99 x Sizilien wie Sie es noch nicht kennen - Anita Bestler - E-Book

99 x Sizilien wie Sie es noch nicht kennen E-Book

Anita Bestler

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Beschreibung

Wer das nicht kennt, verpasst das Beste: 99 versteckte Orte, besondere Erlebnisse, Sehenswertes abseits der Touristenpfade und jede Menge Überraschendes garantiert Ihnen dieser Reiseführer mit über 100 anregenden Bildern. Entdecken Sie Überraschendes, lernen Sie Bekanntes neu kennen und erfahren Sie Unbekanntes über bekannte Orte. Mit unterhaltsamen Texten über Geheimtipps, Szenetreffs, versteckte Ecken, liebenswerte Lokale und echte Originale. 99 x Sizilien wie Sie es noch nicht kennen ist ein Lesebuch für Einheimische und Besucher, für Familien mit Kindern, Alleinreisende, Abenteuerlustige, Gourmets und Kulturinteressierte. Planen Sie Ihren persönlichen Sizilien Urlaub mit unzähligen Insidertipps.

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99 xSIZILIEN

wie Sie es noch nicht kennen

Handverlesen vonAnita Bestler und Bettina Götte

Inhalt

Vorwort

Die Hauptstadt

01Die Silberschmiede in der Loggia

02Palermo von oben – dem Dom aufs Dach gestiegen

03Hoch auf dem bunten Wagen – Carretti Siciliani

04Traditionspuppenspieler mit Herz

05Bottiglieri Gioelli – historische Schmuck-Bottega

06Pane con la Milza – der Palermo-Hamburger

07Street-Art – überall fantasievolle Straßenkunst

08Sergios entzückender Vintage-B&B

09Tolles Mittelalterfresko – der Triumph des Todes

10Total fetzige Volksmusik – Teatru Ditirammu

11Kaffeeduft liegt in der Luft – Rösterei Stagnitta

12Lebendiges (Kunst)handwerk in der Altstadt

13Brioscià – Eis im Brötchen gefällig?

