A true Love Story never ends - Chris Hohensee - E-Book

A true Love Story never ends E-Book

Chris Hohensee

3,0

Beschreibung

Der Himmel in einem Blau , das es bei uns gar nicht gibt. Die weißen Berggipfel bilden einen grandiosen Kontrast dazu. Der See glitzert in der Sonne, wie das wundervolle Funkeln deiner Augen. Die Magnolien sind schon aufgeblüht, die Kamelien fast verblüht. Und ich ... ich träume von dir. Anna du fehlst mir. - Das war die wundervollste Nachricht, die Anna jemals von Christian bekommen hatte. Auch nach den ganzen Monaten der Trennung, schwirrten diese Zeilen in Annas Kopf herum und sie war immer noch traurig, wenn sie an Christian dachte. Es ist eine spannende Liebesgeschichte, was da zwischen Christian und Anna besteht, eine Liebe, die nicht sein darf, da beide vergeben sind. Aber sie spürten beide schon bei der ersten Begegnung, dass da mehr war ... Es war Liebe auf den ersten Blick ...

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Chris Hohensee

A true Love Story never ends

Imprint

A true Love Story never ends Chris Hohensee

published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de

Copyright: © 2016 Chris Hohensee Redaktion: Ulrike Rücker • [email protected]: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

Prolog

Da stand sie. So nah vor ihm. Es war wahrlich nicht das erste Mal. Doch jetzt war es anders. Ganz anders. Christians Herz wollte ihm schier aus der Brust springen. Sie war wundervoll, komplettierte seine Seele. Aber er würde es ihr nie sagen. Durfte es nicht.

Schon einmal, vor so vielen Jahren, hatte er so viel Liebe, so viel Schmerz gespürt. Dieses Mal durfte er es nicht zulassen. Er hatte Angst. Oh ja, und er scheute nicht, es sich einzugestehen. Angst war nie ein guter Ratgeber; er war Wissenschaftler, ein rational denkender Mensch, ein Arzt, er wusste das. Und dennoch. Dieser Angst gab er nach, seit Jahren – und es war richtig so.

Als er sie kennenlernte, wusste er es – sie würde ihm gefährlich werden können. Und nun, wo sie vor ihm stand, war es viel zu spät ... Jetzt war sie nur Augen, nur Mund. Ein Lächeln, das ihn meinte. Ein Blick, der ihn erkannte. Sie kam näher, immer näher.

»Nicht … ich …«, stammelte er.

»Ich weiß.« Wieder lächelte sie. So sanft. So unwiderstehlich. Alles in ihm barst vor Glück, vor Angst, vor Trauer. So viele Gefühle, und alle gehörten ihr.

»Christian, bitte. Lauf nicht weg!«, sagte sie. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um seinem Gesicht näher zu kommen. Sie schloss die Augen. Und dieser Anblick überwältigte ihn.

Er ergab sich. In diesen Kuss. In diesen wundervollen Kuss. Der alles und nichts bedeutete. Der so sehr seine Seele berührte, dass er nie wieder darauf verzichten wollte, dass er ihn nie wieder spüren wollte …

Kapitel 1

Es war Montagmorgen. Christian saß beim Frühstück mit Sophie, seiner wunderbaren Frau. Obwohl beide wie immer einen anstrengenden Tag vor sich hatten, war ihnen diese gemeinsame Zeit am Küchentisch heilig. Sie besprachen die Woche, glichen Termine ab, planten das gemeinsame Wochenende. Ein ganz normaler Montagmorgen.

Christian sah Sophie an, die gerade in eine offensichtlich witzige Kolumne vertieft war, und dachte, wie glücklich er in seiner Beziehung ist und dass er alles hat, was er sich von einer Partnerschaft wünschte. Er liebte Sophie und er verbrachte gern seine Zeit mit ihr, auch nach all den Jahren noch.

Doch wenn er ehrlich zu sich war – was er in diesem Punkt allerdings für gewöhnlich vermied –, dann musste er sich auch eingestehen, dass er tief in seinem Inneren etwas vermisste, nur konnte er nicht beschreiben, was genau es war.

