5 Romane Sommerband Extra Juli 2023 - Fred Wiards - E-Book

5 Romane Sommerband Extra Juli 2023 E-Book

Fred Wiards

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: Galopp ins Glück (Anna Martach) Die Liebesfehde am Nordseestrand (Fred Wiards) Das Glück, von dir geliebt zu werden (Sandy Palmer) Isabella und der Schatz am Klavier (Konrad Carisi) Ich will aus Liebe heiraten (Eva Joachimsen) Chefarzt Dr. Ritter - er hat seine Klinik zu einem Krankenhaus gemacht, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Doch jetzt sehnt der engagierte Arzt sich nach mehr Ruhe und einem würdigen Nachfolger... Dr. Thorsten Schäfer, in den Augen seines Chefs ist er der ideale Nachfolger, der einzige, der die Ritter-Klinik im Sinne des Gründers weiterführen kann. Thorsten bekommt eine einmalige Chance, aber der Preis ist hoch: Er soll Anja Ritter heiraten, die Tochter seines Chefs. Sein Herz jedoch gehört der bezaubernden Stefanie...

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Anna Martach, Eva Joachimsen, Sandy Palmer, Fred Wiards, Konrad Carisi

5 Romane Sommerband Extra Juli 2023

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Inhaltsverzeichnis

5 Romane Sommerband Extra Juli 2023

Copyright

Galopp ins Glück

​Die Liebesfehde am Nordseestrand

Das Glück, von dir geliebt zu werden

Isabella oder der Schatz im Klavier

Ich will aus Liebe heiraten

5 Romane Sommerband Extra Juli 2023

Sandy Palmer, Fred Wiards, Konrad Carisi, Eva Joachimsen, Anna Martach

Dieser Band enthält folgende Romane:

Galopp ins Glück (Anna Martach)

Die Liebesfehde am Nordseestrand (Fred Wiards)

Das Glück, von dir geliebt zu werden (Sandy Palmer)

Isabella und der Schatz am Klavier (Konrad Carisi)

Ich will aus Liebe heiraten (Eva Joachimsen)

Chefarzt Dr. Ritter - er hat seine Klinik zu einem Krankenhaus gemacht, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Doch jetzt sehnt der engagierte Arzt sich nach mehr Ruhe und einem würdigen Nachfolger...

Dr. Thorsten Schäfer, in den Augen seines Chefs ist er der ideale Nachfolger, der einzige, der die Ritter-Klinik im Sinne des Gründers weiterführen kann. Thorsten bekommt eine einmalige Chance, aber der Preis ist hoch: Er soll Anja Ritter heiraten, die Tochter seines Chefs. Sein Herz jedoch gehört der bezaubernden Stefanie...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Galopp ins Glück

von Anna Martach

Ein CassiopeiaPress E-Book

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© der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Der Umfang dieses E-Book entspricht 94 Taschenbuchseiten.

Der Gestütsbesitzer Martin Holzhauser denkt ernsthaft über den Verkauf seines Gestüts nach, da er langsam zu alt für die Arbeit dort wird. Bald schon hat er auch einen passenden Käufer gefunden. Als Bedingung knüpft er an den Verkauf die Übernahme aller Angestellten, auch der Tierärztin Simone. Doch diese traut dem neuen Besitzer, Dominic Johnson, zunächst nicht, auch wenn der alte Holzhauser sich ganz nebenbei erhofft hatte, dass die beiden sich näherkommen.

1

Die untergehende Sonne spiegelte sich in den halblangen kastanienbraunen Haaren, die sich aus dem Band gelöst hatten, mit dem die junge Frau sie als Pferdeschwanz band.

Simone Frank saß auf einer feurigen Stute, der es sichtlich Spaß machte, dass die Reiterin ihr die Zügel fast freigegeben hatte. Das Tier galoppierte mit großen weit ausholenden Schritten über das Feld. Simone achtete auf jede Bewegung des Tieres, und hörte auch auf die Geräusche, die es beim Atmen während des Rittes machte. Die junge Frau war Tierärztin und hatte die Stute wegen einer Zerrung behandelt. Jetzt schien das Tier wieder gesund und flog wie der Wind über eines der großen Stoppelfelder.

Simone war zufrieden. Nach einiger Zeit zügelte sie die Stute und klopfte ihr lobend auf den Hals.

„Braves Mädchen“, sagte die Frau und lenkte das Pferd wieder dem Gestüt zu. Bald tauchten die weiß gestrichenen Gebäude in der Ferne auf, davor befanden sich die Koppeln, auf denen noch weitere Stuten mit ihren Fohlen grasten.

Im leichten Trab ritt Simone auf den Hof, wo sie Angelika, einem der Mädchen, die aus Begeisterung für Pferde freiwillig hier arbeiteten, die Zügel überreichte, nachdem sie abgestiegen war. Zehn Mädchen kamen regelmäßig her, um in den Stallungen zu helfen, dafür durften sie umsonst reiten und bekamen auch Stunden.

„Fair Lady ist wieder ganz in Ordnung“, sagte Simone. „Reib sie gut ab, und später kann sie auf die Koppel zu den anderen.“

Das Mädchen lächelte. „Dann darf ich sie morgen reiten?“, erkundigte sie sich. „Und nächste Woche beim Turnier ...?“

„Das entscheide ich noch“, unterbrach Simone freundlich. „Aber es ist gut möglich. Jetzt lauf.“

Simone betrat den lang gestreckten Stall mit den vielen einzelnen Boxen. Automatisch glitt ihr Blick über die Halterungen auf denen Sättel, Zaumzeug, Trensen und anderes Zubehör hingen. Der Geruch nach Heu und Stroh und Lederpflegemitteln stieg der jungen Frau in die Nase, ein vertrauter und willkommener Geruch. Hier fühlte sie sich wohl, hier war sie zu Hause.

Donna, eine trächtige Stute, stand in ihrer Box und stupste die Tierärztin an, Simone lachte auf und tätschelte das weiche Maul des Tieres. Aus der ausgebeulten Tasche ihrer Jeansjacke nahm sie einen Apfel und hielt ihn dem Tier hin. Etwas versonnen lehnte sich Simone dann gegen die Box, während ihre Hand noch immer das Pferd liebkoste.

Ihr Vater hatte ihr damals so sehr abgeraten diesen Beruf zu ergreifen. Er selbst war ein erfolgreicher Chirurg, und für ihn war es immer selbstverständlich gewesen, dass seine einzige Tochter einmal in seine Fußstapfen treten würde. Doch Simone mochte nicht. Sehr früh schon hatte sie die Liebe zu den Tieren entdeckt, was vielleicht auch daran lag, dass sie als Kind ein Pony geschenkt bekommen hatte. Als Simone sich dann ernsthaft entschloss, Tiermedizin zu studieren, gab es endlos lange Diskussionen mit ihrem Vater. Selbst heute noch, da die junge Frau die ganze Verantwortung für die Pferde eines großen Gestüts trug, nahm er seiner Tochter die Entscheidung übel. Aber Simone war zufrieden und glücklich.

Ihr Chef war ein reizender älterer Mann, Martin Holzhauser, der das Gestüt, damals noch klein, selbst von seinem Vater geerbt hatte. Jetzt standen hier teilweise hochkarätige Pferde, aber auch den älteren Tieren ging es gut, ihnen wurde das Gnadenbrot zugestanden.

Simone löste sich von Donna und schritt zügig auf das Hauptgebäude zu, neben dem ein kleiner Bach herfloss.

Draußen vor dem Gebäude stand Holzhauser, der bereits an die siebzig Jahre alt war und langsam daran dachte aufzuhören. In seinem Alter fühlte er sich doch ein wenig mit der Führung dieses großen Betriebes, wie es ein Gestüt nun einmal ist, überfordert. Seine beiden Söhne hatte er im Krieg verloren, seine Frau war wenig später an gebrochenem Herzen gestorben, und er hatte nie das Bedürfnis gehabt, sich noch einmal zu verheiraten.

Jetzt fühlte er sich müde und alt, obwohl er durchaus noch rüstig war. Aber er wollte in absehbarer Zeit das Gestüt verkaufen und hatte bereits eine Anzeige in einem Fachblatt aufgesetzt. Simone wusste noch nichts davon, aber Holzhauser war sicher, dass der Käufer die junge Frau gerne mit dem anderen Personal übernehmen würde, sie war als Tierärztin sehr gut. Sie kannte die Pferde und leistete hervorragende Arbeit.

Jetzt sah Holzhauser, wie Simone auf ihn zukam. Sie strahlte so viel Frische und Lebenslust aus, und außerdem war sie bildhübsch. Eigentlich war es eine Schande, dass sie noch keinen Freund hatte. Aber ihr schien ein Mann gar nicht zu fehlen, sie ging ganz in ihrer Arbeit auf.

Fröhlich winkte sie ihm zu, während ihre Schritte sich etwas beschleunigten. Ihr Gesicht war von dem Ritt noch leicht gerötet, und Holzhauser wünschte sich nicht zum ersten Mal, er wäre mindestens 30 Jahre jünger. Hätte er dann vielleicht Chancen bei ihr gehabt? Aber nein, wahrscheinlich nicht. Für Simone schienen Männer nichts anderes als die andere Hälfte der Menschheit, mit denen man bestenfalls beruflich zu tun hatte.

„Wie geht es Ihnen?“, rief sie und streckte die Hand zur Begrüßung aus.

Sie mochte den alten Mann wie eine Art Ersatzvater, auch wenn ihr in letzter Zeit aufgefallen war, dass ihn etwas zu bedrücken schien. Oder war es vielleicht doch das Alter, das ihm zu schaffen machte? Aber Holzhauser sah sehr rüstig aus, er ritt jeden Tag noch selbst und war sich auch nicht zu fein dafür, im Stall bei der Arbeit mit anzufassen.

Jetzt griff er nach Simones Hand und begrüßte die Frau mit einem warmen Lächeln. Simone entging allerdings nicht, dass hinter dem Lächeln Sorgen zu stecken schienen.

„Kommen Sie, meine Liebe, ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich Ihnen etwas sage.“

„So ernst?“, scherzte sie, und er ließ einen Seufzer hören.

