aber ...ich gehe meinen Weg... - Natascha Bergvolk - E-Book

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Natascha Bergvolk

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Beschreibung

Sonja muss mit ansehen, wie ihr Sohn in Handschellen aus dem Gericht geführt wird. Acht Jahre muss er einsitzen wegen Totschlag an seinem Vater. Es war doch ein schrecklicher Unfall. Ralf würde niemals seinem Vater etwas zuleide tun. Nun ist ein Mutterherz gefordert. Das Autohaus muss erhalten werden, der Sohn hat große Probleme im Gefängnis. Seine Freundin steht nun alleine mit ihrem Kind . Alles läuft völlig aus der Spur. Die Mutter denkt, es ist ihr Schicksal, dass sie so knechtet. Der Sohn ist alles leid und mag nicht mehr, wie die Mutter möchte. Er findet seinen Weg und sie muss sich damit abfinden, dass Ralf alles über Bord wirft und seine eigenen Wege geht...

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Seitenzahl: 262

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Wie mag es weiter gehen

Womit fange ich an

Die Enkelinbesucht Opa Rudi

Isabel besucht ihren Papa

Ich will kein Kind

Sonja ordnet ihr Leben neu

Was wird aus dem Autohaus

Ralf kommt nicht klar

Es wird Zeit, zu entscheiden

Auch Rosalie muss nachdenken

Ralf im neuen Haus

Man muss sich nur aufregen

Die Zeit vergeht so schnell

Mama verzeih mir bitte

Wieder Weihnachten ohne Rudi

OHG oder GmbH

Der Freigänger

Frühling zieht durch den Körper

Ralfs Alptraum

Es gibt wieder Sonnenschein

Vorwort:

Was kann eine Mutter alles ertragen?

Das Leben von Sonja Knopf wird gewaltig durcheinander geschüttelt. Nichts läuft, wie man es von einer gutsituierten Familie erwarten darf.

Geld beruhigt, macht aber nicht immer glücklich.

Da gehört eine Menge mehr dazu. Die Welt verändert sich. Kinder haben alles, was man kaufen kann. Doch fehlt das Wichtigste, die Zeit für Zärtlichkeit und manche Umarmung.

Dazu kommt die Multi Kulte Gesellschaft mit ihren verschiedenen Mentalitäten, eine Politik, an der jeder alles bemängelt und Kinder, die kaum Respekt und Achtung vor Mensch und fremden Eigentum haben.

Sonja ist ihrem Sohn nicht gewachsen und muss zusehen, wie er letzten Endes wegen Totschlag seines Vaters im Gefängnis landet. Jetzt alleine, ist sie gezwungen, alles selbst zu erledigen.

Das Autohaus und alles was dazu gehört, hat früher ihr Mann Rudi gemacht.

Am Ende ihrer Kraft, greift das Schicksal ein. Tränenreich und oft verzweifelt, gibt es Hilfe von allen Seiten. Manch Situation ist für sie nicht verständlich, aber zum Schluss doch erfolgreich.

Wie mag es weiter gehen

Sonja überlegt - wie wird es weitergehen mit der verbliebenen Familie und dem Autohaus? Alles bricht gerade über mir zusammen. Mein Mann ist durch tragische Umstände gestorben. Mein Sohn wird genau deshalb in Handschellen abgeführt. Neben mir sitzt die Mutter meiner Enkelin. Und in mir ist eine Sehnsucht erwacht, die Welt ein Jahr nach hinten drehen zu dürfen.

Langsam leert sich der Gerichtsaal. Ob ich versuche, noch einmal mit dem Richter zu sprechen?

Vielleicht lässt sich etwas verändern wenn er weiß, dass der Junge nichts dazu kann, weil Rudi ihn angegriffen und er sich nur gewehrt hat? Wer soll sich denn um das große Autohaus kümmern? Ich kann es ganz sicher nicht, ich bin Oma und habe versprochen, mich um das Baby zu kümmern, damit Rosalie ihrer Arbeit nach gehen kann.

Furchtbar, dieses Bild vor Augen zu haben, Ralf mit verweintem Gesicht in Handschellen, vorbei gehen zu sehen. Was mag er fühlen? Hat er seine Tochter kurz sehen können?

Rosalie wird unruhig. Das kleine Mädchen in ihrem Arm auch. Sonja merkt es, hat aber nicht die Kraft aufzustehen. Sie sagt zu der jungen Frau: „Rosalie fahre nach Hause. Ich komme später nach.“

„Mutter was ist los? Geht es dir nicht gut? Kann ich dir helfen?“

„Nein mein Mädchen, da muss ich jetzt alleine durch. Mach dir keine Gedanken um mich, ich fahre dann mit dem Bus.“

Ungern lässt Ralfs Freundin Sonja zurück. Sie hat so erschüttert auf das Urteil reagiert. Dabei ist er nach Rosalies Meinung, gut davon gekommen. Wenn man bedenkt, wie viele verschiedene Dinge passiert sind, kann Ralf zufrieden sein.