Sophie war seine zweite Frau. Nach dem Ende seiner ersten Ehe, die tiefe Narben in ihm hinterlassen hatten, glaubte er lange nicht an ein neues Glück. Sophie kannte er schon eine ganze Weile. Er fand sie immer nett, doch gereizt hatte sie ihn nie. Außerdem waren beide verheiratet, was weitere Gedanken ausschloss. Damals. Doch dann trennten sie sich fast zeitgleich von ihren jeweiligen Partnern und trafen sich irgendwann zufällig wieder. Sie kamen ins Gespräch, verabredeten sich schließlich. Der Abend im Lokal war angenehm, Sophie mehr als angetan von Christian. Christian war froh, mal wieder mit jemandem reden zu können. Mit ihr war er sofort, wie man so schön sagt, auf gleicher Wellenlänge. Sie teilten gemeinsame Interessen – gingen zusammen Rad fahren, ins Theater, mochten die gleichen Bücher und Filme. Oft lernte Sophie auch viele Dinge erst durch Christian mögen, aber er mochte ihre Art, sich auf ihn einzulassen und ihn kompromisslos zu unterstützen. Und schließlich wurde sie sein bester Freund. Und das war sie bis heute.

Den Artikel seiner Fachzeitschrift, auf den er sich schon gestern Abend gefreut hatte, verlor seine Attraktivität. Er sah seine Frau an, die sich gerade durch die Schlagzeilen des Regionalteils arbeitete. Früher hatte sie nie Zeitung gelesen, mochte aber, wie sie ihm irgendwann erklärte, dass Gefühl dieses dünnen, knisternden Papiers. Und dann hatte sie den Feuilleton- und den Kolumnenteil für sich entdeckt. Den Rest blätterte sie meist nur durch, um … Ja, warum eigentlich? Um ihn zu beeindrucken? Das dachte er damals, als er sie das erste Mal mit seiner Tageszeitung erwischt hatte. Aber heute hätte sie so etwas doch gar nicht mehr nötig. Nach all den Jahren. Und sie wusste doch, dass er ihre Schlichtheit mochte. So oft musste er sich mit den blasierten Typen seines Fachs herumärgern. Er genoss es sehr, dass er zu Hause nicht der gefeierte Chirurg, sondern nur Mann sein durfte. Dass Sophie nicht studiert hatte, Filialleiterin einer Boutique in der Innenstadt war und lieber fernsah als las, fand er nie schlimm. Vielleicht aber war es bei ihr anders. Sie hatten nie darüber geredet.

»Schatz? Ist alles in Ordnung?«, Sophie legte ihre Hand auf seine, die samt Fachzeitschrift längst auf dem Tisch zum Liegen gekommen war.

»Aber ja.« Er zog seine Hand hervor, tätschelte ihre kurz und stand dann auf, um sich noch einen Schluck Kaffee einzugießen.

»Hast du Sorgen?«

»Nein …. wirklich nicht, ich habe nur eine wichtige Operation heute. Daran habe ich gedacht.«

»Die Leber von Frau Scharschmidt?«

Christian stockte kurz. Woher … »Ja, genau …«

»Du hast gestern davon erzählt, beim Essen.« Sophie lächelte. Dass Christian oft sehr zerstreut war und schon am Morgen nicht mehr wusste, was sie abends besprochen hatten, war nicht neu.

»Richtig. Entschuldige.«

»Es wird alles gut gehen. Ich glaube an dich. Und Frau Scharschmidt ist bei dir in den besten Händen. Sie kann froh sein.«

Christian stand auf, trat hinter Sophie, legte ihr die Hände auf die Schultern und küsste ihr Haar. »Du bist die beste.« Ja, das war sie. Immer hatte sie Verständnis. Immer wusste sie genau, was sie sagen musste. »Was liegt bei dir heute an, meine Liebe?«

»Ach, gar nichts Aufregendes …«

»Erzähl’s mir trotzdem.« Er tätschelte noch einmal ihre Schulter und ging zurück zu seinem Platz. Sie lächelte und er schaute erwartungsvoll. Sie stellte sich immer hinter ihn, umso mehr war es ihm ein Bedürfnis, ihr das Gefühl zu geben, dass ihn ihr Leben genauso interessierte.

»Heute kommt die neue Kollektion und du weißt ja, da haben wir alle Hände voll zu tun …« Sie schwärmte von den Farben, den tollen Schnitten, schimpfte auch ein bisschen über die Kolleginnen, die die Arbeit nicht gerade erfunden hatten, wie sie sich ausdrückte, und daher immer alles an ihr hängenblieb – Christian wusste aber sehr wohl, dass ihr das nur halb so viel ausmachte, wie sie vorgab. Sie übernahm gern die Leitung und war seit dem Tag, da man ihr den Filialleiterposten angeboten hatte, zufriedener als je zuvor.