„Sehr ernst, mein Kind. Sie wissen, dass ich ein alter Mann bin, dem die Arbeit und die Sorgen, die ein Gestüt dieser Größe mit sich bringen, langsam über den Kopf wachsen.“

Simone schüttelte den Kopf, dass ihre Haare wild umherflogen, während die beiden ihre Schritte zur nächsten Koppel lenkten, wo zwei Stuten mit ihren Fohlen zufrieden grasten. Die Tiere sahen die Menschen näherkommen und setzten sich in Bewegung in der Hoffnung, eine Möhre oder einen Apfel zu bekommen. Solche kleinen Leckereien hatten fast alle Mitarbeiter auf dem Gestüt meist in der Tasche.

Die beiden Menschen fütterten die Tiere, und Simone suchte nach Worten.

„Soll ich das jetzt so verstehen, dass Sie das Gestüt verpachten wollen?“

„Nein, ich will, vielmehr, ich muss es verkaufen. Mein Herz ist nicht mehr das gesündeste, ich muss mich langsam zurückziehen, sonst droht mir womöglich eine tödliche Attacke. Und wenn ich ehrlich bin, Simone, ich würde gerne noch ein paar Jahre in Ruhe meinen Lebensabend verbringen. Die Ärzte raten mir dringend ab, mich weiter dem unvermeidlichen Stress zu stellen.“

„Ärzte, pah“, murrte Simone, und ignorierte, dass sie selbst diesem Berufsstand angehörte. Sie blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, aber das war nur eine Geste der Verlegenheit, die dennoch sehr natürlich wirkte.

Holzhauser lachte auf. „Sie selbst gehören auch zu dieser Art, haben Sie das vergessen? Und wo ist der Unterschied, wenn Sie einem alten Pferd das Gnadenbrot geben und gute Pflege verordnen? Etwas anderes ist das für mich auch nicht. Ich werde mir ein nettes kleines Häuschen kaufen und das Leben genießen.“

„Gnadenbrot? Sie? Entschuldigen Sie, Herr Holzhauser, aber das ist etwas, was ich mir bei Ihnen absolut nicht vorstellen kann. Ebenso wenig, dass Sie einfach in den Tag hinein leben. Sie sind jemand, der gerade durch seine Arbeit jung und aktiv geblieben ist. Wenn Sie gar nichts mehr tun, werden Sie zusammenfallen wie ein Luftballon, aus dem jemand die Luft herausgelassen hat.“

Holzhauser lachte noch einmal kurz auf. „Vielen Dank für Ihre Diagnose, Frau Doktor. Aber das ist sogar mir klar. Ich habe auch nicht vor, mich in ein Denker- und Dichterstübchen zurückzuziehen. Nein, ich werde Reisen machen, die Welt sehen, ab und zu ein Turnier besuchen, alles das tun, was ich über die vielen Jahre hinweg nicht tun konnte.“

„Also ist das jetzt schon beschlossene Sache?“, fragte Simone mit unterdrückter Erregung.

„Ja, schon morgen kommt ein erster Interessent. Ich wäre Ihnen dankbar, Simone, wenn Sie ihn und mich dann auf einem Rundgang begleiten würden. Sie kennen das Gestüt mindestens so gut wie ich. Und selbstverständlich werde ich es zur Bedingung machen, dass niemand entlassen wird. Ich will, dass alles seinen gewohnten Gang weitergeht, auch wenn ich hier nicht mehr das Sagen habe.“

Simone unterdrückte plötzlich aufsteigende Tränen.

„Ich habe auch schon daran gedacht, Ihnen das Gestüt zum Verkauf anzubieten“, fuhr Holzhauser fort. „Aber selbst, wenn ich Ihnen einen äußerst günstigen Preis machte, wäre eine Belastung durch Hypotheken einfach zu hoch für Sie.“

„Ja, da haben Sie wohl recht“, stimmte die Frau zu. „Nun gut, ich muss das Ganze jetzt erst einmal einfach so akzeptieren. Selbstverständlich werde ich mit Ihnen den Rundgang machen, Herr Holzhauser. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte? Ich habe noch zu tun.“

Simone war total verwirrt und kaschierte es dadurch, dass sie Arbeit vorschützte.

2

„Du bist ein nettes Mädchen“, sagte Stefan Reinhard, der Stallmeister, zu Annette, einem der Mädchen. Die Kinder waren zwischen zwölf und achtzehn Jahre alt, ein schwieriges Alter, in dem sie ihre Weiblichkeit entdeckten. Und der Stallmeister war nicht der Mann, der eine hübsche werdende Frau einfach übersah. Holzhauser und auch Simone achteten darauf, dass er nicht über die Stränge schlug, doch er versuchte sein Glück immer wieder, bis die Mädchen kichernd oder vor Verlegenheit rot davonliefen. Normalerweise hätte Holzhauser den Mann längst entlassen, aber die beruflichen Qualifikationen waren so gut, dass es schwer sein würde, einen ebenso guten Ersatz zu bekommen.

Deshalb horchte Simone gerade auf, als Reinhard mit dem Mädchen sprach. Er würde doch wohl keinen ernsthaften Annäherungsversuch bei einer Sechzehnjährigen starten?

Der Mann hatte Simone noch nicht gesehen und sprach unbefangen weiter. Er erkundigte sich, ob Annette schon einen Freund hatte, und forschte auch dann noch ungeniert weiter, als sie verlegen bat, sie in Ruhe zu lassen.

„Ich glaube, das reicht jetzt“, unterbrach Simone schließlich mit scharfer Stimme und trat näher. Sie fing einen dankbaren Blick von Annette auf und einen mürrischen von Reinhard.

„Haben Sie sonst nichts zu tun?“, erkundigte sich die Tierärztin betont freundlich. Reinhard kannte diesen Tonfall. Auffallend schnell verschwand er.

„Lasst euch sein dummes Gerede nur nicht gefallen“, sagte Simone zu dem Mädchen. „Wenn er mit seinen dummen Sprüchen ankommt, gebt ihm am besten gar keine Antwort oder kommt gleich zu mir.“

„Es war ja nicht so schlimm“, stellte Annette wegwerfend fest, und Simone seufzte. Diese heranwachsenden Mädchen waren wirklich schwerer zu hüten als ein Sack Flöhe. Jetzt noch ein Wort zu verlieren wäre sinnlos, die Mädchen waren begierig darauf ihre eigenen Erfahrungen zu machen.

Aber die junge Frau wollte auch gern allein sein, um in Ruhe über das Gespräch mit Martin Holzhauser nachzudenken. Es war doch ein schwerer Schlag den väterlichen Freund zu verlieren und einen neuen Besitzer hier auf dem Gestüt zu akzeptieren. Vermutlich würde es jemand mit viel Geld sein, der das Ganze aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten führte. Solche Tiere hier, die friedlich auf der Koppel weideten und im Grunde keinen Zweck mehr erfüllten, würde es dann sicher nicht mehr geben. Gnadenbrot war in einem Wirtschaftsbetrieb nicht vorgesehen.

Etwas wehmütig starrte Simone auf die sechs Pferde, die neugierig näher kamen und auf einen Leckerbissen hofften.

Wie würde das alles hier weitergehen?

3

Er war unfreundlich, hektisch und ganz einfach unsympathisch: Der erste Interessent, der das Gestüt kaufen wollte.

Simone ging zusammen mit Martin Holzhauser über das weitläufige Gelände und versuchte mühsam die Beherrschung zu bewahren. An allem hatte der Mann, der einen Anwalt und einen Assistenten, der eifrig mitschrieb, im Schlepptau hatte, etwas auszusetzen.

Die Stallungen brauchten nach seiner Ansicht einen neuen Anstrich, die Koppeln mussten komplett erneuert werden, der Boden des Turnierplatzes war zu weich, die Wege hatten Schlaglöcher, und alle Maschinen waren hoffnungslos überaltert.

Simone verkniff sich die spitze Bemerkung, ob das auch für sie galt. Diese Art von schwarzem Humor hätte der Mann sicher nicht verstanden. Sie wunderte sich, dass ihr Chef das alles bis jetzt so ruhig hingenommen hatte, doch das war auf jeden Fall nur Taktik, um den Preis zu drücken, so viel war der jungen Frau klar. Dennoch wusste sie sicher: Würde dieser Mann ihr neuer Chef, dann war die Kündigung eine klare Sache.

Nun gingen sie alle zum Haupthaus zurück, einem schönen alten Fachwerkhaus mit einem dichten Reetdach. Simone liebte dieses Haus, ebenso wie Holzhauser, der darin aufgewachsen war. Ein Blumengarten zog sich um drei Seiten des Gebäudes, und neben der Haustür standen eine Holzbank, ein Tisch und ein paar Stühle.

Der Hausherr bot Plätze an und bestellte Kaffee. Dann schaute er ruhig auf die Fremden.

„Nun, was denken Sie?“, fragte er dann mit sanfter, fast demütiger Stimme, und Simone horchte auf. Dieser Tonfall war gefährlich, das wusste sie und begann zu lächeln.

Der Fremde warf einen Blick voller Abscheu auf das schöne alte Haus. „Das muss natürlich auch weg. Ich brauche ein großes Haus mit Büros, praktisch und pflegeleicht. Also, Herr Holzhauser, Ihre Preisvorstellungen gehen weit an der Realität vorbei. Nach einer groben überschlägigen Rechnung werde ich allein an Renovierungen und Neubauten zwei Millionen brauchen. Sie können also nicht erwarten, dass ich ihr Verhandlungsangebot auch nur in die engere Betrachtung ziehe. Ich werde meinen Anwalt eine Aufstellung machen lassen über den nominellen Wert und die zu erwartenden Kosten. In einer Woche etwa werde ich Ihnen dann meine Preisvorstellung mitteilen. Sicher wird es nicht so großzügig sein, wie Sie veranschlagt haben, aber ich werde mich sicher nicht lumpen lassen. Immerhin sehen Sie doch ein, dass hier alles, aber auch alles geändert werden muss.“

Eine kurze Pause entstand, und Simone fühlte die Spannung, die sich plötzlich aufbaute. Martin Holzhauser lächelte plötzlich sehr herzlich.

