Und trotzdem liebe ich dich, mein Sohn - Natascha Bergvolk - E-Book

Und trotzdem liebe ich dich, mein Sohn E-Book

Natascha Bergvolk

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Beschreibung

Die Besitzer eines Autohauses warten seit zehn Jahren auf Nachwuchs. Als es endlich geklappt hat, merken die Eltern, dass es nicht ganz so einfach ist, ein Kind zu erziehen. Schon gar nicht, wenn man über die Erziehungsmethoden verschiedener Ansicht ist. Der kleine Ralf bekommt schon sehr früh die Zerwürfnisse seiner Eltern mit. Das verkraftet das eigentlich sensible Kind gar nicht. Der Vater mit seiner strengen Art zerstörrt scheinbar die Familienbande. Als heranwachsender pubertärer Knirps gesellt er sich zu den falschen Freunden und der Weg in die Gosse ist vorprogramiert. Während der Vater immer wieder mit Strenge den Weg zeigen möchte, ist für die Mutter klar, es geht nur mit Liebe. Letztendlich stoßen die beiden Herren so aneinander, dass Herr Knopf Senior das mit seinem Leben bezahlt. Ralf wird von der Polizei abgeführt und trotz allen Unglücks ruft die Mutter ihm zu: "Und trotzdem liebe ich dich, mein Sohn..."

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Das Werk ist fiktiv und urheberrechtlich in allen Bereichen geschützt. Jegliche Verwertung und Vervielfältigung sowie Übersetzung des Werks,auch nur auszugsweise, bedarf der schriftlichen Genehmigung der Autorin.

Zuwiderhandlung ist strafbar und verpflichtet zu Schadenersatz

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ein Traum wird wahr

Das Leben mit dem Kind

Sonjas Eltern lernen ihren Enkel kennen

Wieder einmal durchatmen

Sonja arbeitet wieder

Papa lass Mama nicht alleine

Wie oft muss man verzeihen?

Die Schwiegermutter braucht Hilfe

Es ist wieder ruhiger geworden

Schulzeit

Sterbehilfe oder doch Mord?

Der Arzt spürt Ralfs Not

Die Polizei dein Freund und Helfer

Das Abitur ist geschafft

Lehrzeit ist keine Herrenzeit

Wird Ralf rückfällig?

Schwanger, musste das sein?

Vorwort:

Es gibt Ehepaare die unendlich lange warten müssen, bis sich endlich der so ersehnte Nachwuchs einstellt. So auch hier bei den Besitzern des Autohauses Knopf. Der kleine Ralf entwickelt sich zum Leidwesen der Eltern absolut nicht nach ihren Vorstellungen. Trotzdem ist er der Sonnenschein und Lebensinhalt seiner Mutter.

Herr Knopf versucht seinem Jungen Disziplin beizubringen. Dass lässt die Mutter so nicht zu. Die Ehe gerät ins Wanken, der Junge wird trotzig. Alle haben stellen sich das Zusammenleben anders vor. Der Junge kommt mit den Erziehungsmethoden seiner Eltern absolut nicht klar. Hin und Hergerissen entwickelt er sich zu einem sensiblen und gewalttätigen Kind.

Als er dann später noch auf falsche Freunde stoßt, wird er gewalttätig. Da treibt ihn das Mitleid und der Hass. Wiederstand und lernt so die Konsequenzen ken Ralf liebt seine Mutter über alles. Mit seinem Vater verbindet ihn nur Unverständnis, Wut und Hass. Nichts ist so, wie man sich das Leben eines wohlhabenden Kindes vorstellt.

Immer wieder kommt er mit Gefühlen des Lebens in Verbindung im positiven wie im Negativen. Als sein Vater durch sein Verschulden zu Tode kommt, wird er in Handschellen abgeführt. Auch wenn er versichert „das wollte ich nicht“ und seine Mutter endlich erkennt wie sehr sie ihn verzogen hat, weiß sie eines genau und das ruft sie ihm noch hinterher:

„und trotzdem liebe ich dich, mein Sohn...“

Ein Traum wird wahr

Rudi ruft seine Sekretärin: „Hallo Frau Schnapp kommen sie bitte in mein Büro.“

Eine junge schlanke Frau, elegant gekleidet tritt zum Schreibtisch. „Herr Knopf, was kann ich für sie tun?“

„Bitte rufen sie meine Frau an. Ich hole sie in einer Stunde ab. Wir wollen einen Spaziergang um den See machen.“

Frau Schnapp lächelt und führt den Auftrag gleich aus. Sie weiß, dass die Herzensdame ihres Chefs ziemlich am Ende ihrer Schwangerschaft ist. Die täglich sichtbare Sorge um seine Frau steht Herrn Knopf ins Gesicht geschrieben. Handelt es sich doch um eine Erstgebärende im Alter von fast vierzig Jahren.