Christian trank seinen Kaffee aus und verabschiedete sich mit einem Kuss von Sophie. Es wurde Zeit. Da heute ein neues Quartal anfing, würde es im Krankenhaus hoch hergehen, und das ganz abgesehen von den anderen Patienten, den Visiten und Operationen. Christian war leitender Oberarzt auf der Station für innere Medizin. Er war bereits etwas über 50 Jahre und hatte alles erreicht, was er sich bei seinem Studium erträumt hatte. Zudem war er sehr beliebt. Er war charmant, zielstrebig, ohne arrogant zu wirken, und bei den Patienten sehr beliebt. Außerdem war er durchaus attraktiv mit seinem grau melierten Haar und dem Vollbart, der ihm, so fand er selbst, sehr gut stand.

Es würde ein langer Tag werden. Ein anstrengender, stressiger, aber er freute sich nach dem freien Wochenende drauf. Er liebte seinen Job und war gespannt, was ihm dieser Tag bringen würde.

Welche Wende in seinem Leben heute seinen Anfang nehmen würde, ahnte er indes nicht …

* * *

Es war Annas erster Arbeitstag. Mit Ende 40 begann sie nun quasi noch einmal von vorne. In einem großen Krankenhaus als Schwester. Das war immer ihr Traum – das St. Vincent war die beste Einrichtung weit und breit, hatte fantastische Ärzte, ein berühmtes Ausbildungsprogramm. So oft hatte sie sich schon beworben und nun hatte sie endlich eine der begehrten Stellen ergattert. Im Moment lief für sie wirklich alles perfekt. Auch im Privatleben. Nun ja, sie hatte nie Probleme, die Männer, die sie wollte, für sich zu gewinnen. Sie war sehr attraktiv mit ihren langen schwarzen Haaren und den strahlend blauen Augen. Sie war zielstrebig, stand mit beiden Beinen im Leben und hatte eine besondere, liebevolle Art. Es war wohl das alles zusammen, was sie auf Männer derart wirken ließ.

Nach außen mimte sie immer die starke Persönlichkeit, aber sie hatte einen weichen Kern, den sie immer zu beschützen versuchte. Das machte sie so gut in ihrem Job. Sie konnte einfühlsam mit den Patienten umgehen, blieb aber immer professionell und konnte sich – meistens zumindest – ausreichend distanzieren, um nichts von all den Problemen mit nach Hause zu nehmen.

Es war schon ziemlich spät, Anna hatte es an diesem Morgen besonders eilig. Die Nervosität dränge sie schnell beiseite, ging duschen und zog sich die gestern Abend schon sorgsam zusammengestellten Kleidungsstücke an. Obwohl sie sich im Krankenhaus würde umziehen müssen, war es ihr wichtig, wie sie das Haus verließ. Das Haar band sie zusammen und warf noch einen kurzen Blick in den Spiegel. Alles war perfekt.

Nun noch eine Tasse Kaffee und … Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Sie lächelte, denn sie wusste bereits, wer es sein würde. Tom. Ihr Freund. Seit einigen Jahren war sie nun schon mit ihm zusammen und alles fühlte sich richtig an. Sie liebte ihn. Tom war genau der Typ Mann, auf den Anna stand. Dunkelhaarig, gutaussehend, sportlich, liebevoll, charmant und zielstrebig. Was kann eine Frau mehr wollen? Er faszinierte sie. Nur war er durch seinen Beruf sehr viel unterwegs und sie sahen sich wenig. Anna vermisste ihn, besonders an solchen Tagen …

»Wie geht es dir denn, meine Süße? Sehr aufgeregt?«, fragte Tom, als Anna sich gemeldet hatte.

»Sehr. Ist das nicht albern?« Sie kicherte etwas und nahm einen Schluck Kaffee.

»Ach was. Jeder wäre nervös. Aber du schaffst das! Bei deiner Erfahrung …«

»Na ja … Ich freu mich ja auch. So lange habe ich auf diese Chance gewartet.«

»Ich bin sehr stolz auf dich und drücke dir Daumen für heute.«

»Danke, Schatz. Ach, ich hätte dich jetzt so gern hier.«

»Ich weiß, aber wir telefonieren heute Abend und du erzählst mir alles, ja!?«

Anna wusste, dass er jetzt auflegen wollte. Ihn weiter in ein Gespräch verwickeln zu wollen, hätte keinen Sinn. »Okay, ich ruf dich an. Dir auch einen erfolgreichen Tag.«

»Danke. Bis später.«

Er hatte aufgelegt, bevor sie sich verabschieden konnte. Sie fühlte wieder diesen leichten Anflug von Traurigkeit, doch schob sie es schnell beiseite. Sie musste sich auf ihren ersten Tag konzentrieren. Außerdem liebte sie Tom und plante ihre Zukunft mit ihm. Sie passten gut zusammen, und sie konnte sich nicht vorstellen, was sie beide auseinander bringen könnte …

Anna trank etwas hektisch ihren Kaffee aus und machte sich dann auf den Weg zur Arbeit.