„Ich verstehe Sie vollkommen. Wirklich, alles, was Sie sagen, verstehe ich. Nur eines ist mir unklar: Von welchem Anwesen reden Sie eigentlich?“ Die freundliche Stimme wurde mit jedem Wort härter und unnachgiebiger, während sich auf den Gesichtern der Käufer Verblüffung und aufsteigender Zorn malten.

Holzhauser fuhr fort. „Ganz sicher reden Sie nicht von meinem Gestüt. Ich habe beim besten Willen nicht das gesehen, was Sie aufgezählt haben. Und da wir auf diese Weise ganz sicher nicht zu einer Einigung kommen werden, brauchen Sie sich keine weitere Mühe mehr zu machen. An Sie würde ich nicht einmal dann verkaufen, wenn Sie der letzte Bewerber sein sollten. Dies hier ist ein Gestüt, meine Herr, keine Geldmaschine. Hier leben Tiere, die sind keine Dinge oder Sachen, die sind lebendig, nicht berechenbar und sehr pflegebedürftig. So, Sie haben sich jetzt sicher lange genug hier aufgehalten und meine Zeit verschwendet. Einen guten Tag wünsche ich. Kommen Sie, Simone, ich bin sicher, die Herren finden die Ausfahrt allein.“

Simone konnte ein Kichern nicht mehr unterdrücken, sie folgte ihrem Chef aufatmend. Drinnen im holzgetäfelten Arbeitszimmer stand Holzhauser kopfschüttelnd da und goss sich einen Schnaps ein.

„Ich hatte nicht vor, mein Lebenswerk an einen Spinner zu verscherbeln“, sagte er, und damit war das Thema vorerst erledigt.

Doch schon am nächsten Tag kam ein neuer Käufer.

4

Ein alter klappriger Ford fuhr in den Hof, hielt direkt vor dem Haupthaus, und ein Mann stieg aus. Seine Kleidung wirkte lässig und elegant, aber ausgesprochen teuer. Er war schlank und hochgewachsen, wirkte sportlich und besaß braunes Wuschelhaar und leuchtend graue Augen. Er mochte Mitte dreißig sein, doch als er lächelnd an der Tür klingelte, wirkte er ausgesprochen jungenhaft.

Martin Holzhauser sah den jungen Mann etwas verdutzt an, als dieser ihm die Hand entgegenstreckte.

„Dominic Johnson, wir hatten eine Verabredung.“ Der Ältere stutzte einen Augenblick, dann glitt ein Leuchten über sein Gesicht.

„Schön, Sie kennenzulernen. Allerdings hatte ich Sie mir etwas anders vorgestellt.“

„Ist das ein Problem für Sie?“ Etwas wie Unmut flog über die sympathischen Züge des jungen Mannes, als Holzhauser strahlte.

„Nein, ganz im Gegenteil. Kommen Sie, wir machen erst mal einen Rundgang, wenn Sie wollen. Haben Sie noch jemanden mitgebracht: Buchhalter, Rechtsanwälte, Ehefrauen?“

Jetzt lachte Johnson laut auf und schüttelte den Kopf. „Sie hören sich an, als hätten Sie schlechte Erfahrungen gemacht. Nein, kein Anwalt, kein Buchhalter, und eine Ehefrau habe ich nicht, geschweige denn mehrere. Aber wenn Sie Wert darauf legen, kann ich meinen Anwalt anrufen ...“

„Nein, bloß nicht“, wehrte Holzhauser ab. Er war für den Moment zufrieden, hatte er doch erfahren, was er wissen wollte. Wenn dieser Junge jetzt auch noch ein bisschen Pferdeverstand besaß, dann war er der ideale Kandidat, und Holzhauser würde ihm vielleicht sogar beim Preis entgegenkommen. Und vielleicht, wer weiß, würde es ja sogar funken zwischen Simone und diesem überaus sympathischen und scheinbar unkonventionellen Mann.

Doch, wohin verstiegen sich seine Gedanken? Wunschträume am hellen Tag? Erst mal abwarten.

Zwei Stunden später kehrten die beiden Männer zum Haus zurück. Simone war an diesem Tag ausgerechnet nicht da, wie Holzhauser betrübt festgestellt hatte. Dann fiel ihm ein, dass sie zu einer Fortbildungsveranstaltung weg war.

Schade. Aber Johnson gefiel ihm ausnehmend gut. Die Fragen zum Gestüt waren von Fachkenntnis geprägt und von der Liebe zu den Pferden, wie Holzhauser befriedigt festgestellt hatte. Der Mann, so jung er in Holzhausers Augen auch sein mochte, hatte Fachverstand, außerdem schien er sich auf den ersten Blick in das alte Haus verliebt zu haben. Jedenfalls schweiften seine Augen leuchtend über das Fachwerk, das fachmännisch gelegte Reet, wie auch die alten geschnitzten Schränke, die zum Haus gehörten und die Holzhauser nicht mitnehmen wollte, wenn er ging.

Dominic fühlte sich ausgesprochen wohl. Er trank den angebotenen Kaffee und saß behaglich in einem Sessel. Martin Holzhauser gefiel ihm, auch als er jetzt behutsam auf private und finanzielle Fragen zu sprechen kam.

„Wie kommt es, dass ein junger Mann wie Sie so viel Pferdeverstand besitzt? Sind Sie auf einem Gestüt groß geworden, oder ist es reines Interesse?“

„Mein Vater hatte in England ein Gestüt, meine Mutter ist Deutsche, ebenfalls mit Pferden aufgewachsen, und so bin ich nicht nur in beiden Ländern sondern auch fest mit Pferden verwurzelt.“ Johnson erzählte nichts von den Hintergründen, dass auch seine Mutter, Gräfin Hohenhausen, mit einem Gestüt vorbelastet war. Er, Dominic, hatte aus seinem Erbe nach dem Tode seines Vaters ein gutgehendes Wirtschaftsunternehmen gemacht, allerdings nicht unter seinem bürgerlichen Namen Johnson, sondern unter dem Logo des Lord Glastonbury, wie sein offizieller Name lautete. So konnte Martin Holzhauser nicht wissen, dass er mit dem Besitzer eines der angesehensten Reitpferdeställe Europas sprach. Dominic legte im Allgemeinen keinen großen Wert darauf mit seinem berühmten Namen um sich zu werfen, es sei denn, es war wichtig für das Geschäft.

Auf jeden Fall hatte er sich entschlossen, in Deutschland eine Niederlassung aufzubauen, und wenn möglich, unter seinem bürgerlichen Namen. Und hier schien er genau an der richtigen Stelle zu sein.

Dass er seine Unternehmen wirtschaftlich führte, hinderte ihn nicht daran, auch sentimental zu sein. Auch bei ihm standen alte Pferde im Gnadenbrot, und das Wohl seiner Angestellten lag ihm ebenso am Herzen wie das der Tiere.

Aber all das erzählte er Holzhauser nicht, dafür würde vielleicht noch Zeit sein, wenn es zum Vertragsabschluss kam, wie Dominic erhoffte.

Martin Holzhauser räusperte sich, ein sicheres Zeichen, dass das Gespräch wieder ernsthafter wurde.

„Sehe ich das richtig, dass bei Ihnen eins starkes Interesse besteht, das Gestüt zu kaufen?“, vergewisserte er sich.

„Auf jeden Fall“, erwiderte Dominic. „Und Ihre Preisvorstellungen halte ich für durchaus realistisch und nicht überzogen. Wenn Sie wollen, können wir am Montag den Kaufvertrag von unseren Anwälten vorlegen lassen. Aber für heute würde mir ein Handschlag von Ihnen reichen. Damit wäre für mich der Kauf perfekt.“

Jetzt war Holzhauser doch total verdutzt. Eigentlich hatte er Johnson beim Preis noch entgegenkommen wollen, doch der schien alles in Ordnung zu finden. Aber er schaltete schnell.

„Dann wäre nur noch ein Punkt zu klären, der mir am Herzen liegt“, sagte er dann, und genau in diesem Moment fuhr draußen Simones kleiner Flitzer vor. Holzhauser deutete auf die junge Frau. „Das ist mein Problem“, erklärte er, und Dominic schaute neugierig und mit Wohlgefallen auf die Tierärztin.

„Ihre Tochter?“

„Leider nein. Das ist meine Tierärztin. Sie ist fest angestellt und liebt das Gut und die Pferde, ebenso wie die meisten meiner Angestellten. Ich möchte gern, dass alle diese Leute vorerst ihren Arbeitsplatz behalten. Wenn Sie später mit der Arbeit oder was auch immer nicht zufrieden sein sollten, können Sie ...“

„Gar keine Frage, und erst recht kein Problem“, unterbrach ihn Dominic. „Ich bin froh, wenn ich gute Leute übernehmen kann. Ihr Wort als Empfehlung reicht mir.“

Holzhauser atmete auf. Zum einen hatte er jetzt wirklich alle Probleme angesprochen, zum anderen war er froh, weil er Dominics Reaktion auf Simone ermutigend fand. Es wurde einfach Zeit, dass Simone sich mal für einen jungen Mann interessierte. Und diese beiden würden ein schönes Paar abgeben.

Simone kam nach kurzem Anklopfen herein. Dominic starrte sie fasziniert an, doch sie schien seine Blicke nicht zu bemerken. Freundlich reichte sie ihm die Hand und stellte sich vor.

„Herr Johnson hat sich gerade dazu entschlossen, unser Gestüt zu kaufen“, sagte Holzhauser. „Und ich bin froh darüber, denn ich denke, ich lege mein Werk in gute Hände. Ganz sicher werdet ihr euch auch gut verstehen. Der Mann hat Pferdeverstand, meine Liebe.“

Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich auf Simones Lippen. „Und Sie haben nicht vor, alle möglichen und unmöglichen Änderungen hier vorzunehmen?“

Dominic sah sie strahlend an. „Nun, vielleicht hier und da eine Kleinigkeit. Aber im Großen und Ganzen bin ich zufrieden.“

„Wie schön, dass Sie das so sehen“, erwiderte sie etwas spitz, und Holzhauser wunderte sich. Das war doch sonst nicht ihre Art.

