?“
„Nein, dass wir heiraten. Er redet von nichts anderem.“
„Er hat dich also gefragt!“
„Ja …“
„Und was hast du ihm gesagt? Die Hochzeit werdet ihr dann wohl auf dem Frerich-Anwesen feiern müssen. Ich glaube nicht, dass Papa so schnell seine Meinung über Jasper ändern wird.“
„Ach, Dörte!“, erwiderte Rena mit tadelndem Unterton.
Die spontane, lebendige Art und Weise ihrer Schwester ging ihr manchmal auch etwas auf die Nerven. Vor allem hatte sie so eine Art des Auftretens, dass man ihr nach und nach alles erzählte, was sie wissen wollte.
„Du hast ihm doch keinen Korb gegeben, oder?“, fragte Dörte. „Jasper ist der reichste Fischersohn in der Umgebung. Und attraktiv ist er noch obendrein!“
„Nein, aber ich will noch nicht heiraten, Dörte. Erst noch … etwas erleben, verstehst du, was ich meine?“
Dörte lächelte hintergründig. „Natürlich verstehe ich das.“
Rena zuckte die Achseln. „Ich glaube, Jasper versteht das gar nicht. Ich habe versucht, ihm zu das erklären, aber …“
„Ich wollte dir das nie so direkt sagen, aber …“
„Was?“, hakte Rena nach.
Dörte drehte mit dem Zeigefinger in ihrem Haar herum. Sie zuckte die Schultern.
„Vielleicht ist er auch nicht der Richtige für dich!“
Rena machte eine wegwerfende Geste. „Ja, bei jeder anderen würde ich darüber jetzt sehr ernsthaft nachdenken, aber bei dir …“
Dörte tat sehr empört. „Wieso?“
„Ach komm, Dörte, das sagst du doch nur, weil du den attraktiven Jasper am Ende für dich selbst willst! Ich kenne dich doch!“
Die Mädchen lachten beide herzhaft und ziemlich laut.
Dann schraken sie plötzlich zusammen, und Dörte legte einen Finger vor ihre Lippen. „Nicht ganz so laut, Schwesterherz, wir sind schließlich die einzigen, die im Moment in diesem Haus noch auf den Beinen sind!“
„Also gut.“
Dörte seufzte. Sie sah ihre Schwester unverwandt an und wurde wieder ernst.
„Du kannst ganz beruhigt sein, aber für mich ist Jasper nichts. Ganz bestimmt nicht!“
Rena atmete tief durch. Ihr Blick war jetzt nach innen gerichtet. „Ich weiß ja im Moment nicht einmal mehr, ob ich ihn selbst noch möchte …“ Dann hob sie den Kopf und blickte ihrer Schwester direkt in die Augen. „Aber was ist mir dir?“, fragte sie. „Wo warst du denn heute Abend?“
„Naja …“
„Was heißt hier naja? Irgendwo wirst du doch gewesen sein, auch wenn Mama den Eindruck hatte, du wärst wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Und erzähl mir jetzt bloß nicht, dass du mutterseelenallein am Strand spazieren gegangen bist und den Anblick der Nordsee genossen hast!“
Dörtes Gesichtsausdruck veränderte sich.
Ihre Augen begannen zu leuchten und eine sanfte Röte überzog ihre Haut. So manchem mag sie ja etwas vormachen können, dachte Rena bei ihrem Anblick. Aber mir nicht. Bis über beide Ohren verliebt ist sie! Fragt sich nur in wen.
„Wer ist es?“, fragte Rena dann. „Etwa Hinnerk Husmann?“
Dörte zuckte zusammen.
„Quatsch, Rena, wo denkst du hin? Meinst du, ich habe Lust, mich in eine lange Schlange zu stellen, um mal geküsst zu werden? Nein, nein!“
„Und wer dann?“
„Einstweilen ein Geheimnis, Schwesterherz!“
„Das ist nicht fair!“, protestierte Rena. „Ich offenbare dir mein Innerstes und du …“
„Gib mir noch ein bisschen Zeit damit, Rena. Was du vom Jasper verlangst, wirst du mir jetzt wohl auch nicht abschlagen können, oder?“
Dörte sah auf die Uhr.