* * *

Christians Tag verlief problemlos. Die Operation von Frau Scharschmidt war reibungslos über die Bühne gegangen. Die nette Dame würde wieder gesund werden und sicher noch einige glückliche Jahre mit ihrem Sohn, der Schwiegertochter und den Enkelkindern, bei denen sie lebte, verbringen können. Das machte ihn glücklich, und so konnten ihm auch die eher anstrengenden Patienten, die es mehr als genug gab, nicht den Tag verderben. Christian hatte ohnehin ein ausgesprochenes Talent dafür, aus jeder Anstrengung etwas Positives mitzunehmen.

Es war schon kurz nach 13.00 Uhr und Zeit, endlich etwas zu essen. Mit einem Kollegen, den er durchaus auch Freund nennen konnte, hatte er sich in der Kantine verabredet. Als er den großen Raum betrat, saß Markus schon da und hatte eine riesige Portion Spaghetti Bolognese vor sich stehen, die er gierig in sich hineinschlang. Christian winkte ihm kurz zu, holte sich ebenfalls eine Portion und setzte sich mit seinem Essen bewaffnet zu Markus.

»Du bist wohl kurz vorm Verhungern?«

Markus machte sich nicht die Mühe, erst hinunter zu schlucken. »Ich hab noch nichts gegessen heute …«, sagte er nur, schluckte endlich und schob schon den nächsten Bissen in den Mund.

Christian lachte. Dass sich ein brillanter Arzt, noch dazu Herzspezialist, so ungesund ernähren konnte, war ihm ein Rätsel. Wenn er an all die Vorträge dachte, die er so gern seinen Patienten hielt … »Du weißt doch, dass du regelmäßiger …«, begann er, doch Markus hatte schon die Hand gehoben, um ihn zu unterbrechen. »Spar dir das … Sag mir lieber, was heut noch anliegt.«

Christian sprach einen besonders kniffligen Fall mit ihm durch, der ihm und seiner Kollegin aus der Pädiatrie einiges Kopfzerbrechen machte. Eine Frau, mit einem angeborenen Herzfehler, die kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes stand. Sie hatten sich für einen Kaiserschnitt entscheiden müssen, da das Herz der Frau die Strapazen einer normalen Geburt vielleicht nicht verkraftet hätte. Nun war es sehr wahrscheinlich, dass das ungeborene Mädchen diesen Herzfehler geerbt hatte, weshalb Markus bei dem Eingriff dabei sein sollte.

Nach dem Essen genehmigten sich beide noch einen Kaffee auf der Terrasse. Hier pflegten sie eher private Dinge zu besprechen. Markus war ein überzeugter Single – zumindest seit ihn seine Frau vor über einem Jahr verlassen hatte. Sie hatte sich vernachlässigt gefühlt und eine Affäre mit einem Arbeitskollegen begonnen.

»Hast du schon die neue Schwester auf deiner Station kennengelernt?«

»Neue Schwester? Nein.«

»Oh, da hast du was verpasst. Aber Vorfreude ist ja die schönste Freude. Und auf diesen Anblick kannst du dich wirklich freuen.«

Christian kannte Markus’ zweifelhaften Geschmack. Wahrscheinlich war das wieder so ein blutjunges, blondes Ding. Markus sah den skeptischen Blick seines Gegenübers und musste lachen. »Nein, sie ist wirklich mal anderes. Über 40 bestimmt. Sehr hübsch und sie scheint echt was auf dem Kasten zu haben.«

»Na ja, ich werde ihr schon noch über den Weg laufen … Sag mal, gehen wir am Donnerstag wieder laufen?« Seit einigen Jahren gingen die beiden nun zusammen joggen – so oft es ihre jeweilige Zeit erlaubte.

»Unbedingt. Meinst du, Sophie kocht uns danach wieder mal was Leckeres?«

»Sicher. Ich werde sie gleich heute Abend fragen.«

»Klasse. Ich bin so gern bei euch. Ihr gebt mir den Glauben an die Institution Ehe wieder zurück.«

Sie verabschiedeten sich und gingen auf ihre jeweiligen Stationen.

* * *

Annas erster Tag verlief wunderbar. Nur am Anfang war sie noch etwas nervös, aber sie konnte es gut überspielen und nach nur ein oder zwei Stunden war die Nervosität ganz verschwunden. Sie lernte einige ihrer neuen Kollegen kennen und auch die Patienten, die sie in der nächsten Zeit versorgen würde. Durch ihre empathische Art kam sie sofort bei den Patienten, besonders bei den älteren, gut an, wurde überhaupt sehr nett aufgenommen. Das lag sicher auch daran, dass sie ihrer Arbeit sehr professionell nachging und ihr viele Dinge sehr leicht fielen. Sie arbeitete sich schnell ein und keiner ihrer Kollegen hatte viel Arbeit mit ihr, wie ihr die Oberschwester Claudia versicherte.