Aber Simone war ganz einfach unglücklich darüber, dass das Gestüt jetzt so schnell in fremde Hände gehen sollte. Sie hatte sich kaum mit dem Gedanken an den Verkauf vertraut machen können, und schon passierte es auch. Noch dazu an diesen Mann, der ihr auf den ersten Blick eigentlich sehr sympathisch war und doch ihren väterlichen Freund jetzt bald vertreiben würde. Sie fühlte sich zwiegespalten und wusste nicht recht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Aber Martin Holzhauser schien glücklich, also überwand sie vorerst ihre Bedenken.

„Ich hoffe, wir werden gut zusammenarbeiten“, sagte sie also höflich.

Dominic warf ihr einen undefinierbaren Blick zu und grinste dann plötzlich wie ein Lausejunge. „Und ich hoffe, dass wir unsere offensichtlich gegensätzlichen Meinungen etwas angleichen. Ich glaube, Sie halten mich für einen unerwünschten Eindringling, und das möchte ich wirklich nicht sein.“

Simone wurde unwillkürlich rot, der Mann schien ihre Gedanken lesen zu können.

Holzhauser griff ein, bevor die Situation peinlicher werden konnte. „Ich denke, wir sollten den Wechsel mit einem Handschlag und einem guten Tropfen besiegeln“, schlug er vor.

5

In erstaunlich kurzer Zeit gingen die Verträge über den Tisch. Das lag zum Teil daran, dass sich beide Parteien, Holzhauser und Johnson, alles so einfach wie möglich machten.

Holzhauser kaufte in der Nähe ein kleines Haus, ebenfalls alt und gemütlich, und ließ es nach seinen Wünschen umbauen. Er wollte umziehen, sobald alles fertig war.

Das Personal reagierte zunächst betroffen auf diese Veränderungen, doch die erregten Gemüter beruhigten sich schnell, als bekannt wurde, dass niemand mit Entlassung zu rechnen habe.

Dominic stellte sich den Leuten vor und betonte, dass er nicht vorhabe etwas zu ändern. Auch wenn er, gemessen an Martin Holzhauser, noch sehr jung sei, so möchte er doch gerne Ansprechpartner für alle Sorgen und Nöte sein. Dafür habe er stets ein offenes Ohr.

Es schien alles perfekt zu sein, und doch war Simone unglücklich, sie traute Johnson noch immer nicht. Aber sie musste eng mit ihm zusammenarbeiten und begann nach einigen Tagen ihm widerwilligen Respekt entgegenzubringen. Er hatte wirklich Pferdeverstand, und als er sie bat, ihn zu einer Auktion zu begleiten, sagte sie erfreut zu.

6

In der Reithalle war es eng und stickig für die Menschen, die auf unbequemen Holzstühlen saßen oder in Grüppchen herumstanden.

In der Mitte befand sich, wie eine Arena, ein Führring, in dem die zu verkaufenden Pferde von den Pflegern herumgeführt wurden.

Simone fühlte die unterschwellige Erregung der Anwesenden. Die meisten Leute waren hier, um Pferde zu kaufen, und es ging um teilweise hohe Summen für Spitzentiere.

Simone wusste über Dominic noch immer nicht mehr als am Anfang ihrer Bekanntschaft. Und so wunderte sie sich doch, als er im Katalog zielstrebig nach einigen der teuersten Hengste schaute. Sie betrachtete den Mann stirnrunzelnd.

„Ich will nicht unhöflich sein oder gar neugierig erscheinen“, sagte sie dann zögernd. „Aber sie haben gerade ein großes Gestüt gekauft, auf dem einige sehr gute Tiere stehen. Und jetzt wollen Sie noch zusätzlich Pferde kaufen? Noch dazu sehr teure. Können Sie sich das leisten?“

Dominic blickte sie freundlich an, aber seine Stimme klang kühl, als er antwortete. „Das erscheint mir wirklich etwas neugierig, Frau Frank. Im Allgemeinen pflege ich vorher zu überlegen, bevor ich etwas in Angriff nehme. Auch bevor ich relativ hohe Summen ausgebe. Sie dürfen also annehmen, dass ich weiß, was ich tu. Ich möchte jetzt, dass sie diese beiden Hengste begutachten, sie eignen sich meiner Meinung nach gut für die Zucht.“

Simone schnappte nach Luft. Zum einen über die abweisende Antwort, zum anderen, weil Johnson gleich beide Tiere meinte.

„Orpheus und Atlas?“, fragte sie entgeistert, und Dominic nickte freudestrahlend. „In Ordnung, Sie sind der Chef“, erwiderte sie gepresst.

Die Versteigerung nahm ihren Lauf, während Simone, zusammen mit Pflegern und anderen Tierärzten, die beiden Hengste begutachtete. Die zwei waren in bester Verfassung, wie sie schnell feststellte, aber sie würden ein Vermögen kosten, denn auch andere berühmte Gestüte waren daran interessiert.

Simone sah Dominic neben einem distinguiert aussehenden Mann stehen und mit ihm reden. Sie kramte in ihrer Erinnerung, eigentlich musste sie ihn kennen, und dann fiel ihr der Name ein. Graf Schöndorff, im Reitsport der Fachmann überhaupt. Er war früher selbst mit großem Erfolg Turniere geritten, nach einem schweren Unfall schrieb er jedoch in den letzten Jahren nur noch und war eher publikumsscheu geworden. Doch sein Wort galt viel in der Fachwelt. Und Dominic schien ihn zu kennen, so sah es zumindest aus. Seltsam. Hinter diesem Mann steckte mehr, als er von sich preisgab. Er machte ein Rätsel aus seinem eigenen Vorhandensein, aber Simone war auf einmal fest entschlossen, dieses Rätsel zu lösen.

Sie ließ sich die üblichen Fotokopien der bisherigen ärztlichen Unterlagen über die Tiere geben und kehrte zu Dominic zurück, der sein Gespräch mittlerweile beendet hatte und geduldig auf sie wartete.

„Nun, wie sieht es aus? Wären die beiden eine Bereicherung für unser Gestüt?“

Unser Gestüt – ein schöner Ausdruck, dachte Simone, aber es war ja sein Gestüt.

„Die beiden sind in jedem Fall eine Bereicherung für jedes Gestüt, das sich die Tiere leisten kann. Und das wissen auch alle anderen Leute. Die Preise werden hochschießen wie die Pilze.“

Wieder sah er sie mit diesem seltsamen Blick an, in dem weder ein Tadel noch eine Zurückweisung lag, und der ihr trotzdem sagte, dass es nun genug war mit ihren Bemerkungen. Simone seufzte und zuckte mit den Schultern.

„Es ist Ihr Geld“, stellte sie lapidar und doch wütend fest.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Auktionator zu, der geübt die Gebote ausrief, es klang fast wie ein ununterbrochener Gesang, und wer hier mitbieten wollte, musste eine Menge Ahnung haben, um keinen Fehler zu machen. Johnson schien zu wissen, was er tat, denn er bot mit knappen Handbewegungen. Simone hörte fast atemlos zu, wie die Preise kletterten. Und die ganze Zeit über schwand das überlegene Lächeln im Gesicht von Dominic nicht.

Simone verstand die Welt nicht mehr, dieser Mann schien über eine Unmenge an Geld zu verfügen. Aber woher? Sie nahm sich vor, irgendwann noch einmal hartnäckig nachzufragen, denn bisher war er allen Fragen ausgewichen, hatte bisweilen sogar schroff geantwortet.

Die junge Frau konnte nicht wissen, dass Dominic jede Nachforschung ihrerseits ganz bewusst abzublocken versuchte. Er hatte sich in die Frau verliebt und würde sie auch vom Fleck weg heiraten. Aber sie sollte noch nicht wissen, dass er der Sohn eines englischen Adeligen war, der wirklich über fast unbegrenzte Geldmengen verfügen konnte und vor allem überhaupt keine Lust hatte, von seinem Titel Gebrauch zu machen. Dominic wollte Simone im Glauben lassen, dass er sich finanziell übernahm, um dann zu prüfen, ob sie zu ihm stand. Dabei hatte er nicht bedacht, dass sie vielleicht ganz andere Pläne haben oder ihn vielleicht gar nicht mögen könnte. Vielleicht würde sie ihm diese Täuschung auch übel nehmen, aber diese Möglichkeit schloss der Mann einfach aus.

Jetzt jedenfalls bot er mit, und schließlich bekam er auch für beide Pferde den Zuschlag.

Zufrieden fuhr er heim, und Simone begann doch, sich Sorgen zu machen.

7

Eine Woche später ließ Johnson Simone zu sich rufen.

Er saß im Arbeitszimmer, das noch bis vor kurzem Martin Holzhauser benutzt hatte. Simone war lange nicht hier gewesen und wunderte sich, dass fast gar nichts verändert schien. Natürlich waren die Papiere auf dem hoffnungslos überladenen Schreibtisch nicht mehr die gleichen, und auch eine Menge neuer Bücher gab es in den Regalen. Doch die warme, gemütliche Atmosphäre des Raumes hatte sich nicht verändert.

Dominic schaute kurz auf, als Simone hereinkam und bot ihr einen Platz an, während er rasch an einem Schriftstück weiterschrieb.

„Ich bin sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit“, sagte er schließlich.

„Danke“, erwiderte Simone ruhig. Ganz sicher hatte ihr Chef sie nicht nur gerufen, um ihr das zu sagen.

„Ab heute sind Sie allein verantwortlich für alle Tiere und auch ihren Einsatz bei Turnieren und dergleichen. Sie erstatten mir Bericht, wenn es Probleme gibt. Mir, oder dem neuen Gestütsleiter.“

Sie schluckte. „Neuer Gestütsleiter?“, fragte sie dann.

„Ja, Andreas Hohrenkämper, ein Freund und Studienkollege von mir. Er wird jeden Augenblick hier eintreffen. Ich muss in nächster Zeit öfter verreisen, und Sie sehen doch wohl, dass ich einen so großen Betrieb nicht allein lassen kann. Andreas wird sich um alles kümmern. Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie es ihm.“

Simone war wie vor den Kopf geschlagen. Bisher hatte doch auch alles geklappt, auch wenn Holzhauser zeitweise auf Reisen war. Immer hatte sie dann die letzten Entscheidungen getroffen. Und so gestand sie sich nicht ein, dass es eine Art Neid oder Eifersucht war, die sie bewog mit spitzen Worten zu antworten.