Dann meinte sie: „Es ist schon spät. In aller Frühe müssen wir raus und die Reusen kontrollieren. Besser, wir schlafen jetzt ein bisschen, sonst fallen wir morgen vielleicht tatsächlich ins Wasser.“
Rena nickte und erhob sich von dem groben Holzstuhl, auf dem sie gesessen hatte.
„Gute Nacht, Schwesterherz“, sagte sie.
„Gute Nacht.“
Als Rena die Kammer ihrer Schwester verlassen hatte, lag Dörte noch lange wach da, starrte gegen die Decke und sah vor ihrem inneren Auge sein Gesicht.
Das Gesicht Hinnerk Husmanns.
Ja, was für ein toller Typ!, dachte sie.
Aber ihr war klar, dass sie noch einiges auf die Beine stellen musste, wenn sie ihn wirklich für sich gewinnen wollte. Und solange sie das noch nicht hundertprozentig geschafft hatte, wollte sie auch mit niemandem darüber reden. Nicht einmal mit ihrer Schwester, mit der sie sonst alles teilte.
7
Als Dörte am Morgen erwachte, hatte sie das Gefühl, die ganze Nacht kein Auge zugemacht zu haben. Ihr Kopf war voll von Gedanken. Und die meisten davon drehten sich um Hinnerk Husmann.
Ja, sei nicht verrückt!, versuchte sich selbst zu sagen. So verliebt sie auf der einen Seite auch war, so gefiel es ihr doch andererseits nicht, dass ein Mann sie derart konfus machte.
Der Morgen verging mit Arbeit auf der Fischerei. Aber alle, die ihr begegneten, bemerkten sehr wohl den besonderen Glanz ihrer Augen und das verhaltene Lächeln, das ständig um ihre Lippen herum zu sehen war.
„Nun sag schon, wer es ist“, raunte Rena ihr zwischendurch einmal zu, als die beiden allein waren.
Aber Dörte weigerte sich.
„Es ist und bleibt ein Geheimnis“, erklärte sie. „Und dabei wird es auch bleiben, ganz gleich, wie oft du mich noch mit deinen Fragen löcherst.“
Am Nachmittag war die Arbeit getan, und Dörte war irgendwann einfach verschwunden. Da das aber nichts ungewöhnliches war, machte sich auch niemand weiter Sorgen darüber.
Sie hatte nur gesagt, dass sie etwas am Meer spazieren gehen wollte, aber das nahm ihr ohnehin niemand ab.
Rena saß in sich gekehrt im Wohnzimmer. Erst hatte sie mit einer Handarbeit angefangen, sie dann aber zur Seite gelegt und versucht, sich in ein Buch zu vertiefen. Auch darauf hatte sie ihre Gedanken nicht sammeln können. Immer wieder ging ihr das gestrige Gespräch mit Jasper Frerich durch den Kopf.
Er war sehr verärgert gewesen, das war dem Mädchen wohl klar.
Andererseits konnte sie auch nicht einfach seinem Verlangen nachgeben, wenn sie das nicht auch selbst wollte.
Irgendwie werden wir uns schon sicherlich wieder miteinander versöhnen!, machte sie sich selbst Mut. Ganz bestimmt, du wirst sehen!
Sie seufzte.
Und dann ging ihr eine andere Frage durch den Kopf, die ihr seit gestern ununterbrochen im Hirn herumspukte.
Liebst du ihn eigentlich noch?, fragte sie sich. Und selbst wenn – hatte es Sinn, wenn sie ein Paar wurden, da ihre Vorstellungen vom Leben doch offensichtlich viel unterschiedlicher waren, als sie ursprünglich gedacht hatte?
„Ja, was sitzt du denn hier im Wohnzimmer wie ein begossener Pudel?“, drang die Stimme ihrer Mutter in ihre Gedanken.
Rena schreckte auf.