Den Kopf gesenkt sitzt Sonja in der Bank. Sie merkt, wie alle Menschen den Saal verlassen. In ihrem Kopf geht es rund und sie ist doch wie gelähmt. Gedanken die sie quälen und ihr trotz allem, die Einsicht für das Gehörte nehmen.

Ein Mann kommt auf sie zu und fragt: „Geht es ihnen nicht gut? Kann ich helfen?“

„Ja, das können sie allerdings, ich muss den Richter sprechen.“

„Aber liebe Frau das geht nicht, da brauchen sie einen Termin.“

„Ich muss aber jetzt mit ihm reden. Er hat meinen Sohn verurteilt. Für acht Jahre, wie soll das gehen? Wir haben ein Autohaus zu verwalten, jetzt wo mein Mann nicht mehr da ist. Ich schaffe das nicht alleine. Außerdem hat Ralf eine kleine Tochter. Die hat er noch nie gesehen. Ich muss dem Richter sagen, dass er uns mit seinem Urteil den Boden unter den Füßen wegzieht. Das ist doch nicht sein Ernst. Wo ist der Mann, ich muss ihn sprechen. Sein Richterspruch ist falsch. Ralf wollte seinen Vater nicht wehtun und ihn schon gar nicht umbringen.“

„Sie können den Richter aber jetzt leider nicht sprechen. Sicher ist er schon gar nicht mehr im Haus. Und sein Urteil ist ein Richterspruch und ganz sicher nicht unüberlegt gefallen. Außerdem hat er die Entscheidung nicht alleine getroffen. Da steckt viel Arbeit und Überlegung dahinter. Frau Knopf, gehen sie nach Hause und lassen die Angelegenheit erst einmal ein wenig auf sich beruhen. Sie werden nach einigen Überlegungen merken, es hat so seinen Sinn. Ihr werdet die Zeit überstehen und bei guter Führung kommt ihr Sohn vielleicht früher aus dem Gefängnis. Es wird auf jeden Fall eine Zeit nach dem Aufenthalt hinter Gitter geben. Keiner weiß, wofür es gut ist. Ihr Sohn hat die Möglichkeit, sein Handeln zu überdenken und sein Leben neu zu ordnen.“

Sonja schaut dem Mann in das Gesicht und fragt: „Haben sie Kinder? Können sie da überhaupt mitreden? Wer sind sie, dass sie so schlaue Sprüche reißen? Können sie sich vorstellen, was ich als Mutter und Geschäftsfrau fühle?“

„Nein, das weiß ich sicher nicht. Ich bin hier angestellt und meine Arbeit ist es zu sehen, dass der Gerichtssaal sauber für den nächsten Termin ist.“

„Und was ist der nächste Termin? Wird da wieder jemand von einem Mann in schwarzer Robe verurteilt werden? Wieso bekommt ein Mensch die Möglichkeit alles zu zerstören?“

„Gute Frau, sie sehen dass in ihrer jetzigen Situation nicht ganz richtig. Fahren sie nach Hause und warten die nächsten Tage ab. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“

Langsam mit gesenktem Blick verlässt Sonja den Gerichtssaal. Sie überlegt, was sie jetzt tun könnte. Nach Hause möchte ich auf keinen Fall. Ich werde durch die Straßen gehen und mir die Schaufenster ansehen. Vielleicht komme ich so wieder auf den Boden zurück.

Die dekorierten Fenster helfen nicht weiter, die Gedanken sind bei Ralf. Plötzlich hat sie das Gefühl nicht alleine zu sein. Sie dreht sich um, sieht aber kein bekanntes Gesicht. Ihr Blick geht wieder in das Fenster. Da kann man Herrenmode sehen und da lächelt doch jemand. Sonja sieht das ihr nur zu gut bekannte Lächeln ihres Mannes. Zitternd schaut sie in seine Augen und fragt sich: „Träume ich? Ist es schon soweit, bin ich jetzt verrückt? Rudi ist tot. Wir haben ihn doch beerdigt.“ Nun hört sie seine Stimme ganz leise an ihrem Ohr: „Sonja, geh nach Hause zu unserer Enkelin. Du wirst sehen, sie hilft dir deinen Schmerz zu ertragen.“

„Rudi, wo bist du wirklich. Sehe ich dich da drinnen, oder fantasiere ich?“ Sie hört seine Stimme zu ihr sprechen:“Du kannst mich jetzt tatsächlich hören und sehen. Doch dass ist schlecht zu erklären. Das wird nicht oft passieren. Wenn du mich brauchst und gedanklich mit mir kommunizierst, werde ich da sein und dir helfen. Doch du wirst mich nicht sehen und nicht hören. Du wirst nur meine Hilfe spüren. Behalte dir das Bild von eben und gehe jetzt nach Hause. Es geht mir gut.“ Sonja mag ihren Blick nicht von dem Fenster wenden.