„Wenn Sie so viel unterwegs sind, ist ein Gestüt vielleicht nicht der richtige Besitz für Sie. Sie hätten sich ein Reisebüro kaufen sollen, statt ganze Vermögen für etwas auszugeben, von dem Sie offensichtlich nicht die geringste Ahnung haben.“

Ihre scharfen Worte wurden mit einem nachsichtigen Lächeln als unwichtig abgetan.

„Sie sollten sich kein Urteil über Dinge anmaßen, zu denen Ihnen die tiefere Einsicht fehlt“, kommentierte er knapp und brachte Simone mit diesen Worten zur Weißglut.

„Wenn mir die tiefere Einsicht fehlt, sollten Sie sich vielleicht überwinden, mir ein wenig davon zukommen zu lassen. Mit Ihrer Geheimniskrämerei schüren Sie Gerüchte und falsche Annahmen.“

„Oh, gibt es schon Gerüchte über mich? Das ging aber schnell. Darf ich etwas davon hören, oder ist das geheim?“, fragte er neugierig.

Simone schnaubte. „Ihre Neugier ist ja noch größer als ihr Schweigen. Wenn Sie sich über etwas beklagen, was ich sage, dann sehen Sie vorher in den Spiegel, statt hier mit platten Weisheiten um sich zu werfen.“

Dominic schien diese kleine Auseinandersetzung Spaß zu machen, er lächelte jedenfalls zufrieden.

„Ich glaube einfach nicht, dass ich Ihnen in irgendeiner Form Rechenschaft schuldig bin, meine Liebe. Alles, was Sie wissen müssen, habe ich Ihnen gesagt. Und alles andere ist, auch wenn Sie es provozieren – reine Neugier von Ihrer Seite aus.“

Auf das empörte Aufzucken eines blauen Blitzes aus Simones Augen war er nicht gefasst. Simone stand langsam auf.

„Herr Johnson, ich bin mir nicht sicher, ob ich unter diesen Umständen noch länger gewillt bin, für Sie zu arbeiten. Ich bin für klare Verhältnisse, aber an Ihnen ist mir überhaupt nichts klar. Auf der einen Seite erweitern Sie meine Verantwortlichkeit, setzen mir aber gleichzeitig einen Verwalter vor die Nase. Sie geben ganze Vermögen für Pferde aus, während auf der anderen Seite hier auf dem Gestüt noch viel Geld für Reparaturen gebraucht wird. All dieses Geld kann nicht vom Himmel fallen, und Sie werden es mir schon gestatten müssen, dass wir alle uns Sorgen darum machen.“

„Das ist unnötig“, unterbrach Dominic sie sanft. „Hat es Ihnen bisher an Geld für irgendetwas gefehlt? Oder haben Sie Ihr letztes Gehalt nicht bekommen?“

Damit ließ er sie wieder ins Leere laufen, aber ihre unverhüllte Drohung zu kündigen, machte ihm zu schaffen.

„Simone, tut mir leid, dass das alles für Sie etwas undurchsichtig aussehen muss. Aber ich möchte wirklich nicht mit Ihnen streiten. Was kann ich tun, damit Sie mir nicht mehr mit Kündigung drohen?“

Er schaute sie bei diesen Worten so treuherzig an, dass sie unwillkürlich auflachen musste.

„Viel besser“, lobte er.

Jedes weitere Wort blieb vorerst ungesagt, weil es an die Tür klopfte und ein Mann hereinkam, bei dessen Anblick Dominic hocherfreut aufsprang.

„Andreas, schön dich zu sehen. Wie geht es dir? Komm, ich will dir jemanden vorstellen. Diese charmante junge Dame ist Simone Frank, unsere Tierärztin. Andreas Hohrenkämper, der neue Gestütsleiter“, stellte Dominic vor. „Ich erhoffe und wünsche euch eine gute Zusammenarbeit.“

Andreas schaute Simone fasziniert an, dann wandte er sich an seinen Freund. „Du hast es immer schon verstanden, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, Dominic, aber mit dieser Frau hast du offensichtlich den Vogel abgeschossen. Simone? Ich darf doch Simone sagen? Ich freue mich sehr, Sie kennenlernen zu dürfen.“

Simone war gerührt von so viel Charme, welch ein Gegensatz zu Dominic, der sich wie ein Holzklotz benehmen konnte. Und diese beiden waren Freunde? Es konnte kaum unterschiedlicher sein.

Andreas war hochgewachsen, fast schlaksig, hatte leuchtend blondes Haar und strahlende blaue Augen. Er wirkte auf den ersten Blick sympathisch.

Dominic sah, dass auch sein Freund gerade dabei war, sich in Simone zu verlieben. Das würde vielleicht noch eine schwierige Situation werden. Aber vielleicht zeigte Simone ihm von Anfang an die kalte Schulter. Auf jeden Fall war er fest entschlossen, um die junge Frau zu kämpfen, wenn es denn sein musste.

Jetzt aber würde er zunächst einmal nach England reisen müssen, und deswegen war Andreas auch so kurzfristig hergekommen.

Dominic hätte Simone am liebsten gefragt, ob sie ihn begleiten würde, aber diesen Schritt hielt er denn doch für verfrüht. Er wollte sie nicht mit dem Schloss und dem Landsitz verschrecken, dann wäre er automatisch nur noch der Chef für sie, und eine unüberwindliche Mauer würde zwischen ihnen entstehen.

Nein, Simone sollte ihre Gefühle für ihn entdecken, das wünschte er sich, so wie er sie schon liebte, ohne es schon zeigen zu können.

Fast eifersüchtig sah er jetzt, dass sich Andreas und Simone auf den ersten Blick zu verstehen schienen. Das verwunderte ihn, hatte die Frau sich gerade gegen einen Verwalter ausgesprochen.

Er seufzte innerlich. Versteh einer die Frauen!

Simone ging wenig später, und Dominic zeigte seinem Freund alles Wichtige. Bis in die Nacht hinein saßen die beiden Männer dann noch über den Büchern.

Am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe fuhr Dominic davon.

8

„Schneller, Pierrot!“, rief Simone, um ihr Pferd anzuspornen.

Sie hatte sich von Andreas zu einem gemeinsamen Ausritt überreden lassen. Der Wind zauste ihr Haar, die Augen leuchteten unternehmungslustig, und eine leichte Röte färbte die Wangen der Frau. Andreas hatte sie zu einem Wettrennen herausgefordert, und Simone war begeistert darauf eingegangen.

Sie führte, aber nur ganz knapp, doch der Ehrgeiz zu gewinnen, trieb sie voran. Irgendwo im Wald hielten sie dann auf einer Lichtung an.

„Ich muss mich geschlagen geben“, bekannte Andreas, lachte dabei aber. Auch ihm hatte dieses Rennen Spaß gemacht. Und dass er Simone den Sieg gönnte und sie glühend verehrte, hätte jeder sehen können. Doch außer den beiden war niemand hier.

Pierrot, Simones Hengst, biss spielerisch nach der Stute von Andreas. Die Tierärztin stieg ab und führte das Pferd am Zügel hinter sich her. Andreas folgte ihrem Beispiel.

„Wie kommt es, dass Sie für einen Mann wie Dominic Johnson arbeiten?“, fragte sie beiläufig.

„Wir haben gemeinsam studiert, Betriebswirtschaft und anderen Unsinn, und dabei haben wir uns angefreundet. Später habe ich dann in einer großen Bank gearbeitet, aber irgendwie war das nicht das Richtige für mich. Mir fehlte die Herausforderung, aber auch die Vielseitigkeit, das Improvisieren – ach, wie soll ich Ihnen das nur erklären? Es war einfach von jedem etwas. Und das heißt auch nicht, dass ich in meinem Beruf unglücklich gewesen wäre. Aber alles zusammengenommen war es nicht das, was ich brauchte. Und dann kam Dominic zu mir, als sein Vater starb. Er sagte, er brauche dringend jemanden, der für ihn die Bücher führt, einen Betrieb leiten kann, eben alles das, was er selbst auch macht, aber aus Zeitgründen nicht alles schafft.“

Simone hatte ruhig zugehört. Jetzt endlich erfuhr sie ein bisschen mehr von ihrem neuen Chef, aber eigentlich warf das noch mehr Fragen auf, als es beantwortete.

„Wer ist Dominic eigentlich?“, entfuhr es ihr fast ungewollt, und sofort verschloss sich die bis dahin heitere Miene von Andreas. Er hatte seine Anweisungen.

„Er ist mein Freund. Und wenn Sie mehr über ihn wissen wollen, sollten Sie ihn selbst fragen“, gab er abweisend zur Antwort.

„Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht aushorchen, auch wenn das jetzt so ausgesehen hat. Ich wüsste nur gerne mehr über die Leute, mit denen ich tagtäglich zu tun habe. Und er war ziemlich sparsam mit seinen Auskünften.“

„Ist schon gut, ich lasse mich nur nicht gern ausfragen, wenn es um andere geht“, brummte er gutmütig. „Aber um ein bisschen von ihrer Neugier zu stillen, will ich Ihnen zumindest erzählen, dass Dominic auf deutschen und englischen Schulen unterrichtet wurde. Er musste vieles doppelt lernen und hat es wirklich nicht leicht gehabt.“

„Nun ja, wenn man bedenkt, dass es viele Kinder gibt, die trotz offensichtlicher Begabung nicht einmal eine einzige vernünftige Schule besuchen dürfen, dann hatte er es sicher schwer“, bemerkte Simone leicht ironisch.