Die Maria Ekhoff setzte sich zu ihr an den Tisch.
„Ich bin ein bisschen müde von der Arbeit, das ist alles“, meinte Rena. „Das Einholen der Reusen ist ganz schön anstrengend … Richtig Muskelkater habe ich gehabt!“
„Aber darüber hast du doch sonst nie geklagt!“
„Ich weiß auch nicht …“
Mit ihrer Mutter konnte sie unmöglich über das reden, was ihr an schweren Gedanken im Kopf herumspukte. Schließlich war Jasper im Hause Ekhoff nicht gerade wohlgelitten.
„Vielleicht solltest du es deiner Schwester nachmachen und nicht immer zuhause hocken! Ist im Ort nichts los?“
„Mama!“
„Aber wenn du schon nichts zu tun hast, dann könntest den Wagen nehmen und ein paar Besorgungen machen. Der Vater will den Räucherschuppen reparieren, aber ihm fehlen die passenden Nägel … Nein, was ist?“
Rena seufzte, dann nickte sie. Sie konnte das eigentlich nicht abschlagen. Andererseits fürchtete sie, Jasper vielleicht zu begegnen.
Aus dem Weg gehen konnte sie ihm ja schlecht …
Rena erhob sich und ihre Mutter nahm sie bei den Händen.
„Mädchen, wenn du irgendeinen ernsthaften Kummer hättest, dann würdest du doch mit mir darüber reden, nicht wahr?“
„Natürlich.“
„Dann ist es ja gut.“
8
Rena nahm den Wagen und fuhr in den Ort. Gustav Meinert betrieb dort einen Laden, in dem es von allem ein bisschen gab. Von der Nudelkonserve bis zum Werkzeug, vom warmen Pullover bis zum Nagel. Und selbst das eine oder andere Buch konnte man in den völlig überfüllten Regalständern Meinerts finden.
Und wenn ihm auch die großen Warenhäuser Konkurrenz machten, so hatte sich Meinert doch in all den Jahren auf seine treuen Stammkunden verlassen können. Und das, obwohl bei ihm natürlich alles ein bisschen teurer war.
Rena parkte den Wagen vor dem Laden und stieg aus.
Es war ein sonniger Spätnachmittag.
Richtig warm war es geworden, auch wenn sich im Westen über dem Land Gewitterwolken auftürmten..
Mit schnellen Schritten und immer noch in Gedanken ging Rena auf den Eingang des Meinert-Geschäfts zu. Ehe sie sich versah, tauchte ein Schatten vor ihr auf. Sie prallte gegen den Oberkörper eines hochgewachsenen, breitschultrigen Mannes, der gerade aus der Tür gekommen war.
„Hoppla“, sagte eine tiefe, angenehm klingende Stimme.
Um ein Haar wäre Rena zu Boden gefallen, aber der Mann hielt sie an den Oberarmen.
Sie blickte auf.
Rena erkannte den jungen Mann sofort.
Jeder im Dorf kannte ihn, seit er mit seiner Tauchschule hier in der Gegend von sich Reden gemacht hatte.
Es war Hinnerk Husmann.
„Entschuldigung, ich wollte dich keineswegs über den Haufen rennen, aber …“
„Schon gut“, sagte Rena. „Es ist ja auch nichts Ernsthaftes passiert.“
„Nein, das freut mich aber zu hören. Habe ich dich nicht irgendwo schon mal gesehen?“
So ein Angeber!, dachte Rena ärgerlich. Das war doch wirklich die billigste Art und Weise, eine Frau anzusprechen!
„Ja, ich kann mich nicht erinnern, dass wir zwei per du sind“, erwiderte Rena etwas spitz.
Hinnerk sah sie erstaunt an.
Wahrscheinlich hatte er erwartet, dass Rena gleich seinem umwerfenden Charme erlag. Aber den Gefallen wollte ihm das Mädchen nicht tun. So eingebildet, wie der ist, braucht der mal einen gehörigen Dämpfer!, ging es Rena durch den Kopf.
Ihre Blicke trafen sich.