Langsam merkt sie, da ist nur Männermode zur Schau gestellt. Da ist kein Rudi. Sie fragt sich: „Wie ist so etwas möglich? Ich habe ihn gesehen und gehört, nun ist alles so, als wäre nichts gewesen. Es wird Zeit sich der Realität zu zuwenden.

Irgendwie muss es ja weiter gehen. Langsam muss ich mich mehr um die geschäftlichen Dinge kümmern. Die kleine

Enkelin muss getauft werden. Rosalie wird wahrscheinlich auch Entscheidungen treffen. Soll sie sich für das Autohaus eine dauerhafte Leitung suchen, oder vielleicht selbst voll einsteigen? Die Bankgeschäfte bedürfen ihrer vollen Aufmerksamkeit

Während sie zum Bus schlendert überlegt sie - ich könnte mir ein Taxi rufen. Nein ich fahre mit dem Bus, das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht.

Doch das ist gar nicht so einfach. Sie fragt sich - wo will ich hin? Nach Hause, oder in das Autohaus? Soll ich mich dort blicken lassen, oder kommen die Angestellten alleine zurecht? Ich fahre lieber heim und gehe morgen früh in das Geschäft. Sie steigt in den Bus und bezahlt die Fahrkarte. Da wenig Menschen da sind, setzt sie sich auf eine freie Bank. Sie will an das Fenster rücken, doch es geht nicht. Es fühlt sich an, als säße da jemand. Erschrocken schaut sie sich um. Da ist niemand. Noch einmal versucht sie, zu dem Fensterplatz zu gelangen. Wieder ist da ein unsichtbares Hindernis. Langsam steigt die Gänsehaut über den Rücken. Was ist heute nur los? Bin ich denn wirklich noch normal? Sonja steht auf und geht zur anderen freien Bank. Da klappt es auf Anhieb. Es sind ja nur ein paar Stationen, doch das Erlebnis macht ihr Angst.

Sie steigt aus und geht zu ihrem Haus. Im Gartentor bleibt sie stehen und lässt die Erinnerungen in sich wirken. Die Bilder der gemeinsamen Familie aus glücklichen Zeiten läuft wie ein Film in ihr ab.

Rund um das Haus hat sich nichts verändert. Nur die Blumen scheinen welk zu sein. Etwas vernachlässigt und ungepflegt ist das Ganze. Da muss ein Gärtner kommen, ich habe keine Lust, keine Zeit und keine Kraft.

Womit fange ich an

Bei einer Tasse Kaffee am Küchentisch und den Kopf voller Gedanken sitzt Sonja da und überlegt. Vor ihr liegen die Fotos von Ralf und Rudi. Was wollte ihr Rudi im Schaufenster wirklich sagen? Wie mag Ralf angekommen sein in der kleinen Zelle mit nur einem Bett, einen Tisch und Stuhl, Toilette und Waschbecken. Ein kleiner Fernseher an der Wand und ein Kühlschrank und ein Kleiderschrank. Erschreckend diese Vorstellung. Nun heißt es für ihn, durch halten.

Was ist so furchtbar schief gelaufen, dass er diese Laufbahn eingeschlagen hat? Rudi war ein strenger Vater, aber er hatte es doch so gut gemeint. Und sie, liebt ihren Sohn, egal was passiert? Mutterliebe, kann Mutterliebe so viel falsch machen? Hätte sie strenger sein müssen oder vielleicht doch verständiger?

Die Hoffnung, dass sich Probleme von selbst erledigen, sind abhanden gekommen. In ihrem Fall ist das eine ganz schlimme Erfahrung. Doch nun muss es vorwärtsgehen. Ich werde stark sein. Es liegt viel Gewicht auf ihren Rücken, das Paket ist so groß, das sie zu schleppen hat. Wird sie das schaffen? Mit wem könnte sie ihre Probleme besprechen. Um nicht neue Fehler zu machen? Wieso konnte sie die Familie nicht zusammen halten?

Erschreckend die Gedankengänge an Ralfs unruhige Zeiten. Warum kann man es nicht stoppen, wenn man merkt, dass der eigene Sohn in Richtung Gosse marschiert? Das Problem dabei ist, dass man es erst wirklich merkt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Und doch, man ist nicht für alles zuständig und schuldig zu sprechen. Manches mag schief gelaufen sein. Doch ganz sicher ist es sein Weg, wofür auch immer er gegangen werden muss.

Sonja weiß, es werden noch viele dunkle Stunden kommen, doch, sie wird ihre Aufgaben erfüllen, so gut sie kann. Jetzt muss sie ihr Gesicht im Spiegel betrachten, um zu erkennen, dass sich außer ihren Gedanken, nichts verändert hat.