Nach kurzer Zeit hört er aus dem Vorzimmer: „Ihre Frau erwartet sie.“

Herr Knopf nimmt seinen Aktenkoffer und sagt zu seiner Vorzimmerdame: „Sie wissen, nur stören wenn die Welt untergeht. Ich muss Sonja jetzt ein wenig helfen, damit sie die letzten Schwangerschaftstage gut übersteht. Wenn Sie wüssten, wie elend ich mich fühle, wenn ich an die Geburt denke. Schließlich ist meine Frau nicht mehr die Jüngste und hoffentlich überstehen Mutter und Kind diese Prozedur. Ich werde dabei sein und ihr Beistand leisten, so gut ich kann.“

Frau Schnapp hört diese Geschichte nun täglich und ganz ehrlich... sie kann sie bald nicht mehr hören. Trotzdem sagt sie zu ihrem Chef auch so wie jeden Tag: „Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird alles gut werden.“

Zu Hause angekommen ruft er durch den Hausflur: „Sonja Schatz wo bist du? Können wir los?“

Frau Knopf lächelt auch wie immer: „Ja, ich bin fertig. Wir können los.“

Strahlend blauer Himmel macht das Vorhaben zu einem Geschenk für Beide. Am See kommt eine leichte Brise auf , so spürt man auch die Sonne nicht im vollen Umfang. Hand in Hand gehen sie mit langsamen Schritten den nun schon bekannten Weg am See entlang.

„Ach Rudi,“ sagt Sonja, „Ich weiß nicht, ich fühle mich heute richtig schlapp. Ich verspüre ein leichtes Ziehen im Rücken, komm lass uns nicht so weit gehen. Eine Bank wäre mir jetzt ganz lieb. Ausruhen und den Enten beim Schwimmen zusehen könnte mir reichen.“

Sie erreichen die nächste Bank und lassen sich dort gemütlich nieder.

„Sonja,“ beginnt Rudi ein Gespräch, „hast Du Dir denn schon einmal Gedanken gemacht, wie so alles laufen wird, wenn unser Kind da ist? Fragst Du dich nicht auch manchmal wie unser Sohn aussehen wird? Bist Du Dir denn sicher, dass Ralf der richtige Vorname für ihn sein wird?“

Ihre Antwort lässt ihn aufhorchen. „Rudi, ich mache mir keine Gedanken wie es mit dem Kind werden wird. Es ist unser erstes Baby, vielleicht auch unser letztes. Wir werden ganz sicher versuchen, ihm gute Eltern zu sein. Lass den Kleinen doch erst einmal zur Welt kommen. Wenn er geboren ist und ich ihn das erste mal gesehen habe, werde ich wissen, wie er heißt.“

Erstaunt über diese Aussage seiner Frau, ist Rudi erst einmal ruhig. Sie soll sich jetzt nicht aufregen. Aber da muss doch noch einmal darüber gesprochen werden. Schließlich ist es ihr gemeinsames Kind und so weit reichende Entscheidungen wie Namensgebung sollte man die nicht doch gemeinsam treffen?

Sonja genießt die Sonnenstrahlen und legt ihren Kopf auf die Schulter ihres Mannes.

Für sie ist das Gesprochene abgeschlossen und sie ahnt nicht, wie sehr ihre Worte Rudi zum Grübeln bringen. So kennt er Sonja nicht, so bestimmend ist sie normaler Weise nicht.

Heißt das nun, dass sie alleine über das Baby bestimmen will?

Könnte es sein, dass sie ihn in diesen Angelegenheiten außen vor halten will? Bewusst oder Unbewusst? Sollte er jetzt noch einmal mit ihr über dieses Thema sprechen? Oder regt sie sich womöglich auf und es kommt zum verfrühten Geburtstermin? Obwohl die Hebamme beim letzten Gespräch sagte: „Es ist nicht schlimm wenn der Kleine jetzt kommt. Größe und Gewicht sind ausreichend. Und sonst ist auch alles in bester Ordnung.“

Beim letzten Ultraschall konnte man wunderbar das Gesicht erkennen, Arme, Beine und das Geschlecht. Was war das für ein aufregender Augenblick.

Wie wird es sein, wenn er da ist, hier auf dieser Erde bei seinen Eltern? Verträumt schaut Rudi auf das Wasser und überlegt - er wird einen Sohn haben, schon sehr bald wird er Papa sein.Wie viele Jahre haben sie vergebens auf ein Kind gewartet? Dieser aufregende Moment, wo seine Frau nach vielen Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten endlich sagt: „Rudi ich glaube, ich bin schwanger.“ Tränen der Freude flossen damals über seine Wangen. Er konnte es gar nicht fassen, doch noch ein eigenes Baby zu bekommen. Dabei hatte er sich schon mit den Gedanken angefreundet, ein Kind zu adoptieren. In Gedanken schwelgend merkt er gar nicht, wie seine Frau immer tiefer auf der Bank rutscht. Erst als sie kläglich sagt: „Du, ich weiß gerade nicht, was mit mir passiert. Irgend etwas läuft da unten. Ich kann es aber nicht anhalten.“

Wie vom Blitz getroffen, macht er trotzdem genau das Richtige.