14Einkaufen im Glaspalast – Edelkaufhaus Rinascente

15Zauberhafte Stuckputten im Rosenkranz-Oratorium

16Grattatella – ein sommerliches Kratzeisvergnügen

17Profumoteca – betörende Duftöle selbst kreiert

18Quir – die »schrägste« Lederboutique Palermos

19Besuch bei der Salzburger Gräfin

20Und überall Jugendstil in der modernen Neustadt

21Rosalia Lombardo – die schönste Mumie der Welt

Der Norden

22Museo dell’Acciuga – Sardellenmuseum in Aspra

23Wo die frühen Christen ihre letzte Ruhe fanden

24Werke des Malers Guttuso in der Villa Cattolica

25Orthodoxe Osterfeierlichkeiten der Arberesh

26Unglaublich leckere Carciofi im Artischockendorf Cerda

27Gangi – das Rennen der Heiligen zum Heiligen Geist

28Manna – Köstliches aus biblischem Himmelsbrot

29Atelier sul mare – schräges Kunsthotel in Tusa

30Mistrettas zauberhaftes Tal der Wasserfälle

31Spezialitäten vom Nebrodenschwein

32Chantals Traum – »Just Be & B«

33Tindari – Ruinen mit Meerblick

34Wo Skylla und Charybdis ihr Unwesen treiben

35Mächtige Abtei San Filippo di Fragalà

36Moda Italiana – das Modemuseum von Mirto

Der Osten

37Der Pate lebt – Bar Vitelli in Savoca

38Filmreifes Barockschlösschen Castello degli Schiavi

39Il Tocco – Bio-Pizzeria mit Weitblick

40Der reizende Garten des Ex-Grand Hotel des Bains

41Wenn Lava und Wasser sich küssen

42Hundert Pferde unter einem Baum

43Blüten, Zitrone oder Kastanie – der leckere Ätna-Honig

44Antike Theatermasken am Logenplatz zum Ätna

45Das »grüne Gold Siziliens« stammt aus Bronte

46Mit der Bummelbahn rund um den Ätna

47Wilder Ätna-Nord – Heimat exzellenter Vulkanweine

48Studieren im einst mächtigen Benediktinerkonvent

49Aperitif in einer Grotte – A Putia dell’Ostello

50Individuelle Sizilien-Accessoires für Sie

51Kriegsgeschichte zum Miterleben

52Pasta alla Norma – Nudeln zu Ehren des Komponisten

Der Süden

53Vendicari – Treffpunkt der Flamingos und Reiher

54Villa del Tellaro – römische Mosaiken vom Feinsten

55Wie einst die Syphilis kuriert wurde

56Köstliche Azteken-Schokolade mit Chili

57Mysteriöse Totenstadt Pantalica

58Donnafugata – ein grandioses Herrenhaus

59Spaziergang durch das Handwerkerdorf Buscemi

60Helm auf, los geht’s – San Filippo Apostolo

61Ritualbad unter dem Hotel – die jüdische Mikwe von Syrakus

62Antike Tragödien im Teatro Greco

63»Heureka!« – der Tecnoparco Archimede in Syrakus

64Auf der »Selene« über den Großhafen tuckern

65Wandern am bezaubernden Papyrus-Flüsschen

Der Westen

66Magischer Abendspaziergang im Tal der Tempel

67Scala dei Turchi – weiße Felsen wie in Dover

68Castello Incantato – das Zauberschloss des »verrückten« Filippo

69Nocellara-Oliven – köstliches grünes Gold

70Cave di Cusa – wie die Griechen Stein abbauten

71Der Tanzende Satyr – endlich gab das Meer ihn frei

72Pellegrino – Marsala-Wein in allen Variationen

73Idyllische Salzgärten

74Doping mit Cannabis schon in der Antike

75Land Art – Dorfstraßen in weißem Zement

76Geisterstädte im Belice-Tal

77Baden im Mondschein – die Thermen von Segesta

78Custonaci – Volkstradition in einer Höhle

79Wallfahrt zur Madonna von Trapani

80Misteri di Trapani – 24 Stunden im Wiegeschritt

81Briefe verschicken im Jugendstilpostamt

82Im Sportflieger über Westsizilien

Das Inselinnere

83Der Teufelstanz in Prizzi – eine Ostertradition

84Die Wohnhöhlen von Sperlinga

85Sizilianische Geschichte im Bahnwaggon

86Sicilia Outlet Village – günstige Designerkleidung

87Die Hölle der Schwefelminen

88Die Göttin von Morgantina – ein Archäologiekrimi

89Essen wie bei einer sizilianischen Familie

90Ceramica Siciliana – bunte Keramiken überall

Die Inseln

91Inselrundfahrt auf Lipari

92Leckere Antipasti und Wein

93Obsidian – das schwarze Gold der Steinzeit

94Inselhopping – auf der Jacht um die Äolen

95Nachtwanderung auf einem brodelnden Vulkan

96Zibibbo – süße Köstlichkeit von der Vulkaninsel

97Bergwandern auf Marettimo

98Wo der Thunfisch in der Dose erfunden wurde

99Tropische Unterwasserwelt – Tauchen auf Ustica

Register

Impressum

Vorwort

Sizilien, die größte Insel im Mittelmeer, weist sicherlich die eindruckvollste Kulturvielfalt von ganz Italien auf. Kein Wunder, haben doch viele fremde Völker wie unter anderem die Phönizier, Griechen, Römer, Byzantiner, Araber, Normannen, Aragonier oder Spanier hier Spuren hinterlassen – in der Architektur, Sprache, Küche und auch den Traditionen der Bevölkerung. Viele dieser Hinterlassenschaften sind weltberühmt und fanden zwischenzeitlich sogar Aufnahme in die UNESCO-Liste mit dem Weltkulturerbe. Sizilien ist aber nicht nur reich an Kultur, sondern auch an Natur.