Ralf denkt still an seine Mutter. Er hört noch ihre Worte. Doch sie tun weh, denn es ist ihm klar, dass vieles schief gelaufen ist. Irgendwie fühlt er sich schuldig. Doch manche Sachen sind ihm schlichtweg entfallen. Während der Fahrt im Polizeibus kommen ihm Tränen. Wie lange werde ich diese Gebäude, diese Gassen nicht mehr sehen, nicht mehr durchlaufen können. Mein Papa kommt nicht wieder, egal wie lange sie mich fort sperren. Meine Mama hat nur noch mehr Arbeit. Wie wird es mit Rosalie sein? Wird sie zu mir halten? Meine kleine Tochter. Ich sah nur ein kleines Bündel, was mag sie für Augenfarbe haben? Wie heißt sie? Werde ich sie irgendwann sehen und in die Arme nehmen können? Was wird es für Auswirkung auf das Kind haben, dass ihr Papa im Gefängnis ist? Meine Freunde, werden sie mich besuchen kommen? Möchte ich das überhaupt? Ist es nicht besser den Kontakt zu diesen Menschen abzubrechen?

Die Zelle ist wirklich eine Zelle, klein, nur das Nötigste habe ich hier und da soll ich für acht Jahre leben? Werde ich es durchhalten, ohne durch zu drehen? Mama, was habe ich dir angetan? Mama, das war niemals meine Absicht. Deine Liebe, ich kann sie spüren, sie hält mich am Leben. Deine Worte, sie klangen so schmerzvoll. Ob auch du mich irgendwann vergessen wirst? Ich brauche eine Aufgabe, eine sinnvolle Aufgabe. Mama ich werde dir beweisen, dass du mich nicht umsonst geboren hast. Ralf sitzt auf seinem Bett und schaut auf das vergitterte Fenster. Wie konnte es nur soweit kommen. Bilder von seinem Vater kommen ihm in den Sinn. Ralf schämt sich. Und doch überkommt ihn das Gefühl, von Papa geliebt gewesen zu sein, auch wenn er sehr streng war. Ihm wird bewusst, dass er ihn sehr vermissen wird. Am liebsten würde er alle Gedanken ausschalten und einfach schlafen. Er merkt, dass das Fenster in der Tür sich öffnet. Irgendjemand schaut zu ihm in den Raum. Peinlich, man ist auf dem Präsentierteller. Da klopft keiner, es wird einfach mal kurz geöffnet. Gut, wahrscheinlich wird sich ohnehin nichts verändern von der Zeit vor der Verhandlung zu jetzt nach der Verhandlung. Wird es eine Zukunft geben? Was passiert mit dem Autohaus? Kann Mama alle Aufgaben meistern? Es ist alles eine von ihm herauf beschworene Katastrophe. Und dafür sitzt er nun im Knast, einsam und verlassen und ohne Sinn ... Oder hat das Ganze einen Sinn?

Rosalie hat das Gefühl der Stille, des Todes. Sie fühlt sich betrogen, um die Zeit mit Mann und Kind zu wachsen. Und als Frau des Juniorchefs eine gute Zukunftsaussicht zu haben. Nun sitzt der Mann im Gefängnis, das kleine Mädchen weint sehr viel und ihre Oma geht wie ein Opfer umher.

Die junge Frau nimmt ihr Baby und geht die Treppen nach unten zu Sonja. Es muss doch einmal besprochen werden, wie die Kleine heißen soll und wie es mit den Dreien weiter gehen soll. Oma kann unmöglich alle Lasten alleine tragen. Aber auch Rosalie fühlt sich nicht in der Lage, groß Beistand zu leisten. Es ist ja noch gar nicht klar, wie es bei ihr und ihrem Kind weiter gehen soll.

„Sonja, wo bist du?“ruft Rosalie. Die Küchentür geht auf und die Frau fragt: „Was ist los?“

„Können wir uns über die Geschehnisse unterhalten? Es muss doch irgendwie weiter gehen.“

„Ja,“ sagt Sonja, „natürlich sollten wir darüber sprechen.“ Rosalie fängt sehr vorsichtig mit der Frage an: „ Wie geht es dir. Konntest du dich ein wenig beruhigen?“

Mit leiser Stimme sagt Sonja: „Wie soll ich mich denn beruhigen, mir wurde alles genommen, was mein Leben ausgemacht hat.“

Die junge Frau ist enttäuscht. „Und wo bleibt da dein Enkelkind? Sie ist doch ein Teil von euch. Wäre es dir lieber, wenn ich mir eine Wohnung suchen würde?“