»Wenn du möchtest, kannst du heute gleich mit zur Visite kommen«, schlug diese vor, als die beiden Frauen sich im Schwesternzimmer einen Kaffee genehmigten.

»Meinst du wirklich?«

»Aber sicher. Dann lernst du auch gleich unseren Oberarzt kennen. Dr. Marx wird dir gefallen.«

Claudia grinste verschmitzt und Anna hatte die Befürchtung, dass auch in einem so renommierten Krankenhaus die üblichen Liebeleien nicht ausbleiben würden. Ob sie wohl was mit diesem Doktor hatte? Eigentlich wirkte sie zu bodenständig auf Anna. Sie gefiel ihr wirklich gut. Sehr sympathisch, sehr resolut und sie verstand wirklich was von ihrer Arbeit. Anna würde nicht nur arbeitstechnisch gut mit ihr zurechtkommen, auch auf persönlicher Ebene hatte sie sofort ein gutes Gefühl gehabt.

Nein, sie war wirklich nicht der Typ, der sich an die Ärzte heranschmiss. Aber man konnte ja nie wissen, Anna hatte schon so einiges erleben müssen. Innerlich seufzte sie, riss sich aber schnell zusammen. Schließlich war das ja nichts Neues für sie. So viele Affären hatte sie schon mitbekommen, ganze Dramen hatten sich abgespielt. Sämtliche Klischees konnte sie bestätigen. Nun ja, sie würde es auf sich zukommen lassen … Sie musste ja nicht gleich am ersten Tag alle Geheimnisse ergründen.

Sie machten sich also an die Vorbereitung der Visite. Claudia suchte alle relevanten Akten heraus, die sich Anna nun vornahm und bei einer weiteren Tasse Kaffee sichtete.

* * *

Gestärkt und wieder fit machte sich Christian auf den Weg zur Station. Die Nachmittagsvisite stand an. Nichts Aufregendes. Reine Routine. Die neue Schwester, von der Markus erzählt hatte, hatte er längst wieder vergessen. Bis er das Schwesternzimmer betrat, und ein neues Gesicht umgeben von Krankenakten am Tisch erblickte. Nun verstand er Markus. Diese Frau war wirklich eine Erscheinung. Christian konnte kaum seinen Blick von diesem Gesicht wenden, bis er von Schwester Claudia aus seinen Gedanken gerissen wurde.

»Dr. Marx. Da sind Sie ja schon!«

»Na, Schwester Claudia! Alles ruhig auf Station?«

»Aber ja. Alles in bester Ordnung.«

»Sehr schön.« Er lächelte seine Oberschwester an. Er mochte sie sehr. Sie war kompetent, hatte die anderen Schwestern unter Kontrolle und war ein echtes Organisationstalent. Außerdem eine Seele von Mensch, wenn sie auch immer etwas ruppig wirkte.

Anna hatte inzwischen von ihren Akten aufgeblickt und Christian fasziniert betrachtet, bis sich nun ihre Blicke trafen.

»Und wen haben wir da?«

Anna stand schnell auf und ging um den Tisch herum auf die beiden zu. Claudia stellte sie vor.

Sie reichten sich die Hände zum Gruß. Oh, diese blauen Augen! Christian hatte das Gefühl, in ihnen zu versinken. Diese Tiefe und Klarheit. Er sah Aufrichtigkeit in ihnen und noch etwas – einen Hauch Melancholie. Ob jeder, der sie ansah, sofort den Wunsch hegte, sie in die Arme zu nehmen? Sie berührte ihn einfach an einem Punkt tief in seiner Seele …

Schnell ließ er ihre Hand los.

»Haben Sie sich denn schon ein bisschen einleben können bei uns, Schwester Anna?« Christian legte sein professionelles Lächeln auf, das eigentlich für seine Patienten reserviert war.

Anna war etwas verwirrt. Sie glaubte, etwas gespürt zu haben, als er ihre Hand berührt hatte. Was war das? Und nun war er kühl, wenn auch freundlich. Ja, das gefiel ihr viel besser.

»Ich fühle mich sehr wohl hier, vielen Dank. Schwester Claudia macht es mir aber auch sehr leicht«, sagte sie mit einem Lächeln an ihre Oberschwester gewandt.