Einen Moment lang verschmolzen sie sogar miteinander.
Rena schluckte unwillkürlich.
Hinnerk lächelte gewinnend.
Er hob die Augenbrauen.
„Ja, so reserviert?“
Was bist doch für eine Närrin!, dachte Rena. Alle Mädchen an der Küste würden dich darum beneiden, dass dieses Kerl dich anspricht, und du lässt ihn am langen Arm verhungern! Aber ihr war nicht nach Flirten zu Mute. Schließlich war da ja noch die Sache mit Jasper …
Sie zupfte ihr Kleid zurecht. „Auf Wiedersehen, Herr Husmann!“, sagte sie und wollte an ihm vorbei in den Laden Meinerts hinein.
Aber Hinnerk hielt sie am Arm.
„Einen Moment, Fräulein Unbekannt!“
„Ja, was wollen Sie denn noch? Reicht es nicht, dass Sie mich fast umgerannt haben?“
„Ich möchte, dass du mir Gelegenheit gibst, das wieder gut zu machen.“
„Sie sagen schon wieder du, Herr Husmann!“
„Ich bin Taucher, wir duzen uns alle. Außerdem, wir sind schätzungsweise etwa im selben Alter und sollten die Sache nicht komplizierter machen, als nötig. Mein Name ist Hinnerk. Und wie soll ich dich nennen?“
„Sie hatten mir doch schon einen Namen gegeben“, erwiderte Rena.
Und langsam verflog der Ärger, den sie im ersten Moment empfunden hatte. Selbst die Gedanken an den Krach, den sie mit Jasper gehabt hatte, waren im Augenblick nicht mehr präsent. Jetzt war es ein Spiel für sie, das Hinnerk angefangen und auf das sie sich eingelassen hatte. Warum eigentlich nicht?, dachte sie. Mal sehen, wie schlagfertig dieser Süßholzraspler wirklich ist … Ich werde ihm jedenfalls nicht so leicht auf den Leim gehen!
Hinnerk lächelte.
„Fräulein Unbekannt – soll ich dich wirklich weiterhin so nennen?“
„Klingt doch gut, oder nicht?“
„Lass mich raten, wie du heißt: Franka? Oder Kaatje?“
„Du wirst es schon noch herausfinden, wenn du dir ein bisschen Mühe gibst!“
„Immerhin hast jetzt auch du gesagt!“
„Soll aber nicht zur Gewohnheit werden … Ich muss jetzt wirklich weiter. Mein Vater braucht die Nägel, die ich ihm bringen soll, heute noch – und nicht erst nach der nächsten Sturmflut.“
Einen Augenblick lang nahm er ihre Hand und nickte dann.
„Vielleicht sehen wir uns ja in nächster Zeit mal, schöne Unbekannte.“
„Das glaube ich kaum.“
„Ich hoffe doch!“
„Bei deinem Namensgedächtnis würdest du vermutlich auch beim nächsten Mal nicht wissen, mit wem du es zu tun hast – selbst, wenn ich dir meinen Namen jetzt gesagt hätte!“
Er lachte kurz auf.
Seine Augen leuchteten.
Und seine Stimme hatte jetzt ein ganz besonderes Timbre, dessen Klang Rena durch und durch ging – auch wenn sich eigentlich alles in ihr dagegen sträubte, sich so von diesem Mann verzaubern zu lassen.
„Dieses wundervolle Gesicht werde ich ganz sicher nicht vergessen“, erklärte er.
Einen Augenblick noch blickten sie sich an, dann wandte Rena den Kopf, sagte ein schnelles „Tschüs“ und ging in Meinerts Laden hinein.
9
Unterdessen hatte Dörte Husmanns Tauchschule erreicht. Sie war am Ufer entlanggegangen wie am vergangenen Abend, und als sie sah, dass die NORDMEERJUNGFRAU am Steg vertäut lag, machte ihr Herz einen Sprung.
Er ist also nicht hinaus zu einer Tauchfahrt!, ging es ihr durch den Kopf.