„Aber nein, mein Mädchen. Wir haben doch Platz genug. Aber du musst ein wenig Geduld aufbringen mit mir. Im Moment schwirrt mir noch zu Vieles im Kopf herum.“ Am Tisch sitzen drei Damen und weinen mit hängenden Köpfen, wobei die Kleinste wahrscheinlich Hunger hat. Deshalb steht Rosalie auf und geht mit ihrer Tochter schweigend in ihre Wohnung im ersten Stock. Ihr wird klar, es wird sehr viel Anstrengung kosten, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Sie fragt sich - welchen Karren denn? Die Schwiegermutter in spe ist alles andere als ein Karren. Doch so leidend hat sie diese Frau noch nie erlebt. Sicher - Rudi war der stärkere Part. Doch Sonja schien ihr Leben und das der Familie in Griff zu haben. Aber wenn es so gewesen wäre, hätte sie sicher besser auf Ralf einwirken können. Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass Jugendliche nicht immer gut mit den Eltern klar kommen. Pubertät ist so eine Sache, man fühlt sich erwachsen. Eltern haben gar keine Ahnung vom täglichen Leben eines Heranwachsenden. Woher hat Ralf seine Aggressionen? Sind da eventuell Gene vererbt worden? Ob das kleine Mäuschen ihren Zorn auch ausleben wird? Soweit darf es erst gar nicht kommen. Das Kind wird Respekt und liebevoll mit den Menschen umgehen. Dafür wird ihre Mutter sorgen - zumindest will sie es versuchen.

Plötzlich hat Rosalie so was wie einen Geistesblitz. Man kann das Kind ja nicht immer Mäuschen oder Schätzchen rufen. Da der Papa nicht greifbar ist, wird sie alleine entscheiden. Ihr Kind soll Isabel heißen. Ja, das ist ein Name, der zu der Familie Knopf passt.

Klein Isabel ist gefüttert und trocken und nun wird Oma den Namen ihrer Enkelin erfahren. Rosalie ist gespannt, wie die Frau die Entscheidung auf nimmt.

Vor allen Dingen wird man sich über etwas Anderes als Tod und Gefängnis unterhalten. Vielleicht kommt man so in Themen hinein, die momentan so wichtig sind. Zum Beispiel das Autohaus, oder ihre eigene Arbeit wenn Isabel ihr erstes Lebensjahr vorbei hat. Meine Güte, wie sehr sich das Leben oftmals im Minutentakt verändert, nicht zu glauben.

Rosalie mit Kind auf dem Arm ein Lächeln im Gesicht, klopft an Oma Sonjas Tür. Mit einem „herein“ und einem erstaunten Blick von Sonja kommt die Frage „was gibt es heute zu lachen, wenn ich vor Verzweiflung heule?“

„Wir beide haben dir was ganz Wichtiges mitzuteilen. Vielleicht kannst du dich dann mit uns freuen. Ich habe beschlossen, deine Enkeltochter heißt „Isabel.“ Gefällt dir der Name?“

Einen Moment ist Schweigen im Raum, dann kommt. „Wenn du es so sagst, dann ist es so. Ich dachte, wir könnten das eventuell mit Ralf besprechen. Wäre es nicht angebracht, er ist schließlich der Vater oder? Na ja, man kann sich an den Namen gewöhnen, aber ich kann dir nicht sagen, ob er zu diesem Kind passt. Du nahmst wohl an, ich würde mich freuen. Weit gefehlt - ich kann mich nicht konzentrieren. Mir geht im Kopf unser Elend herum. Ich schaffe es nicht, das Autohaus aufrecht zu erhalten. Aber muss ich das denn nicht für Ralf tun? Ich liebe ihn doch diesen Bengel. Wie konnte er mir das alles nur antun. Hat er denn gar nicht an euch und wenigstens an mich gedacht? Wieso musste Rudi auch so ungeschickt fallen? Was kann ein Mutterherz ertragen? Bleibt Mutterliebe erhalten? Dieses Leben ist grausam und ich habe keine Lust noch mehr zu erleben.“

Rosalie schaut Sonja in das Gesicht. Richtig grau ist die Haut der Frau. Und die Augen sind glanzlos. So sehr hat sie gehofft, Oma würde sich über die Namensfindung für ihre Enkelin freuen. Nun fällt ihr gerade auch nichts ein, womit sie die Oma von Isabel zum Alltag zurückführen könnte. Doch es hilft nichts, das Leben geht weiter. Und wo könnte man das besser zeigen als auf dem Friedhof. Genau, sie unterbreitet Sonja den Vorschlag, zu dritt Rudi zu besuchen. Wenn sie dann am Grab steht, muss sie doch merken, dass sie lebt und vielleicht freut sie sich, wenn sie Rudi erzählen kann, wie seine Enkelin heißt. Na ja, der bekommt nichts mit, aber man könnte es dieser Frau so erklären, einen Versuch ist es wert.

Sonja, ich muss noch einmal in die Stadt. Ich brauche für Isabel Nahrung und Windeln. Danach wollte ich zum Friedhof, um Rudi den Namen seiner Enkelin vorzustellen. Aber ich fände es viel besser, wenn du ihm erzählst, wie die Kleine heißen wird. Dafür müsstest du uns aber begleiten. Du hättest dann die Möglichkeit fest zustellen, dass das Leben für die, die vor dem Grab stehen, weitergeht. Weitergehen muss, weil das Leben noch sicher viel mit dir, mit uns vorhat.