Reiseführer, die den interessierten Fremden zu all diesen wundervollen Highlights bringen und Basisinfos über alles Wissenswerte liefern, gibt es zuhauf. Darüber hinaus gibt es unzählige Sehenswürdigkeiten, kulinarische Köstlichkeiten, Restaurant-Geheimtipps oder tolle Übernachtungsgelegenheiten, die kaum bekannt sind, versteckte, skurrile oder einfach wunderschöne Orte, noch nicht vom Massentourismus heimgesuchte Natur oder kleine Lädchen. Und genau darauf zielen wir mit diesem Büchlein ab. 99x Sizilien lädt Sie ein, auch das zu entdecken, was man sonst nicht zu sehen bekommt. Es ist eher für Individualisten gedacht, die die klassischen Highlights bereits kennen, als für große Reisegruppen, die zum ersten Mal Sizilien besuchen.

Um auf der weitläufigen Insel in die abgelegeneren Orte zu gelangen, ist ein eigener PKW von großem Vorteil. Hilfreich ist es, in den touristisch noch wenig erschlossenen Gegenden Siziliens über Italienischkenntnisse zu verfügen. Überlebensnotwendig ist es bei der großen Gastfreundschaft der Sizilianer aber nicht. In jedem Fall werden Sie, fern von den Massen, vielen interessanten, freundlichen und authentischen Menschen begegnen.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Freude beim Erkunden Siziliens, wie Sie es noch nicht kennen!

Anita Bestler und Bettina Götte

01

Die Silberschmiede in der Loggia

Früher waren Palermos Silberschmiede in ganz Europa berühmt. Heute halten nur mehr wenige Werkstätten die alte Handwerkstradition aufrecht. Zu ihnen zählt dieBottega Gelardi, deren Meister sich gerne bei der Arbeit zusehen lassen.

Schon die alten Ägypter und Griechen nutzten das rare Silber zur Herstellung von Schmuck, Gebrauchsgegenständen und Sakralgerät. In Palermo ist eine Maestranza degli Orafi e degli Argentieri, also eine Gold- und Silberschmiedezunft, seit 1447 dokumentiert. Ihr Markensiegel, ein Adler und die Abkürzung RUP (Regia Urbs Panormi), garantierte die Qualität der Produkte. Aber erst als die Spanier ab dem 16. Jh. Unmengen von Silber aus Süd- und Mittelamerika nach Europa brachten, kam es zum Boom der Silberproduktion. In der Gegend der Via dell’Argenteria Vecchia und der Via dell’Argenteria Nuova im heutigen Vucciria-Viertel sollen im 18. Jh. sage und schreibe 500 Silberschmiede tätig gewesen sein! Das Aufkommen industriell gefertigter Massenware bedeutete aber das »Aus« für die meisten Betriebe.

Heute gibt es nur mehr eine Handvoll Silberschmiede, und zwar in der Gegend hinter der Dominikanerkirche, in der sich auch die Juweliergeschäfte konzentrieren. Etwas versteckt im Innenhof des recht verfallenen Palazzo Pantelleria befindet sich die Werkstatt Gelardi, in der bis heute raffinierte Auftragsarbeiten angefertigt und alte Stücke restauriert werden. Zu den wichtigsten Kunden zählen die katholische Kirche, aber auch amerikanische Händler, die handgefertigte hebräische Kultgegenstände nachfragen. Nicht zu vergessen sind schließlich Privatpersonen, welche eher preisgünstige Votivgaben anfertigen lassen. Maestro Benedetto Gelardi lernte sein Handwerk mit 15 Jahren bei einem Meister, bevor er sich 1978 mit einem eigenen Geschäft selbstständig machte. Inzwischen arbeiten im Betrieb nicht nur zwei angestellte Silberschmiede, sondern auch sein Sohn Mauro, der die Kunstakademie absolviert hat und unglaubliche Kunstwerke anfertigt.

Gelegentlich berät Tochter Alessandra im Verkaufsraum Kunden, und zwar in ausgezeichnetem Englisch.