Guten Mutes ging sie zum Steg.
Eike Janssen, der Gehilfe Hinnerk Husmanns kam gerade von Bord. Er hatte Werkzeug in den ölverschmierten Händen.
Offenbar hatte er irgendetwas an der NORDMEERJUNGFRAU repariert.
„Hallo, Dörte“, sagte Eike etwas erstaunt, wobei er gegen die Sonne blinzelte. „Scheint, als kämst du in letzter Zeit ziemlich häufig hierher!“
„Ist Hinnerk nicht da?“
„Nein, der ist kurz ins Dorf gefahren.“
„Oh, da habe ich mir wohl den falschen Zeitpunkt ausgesucht, um hier aufzutauchen.“
Eike schüttelte den Kopf.
„Nein, Hinnerk müsste eigentlich schon längst zurück sein. Lange kann es wirklich nicht mehr dauern. Wenn du was von ihm willst, wartest du am besten hier.“
Eike musterte sie eingehend. Und Dörte war dieser Blick unangenehm. Sie hatte das Gefühl, als ob man ihr jede Gefühlsregung an der Nasenspitze ansehen konnte. Natürlich war das Unsinn, aber sie wollte auf keinen Fall, dass Eike Janssen im Dorf herumerzählte, wie verrückt sie auf Hinnerk war. Das musste nun wirklich nicht sein.
„Ist irgendetwas nicht in Ordnung mit der NORDMEERJUNGFRAU?“, erkundigte sich Dörte und deutete dabei auf das Werkzeug in Eike Janssens Händen.
„Nur eine Kleinigkeit“, meinte er. „Ich hoffe, dass jetzt wieder alles funktioniert. Da du die Tochter eines Fischers bist, wirst dich ja wohl ein bisschen mit Motoren auskennen.“
„Sicher!“
„Dann kannst mir eben helfen. Brauchst nur einen Schalter umzulegen, damit ich den Motor ausprobieren kann. Nur kann ich dabei nicht gleichzeitig hineinblicken – wenn du verstehst, was ich meine!“
„Ja, sicher!“
Dörte stieg über die Reling und kam an Bord. „Matrose zu Ihren Diensten!“, lachte sie.
Der Schalter, den sie umzulegen hatte, befand sich direkt neben dem Ruder. Eike ging indessen zu einer geöffneten Luke am Heck, kniete sich nieder und blickte angestrengt hinein. Auf ein Zeichen hin legte Dörte den Schalter um. Der Motor begann erst zu brummen, dann knatterte er eine Weile vor sich hin, bevor er schließlich erbärmlich zu stottern begann. Ein paar Augenblicke später war die Maschine wieder aus. Eike fluchte leise vor sich hin.
„Ich habe doch wohl nichts verkehrt gemacht!“, meinte Dörte besorgt.
Eike schüttelte den Kopf.
„Nein, das nicht! Aber ich habe gedacht, dass ich mit dieser elenden Maschine nun endlich fertig wäre! Aber wie es scheint, muss ich nochmal ran!“
Dörte verließ ihren Platz am Ruder und näherte sich der Motorluke, in die Eike sich jetzt tief hineinbeugte.
„Muss eine ziemlich Umstellung für dich gewesen sein, Eike“, meinte Dörte. Sie hatte das Bedürfnis, irgendein Gespräch mit ihm anzufangen, um sich die Zeit zu vertreiben.
„Ich versteh nicht ganz, was du meinst!“, dröhnte Eike aus der Luke heraus.
„Nein, vom Kuttermatrosen zum Tauchgehilfen!“
Eike musste lachen.
„Ich bin froh, dass ich hier mein Auskommen habe.“
„Wann werdet ihr das nächste Mal hinausfahren?“
„Wenn ich das wüsste!“
Dörte hob die Augenbrauen. „Ja, was soll das denn heißen?“
„Das Geschäft geht nicht so gut, wie Hinnerk und ich uns das vorgestellt haben … Und dabei ist die Nordsee wirklich eine Perle. Niemand, der einmal hinabgetaucht ist in diese wunderbare Welt da unten, kann das je wieder vergessen.“
Dörte seufzte.