Nun lächelt Sonja. „Rosalie du bist raffiniert. Ich glaube wenn wir einen gemeinsamen Weg suchen und gehen, könnten wir drei Frauen die Zukunft bis zur Rückkehr von Ralf schaffen. Rosalie, du wirst doch auf Ralf warten, oder?

Es wird ruhig im Raum - der Blick von Rosalie geht ins Leere.

„Sonja, es ist zu früh um sich darüber Gedanken zu machen. Noch ist die Vergangenheit so nahe, der Tod von Rudi, die Gerichtsverhandlung von Ralf. Dies alles beschäftigt mich genauso wie dich, glaube nur nicht, es ginge alles spurlos an mir vorbei. Schwierig ist die Situation dich so leiden zu sehen und nicht helfen zu können. Doch wir übersehen durch all das Vergangene, dass wir auch noch eine Gegenwart und ganz besonders eine Zukunft haben. Uns ist ein Baby geschenkt worden. Dieses Kind als Verbindung vom Vergangenen und dem zukünftigen Leben sollte es uns doch ermöglichen, im Laufe der Zeit, wieder zu den Lebenden zurück zukehren. Schließlich ist Isabel ein Teil von uns allen und braucht uns durch die geschehenen Umstände mehr, als wir denken können. Irgendwann kommen ganz sicher die Fragen nach ihrem Papa. Wo ist Opa? Es ist einfach noch nicht dran sich Gedanken, um unser Einzelschicksal zu machen. Wenn wir zwei nicht zusammen halten, dann werden wir eines Tages meiner Tochter sagen müssen - das Leben ging an uns vorbei. Wir alle haben die schönen Zeiten, die ein Kind zu geben imstande ist, vor lauter Eigenmitleid nicht mitbekommen. Sollen wir ihr irgendwann sagen, Isabel eigentlich gehört dir ein Autohaus. Aber wir haben es verschlafen, es dir zu erhalten. Sonja, wollen wir nicht einfach neu beginnen? Sei es mit einem Gang auf den Friedhof, um zu merken, was passiert ist. Er soll ein Mahnmal und ein Ort des Friedens und der Begegnung sein.

Rosalie ist so in ihre Gedanken und Gespräch vertieft und von den eigenen Worten so überzeugt. Sie merkt gar nicht, wie sehr sie Sonja mitten in das Herz getroffen hat.

Die Enkelin besucht Opa Rudi

Sonja holt still ihre Jacke und zieht die Schuhe an. „Komm Rosalie, lass uns gehen.“

Ohne Worte wird der Kinderwagen in das Auto gepackt, Isabel in der Babywippe festgeschnallt und als Rosalie auf der Fahrerseite einsteigen will, sagt Sonja: „Stopp ich fahre. Kümmere du dich um unseren Nachwuchs.“

„Sonja bist du sicher, dass du das schaffst? Ich fahre gerne.“

„Rosalie hast du nicht vorhin versucht, mir zu erklären, dass das Leben weiter gehen muss? Sollte ich nicht vor zehn Minuten auf mein Enkelkind und die Zukunft setzen? Es fällt mir nicht leicht, stark zu sein. Und sollte ich am Friedhof weinen, so tröste mich bitte nicht. Zum Stark sein müssen auch mal Tränen erlaubt sein.“

Rosalie nimmt alles so hin, wie sie es jetzt gehört hat. Was soll sie auch entgegensetzen? Die Frau hat ja recht. Aber ist sie vorhin mit ihrer Aussage zu weit gegangen?

Am Friedhof angekommen, gehen die drei schweigend zum Grab. Sie merken, dass die Kränze und Blumen verblüht sind. Sonja beginnt sofort mit Abräumen und legt alles auf den Rasen vor das Grab. Rosalie steht daneben und beobachtet das Ganze. Es gelingt ihr nicht, zu helfen. Da sind so viele Gedanken und das Gefühl, Sonja ist ein schönes Grab jetzt wichtiger, als Rudi seine Enkelin vor zustellen. Für sie unverständlich. Die Entsorgung hätte man später machen können. Sie fühlt sich fehl am Platz und geht mit ihrer Tochter den Friedhofsweg in Richtung Ausgang. Dort wird sie Sonja von der Ferne beobachten und überlegen, was die Frau mit ihrer Tätigkeit bezwecken will.