„Schatz, dass ist der Blasensprung. Rege dich nur nicht auf. Ich rufe das Rote Kreuz. Du musst sofort ins Krankenhaus. Der Frauenarzt sagte doch, bei Blasensprung liegend transportieren, damit das Baby nicht die Nabelschnur um den Hals bekommt. Hast du denn Wehen?“

Ein wenig ängstlich meint sie: „Ich habe keine Ahnung ob das Wehen sind. Es zieht im Kreuz. Aber ich habe doch gar keine Tasche dabei. Noch nicht einmal eine Handtasche. Der Mutterpass mein Personalausweis, alles steht zu Hause im Schlafzimmer hinter der Tür.“

„Das ist jetzt nicht so wichtig,“ versucht er betont ruhig zu erklären. „Wenn der Krankenwagen da ist, fahre ich kurz zu Hause vorbei und bringe alles mit ins Krankenhaus. Erst einmal seid ihr Beiden zu versorgen. Alles Andere kann man nachreichen.“

Es klappt alles recht gut. Der Rotkreuzwagen kommt und nimmt die Frau mit. Herr Knopf schafft es kurze Zeit später auch mit Taschen bepackt wieder bei seiner Frau zu sein.

Nach den Untersuchungen stellen Arzt und Hebamme fest, es wäre besser einen Kaiserschnitt zu machen.

Die Vorbereitungen sind bald abgeschlossen und nun ist es soweit. Gleich werden die Beiden den ersten Blickkontakt mit ihrem Kind haben.

Der Arzt sagt: „ Herr Knopf, sie setzen sich am Besten dort vor die Tür bis wir das Baby geholt haben.“

„Aber Herr Doktor,“ sagt Rudi, „ich möchte doch dabei sein. Meine Frau wird mich brauchen.“

„Nein Herr Knopf, ihre Frau bekommt eine Kurznarkose und braucht sie nicht.Wir holen wenn das Baby da ist.“

Irgendwie ist er froh, dass er nicht dabei sein muss. Und doch klopft das Herz vor Aufregung.

„Herr Knopf es ist soweit. Ihre Frau ist wach und ihr Sohn erwartet seinen Papa. Herzlichen Glückwunsch, alle Beide sind wohl auf.“ Der Arzt steht noch in der Tür und staunt nicht schlecht, als der frischgebackene Vater langsam aufsteht und sofort der Länge nach auf den Boden knallt.

„Schnell eine Liege,“ ruft er, „hier ist ein Notfall.“ Herr Knopf wird wach, als man ihn in den Kreißsaal neben das Bett seine Frau schiebt.

Sie lächelt : „Ja Schatz, was ist mit dir los? Ist doch alles vorbei. Darf ich dir unseren Sohn Ralf vorstellen?“

Jetzt ist er hellwach und steigt von der Liege. Er geht zu seiner Frau, die den neugeborenen Sohn im Arm hält. Erst einmal betrachtet er mit Tränen in den Augen das Bild der zwei für ihn wichtigsten Menschen. Kaum fassbar dieser kleine Mensch wird eines Tages laufen können. Was noch viel aufregender ist, er wird eigene Meinungen haben und selbst über Vieles entscheiden. Jetzt liegt er hier im Arm seiner Mutter mit geschlossenen Augen. Ein Anblick, den dieser Mann nie im Leben vergessen wird. Jetzt beugt er sich zu seiner Frau und ganz behutsam küsst er ihre Lippen.

„Schatz, ich bin unendlich stolz auf dich. Du hast unserem Sohn das Leben geschenkt und wirst ganz sicher die beste Mutter werden. Doch eine Frage habe ich doch. Nach welchen Kriterien hast du den Namen ausgesucht? Hättest du nicht doch noch einmal mit mir darüber sprechen können?“

„Rudi ich habe dir gesagt, ich werde entscheiden wie das Kind heißt, wenn ich es zum ersten Mal im Arm halte. Ich habe ihn gesehen und wusste, - er heißt Ralf. Ist das ein Problem für dich?“

„Nein Sonja, kein Problem. Aber für die Zukunft sollst du wissen, dass wir wichtige Entscheidungen im Bezug auf unser Kind gemeinsam treffen.“

Sonja schaut ihn erstaunt an und fragt: „ Möchtest du Ralf nicht auch einmal im Arm halten? Er fühlt sich so wunderbar an, unser Sohn.“

„Oh ja, natürlich.“ Er setzt sich auf einen Stuhl und die Hebamme reicht ihm den kleinen Mann. Halblaut sagt er nun zu seinem Sohn: „Hallo Ralf, okay, den Namen gab dir deine Mutter. Ich stelle fest, er passt zu dir. Ich habe große Erwartungen an dich mein Sohn.Du wirst mindestens studieren und dann in einem großen Amt das Sagen haben. Wir werden bis dahin aber ganz sicher noch viel Gelegenheit haben, gemeinsame Unternehmungen zu machen. Ich werde alles tun, damit es dir richtig gut geht. Aber du wirst auch deinen Teil dazu beitragen müssen.“ Sonja wird auf ihr Zimmer gebracht und Rudi fährt nach Hause.