Benedetto Gelardi · Argenti sacri, Argenteria Storica · Piazza G. Meli 5 · 90133 PalermoTel. 091/6 11 18 85 · www.benedettogelardi.com · Mo-Fr 10–13, 16–19 Uhr

Maestro Gelardi bei der Arbeit in seiner Werkstatt.

02

Palermo von oben – dem Dom aufs Dach gestiegen

Über den Dom von Palermo, seine wechselvolle Baugeschichte und die Gräber Rogers II. und Friedrichs II. von Staufen ist viel geschrieben worden. Eine neue Attraktion bietet sich erst seit wenigen Jahren: Wer möchte, kann dem Dom sogar aufs Dach steigen.

Nicht nur ein herrlicher Rundblick auf die Stadt bis hin zur Bucht der Conca d’Oro bietet sich von hier oben, sondern auch der Vorplatz der Kathedrale, die vielen kleinen Nebenkuppeln, die Majoliken und die Zinnen erstrahlen in ungewohnt bezaubernder Schönheit. Da die Wege und Treppen in den Türmen eng sind, ist die Zahl der Personen, die gleichzeitig nach oben steigen darf, begrenzt, wodurch es auch mal zu Wartezeiten kommen kann. So mancher gerät auch auf den steilen Treppenstufen, die im Inneren eines der Türme liegen, ins Schnaufen und auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechen gewiss nicht deutschen Standards. Dennoch: Der Genuss, auf dem Dach der Kathedrale zu stehen, auf Augenhöhe mit der Kuppel und den Türmen, ist die Anstrengung allemal wert.

Am allerbeeindruckendsten ist es aber, wenn man die Dächer zu einem der auf der Homepage der Kathedrale oder in der Tagespresse veröffentlichten Sondertermine im Advent oder an einem lauen Sommerabend besteigt, wenn die Stadt ein einziges Lichtermeer ist und dem Besucher der Sommerwind um die Nase weht. Abends gibt es auch eine interessante Kurzführung in italienischer Sprache, denn von hier oben lassen sich die baulichen Veränderungen, die im Lauf der Geschichte vorgenommen wurden, am besten nachvollziehen. Manchmal wird sogar stimmungsvolle Musik eingespielt, die noch mehr Atmosphäre erzeugt. Auch das Innere des Doms sowie die von den Palermitanern hochverehrte Kapelle der Stadtheiligen Santa Rosalia mit dem silbernen Schrein sind zu diesen Terminen hell erleuchtet. Um Wartezeiten, die bis zu einer Stunde betragen können, zu vermeiden, empfiehlt es sich, frühzeitig da zu sein. Aber selbst, wenn sich bereits längere Schlangen gebildet haben, sollte man sich nicht abschrecken lassen. Denn dieses einmalige Erlebnis ist es wert.

Cattedrale Maria Santissima Assunta · Via Vittorio Emanuele · 90040 Palermo · Tel. 329/3 97 75 13www.cattedrale.palermo.it · Mo-Sa alle halbe Stunde von 9.30–13.30, So 9–12.30 Uhr · 5 €

Der Ausblick vom Dach der Kathedrale ist fantastisch!

03

Hoch auf dem bunten Wagen – Carretti Siciliani

Der »Carretto Siciliano« ist ein traditioneller zweirädriger Holzkarren, der aufwendig mit Schnitzereien und Bemalungen verziert ist. Gezogen von Eseln oder Pferden waren solche Karren bis Mitte des vorigen Jahrhunderts gängiges Transportmittel auf Sizilien.

Die Tradition begann Ende des 18. Jh. Nach dem Vorbild der Kutschen der reichen Großgrundbesitzer wollten auch die einfachen Leute mit kunstvollen Schnitzereien und kräftiger Bemalung ihren Karren, die sie für die schwere Feldarbeit oder den Warentransport einsetzten, ein schickes Aussehen verleihen. Neben dekorativen Ornamenten waren Szenen aus Mythologie, Geschichte und Alltag beliebt, nicht zu vergessen auch die Abenteuer des Orlando Furioso, Karls des Großen und der schönen Angelica, wie man sie aus der Opera dei Pupi (vgl. folgendes Kapitel) kennt. Auch aktuelle Promis bereichern gelegentlich das Repertoire. Selbst der letzte Zentimeter wird mit Ornamenten verziert.