„Ich würde das auch gerne mal sehen“, sagte sie. „In die Tiefe tauchen und …“ Dörte brach ab und setzte dann hinzu: „Aber das wird wohl fürs Erste ein geheimer Traum bleiben.“
„Nicht unbedingt!“, sagte plötzlich eine sonore, angenehm klingende Stimme in Dörtes Rücken.
Sie wirbelte herum und blickte direkt in die ruhigen, dunklen Augen von Hinnerk Husmann. Er lächelte sie an.
„Oh“, entfuhr es Dörte. „Ich habe dich nicht herankommen hören.“
„Ihr wahrt ja so ins Gespräch vertieft“, lachte Hinnerk. „Außerdem bin ich das letzte Stück zu Fuß gegangen.“
Jetzt tauchte Eike Janssen aus der Motorluke hervor und sah seinen Arbeitgeber mit gerunzelter Stirn an.
„Wieso das denn?“, erkundigte er sich.
„Eine Reifenpanne!“, berichtete Hinnerk.
„Hattest du denn keinen Ersatzreifen?“
„Nein, Eike. Den Ersatzreifen hatte ich ja schon längst aufgezogen. Und genau der ist mir nun geplatzt.“
Eike seufzte hörbar und wischte sich mit der Hand über die Stirn. „Scheint, als wären wir im Moment nicht gerade vom Glück verfolgt, was?“
Einen Augenblick lang bemerkte Dörte auch auf Hinnerks Gesicht einen düsteren Zug, aber der glättete sich sogleich.
„Immer optimistisch sein“, meinte er. Er wandte sich dem Mädchen zu. „Jedenfalls ist das mein Motto. Was ist, möchtest du nachher gleich mit hinausfahren? Eike und ich haben sowieso noch eine Probefahrt mit der NORDSEEJUNGFRAU vor. Schließlich wollen wir sicher sein, das alles funktioniert, wenn wir morgen wieder mit Touristen hinausfahren.“
„Nun, ich hätte nichts dagegen.“
Hinnerk zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Ein kleiner Tauchgang wäre natürlich inklusive …“
Der Blick, mit dem Hinnerk sie bedachte, ließ Dörte schlucken. Das ist doch alles viel zu schön, um wahr zu sein!, ging es ihr durch den Kopf. Alles schien wie von selbst genau in jene Richtung zu laufen, die Dörte im Sinn gehabt hatte.
Ein bisschen musst du diesen vollendeten Charmeur aber noch zappeln lassen, dachte Dörte bei sich.
Sie erwiderte sein Lächeln.
Dabei deutete sie in Eikes Richtung.
„Es dürfte aber noch ein kleines Problem dabei geben“, erklärte sie.
Hinnerk hob die Augenbrauen. Er schwang sich über die Reling, kam an Bord und war mit wenigen Schritten bei Dörte.
Ein leichter Wind kam auf und fuhr ihm durch das blonde Haar.
„Probleme sind dazu da, dass man sie löst, oder?“
„Natürlich“, nickte Dörte.
Jetzt meldete sich Eike Janssen zu Wort. „Ich werde noch mal an den Motor heran müssen“, meinte er. „Aus der Probefahrt wird frühestens in einer halben Stunde etwas – vorausgesetzt diesmal geht nichts daneben.“
10
„Was bist du denn so aufgekratzt, seit du aus dem Dorf zurück bist?“, fragte Maria Ekhoff, nachdem Rena zurückgekehrt war. „Eine richtig rosige Gesichtsfarbe hast du!“
„Du übertreibst, Mama!“ Rena schüttelte den Kopf. Es war ihr peinlich, dass man ihr Innerstes so deutlich sehen konnte.
Das gefiel ihr ganz und gar nicht.