Am nächsten Morgen kauft er einen wunderbaren Rosenstrauß für seine Frau. Es geht ihr noch nicht so besonders gut. Der kleine Ralf liegt friedlich in seinem Wärmebettchen. Rudi will sich noch einmal vergewissern dass er wirklich einen Sohn hat. Gedanklich schwebt er noch zwischen Traum und Wirklichkeit. Sein Handy klingelt. Am anderen Ende ist seine Sekretärin. „Herr Knopf, ist bei ihnen alles in Ordnung? Sie haben hier gleich einen Termin, den sie unbedingt wahrnehmen müssen. Es geht um viel Geld haben sie das vergessen?“

„Frau Schnapp, gestern ist mein Sohn geboren. Ich bin gerade hier bei meiner Frau und unserem Sohn im Krankenhaus. Natürlich habe ich diesen Termin nicht vergessen. Ich werde in einer halben Stunde da sein. Bitte bereiten Sie die Unterlagen vor.“

Die Sekretärin gratuliert und verspricht, alle Vorbereitungen zu treffen.

„Sonja, ich muss schon wieder los. Heute ist ein wichtiger Tag für mich. Ich werde in der Firma gebraucht. Es geht um einen großen Abschluss. Wenn ich heute diesen Oldtimer verkaufen kann, wird dass mit Sicherheit finanzielle Vorteile für uns haben. Drückt mir die Daumen ihr Zwei, ich liebe Euch.“

Im Büro von Herrn Knopf sitzen zwei Herren im Anzug bei einer Tasse schwarzen Tee mit Milch. Vor ihnen liegt ein Prospekt von einem wunderbaren Fahrzeug. Dieser Wagen sieht nicht nur auf dem Bild sehr schön aus. Die drei Männer unterhalten sich über dieses alte Auto wie kleine Kinder über ihr Lieblingsspielzeug.

Nach einiger Zeit sagt einer der Männer. „Ja, das ist genau das Auto dass ich schon seit einigen Jahren suche. Alles passt, die Ausstattung, die Farbe, das Modell und das Alter dieses Fahrzeugs. Jetzt müsste ich nur noch wissen, ob ich mir das gute Stück auch leisten kann?“

„Bestimmt,“ meint Herr Knopf, „ wie sie ja sehen, handelt es sich hier tatsächlich um einen echten Oldtimer. Dieses wunderbare Auto hat natürlich seinen Preis. Ich bin gestern zum ersten mal in meinem Leben Papa geworden. Dieses Glücksgefühl möchte ich gerne mit Ihnen teilen. So komme ich Ihnen im Preis etwas entgegen.“

„Und was kostet das Auto jetzt tatsächlich?“Eine heiße Diskussion beginnt. Als es sehr laut wird, erscheint die Sekretärin und fragt, ob Jemand einen Wunsch hätte.

„Frau Schnapp, bitte bringen sie uns Champagner und drei Gläser. Ich denke, wir sind uns einig. Meine Herren, ich glaube, wir können alle drei mit diesem Geschäft höchst zufrieden sein.“

Die Verträge werden unterschrieben. Herr Knopf sitzt am Schreibtisch. Der Verkauf dieses Autos war ein großer Erfolg für das Geschäft und auch für sich und seine Familie. Er schaut auf seinen Tagesplan und sieht, dass er die nächsten Stunden entbehrlich ist. Was da noch anliegt, kann Frau Schnapp erledigen.

In der Tageszeitung möchte er eine Annonce aufgeben. Schließlich besitzt doch jeder gebildete Mensch eine Tageszeitung. Und wenn ein so bekanntes Autohaus so ein Ereignis, wie die Geburt eines Sohnes zu vermelden hat, muss dass doch veröffentlicht werden.