Sonja scheint nicht zu bemerken, dass sie alleine da steht. Als der grüne Abfall vor dem Grab zu hoch wird, hält sie still und schaut sich um. Erst jetzt vor der braunen Erde und dem Holzkreuz merkt sie - der Abfall ist zwar vom Grab weg, aber muss auch entsorgt werden. Das kann sie nicht alleine. Dafür braucht man, einen Schubkarren und männliche Hilfe. Ihr fällt auf, während sie die Arbeit gemacht hat, waren ihre Gedanken weder bei Rudi noch bei Ralf und schon gar nicht bei Rosalie und Isabel. Nur was gemacht werden musste, hat sie getan. Solange bis sie an ihre Grenzen gestoßen ist. Jetzt kommen von innen Bilder. Gleichzeitig merkt sie Tränen über die Wangen laufen. Still spricht sie mit ihrem verstorbenen Mann. „Rudi - jetzt deckt dich nur die braune Erde zu. Eigentlich sind wir gekommen, um dir die Tochter von Ralf und Rosalie vorzustellen. Isabel soll sie heißen. Was meinst du, der Name passt zu ihr, oder? Du fehlst so sehr, ich bin, überfordert mit allem, was da so abläuft. Es muss alles geordnet werden. Rosalie hilft mir, aber soll ich sie tatsächlich mit einbeziehen in unsere Angelegenheiten? Nehme ich ihr damit nicht die Freiheit, sich selbst entscheiden zu können, ob sie überhaupt mit mir auf Ralf warten will? Oder erwartet sie von mir Offenheit, auch über Autohaus und Finanzen? Wird sie mir tatsächlich helfen können, oder überfordere ich sie gerade. Ich bin ratlos und enttäuscht und würde eigentlich gerne mit dir jetzt an unserem See sitzen, mich an dich lehnen und still auf das Wasser sehen. Rudi, da wo du jetzt bist, siehst du da den See? Siehst du, was unser Sohn gerade macht? Wirst du den Weg deiner Familie mitgehen und uns beschützen?“

Langsam kommt Rosalie und ihre Tochter zum Grab zurück. Dabei überlegt sie, wie man den Unrat am besten entsorgen kann. Sie sieht ein kleines Gefährt, das gerade von einem Mann beladen wird. Ihn will sie fragen, wer da helfen könnte, die Kränze und das Grünzeug zu beseitigen.

Dieser Mann ist der Friedhofsgärtner und ist dabei, ein Grab auf zu lösen. Auf ihre Frage um Hilfe erklärt er ihr, dass er normalerweise so etwas nur nach Absprache machen kann. Sein Tagesablauf hier wäre recht eng gepackt, auch wenn sich die Bewohner hier nicht mehr wehren können. Entsetzt schaut Rosalie dem Mann in das Gesicht. „Ihr Humor gefällt mir nicht. Wir haben gerade eine geliebte Person verloren. Dann solche Worte, mir jagt Gänsehaut über den Rücken“

„Oh, Entschuldigung, man stumpft ab, wenn man am Friedhof schafft. Ich wollte sie nicht beleidigen. Ich habe gleich eine halbe Stunde Zeit, wenn sie mithelfen, können wir Ordnung um das Grab schaffen. Aber es ist eine Ausnahme. Sollten sie wieder Hilfe benötigen, bitte bei mir anmelden.“ Der Mann fährt seinen kleinen Bagger an das Grab von Rudi Knopf. Rosalie erklärt Sonja, dass die Sachen nun abtransportiert werden. Die Erleichterung kann man sehen.

Die junge Frau hilft das Grünzeug auf die Ladefläche zu hieven und Sonja spaziert mit Isabel im Wagen von einem Grab zum anderen. Sie betrachtet die Grabsteine und die Art der Bepflanzung. Das alles kommt ja auch auf sie zu. Es ist schwierig klare Gedanken zu fassen, wenn die Erde den geliebten Mann zudeckt und man nichts mehr tun kann, als das Grab pflegen.

Rosalie bedankt sich und gibt dem Mann ein Trinkgeld.

Als sie bei Sonja ankommt, fragt sie, „wollen wir Blumen für das Grab holen? Möchtest du es gleich bepflanzen?“

„Ich denke nicht, es soll erst ein wenig abtrocknen.Außerdem will ich nach Hause. Wir müssen auch noch einkaufen.

Die drei machen sich auf in Richtung Auto. Der Kinderwagen wird von Sonja geschoben. Plötzlich fragt Sonja, ob sie nicht mit der Kleinen im Wagen zu Fuß nach Hause gehen könnte. Rosalie hätte Ruhe zum Einkaufen und ihr und Isabel täte die Luft bestimmt gut.