Genauso wenig wie die Tatsache, dass Hinnerk Husmann ihr seit ihrer Begegnung vor Meinerts Laden nicht mehr aus dem Sinn gegangen war. Immer wieder stieg in ihr die Erinnerung an sein braungebranntes Gesicht auf, an das herausfordernde Lächeln und das geradezu provozierende Selbstbewusstsein, mit dem er aufzutreten pflegte. Im ersten Moment, als sie beide vor dem Laden zusammengestoßen waren, hatte sie ihn innerlich verwünscht. Aber jetzt war sie etwas milder gestimmt.
Irgendwie hatte es der junge Tauchlehrer geschafft, sie mit seinem Charme einzuwickeln. Und das wiederum weckte zwiespältige Gefühle in ihr.
„War irgendetwas besonderes beim Meinert?“, fragte Maria Ekhoff.
„Mama! Was soll in unserem verschlafenen Ort schon besonderes geschehen!“, wehrte das Mädchen ab.
Die Mutter musste schmunzeln. „Da hast du auch wieder recht, Rena.“
Jetzt kam Coord Ekhoff von draußen herein.
Rena sah gleich, dass dem Vater irgendeine Laus über die Leber gelaufen sein musste. Jedenfalls zerfurchten tiefe Falten sein Gesicht.
Ehe Ekhoff etwas sagen konnte, hatte seine Frau bereits das Wort ergriffen.
„Das Hotel Delfthalle in Emden hat angerufen! Sie möchten, dass du ihnen wieder deine Schellfische lieferst …Warte, ich habe alles aufgeschrieben.“
Ekhoff nickte und kratzte sich nachdenklich am Kinn.
Dann wandte er sich an Rena. „Jasper Frerich ist da. Er wartet draußen auf dich und will dich unbedingt sprechen – so als ginge es um sein Leben!“
„Jasper?“, echote Rena. Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht damit, dass Jasper so schnell wieder bei ihr auftauchen würde. Und irgendwie war ihr die Aussicht, ihm gleich gegenübertreten zu müssen, unangenehm. Was sollte sie ihm sagen?
„Wenn es nach mir ginge, dann wäre Frerich längst auf dem Rückweg“, meinte ihr Vater unterdessen.
„Was hast du ihm denn gesagt?“, fragte Rena aufgebracht. Sie traute ihrem Vater durchaus zu, dass er mit seiner polternden Art wie ein Elefant im Porzellanladen gewütet und dafür gesorgt hatte, dass das Band zwischen ihnen nun vollständig zerschnitten war.
Der Fischer zuckte die Achseln.
„Was soll ich ihm schon gesagt haben“, knurrte er, „nach mir geht es in diesem Haus ja zuletzt. Und wie ich dich kenne, wirst dich nicht davon abhalten lassen, ihm auf den Leim zu gehen! Ich habe gesagt, dass du gleich kommst!“
Renas Herz klopfte wie wild.
„Du hättest ihn auch hereinbitten können, wie es sich gehört!“, versetzte sie dann und lief zur Tür hinaus.
Da stand Jasper vor ihr.
Rena stutzte, als sie ihn erblickte. Richtig herausgeputzt hatte er sich. Er trug ein Jackett mit Krawatte und Hemd. So elegant pflegte er sich noch nicht einmal zum Ausgehen herauszuputzen.
„Jasper“, murmelte Rena leicht verwirrt.
„Ich dachte, das wir uns wieder versöhnen könnten, Rena. Vielleicht war ich bei unserem letzten Zusammentreffen ein bisschen voreilig und …“ Er zuckte mit den Schultern und wirkte etwas verlegen dabei. „Ich dachte, es wäre das Beste, die Uhr einfach wieder zurückzudrehen …“
Wenn das nur so einfach möglich wäre!, ging es Rena durch den Kopf. Aber was geschehen war, war geschehen. Und sie wusste nicht, ob der Riss zwischen ihr und Jasper wieder zu kitten sein würde.
Und dann war da das Gesicht Husmanns, das ihr einfach nicht aus dem Sinn gehen wollte.
So sehr sie sich auch über Hinnerk geärgert hatte, so sehr hatte sie doch auch das prickelnde Gefühl des Flirtens mit ihm genossen.