„Frau Schnapp, ich muss noch einige Dinge erledigen. Im Notfall klingen sie bitte auf meinem Handy an. Ansonsten sehen wir uns morgen früh zur gewohnten Zeit.“

„Es ist in Ordnung Herr Knopf. Denken Sie bitte daran, in zwei Wochen sind sie beim Bürgermeister dieser Stadt mit ihrer Frau zum Abendessen eingeladen. Sie werden dort den Architekten kennen lernen, der die Baupläne zum Umbau des Autohauses machen soll. Ich schreibe es noch einmal rot in Ihren Terminkalender.“

„Was würde ich ohne meine Sekretärin machen, Frau Schnapp. Das hätte ich wirklich vergessen. Mein Sohn bringt jetzt schon alles durcheinander, wie mag das später werden. Ja, ob meine Frau mitkommen kann, so kurz nach der Geburt? Man kann das Baby doch nicht alleine lassen. Ich werde gleich nachher mit meiner Frau darüber sprechen, wie wir das alles handhaben können. Also dann meine Liebe, bis morgen.“

Oh, meine Liebe – das hat er ja noch nie zu mir gesagt, überlegt sie. Wird ja auch einmal Zeit, dass er merkt, was ich alles für ihn und das Geschäft mache.

Herr Knopf ist inzwischen bei der Städtischen Zeitung in der Annoncenabteilung angekommen.

„Einen wunderschönen Guten Tag Herr Knopf, was kann ich für sie tun,“ fragt ein Mann im Anzug.

„Ich möchte meinen Kunden und allen Bekannten die Geburt meines Sohnes Ralf bekannt geben,“ sagt der Geschäftsmann.

Die beiden Herren diskutieren und begutachten verschiedene Vorlagen. Endlich scheint man das Passende zusammen gestellt zu haben.

So Vieles hat Rudi heute erlebt und natürlich soll Sonja an seinem Erfolg teil haben. Er klopft an die Tür und tritt in das Wöchnerinnen Zimmer. Ein wunderbarer Anblick, Sonja gibt dem kleinen Ralf gerade ein Fläschchen. Sie schaut kurz zu ihrem Mann und senkt den Blick wieder zu dem Kind. Rudi tritt näher und sieht die warmen Augen seiner Frau. Wie zärtlich sie den Sohn im Arm hält. Er überlegt, hat die Geburt des Kindes sie noch schöner gemacht? Weiblicher und sanfter auf alle Fälle. Richtig fürsorglich sieht sie aus. Man könnte fast neidisch sein auf das Baby in ihrem Arm.

Er tritt zu den Beiden an das Bett und will seiner Frau einen Kuss geben. Da sagt sie: „Langsam Rudi, ich bin gleich für dich da. Der Kleine muss erst aufstoßen.“

Er streichelt dem Kind über das Köpfchen. „Nein mein Schatz, nicht am Kopf anfassen. Dieses kleine Köpfchen ist noch so weich. Wir müssen aufpassen.“

Da steht der frische Papa vor dem Bett. Hilflos und ein wenig enttäuscht. Was wird das noch geben. Steht er wirklich jetzt schon außen vor?

Er setzt sich auf einen Stuhl und wartet geduldig bis der kleine Mann gewickelt wieder in seinem Bettchen liegt. Dabei hätte er ihn so gerne auch in den Arm genommen. Er traut sich erst gar nicht seine Frau zu fragen. Da scheint sich etwas in ihrer Beziehung zu wandeln. Er denkt: „Oh Herrgott lass alles gut werden. Lass mich ein rücksichtsvoller Ehemann sein und ein guter Vater werden. Jetzt bin ich hilflos. Lass mich alles zur Zufriedenheit meiner Frau erlernen.“

Endlich lächelt Sonja ihren Mann liebevoll an. „Na Rudi, bei dir alles in Ordnung? Wie lief denn das große Geschäft? Konntest du diesen Oldtimer verkaufen?“

„Ja Schatz und sogar besonders gut.

„Ach ja“, meint Rudi seufzend, „das Autohaus. Dass ist doch unsere Einnamensquelle. Unser Sohn wird etwas Besseres. Kein Autoverkäufer, nein vielleicht landet er ja in der Politik. Ich werde ihn schon richtig erziehen. Und wer weiß, vielleicht bekommen wir noch ein Kind, dass kann ja dann unser Nachfolger werden.“

„Ich bin noch hier im Krankenhaus“, antwortet sie mit deutlich erhobener Stimme, „Du glaubst doch nicht, dass ich über ein zweites Kind nach denke, wo ich noch gar nicht weiß, wie ich mit dem ersten klar komme. Es wird nicht einfach sein, alles unter einem Hut zu bekommen. So jung bin ich auch nicht mehr. Und Geschäftsfrau bin ich auch noch. Oder willst du alle Repräsentationen alleine machen?“

Um die Stimmung nicht ganz zu verderben sagt Rudi.: „Ich hätte es beinahe vergessen. Wir sind doch in zwei Wochen zum Abendbankett beim Bürgermeister geladen. Da dürfen wir auf keinen Fall fehlen. Der Architekt, der unseren Umbau im Autohaus gestalten soll, wird auch da sein.“ Leider kann diese Neuigkeit die Laune von Sonja auch nicht aufheitern. „Du hast wohl vergessen, dass ich nun ein Kind habe. Glaube mir, das Wohl unseres Sohnes ist mir wichtiger, als ein Essen mit dem Bürgermeister. Du wirst in nächster Zeit auf mich verzichten müssen.“

Rudi merkt, egal was er heute sagt oder tut, es ist einfach nur falsch. Er steht auf und beugt sich über seine Frau,: „Sonja, ich scheine heute in keinster Weise bei dir anzukommen. Mich überkommt der Gedanke, dass das mit der Geburt unseres Sohnes zu tun hat? Lass mich einfach denken, dass sind die Nachwehen der Geburt. Kommt ihr Beiden erst einmal nach Hause. Dort wird sich sicher alles ganz schnell einspielen.