„Warum werden Sie jetzt so spitz? Mögen Sie Dominic nicht? Ich kann jedenfalls sagen, dass er der beste Freund ist, den man haben kann. Er ist immer da, um alles zu teilen, Freude und Leid, Erfolge und Niederlagen.“

„Sie klingen sehr loyal“, bemerkte Simone trocken. „Aber ich habe das Gefühl, Sie gehen ganz in ihrer Freundschaft und Dankbarkeit für Dominic auf. Leben Sie manchmal auch ein eigens Leben?“

„Warum so bitter?“, fragte er. „Ich bin zufrieden mit meinem Leben, ja. Dankbarkeit und Freundschaft sind doch wohl legitime Gefühle einem Freund gegenüber. Aber das ist auch alles. Unsere Interessen sind in den meisten Dingen sehr gegensätzlich. Ich zum Beispiel, empfinde im Augenblick eine ganze Menge für eine reizende junge Tierärztin, die viele neugierige Fragen stellt.“

Er zog sie plötzlich an sich heran und wollte sie küssen, doch Simone schob in sanft zurück. „Nicht, bitte“, sagte sie leise. „Ich – ich möchte nicht. Mein Leben ist ausgefüllt genug. Und im Augenblick habe ich beim besten Willen keinen Bedarf an einem Mann. Oder gar an komplizierten Verhältnissen.“

Er wich zurück. „Verzeihung, ich hätte Sie vielleicht vorher fragen sollen, ob da noch jemand ist.“

„Nein, nein, da ist niemand“, protestierte sie. „Ich glaube, ich will nur ganz einfach nicht.“

Jetzt sah Andreas verblüfft aus. „Sie meinen, Sie wollen von Männern nichts wissen?“

Simone lachte herzhaft auf. „Da verstehen Sie mich völlig falsch. Ich denke schon, dass ich mich irgendwann für einen Mann interessieren könnte. Aber der ist bis jetzt noch nicht aufgetaucht.“

Sein Blick ruhte plötzlich prüfend auf ihr. „Sind Sie da wirklich sicher? Oder ist es nicht vielleicht doch Dominic?“

Simone lachte noch einmal auf. „Nein, ganz bestimmt nicht. Ich lasse mich nicht gern zurückschubsen, wenn ich ein paar harmlose Fragen stelle. Und genau das hat er getan.“

Andreas schien nicht überzeugt. „Liebe und Hass liegen sehr dicht beieinander, denken Sie daran. Aber ich will Ihre Ansichten respektieren. Darf ich trotzdem darauf hoffen, dass wir auf freundschaftlicher Basis miteinander auskommen können?“

Simone reichte ihm spontan die Hand. „Darum möchte ich doch gebeten haben, Andreas. Und jetzt – Wettrennen nach Hause?“ Ihre Augen sprühten übermütig, als sie wieder auf das Pferd stieg.

Andreas ließ sich nicht zweimal bitten.

9

Ein wilder Herbststurm tobte über das Land. Lose Latten an den Koppeln klapperten, der Wind heulte um die Gebäude, und es war schön drinnen im Haupthaus am Kamin zu sitzen, was Dominic Johnson an diesem späten Abend tat.

Andreas war in die Stadt gefahren, und so saß der junge Chef von seiner Reise zurückgekehrt in seinem Zimmer allein am Feuer. Es war schon spät, doch er genoss das Toben der Elemente, bis ein heftiger Knall ihn aufschreckte.

Einer der Fensterläden hatte sich aus der Sperre gelöst und schlug heftig gegen die Wand und dann gegen den Fensterrahmen.

Dominic sprang auf und lief trotz des strömenden Regens hinaus, um den Laden wieder zu befestigen, bevor die Fensterscheibe durch den Druck zerbrach.

Rein zufällig fiel sein Blick auf die Stallungen, und er stellte fest, dass dort mehr Licht brannte, als nur die normale abendliche Notbeleuchtung. Hatte jemand vergessen das Licht auszumachen? Na egal, dann sollte es eben brennen. In dieser Nacht würde er nicht hinüberlaufen, um es auszumachen.

Aber halt, eine der Stuten war trächtig. Stimmte da vielleicht etwas nicht, dass der Stallmeister noch nachsah?

Dominic fluchte lautlos vor sich hin, dass er nun doch hinausmusste, weil er eine innere Unruhe verspürte.

Rasch holte er noch seine Regenjacke, die im Haus an der Garderobe hing, und eine Taschenlampe für alle Fälle. Dann lief er durch den tobenden Sturm hinüber zum Stall.

Der Wind drückte heftig gegen die Tür, und Dominic musste all seine Kraft aufwenden, um sie zu öffnen.

Drinnen war es trocken und warm. Der vertraute Geruch eines Pferdestalls stieg dem Mann in die Nase, wie auch die üblichen Geräusche; das Stampfen der Pferde in den Boxen, das Mahlen beim Fressen, leises Schnauben.

Draußen tobte der Sturm, als wollte er den Stall abreißen, doch das würde ein vergeblicher Versuch sein.

Dominic erinnerte sich daran, warum er hier war und schritt weiter.

Im hinteren Teil des Gebäudes waren die größeren Boxen, in denen meist Stuten mit ihren Fohlen standen. In einer davon kniete Simone neben Wildfang, der trächtigen Stute. Die lag am Boden und stöhnte, das Fell des Tieres war schweißig, und sie mühte sich verzweifelt ihr Fohlen zu gebären. Simone sprach ruhig auf sie ein und versuchte dabei dem Tier zu helfen, so gut es ging. Aber sie war allein.

„Warum haben Sie mich nicht gerufen?“, fragte Dominic leise, aber Simone schreckte dennoch bei diesen Worten auf.

„Sie haben auf meinen telepathischen Ruf reagiert, sonst wären Sie doch nicht hier. Und weglaufen konnte ich hier wohl kaum, wie Sie selbst sehen.“

„Im Grunde haben Sie recht“, musste er zustimmen. „Das zeigt mir gerade einen Schwachpunkt auf. Ich werde so schnell wie möglich Telefone in allen Stallgebäuden installieren lassen. Und nun wollen wir mal sehen, was wir tun können.“

Er zog sich die Jacke aus und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch. Als er Simones ungläubigen Blick bemerkte, lächelte er grimmig.

„Ich habe schon bei Geburten geholfen, als Sie noch nicht wussten, wie man Pferd schreibt, Frau Doktor. Und nun lassen Sie uns nicht länger zögern.“

Es wurde eine lange, anstrengende Nacht. Mal abwechselnd, mal zusammen boten die beiden Menschen dem mittlerweile total erschöpften Tier Hilfe, massierten den mächtigen, aufgetriebenen Körper, sprachen auf die Stute ein, deren Augen unendliche Qual zeigten, und waren schließlich selbst mit den seelischen und körperlichen Kräften am Ende.

Irgendwann flaute der heulende Sturm draußen ab, und ein kleines Fohlen glitt aus dem gequälten Leib der Stute. Sie wollte sich aufrichten und ihr Neugeborenes abschlecken, das auf wackeligen Beinen dastand und nach Milch suchte, doch sie schaffte es nicht mehr. Mit einer fast ergeben Geste ließ sie den Kopf zurücksinken.

„O nein, Wildfang, nicht jetzt“, rief Simone fast zornig.

Sie zog mit raschen Griffen eine Spritze auf und stach sie zielsicher in den Hals des Tieres, aber auch das nützte nichts mehr.

Hilflos musste die Tierärztin zusehen, wie das Leben aus der Stute entwich. Tränen liefen der jungen Frau über das Gesicht, während Dominic das Hengstfohlen mit Stroh abrieb. Dann stand er auf und nahm Simone wortlos tröstend in den Arm. Eine Weile hielt sie ganz still, sammelte Kraft aus dieser Berührung, während ihre Tränen das Hemd des Mannes durchnässten.

Schließlich aber löste sie sich von ihm.

„Tut mir leid, dass ich nicht mehr tun konnte“, murmelte sie und begann ihre Instrumente wieder in die Tasche zu packen. Aber dann hielt sie inne und streichelte sanft über den Kopf der toten Stute.

„Lassen Sie“, erwiderte Dominic sanft. „Sie hätten gar nicht mehr tun können. Aber hier ist neues Leben, das Ihre Hilfe braucht. Es mag ein schwacher Trost sein, aber Ihre Arbeit geht weiter. Es ist bedauerlich, doch die Welt geht davon nicht unter, dass diese Stute jetzt gestorben ist.“ Dominic suchte nach Worten, um richtig auszudrücken, was er dachte und Simone sagen wollte. Aber prompt verstand sie ihn falsch, vielleicht auch aus der Erschöpfung heraus, oder aus der Anspannung.

Sie drehte sich zu ihm um, ihre Augen sprühten zornige Funken.

„So ist das also, ja? Schade um die Stute, natürlich, aber wir haben ja einen neuen Hengst, der viel mehr Geld einbringen wird, als Wildfang das je gekonnt hätte. Ein bedauerlicher Verlust, aber das Finanzamt wird es schon verstehen. Schließlich gibt es ja Experten, die aus diesem Verlust einen Gewinn machen.“

Wieder traten ihr Tränen in die Augen, aber diesmal vor Zorn.

Dominic stand hilflos und verlegen da, erschüttert über die Wirkung, die seine Worte gehabt hatten.

Dabei suchte Simone nur nach einem Ventil für ihre eigene Hilflosigkeit, die ihr die Stute entrissen hatte. Jetzt schüttete sie ihre Verzweiflung über Dominic aus, der nicht recht wusste, wie er auf diesen Angriff reagieren sollte.

„Es kann durchaus sein, dass ich mich völlig falsch ausgedrückt habe“, erwiderte er langsam. „Ich trauere sicher ebenso wie Sie um die Stute. Ich wollte eigentlich nur sagen, dass wir aus unserer Trauer heraus das Leben nicht vergessen sollten. Ich bin nicht der Mann, der Pferde oder auch andere Tiere für Dinge hält, die einfach wieder ersetzt werden können. Diese Stute kannte ich noch nicht lange, wie alle anderen auch, genauso wenig wie Sie, Simone. Aber Sie sind mir alle in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen. Vielleicht glauben Sie mir nicht, das ist gut möglich. Immerhin waren Sie von Anfang an der Meinung, dass ich hier nichts zu suchen habe. Aber ich will gerne daran arbeiten, Ihre Ansichten über mich zum Positiven zu ändern, wenn ich nur wüsste, wie.“

Simone hielt inne. Gerade hatte sie ihm mit scharfen Worten eine Entgegnung ins Gesicht schleudern wollen, doch da war etwas in seinen Worten oder seiner Stimme, das sie zurückhielt.