Franco Bertolino, Palermos letzter aktiver Karrenbauer und -maler, ist inzwischen in der fünften Generation tätig. Wenige Schritte von der Apsis des Doms entfernt hat er seine Bottega. Ein paar Karren stehen vor der Werkstatt zwischen den Tischen eines Restaurants in dem urigen Gässchen Salita Artale, das bei keinem Altstadtrundgang fehlen darf. Aber nicht nur historische Karren stehen dort, sondern auch moderne wie Vespas, Ape (typische dreirädrige Kleintransporter) oder Holzfässer.

In Palermo und Taormina finden jährlich im Frühjahr festliche Umzüge mit den schönsten Karren statt. Viele alte »Carretti Siciliani« sind in Museen zu bewundern, besonders im Museo del Carretto Siciliano im Palazzo Aumale in Terrasini und früher im Museo Etnografico Siciliano Giuseppe Pitrè in Palermo, das leider seit vielen Jahren geschlossen ist. Berühmt ist auch der bunte Fiat 500, der oft vor einer Bar in Selinunt anzutreffen ist. Obwohl die bunten Karren aus dem heutigen Straßenbild fast ganz verschwunden sind, gibt es also dennoch Hoffnung, dass die alte Tradition nicht gänzlich aussterben wird.

Carretto Siciliano Franco Bertolino · Salita Giuseppe Artale 15 · 90134 Palermo · Museo Reg. Palazzo Aumale · Lgm. Peppino Impastato · 90049 Terrasini · Di-So 9–19 Uhr, Mo geschlossen · 6 €

In der Straße neben seiner Werkstatt sind die Malereien von Maestro Franco zu bewundern.

04

Traditionspuppenspieler mit Herz

Im Jahr 2018 feierte Palermos ältester »Puparo« Vincenzo Argento seinen achtzigsten Geburtstag! Davon ist nichts zu spüren, wenn der temperamentvolle Senior seine Ritterpuppen tanzen lässt… Und wenn er nicht gerade im Theater zu tun hat, dann fertigt er in seiner Werkstatt Souvenirpuppen an.

Das sizilianische Puppentheater entstand in der ersten Hälfte des 19. Jh. Es steht in der Tradition der Commedia dell’Arte des 16. Jh., seine Stoffe wurzeln in Ludovico Ariosts »Rasendem Roland« und Torquato Tassos »Befreitem Jerusalem«. Angesiedelt sind die Geschichten am Hof König Karls des Großen, dessen tapfere Paladine viele Abenteuer erleben, bevor sie am Ende die Sarazenen schlagen. Traditionell war das Puppenspiel das Freizeitvergnügen des »kleinen Mannes«, der jede Woche ins Theater eilte, um kein Abenteuer seiner Helden Orlando und Rinaldo zu verpassen. Dementsprechend gehören Hunderte Geschichten zum Repertoire der »Pupari«, die häufig Analphabeten waren und ihre Stoffe auswendig kannten. Alles machten und machen die Puppenspielerfamilien selbst: die Puppen, die Kostüme und auch die Bühnenbilder. Übrigens: Um Marionetten handelt es sich bei den kiloschweren, sizilianischen Puppen nicht. Sie werden nicht mit Fäden, sondern entweder von oben oder der Seite mit Metallstangen bewegt. Bis zum Aufkommen des Fernsehens gab es auf ganz Sizilien zahlreiche, feste Bühnen. Heute sind nur mehr wenige übrig geblieben.

»Das« palermitanische Traditionspuppentheater, das Teatro Argento, wurde 1893 von Vincenzo Argento, dem Großvater des heutigen Eigentümers, gegründet. Dieser gab sein Können an seinen Sohn und der wiederum an Signor Vincenzo weiter, der seit frühester Jugend »im Geschäft« ist. Selbstverständlich brachte er auch seinen Kindern und Enkeln das Handwerk bei. Da man heute vom Puppenspiel aber nicht mehr leben kann, betreibt die Familie ihre Kunst nur noch im Nebenerwerb. Aber Aufgeben kommt für den alten Puppenspieler nicht infrage, dazu liebt er das Puppenspiel viel zu sehr – zur Freude seiner begeisterten Zuschauer.