Weißt du, ich bin auch zum ersten male Papa. Du gibst mir aber das Gefühl, Ralf wäre nur dein Sohn und du lässt mich total außen vor. Ich liebe dich, lass uns wieder zu unserem wunderbaren Verhältnis zurück kehren. Wir wollen doch eine glückliche Familie werden. Dass muss doch möglich sein, andere schaffen das auch. Vielleicht denkst du einmal darüber nach, wie wir in Zukunft miteinander umgehen wollen.“

Rudi lächelt sie an und sagt: „Schönen Abend euch Beiden. Wir sehen uns morgen wieder. Und es wäre schön, wenn ich mich dann auch einmal mit Ralf beschäftigen könnte.“

Enttäuscht fährt er nach Hause. Dort sind bereits Glückwunschkarten im Briefkasten. Er nimmt sie mit in das Wohnzimmer, wo er sie bei einem Glas Wein durchsieht. Dazu lässt er sich in einem Prachtstück von Ohrensessel nieder. So nebenbei überlegt er wie es weiter gehen soll. Ob man für seine Frau als Hilfe eine Zugehfrau bestellt, die der jungen Mutter wenigstens die groben Arbeiten abnimmt? Wäre ein Babysitter sinnvoll? Wie soll denn das alles sonst klappen? Er braucht doch seine Frau im Geschäft. Schließlich hat sie einen großen Anteil daran, dass alles gut läuft.

Tausend Gedanken gehen ihm durch den Kopf. Er grübelt über seine Frau und ihre Veränderung nach. Wie könnte er ihr zeigen wie dankbar er ist für den kleinen Mann, den sie ihm geboren hat?

Dabei fällt ihm ein, dass die Beiden ja in zwei Tagen nach Hause kommen. Oh,oh...Sauber machen ist angesagt, aber zackig. Dass kann ich nicht selbst erledigen. Die einzig verfügbare Person ist meine Mutter. Er überlegt: „Ich rufe sie morgen an. Ach nein, erledige ich gleich.“

So holt er sich das Telefon und wählt die eingespeicherte Nummer.

Es klingelt und am anderen Ende sagt eine freundliche Stimme : „Knopf.“

„Mama guten Abend, hier ist Rudi.“

Sichtlich erfreut sagt sie, „hallo Rudi, dass ist aber nett, dass du dich meldest. Meine herzlichste Gratulation zu eurem Nachwuchs. Ich war heute bei Sonja und Ralf. Einen wunderschönen Enkel habt ihr mir da geschenkt. Wie geht es dem jungen Papa?“

„Ach Mama, ich weiß es ganz ehrlich gesagt gar nicht so genau. Sonja ist so eigen geworden. So kenne ich meine Frau noch gar nicht, obwohl wir schon zehn Jahre verheiratet sind. Sie war heute richtig zickig.“

Darauf antwortet die Mutter.: „Rudi, da musst du dir gar nichts dabei denken. Das sind die Hormone bei deiner Frau. Manche haben auch Schwangerschaftsdepressionen. Das ist völlig normal und bei vielen Frauen der Fall. Keine Angst dass gibt sich wieder. Ein Kind zu haben hat nicht nur positive Seiten. Da kommt mit Sicherheit noch das Eine oder Andere auf euch zu.

Auch die Ehe bleibt nicht so wie sie vorher war. Eine Frau wird durch ein Kind ganz anders gefordert. Hab einfach Verständnis für die neue Situation. Das wird schon wieder. Vergesst nicht, dass ihr nicht nur Eltern, sondern auch ein Liebespaar seid.

Geht freundlich miteinander um.“

Der letzte Satz seiner Mutter versetzt ihm einen leichten Stich in der Herzgegend. Ob die Liebe schon erkaltet?