»Ja, sie ist wirklich unsere gute Seele hier auf Station«, sagte Christian mit Blick auf die Akten. »So, meine Damen, wollen wir dann?«

Abermals schenkte er beiden ein gewinnendes Lächeln und trat vor ihnen auf den Gang.

Die Visite verlief reibungslos. Anna verstand, warum Claudia so begeistert vom Oberarzt war. Er hatte wirklich eine ganz besondere Art, mit den Patienten umzugehen. Anna hatte schon viele Chefs gehabt, darunter fantastische Ärzte, aber dieser Dr. Marx schlug sie alle um Längen. Er hatte eine wunderbare Art, selbst die schwierigsten Fragen so zu beantworten, dass er ausreichend informierte und zudem Ängste nahm. Alle Patienten blieben zufrieden zurück, als die kleine Gruppe das Zimmer wieder verließ. Anna war wirklich begeistert von ihm – als Arzt. Sie konnte sich gut vorstellen, dass so manch eine Frau seinem Charisma erliegen könnte. Auf sie traf das nicht zu. Er entsprach nicht unbedingt ihrem Typ. Nein, wirklich nicht. Und dann dieser Bart … Wie er wohl ohne aussehen würde?

Christian selbst fühlte sich heute nicht so konzentriert wie sonst. Annas Gegenwart machte ihn irgendwie nervös. Er spürte ihre Blicke, fühlte sich beobachtet, fast wie bei einem Test. Er gab sein Bestes, wollte vor ihr einen guten Eindruck machen. Dass das albern war, wusste er selbst, und es ärgerte ihn, dass er so empfand. Dabei sollte er sich doch auf ihre Leistungen konzentrieren. Schließlich war sie neu und in der Probezeit.

Claudia kam ihrer Aufgabe dagegen überaus gewissenhaft nach. Sie überließ Anna alle anfallenden Aufgaben. Christian riss sich zusammen und beobachtete sie genau. Ihre Art imponierte ihm. Offenbar mochten auch die Patienten diese neue Schwester, der alle Arbeiten leicht und routiniert von der Hand gingen. Christian und Claudia konnten zufrieden sein, mit der Wahl.

Dann war es geschafft und die drei fanden sich wieder beim Schwesternzimmer ein.

»So, vielen Dank, meine Damen. Sehr gute Arbeit. Schwester Claudia, bereiten Sie doch bitte mit Schwester Anna den Blinddarm von Zimmer 121 zur OP vor und bringen Sie ihn dann runter, ja.«

»Selbstverständlich. Viel Erfolg, Dr. Marx.« So ein Routineeingriff war für ihren Oberarzt zwar eine Kleinigkeit, aber sie hatte es sich angewöhnt, ihm dennoch vor jeder OP alles Gute zu wünschen, denn sie wusste, dass er nie einen Eingriff auf die leichte Schulter nahm – selbst so eine Blinddarm-OP nicht.

»Danke. Und Ihnen beiden noch eine angenehme Schicht.«

Zum Abschied schaute er Anna noch einmal etwas länger in ihre tief blauen Augen, riss sich aber schnell los und ging in Richtung OP-Trakt.

Kapitel 2

Der Rest der Schicht verlief für Anna auch weiter sehr erfreulich. Als sie sich am Ende des ersten Arbeitstages umzog und schließlich das Krankenhaus verließ, war sie mehr als zufrieden. Sie hatte genau die richtige Entscheidung getroffen. Sich hier zu bewerben und quasi noch einmal von vorne anzufangen, war vielleicht für andere in ihrem Umfeld unverständlich – immerhin hatte sie schon Jahre als Oberschwester in ihrem alten Krankenhaus gearbeitet, Karriere, sich einen Namen gemacht, junge Schwestern ausgebildet. Hier war sie nichts weiter als eine einfache Stationsschwester – und dazu für die nächsten Monate in der Probezeit. Sie lächelte, als sie sich zu ihrem Auto wandte, denn sie wusste, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Sie war angekommen, sie hatte sich einen Traum erfüllt. Auch mit dem geringeren Gehalt würde sie mehr als zurecht kommen. Ja, es war die richtige Entscheidung.

Zu Hause angekommen duschte sie erst einmal ausgiebig und rief dann sofort Tom an. Sie wollte im Moment nichts mehr, als ihm von ihrem Tag zu erzählen. Natürlich wäre es noch schöner gewesen, wenn er jetzt bei ihr wäre und sie in den Arm nehmen könnte, sie den Tag gemeinsam ausklingen lassen würden. Ein kurzer Anflug von Traurigkeit übermannte Anna, während sie dem Freizeichen des Telefons lauschte. Sie vermisste Tom.