Vielleicht war es ja ganz einfach die Aufrichtigkeit, die dahintersteckte. Sie fühlte sich, als hätte sie sich gerade gnadenlos lächerlich gemacht. Verlegen senkt sie den Blick und fuhr sich mit den verschmierten Händen durch die Haare.

„Ich – ich glaube, ich bin über das Ziel hinausgeschossen“, meinte sie dann leise, und flammende Röte färbte plötzlich ihre Wangen. „Aber das ändert nichts an meiner grundsätzlichen Einstellung. Ich glaube noch immer nicht, dass Sie der Richtige für das Gestüt sind. Ihre ganze Art gefällt mir nicht, ich weiß einfach nicht, was ich von Ihnen in Wirklichkeit halten soll.“

„Simone“, unterbrach Dominic sie sanft. Sie reagierte nicht sofort, und er wiederholte ihren Namen noch etwas eindringlicher. Sie hielt inne und sah ein inniges Lächeln auf dem Gesicht des Mannes.

„Wie wäre es“, fragte er behutsam, „wenn wir noch einmal ganz von vorne anfangen würden? Legen Sie Ihre Vorurteile gegen mich beiseite und versuchen Sie ganz einfach einen neuen Menschen in mir zu sehen, den Sie neu kennenlernen. Vielleicht bin ich ja gar nicht so übel.“

Wider Willen musste Simone auflachen, und das brach den Bann aus Zorn und Wut in ihr.

„Ich weiß nicht recht, aber ich will es versuchen“, versprach sie aufrichtig.

„Dann wollen wir Ihre Worte von vorhin vergessen und unter die Dusche gehen, nachdem wir diesen kleinen Racker hier versorgt haben.“ Dominic deutete auf das Hengstfohlen, das noch immer etwas wackelig dastand und an den Fingern des Mannes saugte.

„Wir sollten Herrn Reinhard wecken, er kann sich um das Fohlen kümmern. Für uns war die Nacht lang genug. Hätten Sie vielleicht Lust, mit mir noch einen Cognac zu trinken?“

Er schaute sie bei diesen Worten neugierig an, und Simone überlegte.

„Ein Cognac ist genau das, was ich jetzt brauche, ich wusste es nur noch nicht“, sagte sie dann.

Dominic strahlte über das ganze Gesicht. Er griff nach einem Bündel Stroh und reichte es ihr.

„Was soll ich damit?“, fragte sie verständnislos.

„Reiben Sie den Schmutz ein bisschen ab, duschen können Sie später.“

Johnson weckte den Stallmeister und informierte ihn mit wenigen Worten. Dann ging er mit Simone zurück in Haus.

Es war gerade zu dieser Zeit, dass Andreas heimkehrte. Und sein Blick wurde düster, als er die beiden so einträchtig nebeneinander sah. Dann lächelte Simone Dominic zu, und Eifersucht flammte auf im Herzen des jungen Mannes.

10

„Nun, Simone, was führt Sie in mein gemütliches Altersheim?“, fragte Martin Holzhauser.

Er saß in seinem gemütlichen Wohnzimmer am Kamin und las in einem Buch.

Die Tierärztin war nach dem Umbau schon einmal hier gewesen und hatte sich für ihren ehemaligen Chef gefreut, dass er ein so schönes neues Zuhause besaß.

Draußen war es empfindlich kalt geworden. Es ging auf den Winter zu, und bald schon würden alle Tiere im Stall bleiben müssen.

Simone hatte diesen Nachmittag genutzt, um ihren väterlichen Freund aufzusuchen. Sie befand sich ganz plötzlich in einem Durcheinander von Gefühlen, das genau in der Nacht von Boleros Geburt begonnen hatte.

Sie hatte zusammen mit Dominic vor dem Kamin gesessen, in dem das Feuer langsam verglühte, und den aromatischen Duft des Cognacs genossen. Keiner von beiden sprach ein Wort, es war wie ein Zauber, der sie eingefangen hatte. Lange Zeit saßen sie so, bis Simone irgendwo im Haus, und doch unendlich weit entfernt, einen Wecker klingeln hörte. Abrupte stellte sie ihr Glas weg und stand auf. Dominic erhob sich ebenfalls. Und noch ehe sich einer von beiden versah, hatte der Mann sie sanft an sich gezogen und geküsst. Dieser Kuss löste wilde Empfindungen in ihr aus; er war sanft und doch fordernd, männlich und doch nicht besitzergreifend. Es kribbelte und prickelte in ihrem gesamten Körper, und Simone stellte plötzlich fest, dass sie nichts dagegen hätte, noch mehr von diesen Küssen zu bekommen.

Aber das ging nicht, nein, das wollte sie denn doch nicht. Fast panikartig riss sie sich los und flüchtete aus der behaglichen Wärme von Dominics Armen und ließ den Mann verdutzt stehen.

In den nächsten Tagen hatte sie es ganz bewusst vermieden, allein mit ihm zusammenzutreffen.

Als Simone mit den Helferinnen zusammen war, kam Dominic ganz überraschend dazu und erzählte humorvoll von der Sturmnacht. Dann bat er Simone einen Namen für das Fohlen zu finden, und diesen Wunsch konnte sie ihm natürlich nicht abschlagen.

Sie entschied sich aus einer Laune heraus für Bolero. Der Vater des Fohlens war der berühmte Bergsieger gewesen. Dann hatte Dominic ihr sanft die Hand gedrückt und wie beiläufig gemeint, er würde gerne das begonnene Gespräch aus der Nacht fortführen. Simone war puterrot geworden, und er war lachend gegangen.

Sie hatte versucht, ihre Gefühle ins Reine zu bringen, denn da war etwas, das sie zu diesem Mann hinzog. Und doch wäre sie andererseits am liebsten vor ihm davongelaufen. Weil sie nicht mehr weiterwusste, hatte sie sich entschlossen mit Holzhauser darüber zu reden, aber nun, da sie bei ihm war, fehlten ihr die Worte.

Irgendwann aber merkte Holzhauser, dass etwas die junge Frau sehr bewegte, und so fragte er sie schließlich direkt.

„Und jetzt erzählen Sie dem lieben Onkel Martin mal, was mit Ihnen los ist. Ich merke doch, dass etwas nicht stimmt. Also, wer hat Ihnen etwas getan?“

Simone schaute den Mann unglücklich an. Dann ging sie zum Fenster und starrte hinaus. Schließlich begann sie mit spröden Worten zu erzählen, auch von ihrer inneren Zerrissenheit. Holzhauser schwieg anschließend lange Zeit, bis Simone glaubte, die Spannung nicht mehr ertragen zu können.

„Kann es sein, dass Sie sich in Dominic verliebt haben?“, fragte Holzhauser schließlich. „Halt nein, springen Sie mir nicht gleich an die Kehle, Mädchen. Erstens habe ich das eigentlich schon lange erhofft, und zweitens spricht alles, was Sie tun und denken, dafür.“

„Aber – aber ich will doch gar nicht“, stammelte Simone. „Ich fühle mich wohl so. Ich habe meine Arbeit, und mehr brauche ich nicht.“

„Wenn das Herz spricht, sind wir Menschen machtlos, Mädchen. Vielleicht versuchen Sie mal, diese Tatsache zu akzeptieren. Sie können sich dagegen wehren, ja. Aber um welchen Preis? Sie wären auf Dauer unglücklich. Prüfen Sie Ihre Gefühle, Simone, ehrlich, und allein mit sich selbst. Und dann lassen Sie ihr Herz entscheiden, nicht den Verstand. Der ist bei Ihnen gut ausgebildet, wie ich weiß. Aber manchmal steht er im Wege. Hören Sie auf Ihr Herz, Simone.“

„Das ist gar nicht so einfach“, seufzte sie.

„Sie haben zu lange allein gelebt“, schmunzelte er.

„Das müssen ausgerechnet Sie sagen“, protestierte sie.

„Ja, ausgerechnet ich. Und um mich auch ein wenig auf mein Herz zu besinnen, werde ich nächste Woche verreisen. Ich dachte mir, ich sollte mir mal etwas Besonderes gönnen. Und so werde ich in die Karibik fliegen.“

„Sonne, Sand und kriminelle hygienische Verhältnisse“, kommentierte Simone, und beide lachten auf. „Wie lange werden Sie weg sein?“

„Drei Monate, wenn es mir gefällt.“

„Nun, dann werde ich solange ohne Ihren guten Rat auskommen müssen. Und jetzt muss ich fahren. Schreiben Sie mir?“

„Mit Freude!“

11

Eine Woche später gab es schon den ersten Frost. Die Wiesen waren weiß, und der Morgen sternenklar.

Simone stapfte, angetan mit einem dicken Parka, über das Gelände von ihrer kleinen Wohnung zu den Stallungen. Sie schaute missmutig drein, denn sie ahnte, dass es Probleme geben würde. Das war abzusehen gewesen.

Da gab es Andorra und Passionata, zwei ältere Pferde, die weder zur Zucht noch als Übungstiere mehr zu gebrauchen waren. Und wie bisher bei Holzhauser üblich, hatte Simone bestimmt, dass sie zu den anderen gestellt werden sollten, die ebenfalls ihr Gnadenbrot bekamen. Es widerstrebte Simone solche Tiere, die ihr Leben lang gut gedient hatten, zum Abdecker zu geben, nur damit sie keine Kosten mehr verursachten.

Nun, es musste jetzt eine Entscheidung getroffen werden, und Andreas hatte sie angerufen. Warum schon so früh am Morgen, war ihr nicht ganz klar, aber im Grunde spielte das ja auch keine Rolle.

Andreas stand im Stall, wo es angenehm warm war, und schaute dem Stallmeister Reinhard zu, der mit einem Helfer zusammen schon die Morgenfütterung durchführte. Als Simone zu ihm trat, traf sie ein Blick von ihm, den sie nicht recht zu deuten wusste. War es Zorn oder Wut, verletzte Gefühle, oder was auch immer? Sie konnte sich nicht erklären, was ihn bewegte, aber eines war sicher, sein Blick hatte nichts mit den beiden Pferden zu tun. In diesem Punkt hatte Andreas eindeutige Anweisungen von Dominic erhalten. Andorra und Passionata sollten nach England gebracht werden, wo Dominic auf seinem Hauptsitz eine Art Altersheim für Pferde eingerichtet hatte. Davon wusste Simone allerdings nichts. Und so verstand sie den Sinn dieser Anweisung nicht. Und ganz und gar unverständlich war es ihr, dass sie die Tiere begleiten sollte, ein absolut unübliches Verfahren.