„Stimmt Mutter, ich werde alles daran setzen, dass wir eine gute Zeit haben werden, bis unser Sohn erwachsen ist. Aber der Grund meines Anrufes ist ein Anderer. Übermorgen kommen die Beiden nach Hause. Hier müsste noch Jemand klar Schiff machen. Ich habe morgen früh im Autohaus zu tun. Könntest du dass hier erledigen? Das Kinderzimmer muss frisch gemacht werden. Und vieles Andere auch. Vor allen Dingen sollten frische Blumen in der Vase stehen.“

„Ja mein Sohn, ich werde mich darum kümmern. Sorge dafür, dass ich einen Schlüssel bekomme. Überlege dir, ob du es nicht möglich machen kannst, für ein paar Tage bei Sohn und Frau zu Hause zu bleiben. Sonja wird ganz sicher Hilfe gebrauchen und du hättest die Möglichkeit, deinen Sohn näher kennen zu lernen.“

„Eine wunderbare Idee, danke für deine Hilfe. Ich schicke dir morgen Frau Schnapp mit den Schlüsseln vorbei. Du kannst sie mir ja dann in den Briefkasten werfen. Ich melde mich in den nächsten Tagen bei dir. Vielleicht magst du vorbei kommen, wenn die Beiden zu Hause sind.“

„Das werde ich sicher machen. Aber erst einmal müsst ihr sehen, dass ihr mit der neuen Situation klar kommt.Passt gut auf euch auf.“

Während er noch über die Worte seiner Mutter nachdenkt,schläft er auf diesem wunderbar bequemen Sessel ein. Ein sehr verspäteter Anruf lässt ihn aus dem Sessel hoch fahren.

Verschlafen nimmt er den Hörer und sagt „Knopf“

Eine weinende Stimme die er nur zu gut kennt, lässt ihn aufhorchen. „Rudi, Schatz, ich habe Angst. Ich glaube ich schaffe dass nicht mit dem Kind. Außerdem, wer soll denn im Geschäft meinen Platz einnehmen. Meine Figur ist auch dahin.

Mein Bauch ist noch immer zu sehen. Der kleine Mann ist so anstrengend. Alle paar Stunden hat er Hunger. Er braucht soviel Zuwendung. Ich werde keine Zeit mehr für dich, nein, für uns haben. Meinst du denn es war richtig, sich ein Kind an zu schaffen? Es ging uns doch so gut und nun wird alles anders. Rudi, - ich liebe dich doch.“

Tränen laufen dem Mann über die Wangen, während er still und ergriffen seiner Frau zuhört.

„Sonja, Schatz – ich liebe dich doch auch, sehr sogar. Was sind denn das für Gedanken mit denen du dich herum quälst? Was ist denn passiert? Geht es dir nicht gut? Ist etwas mit dem Baby?“

„Nein Rudi, das Baby ist wohl auf. Nur ich habe das Gefühl, dass ich eine absolut untaugliche Mutter werde. So viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. Werden wir noch gemeinsam Urlaub machen können. Was ist wenn ich krank werde? Wie werden wir damit umgehen, wenn Ralf viele Wochen jede Nacht sein Essen einfordert? Was sollst du mit einer Frau anstellen, die plötzlich dick und hässlich ist?“

„Sonja, du bist für mich die schönste Frau der Welt. Ich habe noch nie so glückliche Augen gesehen wie deine in dem Moment, wo du Ralf zum ersten mal in deinen Armen liegen hattest. Dein Bäuchlein, dass ist doch nun absolut kein Problem. Entweder verschwindet es mit der Zeit, oder du kaschierst es mit Kleider.

Von mir aus kann es auch jeder sehen, denn du bist die Mutter meines Sohnes. Neun Monate musste sich die Haut auf den Zuwachs im Bauch einstellen. Das bleibt nicht so ganz folgenlos. Doch jede Falte, jede Rolle an deinem Körper erzählt mir, was du geleistet hast. So wie du bist, so bist du genau richtig und wunderschön. Wenn ihr Beiden zu Hause seit, haben wir Zeit, uns aufeinander ein zustellen. Es wird uns gelingen. Das haben andere hin bekommen, wir auch. Wenn du möchtest, bekommst du Hilfe für den Haushalt und Hilfe für das Baby. Du wirst sehen, wir werden eine sehr schöne, nicht immer reibungslose, aber sehr kostbare Zeit haben. Unser Sohn wird wachsen und es wird der Tag kommen, wo wir ihn mit Stolz in das Leben schicken können. Und nun versuch zu schlafen, bevor der kleine Mann wieder deine ganze Kraft in Anspruch nehmen wird. Seid ganz innig geknuddelt, bis morgen mein Schatz.“

Er legt den Hörer auf und eigentlich zeigt ihm dieser Anruf, dass seine Frau ihre Veränderung bemerkt hat und genauso wenig damit klar kommt wie er. Doch ganz bestimmt ändert sich dieser Zustand, je länger Schwangerschaft und Geburt zurück liegen.

Lange liegt Rudi noch wach und denkt über seine Familie nach. Er sagt zu sich: „So schwierig kann das alles doch gar nicht sein. Wir sind in einer glücklichen finanziellen Lage, wir haben Arbeit und Gesundheit und nun auch noch einen gesunden Sohn. Was will man mehr? Dieser Junge wird zum Fortbestand meines Namens beitragen. Und vielleicht kommt doch noch ein Baby dazu. Ralf soll doch kein Einzelkind bleiben.