»Hallo Süße!«, meldete er sich endlich. »Ich hab leider nicht viel Zeit. Aber erzähl mal, wie es war.«

Anna unterdrückte die sofort mitgelieferte Enttäuschung. Das kannte sie schon. »Wunderbar. Alle sind nett und unglaublich kompetent.«

»Und sie haben sich sofort in dich verliebt, richtig!?«, scherzte er.

Anna lachte. »Das vielleicht nicht grad. Aber ich habe mich ganz gut angestellt, denke ich.«

»Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt. Ich bin stolz auf dich.«

»Danke. Und wie läuft es bei dir?«

»Du, das erzähl ich dir später in Ruhe. Ich muss schnell wieder rein. Sei nicht böse. Ich melde mich nachher.«

Anna seufzte. »Das geht nicht. Ich bin noch mit Clara verabredet.«

»Ach schön. Sag ihr Grüße und macht euch einen netten Abend.«

»Du dir auch. Bis dann, Schatz.«

Und schon hatte er aufgelegt. Tom war so – immer beschäftigt, immer unter Strom. Aber das mochte Anna eigentlich auch an ihm. Wenn sie an seinen Vorgänger dachte, der sie zum Zentrum seinen Universums gemacht hatte und gar kein eigenes Leben mehr führen wollte, wusste sie wieder zu schätzen, wie viel Freiraum sie und Tom sich ließen. Vor allem hielt das auch die Liebe frisch. Sie freuten sich immer sehr auf die gemeinsame Zeit.

Anna hatte noch etwas Zeit, bevor Clara sie abholen würde, schnappte sich ihr Buch und machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Die Zeit verflog, während sie der bezaubernden Liebesgeschichte folgte, und fast schon enttäuscht legte sie eine Stunde später ihre Lektüre beiseite, um sich für den Abend fertig zu machen. Clara gehörte zwar nicht zu den pünktlichsten Menschen – genaugenommen hätte sie schon vor zehn Minuten hier sein sollen –, liebte es aber gar nicht, wenn man sie warten ließ.

Anna hatte gerade bei einem prüfenden Blick in den Spiegel alles an sich für gut befunden, da klingelte es auch schon Sturm. Nicht mal eine halbe Stunde zu spät!

Anna schnappte sich ihre Tasche und verließ schnell die Wohnung.

Clara wartete vor dem Haus in ihrem Auto. Anna stieg ein, die beiden begrüßten sich mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange und schon setzte sich der Wagen mit quietschenden Reifen in Bewegung.

»Ich verhungere gleich«, erklärte Clara ihren agentenmässigen Auftritt. Anna grinste nur. »Dann schnell!«, sagte sie nur und lehnte sich zurück. Sie wusste, dass sie jetzt besser kein Gespräch begann, denn Clara würde in Gedanken schon die Speisekarte ihres Lieblingsrestaurants durchgehen und ihre gesamte Konzentration benötigen, um das Richtige auszuwählen.

Anna und Clara waren seit Jahren beste Freundinnen. Sie kannten sich in- und auswendig. Es gab nichts, was sie sich nicht erzählten, noch nie war ein böses Wort zwischen ihnen gefallen, wenngleich sie sich immer unverblümt die Meinung sagten. Und sie waren so oft unterschiedlicher Meinung wie sie selbst unterschiedlich waren. Anna ging ganz in ihrem Job auf, sie hatte Ziele und die Karriere war ihr wichtig. Auch hatte sie in den letzten Jahren immer mal wechselnde Liebhaber, bis sie Tom kennenlernte, mit dem sie inzwischen sogar verlobt war. Clara dagegen war ganz Ehefrau und Mutter. Sie liebte es, die Familie zu umsorgen und ihrem Mann den Rücken frei zu halten und ihm ein schönes Zuhause zu bieten. Er arbeitete dafür rund um die Uhr, um seinen Lieben ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. So ging bei ihnen alles Hand in Hand. Abende außerhalb des Nestes gönnte sich Clara selten. Umso schöner war es für Anna, an diesem wichtigen Tag Clara bei sich zu haben.

Im Restaurant angekommen wurden sie von ihrem Kellner sofort an ihren Lieblingstisch geführt, den sie immer reservieren ließen, wenn sie zusammen hier aßen.