Teatro dei Pupi Famiglia Argento (im Palazzo Asmundo)Via Pietro Novelli 1 A · 90134 Palermo · Tel. 091/6 11 36 80 oder 339/1 32 27 79 · Eintritt: 12 €

Nach der Vorführung in seinem Theater zeigt Signor Vincenzo stolz seine Puppen.

Die Ritter Orlando und Rinaldo sind die großen Stars bei der »Opera dei Pupi«.

05

Bottiglieri Gioelli – historische Schmuck-Bottega

Recht altmodisch wirkt der kleine Juwelierladen mit der vollgestopften Auslage gegenüber der Kathedrale. Nichts weist darauf hin, dass in der Werkstatt von Domenico Bottiglieri in Handarbeit kleine Kunstwerke geschaffen werden. Besonders hübsch sind die »Trinakrie«, die sizilianischen Glücksbringer.

Bei dem Juweliergeschäft handelt es sich um eine »bottega storica«, also einen alteingesessenen Betrieb. Gründer war der aus Kalabrien stammende Domenico (Mimmo) Bottiglieri (1902–1979), ein gelernter Uhrmacher. Zunächst übte er seinen Beruf aber nicht aus, sondern trat in die Armee ein, wo er es auf Sizilien zum Carabiniere-Kommandanten brachte und Banditen jagte. Nach der Pensionierung ließ er sich mit seiner sizilianischen Frau in Palermo nieder und kehrte zu seinem alten Beruf und seiner wahren Leidenschaft, dem Uhrenmachen, zurück: Er erstand 1949 das kleine Ladengeschäft an der Via Vittorio Emanuele und eröffnete dort eine Werkstatt. Bald begannen seine prächtigen Standuhren die Salons wohlhabender Sizilianer zu zieren. Da er ein echter Könner war, wurde ihm sogar die Wartung der großen Uhr an einem der Glockentürme der Kathedrale anvertraut. Von Domenicos drei Kindern übernahm der Sohn Alberto das Geschäft, verlegte sich aber auf die Reparatur von Armbanduhren und den Verkauf von Schmuck.

Genau dieses Geschäft wird heute von Albertos Sohn, Domenico Bottiglieri (geb. 1970), betrieben, dessen große Leidenschaft die Herstellung von Schmuck ist, der die sizilianische Geschichte und Traditionen aufgreift. Domenico stellt zauberhafte Kettenanhänger mit Motiven aus der Antike und dem Mittelalter her. Darüber hinaus restauriert er kostbaren alten Schmuck. Kein Wunder, dass die Stadt Palermo bei ihm nachfragt, wenn Geschenke für hohe Gäste benötigt werden, wie etwa 2017 für das niederländische Königspaar Máxima und Willem-Alexander. Zusammen mit anderen historischen Geschäften wurde der Betrieb von der Kommune wegen seines Beitrags zur kulturellen Identität der Stadt ausgezeichnet. Eine Website hat der Juwelier übrigens ganz bewusst nicht – er möchte schließlich nicht kopiert werden!

Bottiglieri Gioelli · Via Vittorio Emanuele 480/482 · 90134 Palermo · Tel. 091/6 51 21 12Mo-Sa 10–20 Uhr

Stolz präsentiert Signor Mimmo eine seiner fantasievollen Kreationen.

06

Pane con la Milza – der Palermo-Hamburger

Milz ist nicht jedermanns Sache. In Deutschland zumindest. In Palermo dagegen isst sie jeder, in einem Brötchen – so wie die Amerikaner ihren Hamburger essen. Im heutigen Streetfood-Zeitalter liegt das Milzbrötchen voll im Trend – und Palermo ist die Hauptstadt des Streetfood.