Dabei plante Johnson, dass sie auf diesem Wege sein Zuhause kennenlernen sollte. Er wollte sie damit vertraut machen, dass er nicht ganz derjenige war, für den er sich hier ausgab.

Das alles hatte er Andreas erklärt, und der Freund war von Eifersucht befallen worden. Warum sollte eigentlich sein Freund diese Frau bekommen, wo er doch auch um sie warb? Aber sie schien sich das ja wohl gefallen zu lassen, warum sonst hätten die beiden in der Nacht von Boleros Geburt so vertraut miteinander umgehen sollen?

Andreas hatte nicht bedacht, dass Simone vielleicht auch selbst eine Entscheidung darüber treffen wollte, oder dass sie ganz andere Pläne haben könnte.

Für ihn ging es plötzlich nur darum, seinen Freund auszustechen, um Simone selbst zu erobern.

Und so versuchte er plötzlich Misstrauen gegen Dominic zu schüren, als Simone nach den Gründen für dieses ungewöhnliche Verfahren fragte.

„Ich weiß nicht, warum Sie und die Tiere nach England sollen. Vielleicht hat Dominic da noch eine Möglichkeit, die beiden zu verwenden. Und sie sollen den Transport begleiten, damit alles glatt geht.“

„So ein Blödsinn“, schimpfte Simone. „Es ist absolut unüblich, dass ein Tierarzt mitfährt. Schließlich werden die Tiere gleich nach der Ankunft wieder untersucht. Und was sollten die beiden wohl noch können? Zum Reiten taugen sie bestenfalls dann noch, wenn man ein Kleinkind darauf festbindet.“

„Es ist nicht meine Anweisung. Und es dauert ja nur eine Woche“, sagte Andreas mit einem lauernden Unterton, der Simone entging.

„Nur eine Woche, ja?“, höhnte sie. „Ich glaube, Ihr Freund Dominic ist nicht ganz dicht im Kopf. Die Pferde bleiben hier. Wenn er sie zum Abdecker schaffen will, dann muss er sie nicht erst nach England überführen, das kann er hier auch tun. Aber noch stehe ich davor.“

Andreas bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, als er feststellte, wie Simone in ihrer berechtigten Wut reagierte. Ihre Augen blickten unbarmherzig, und der Mann fragte sich, welche Lawine er da jetzt wohl losgetreten hatte.

Einen zaghaften Versuch machte er noch, alles zu erklären, aber Simone hörte nicht auf ihn. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass Dominic etwas Schreckliches mit den Tieren vorhatte. Warum sie dann aber auch mitfahren sollte, war ihr nicht ganz klar. Im Augenblick dachte sie auch nicht darüber nach.

„Die Pferde bleiben hier“, wiederholte sie wütend und stürmte aus dem Stall auf das Haupthaus zu.

Die Haushälterin, die Simone schon lange kannte, sah sofort, dass sich gewaltiger Ärger anbahnte.

Sie bot der Tierärztin Frühstück an, die wehrte ab.

„Ich habe nur ein paar Worte zu verlieren. Wo ist Dominic Johnson?“

„Er schläft noch. Du kannst ihn nicht so einfach aus dem Bett werfen“, mahnte die ältere Frau.

„Ich werde ihn nicht aus dem Bett werfen. Aber ich will mit ihm reden. Sofort“, beharrte Simone.

Die Haushälterin warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. „Und du bist sicher, dass das richtig ist, was du tust? Du scheinst mir sehr erregt, da macht man Fehler.“

„Ich weiß es nicht“, gestand die junge Frau. „Aber wenn ich nicht auf der Stelle mit ihm rede, dann passiert ein Unglück.“

„Das kann ich selbstverständlich nicht verantworten“, erklang in diesem Augenblick Dominics Stimme von der Treppe her. Und da stand er, lässig einen Morgenmantel über den Pyjama gezogen, das Haar verstrubbelt und noch einen leicht verschlafenen Ausdruck im Gesicht. Aber die Augen blickten schon wach und intelligent.

„Kann ich eine Tasse Kaffee haben?“ fragte er. „Und Simone möchte vielleicht auch einen?“

„Das einzige, was ich möchte, ist Antwort auf meine Fragen“, erklärte sie kühl.

Dominic zuckte mit den Schultern. „Ich will gerne antworten, wenn ich kann. Aber fragen Sie mich nicht nach dem Wetter von morgen.“

„Im Augenblick ist mir nicht nach schlechten Scherzen zumute“, fauchte sie.

„Also gut, schießen Sie los, ich bin ganz Ohr“, erwiderte er ernsthaft.

„Warum sollen Passionata und Andorra nach England gebracht werden? Sie sind alt und können ihr Gnadenbrot hier bekommen. Oder können Sie die zwei in England noch an jemanden verkaufen? Oder schicken Sie sie gleich zum Abdecker? Das könnten Sie hier billiger haben. Und warum soll ich mit? Habe ich sonst nichts zu tun? Was bezwecken Sie damit?“

Dominic war verblüfft. Er hatte Andreas eindeutige Anweisungen gegeben, und der sollte Simone in groben Zügen informieren. Hatte sie vielleicht etwas falsch verstanden? Oder hatte sie gar nicht verstehen wollen?

Dominic kam nicht auf die Idee, dass Andreas aus Eifersucht etwas verdreht haben könnte. Er vermutete nicht einmal, dass sein Freund Absichten auf die Frau haben könnte. Dann hätte er doch mit ihm gesprochen. Und so war ihm dieser Wutausbruch einigermaßen unverständlich. Es kränkte ihn, dass Simone ihn scheinbar absichtlich missverstehen wollte, und so fiel seine Antwort kühler und vielleicht auch arroganter aus, als er sie sonst gebeten hätte.

„Haben Sie ein Problem damit, meine Anweisungen so auszuführen, wie ich sie gebe?“

„Ja, das habe ich“, sagte sie trotzig. „Ich sehe den Sinn darin nicht. Und ich erwarte von Ihnen jetzt eine Erklärung. Immerhin bin ich kein Dummkopf, dem man nur Befehle zu geben braucht. Ich habe mein Gehirn nicht am Eingang abgegeben.“

Nun wurde Dominic doch ärgerlich. „Ich kann mich nicht erinnern, das von Ihnen verlangt zu haben. Andreas hat von mir eindeutige Anweisungen erhalten, die er an Sie weitergeben sollte. Wenn Sie die nicht ausführen können oder wollen, dann sagen Sie das klipp und klar.“

Aus Simones Augen sprühten Funken, und statt sich mit ihr zu streiten, hätte Dominic sie lieber in die Arme genommen und herzhaft geküsst. Aber der Himmel mochte wissen, was dann geschehen würde.

„Ich habe Probleme mit Ihren Befehlen“, sagte die junge Frau jetzt klar und deutlich. „Und ich werde nicht den Hampelmann für Sie spielen. Ich gehe! Betrachten Sie dies als fristlose Kündigung.“

Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging hinaus. Hinter ihr schlug die Tür ins Schloss, noch bevor Dominic antworten konnte. Auf einen Schlag kam jedoch Leben in ihn. Kündigen? O nein! Er murmelte einen Fluch, suchte einen Augenblick etwas, wo er seine Kaffeetasse abstellen konnte, und rannte hinter Simone her. Sie stieg gerade in ihren Wagen, und Tränen liefen ihr die Wangen hinab.

„Simone, so warten Sie doch! Was soll denn das? Können wir nicht wie zwei vernünftige Menschen miteinander reden? Fahren Sie nicht weg!“

Doch sie hatte den Motor schon gestartet und reagierte auf keines seiner Worte.

Er stellte sie ihr in den Weg, ohne nachzudenken, und sie musste einen Schlenker fahren, um ihn nicht zu verletzen.

„Simone!“, brüllte er noch einmal, aber da war sie schon weg.

Dominic stand da, noch immer in Pyjama und Morgenrock, und sah dem davonfahrenden Auto hilflos hinterher.

Andreas kam aus dem Stall und schaute seinen Freund verständnislos an. Er hatte von dieser Auseinandersetzung nichts mitgekriegt.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte er. „Ist das nicht ein bisschen kühl, was du da anhast?“

„Zur Hölle damit“, knurrte Dominic. „Und zum Teufel mit allen Tierärzten. – Sie ist weg“, setzte er dann hinzu, als könnte er es selbst nicht glauben.

12

Tränenblind und innerlich völlig aufgewühlt raste Simone allen Verkehrsregeln zum Trotz über die Straßen, zunächst ohne Sinn und Ziel. Irgendwann aber hielt sie dann an und putzte sich trotzig über Nase und Augen. Sie hatte da einen kompletten Bruch vollzogen, alle Brücken hinter sich abgebrochen, und so langsam stellte sie sich die Frage, ob das nicht doch ein bisschen voreilig gewesen war.

Wo sollte sie jetzt hin?

Sie hatte nichts weiter bei sich, als das, was sie am Leibe trug, ein bisschen Geld in der Tasche und ihre Papiere.

Aber sie würde nicht zurückgehen, nein, diese Blöße wollte sie sich nicht geben.

Entschlossen startete sie wieder den Wagen und fuhr zum Haus von Martin Holzhauser.

Ein Taxi wartete vor dem Haus, und Simone fiel mit Schrecken ein, dass er ja verreisen wollte, das hatte sie ganz vergessen.

Erstaunt blickte der Mann auf, der gerade mit Koffern bepackt aus dem Haus trat.

„Simone? Was treibt Sie denn hierher? Aber wie sehen Sie denn aus, Kind? Da stimmt doch was nicht. Kommen Sie, einen Augenblick habe ich noch.“

Er brachte seine Koffer zum Taxi und sprach einen Augenblick mit dem Fahrer. Dann kehrte er zurück. Sein Blick war aufmerksam und prüfend, und Simone hatte das Gefühl, er schaute ihr mitten ins Herz.

„Was war los?“, fragte er sanft und verständnisvoll. „Dominic?“