Clara ließ sich stöhnend auf den bequemen Stuhl fallen. »Was für ein Tag!«

Anna grinste, denn sie wusste, was nun kam: die rasche Aufzählung der familiären Ereignisse. So machte es Clara stets, um sich dann ganz entspannt Annas Erzählungen widmen zu können. Kurz unterbrochen wurden sie nur vom Kellner, der ihre Bestellungen aufnahm. Wie immer nahm Anna das Gleiche wie Clara. Sie hatte einen ausgezeichneten Geschmack, was selbst eine hervorragende Köchin – auf ihre Wahl war immer Verlass. Nur bei den Getränken unterschieden sie sich. Während Clara sich auf Wasser beschränkte, gönnte sich Anna einen Viertelliter Bordeaux, der hier besonders lecker war.

»Und nun erzähle!«, sagte Clara und beugte sich erwartungsvoll zu ihrer Freundin hinüber. »Wie war dein erster Tag?«

Während die Getränke gebracht wurden, berichtete Anna alles der Reihe nach. Clara liebte Details und wollte stets alles wissen. Auch von Dr. Marx erzählte sie und lobte seine Klasse, seine einfühlsame Art.

»Also hast du jetzt keine Zweifel mehr?«

»Nein, gar nicht. Es war genau richtig so. Schon nach dem ersten Tag fühle ich mich unheimlich wohl.«

»Das freut mich so! Ganz ehrlich. Du weißt, ich hatte so meine Bedenken.« Clara war eine jener Personen, die die Sicherheit des alten Jobs doch um einiges erstrebenswerter gefunden hätte als dieses ungewisse Neue. Auch wenn sie Annas Argumente verstanden hatte.

»So richtig sicher war ich ja selbst nicht, aber nach heute … Ach, ich bin richtig gespannt auf die nächste Zeit. Es ist aufregend.«

Sie stießen noch einmal an und widmeten sich dann dem Rehrücken, der in der Zwischenzeit ebenfalls gebracht wurde und tatsächlich ein Gedicht war.

Als die Teller abgeräumt und beide satt und zufrieden den Abend genossen, hielt es Clara nicht länger aus. »Und was sagt Tom?«

»Oh, er freut sich natürlich.« Anna hatte schon auf die Frage gewartet.

»Also, habt ihr tatsächlich schon telefoniert heute?«

»Ja, sogar zweimal, wenn du es genau wissen willst …« Anna biss sich bei Claras erhobenen Augenbrauen auf die Zunge. Das war doch bissiger rübergekommen, als sie beabsichtigt hatte.

»Anna, du weißt, ich mag Tom. Ganz ehrlich. Und ich gönn dir dein Glück mit ihm von Herzen.« Clara nahm Annas Hand. »Aber wie sagenhaft viel Zeit hat er dir geschenkt, um zu erfahren, wie es war? Lass mich raten; fünf Minuten?« Annas Blick sprach Bände. »Also nicht mal …«

»Hör mal, Clara, das ist okay. Er hat zu tun und dass er seine Besprechung verlassen hat, um kurz zu hören, wie es mir geht, ist doch lieb von ihm. Und am Wochenende können wir in aller Ruhe meine erste Arbeitswoche auswerten.«

»Und das reicht dir ganz ehrlich? Hast du ihn denn nicht vermisst heute? Komm schon, sag mir nicht, dass es nicht so ist!«

»Doch, natürlich hätte ich ihn gern öfter bei mir. Aber wir haben uns beide für dieses Leben entschieden. Es hat ja auch sehr viele Vorteile.«

So oft hatten sie dieses Gespräch schon geführt. Clara erhob noch einmal ihr Glas und stieß mit Anna an.

* * *

Christian saß im Arztzimmer. Den Papierkram hatte er inzwischen bearbeitet, er könnte nun nach Hause gehen. Aber dieser Tag beschäftigte ihn. Er dachte an die Begegnung mit Anna. An ihre strahlenden Augen. An dieses Gefühl. Er war so in Gedanken versunken, dass er die Zeit vergaß.

Es war schon eine halbe Stunde vergangen, als sein Handy klingelte. Sophie. »Hallo, meine Liebe«, meldete er sich und zwang sich zu einem besonders netten Ton.

»Ach schön, dass ich dich erreiche. Hallo mein Schatz. Kannst du bald Feierabend machen?«

»Ich bin gerade mit allem fertig und wollte mich jetzt fertig machen.«

»Wunderbar. Was meinst du, wollen wir nicht was essen gehen heute Abend? Zu deinem Lieblingsitaliener. Ich bin auch gerade erst nach Hause gekommen und habe jetzt keine Lust mehr zu kochen.«

»Das ist eine tolle Idee. Sollen wir uns gleich da treffen oder soll ich dich zu Hause abholen?« Christian merkte jetzt, dass er einen riesigen Hunger hatte und eine Lasagne wäre jetzt genau das Richtige.

»Wir treffen uns da. Es wäre doch ein ziemlicher Umweg für dich.«