Das »Pane con la Milza« ist ein weiches, mit Sesam gewürztes Brötchen, das mit Kalbsmilz und Lunge gefüllt wird. Die Milz wird erst am Stück vorgekocht, dann in dünne Scheiben gehackt und frisch vor den Augen des Käufers in Schweineschmalz frittiert. Mit ein paar Spritzern Zitrone beträufelt, essen die Palermitaner die herrlich duftende Mahlzeit direkt aus der Hand. Das schmeckt köstlich – aber Vorsicht: Kleckergefahr!

Die berühmtesten »Palermo-Hamburger« macht Pasquale Inhaber der seit drei Generationen bestehenden, immer vollen Trattoria Basile.

Diese einfache, klassische Variante nennt der Sizilianer »schettu«, »ledig«. Wer sein Brötchen »maritatu«, also »verheiratet» bestellt, bekommt etwas geriebenen Caciotta-Käse dazu. Die Ursprünge des Rezepts gehen aufs Mittelalter zurück. Es sollen die palermitanischen Juden gewesen sein, die als Metzger für die feine Gesellschaft tätig waren, die aber aus religiösen Gründen ihre Schlachtabfälle nicht selbst essen durften.

Wer Kalorien sparen will, sollte die Finger davonlassen. Die sizilianische Küche ist sehr traditionsbewusst und vieles stammt noch aus Zeiten, als die Menschen körperliche Schwerstarbeit verrichten mussten und für jede Energiequelle dankbar waren.

Die meisten Milzbrötchenverkäufer stehen mit ihren mobilen Büdchen auf den lebhaften Märkten, wie z.B. der Vucciria, dem Capo oder dem Ballarò-Markt. Auch sonst sind sie überall gegenwärtig. Streetfood ist sehr populär auf Sizilien, insbesondere in Palermo. Kein Wunder, dass bei diesem unverfälschten eigenen Angebot die amerikanischen Hamburgerketten hier nie richtig Fuß fassen konnten.

Focacceria Basile · Via Bara all’Olivella 76 · 90133 PalermoTel. 091/33 56 28

Wie lecker das duftet! Ein Milzbrötchenverkäufer auf dem Capo-Markt.

07

Street-Art – überall fantasievolle Straßenkunst

Seit 20 Jahren explodiert in trendigen Großstädten ein spannendes Phänomen: die Street-Art. Es konnte nicht ausbleiben, dass die neue Mode auch Palermo erreichte, eine in Sachen Kunst brodelnde Stadt, die seit jeher junge Leute anzieht. Und so werden die Straßen in Palermo immer flippiger und bunter.

Entstanden ist die »Straßenkunst« aus der Graffiti-Bewegung der 1980er- und 90er-Jahre heraus, als irgendwann die jugendlichen Writer älter wurden und damit ins straffähige Alter gerieten. Nicht wenige wandten sich der in der Öffentlichkeit weit mehr akzeptierten Street-Art zu. Manche der Künstler brachten es richtiggehend zu Ruhm. Sie stellen in Galerien aus und werden von Firmen zu Werbezwecken sogar richtiggehend hofiert.

In Palermo ging es mit der Street-Art gegen 2000 los. Wichtige Impulse setzten 2009 das Wallpaper Festival und 2012 das Waltz Festival, bei denen sich lokale und ausländische Aktivisten trafen und Altstadtviertel »verschönerten«. Auf diese Weise entwickelte sich in Palermo eine geradezu internationale Street-Art-Szene. Von der Bevölkerung wird die neue Kunst größtenteils mit Begeisterung aufgenommen. Manche Geschäftsleute bitten die Künstler sogar, die Wände, Rollläden und Türen ihrer Läden mit ihren Spraydosen, Farbrollern, Pinseln, Schablonen und Postern zu verschönern. Vor allem Stadtteil-Initiativen wenden sich an die Street-Art-Künstler, damit heruntergekommenen Plätzen und Straßen, kriegszerstörten Häusern, hässlichen Parkplätzen oder anonymen Vorstadtvierteln Farbakzente aufgesetzt werden.