„Ja Mutter, gerne. Denkst du, das ist nicht zu anstrengend für dich?“

„Hast du gerade Mutter zu mir gesagt? Meinst du wirklich mich damit? Heißt das, du wirst tatsächlich meine Schwiegertochter? Oh, wäre das schön.“

Die junge Frau erschrickt bei der Fragen von Sonja. „Ja, ich habe es genauso gemeint, wie ich es gesagt habe. Aber ob ich deine Schwiegertochter werde, weiß ich noch lange nicht. Ist das denn jetzt gerade wichtig? Das wird die Zeit bringen, dafür braucht es noch ganz viele Überlegungen und Begegnungen mit Ralf. Ich fahre jetzt einkaufen. Brauchst du auch etwas? Ansonsten sehen wir uns zu Hause.“

„Nein ich wüsste jetzt nichts so aus dem Stegreif. Sollte mir was fehlen, kannst du mir sicher aushelfen, oder?“

„Ja, klar doch.“

„Herr Knopf kommen sie bitte mit zum Psychologen.“

Ralf sitzt mit hängenden Schultern auf seinem Bett. Nie im Leben hatte er gedacht, dass er für eine Ohrfeige, die eigentlich nur ein Reflex war, hier im Knast landen würde. Sicher, die Klatsche hat seinen Vater das Leben gekostet. Das tut mir so unendlich leid, das hätte nicht passieren dürfen. So Vieles würde ich gerne ungeschehen machen, wird es mir hier gelingen, mich auf ein gesundes Leben draußen in der freien Welt vor zubereiten?

Ralf merkt nicht, dass die Zellentür aufsteht. Er hat auch die Worte der Aufsichtsperson nicht gehört. Erst als der Ton lauter, die Stimme strenger wird, schaut er zu dem Beamten auf. Der sagt noch einmal, „Herr Knopf, ich muss sie jetzt zum Psychologen bringen.“ Halblaut murmelt der junge Mann: „Was soll ich da?“

„Das werden sie erleben, kommen sie jetzt mit.“

Die beiden machen sich auf den Weg. Beim Arzt angekommen, kommt die Aufforderung „setzen sie sich Herr Knopf.“

Der Beamte verlässt den Raum und der Arzt und Ralf beginnen ein Gespräch.

„Herr Knopf, ist ihnen bewusst, dass sie jetzt insgesamt acht Jahre ihre Zeit hinter Gitter verbringen werden? Haben sie sich schon Gedanken gemacht, wie sie ihre Zeit einteilen möchten?“

„Nein, habe ich nicht, ich habe noch ganz andere Probleme.“

Der Arzt schaut über den Brillenrand und meint:“ Die da wären?“

„Ja, mein Vater ist durch mich umgekommen. Denken sie nur nicht, dass ich das so wollte. Meine Freundin hat in der Zeit meines Untersuchungsaufenthaltes hier im Gefängnis, unser Baby zur Welt gebracht. Ich konnte meine Tochter bis jetzt noch nicht sehen. Sie hat auch noch keinen Namen. Meine Mutter muss sich um das Autohaus kümmern, obwohl sie davon keine Ahnung hat. Sie erwartet bestimmt von mir, dass ich später das Autohaus weiter leite. Aber wie soll das gehen? Bei einem ehemaligen Knacki kauft doch niemand ein Auto. Meine Pläne waren andere. Aber etwas Konkretes habe ich auch noch nicht im Kopf. Außerdem weiß ich gar nicht, wie alles hier ablaufen soll. Auch wenn ich schon eine Weile hier bin.“

Der Arzt hört still zu. Er glaubt dem jungen Mann, dass das ein Unglück war, trotzdem ist er rechtmäßig verurteilt und muss jetzt lernen mit den gegebenen Umständen umzugehen.

„Herr Knopf sie wissen, dass sie Widerspruch einlegen könnten. Aber soweit mir bekannt ist, haben sie darauf verzichtet. Warum auch immer. Nun müssen wir nach vorne denken. Es geht darum, was sie hier mit ihrer Zeit anfangen wollen. Ich muss sie auch einschätzen, ob sie ein Mensch sind, der mit anderen Menschen gut auskommen kann. Ob sie gewalttätig sind, oder ob sie Wünsche im Bereich Beruf haben. Wenn sie geschickt mit Holz sind, oder gerne Kochen oder aber in der metallverarbeitenden Branche ihre Stärke haben, was tun möchten und können. Es gibt auch noch schulische Weiterbildung, was von allem kommt für sie in Frage?“

Ralf sitzt still auf seinem Stuhl. So viele Fragen, er ist völlig überfordert. Seine Gedanken sind über sein Selbstmitleid noch nicht darüber hinaus gekommen. Aber dieser Arzt ist nicht gerade zimperlich. „Herr Knopf, so geht das hier nicht. Wir haben weder Zeit noch Interesse, sie wie ein Kleinkind zu führen. Die Situation hier drinnen haben sie sich selbst zu zuschreiben. Nun ist es unsere Aufgabe, sie durch die Zeit zu führen. Nach Durchsicht ihrer Unterlagen teilen sie sich jetzt mit ihrer Mutter ein Autohaus. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich weiterbilden möchten, um dieses Haus später gut nutzen zu können. Ein Baby haben sie auch, also auch eine Freundin. Wie sieht es da aus? Wird diese Frau auf sie warten? Haben sie einen Geschäftsführer für das Autohaus? Herr Knopf sie müssen schon mit mir sprechen, wenn ihr Aufenthalt hier was Nützliches bringen soll.“