Irgendjemand soll die Firma weiter führen, wenn ich mal alt sein werde. Nur Ralf soll sich auf etwas Anderes, auf etwas Lukrativeres einlassen können. Er ist der erste Sohn, er soll frei ohne Zwänge an das Leben heran geführt werden, aber immer mit Blick auf etwas Höheres. Politiker? Ja den Menschen zeigen, wo es lang geht, oh ja, das wäre was.“

So schläft er ein und viel zu kurz war die Nacht, als ihn der Wecker mit seinem Klingeln aus dem Schlaf reißt.

Bei einer Tasse Kaffee überlegt er, was heute alles anliegt. In der Firma gibt es Termine, die er einhalten muss. So macht er sich auf den Weg. Und als Frau Schnapp ihn begrüßt, beordert er sie gleich in sein Büro.

„Gute Frau, als Erstes sind sie bitte so lieb und bringen meiner Mutter die Hausschlüssel von meiner Wohnung. Um die Mittagszeit fahre ich für eine Weile zu meiner Frau und meinem Sohn. Morgen hole ich die Beiden nach Hause. Ach ja, bitte blättern sie noch einmal den Terminkalender durch. Ich würde gerne den Rest der Woche zu Hause bei meiner Familie sein. Entsprechend die Termine bitte verlegen. Als Begründung geben sie einfach Familiennachwuchs an.“

Der Tag läuft wie geplant und als er am Abend die Wohnung betritt staunt er, was seine Mutter zum Empfang von Mutter und Kind gezaubert hat. Überall ist es sauber. Blumen auf den verschiedenen Tischen. Ein kleiner Strampelanzug ein Jäckchen und eine Mütze an der Tür des Kinderzimmers befestigt. Dazu ein Schild mit einem „Herzlich Willkommen zu Hause.“

Seine Mama - in wie vielen Situationen war sie immer wieder für ihn da. Diese Frau hat außer Arbeit auch nicht sehr viel kennen gelernt. Sein Vater ist leider schon verstorben. Er war nicht gerade dass, was man einen einfühlsamen Ehemann nachsagen könnte. Rudi überlegt wie er seiner Mutter danken kann. Er möchte sie wieder mehr in sein Leben einbauen. Vielleicht gelingt es ihm, indem er sie ein wenig zur Mithilfe bei ihrem Enkelkind animiert.

Das Leben mit dem Kind

Pünktlich zum verabredeten Termin erscheint Rudi im Krankenhaus. Er küsst seine Frau und haucht auch Ralf ein Küsschen auf die Stirn. Wie hübsch und stolz seine Frau auf dem Bettrand sitzt.

„Wir sind fertig. Ich habe alle Unterlagen. Die Untersuchungen sind abgeschlossen, wir können los,“ strahlt Sonja.

Sie bittet ihren Mann : „Rudi, versprich mir, egal was passiert, lass uns nie im Stich....“

Er schaut ihr in das Gesicht und fragt : „Wie kommst du jetzt auf solche Gedanken? Wir fahren nach Hause und versuchen auf unsere Weise eine glückliche Familie zu werden. Habe ich dir denn jemals einen Anlass zu solchen Gedankengängen gegeben?“

„Nein,“ antwortet sie, „ niemals. Trotzdem ich habe ein wenig Angst vor der Zukunft. Sicher werden wir nicht immer einer Meinung sein. Gewiss hat zukünftig Ralf mehr Anspruch an mich als du es haben kannst. Trotzdem - auch wenn manches nicht mehr so laufen kann wie früher, du musst wissen – ich liebe dich.“

Rudi nimmt sie in den Arm. Er merkt sehr wohl, dass seine Frau momentan psychisch nicht auf der Höhe ist. Es ist ihm bewusst, dass sie seine Zuneigung und sein Verständnis braucht. Trotzdem ist er sicher, dass alles wird sich mit der Zeit einpendeln.

„Sonja, ich weiß dass es am Anfang nicht ganz einfach sein wird, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Meine Unterstützung ist dir sicher – und sei ohne Bange wir schaffen das schon. Denn – ich liebe dich sehr und du bist in meinem Herzen immer auf Platz eins.“

Drei Menschen verlassen das Krankenhaus und zumindest Zwei sind sich ihrer neuen Aufgabe bewusst.

Zu Hause angekommen, will Sonja kaum glauben was sie da zu sehen bekommt. Vollkommen überwältigt über dieses herzliche Willkommen fällt sie ihrem Mann um den Hals.

„Rudi, ich danke dir. Schöner hätte das keine Frau hin bekommen. Das du so etwas für uns machst, ich hätte es dir nicht zugetraut.“

Lächelnd gibt Rudi zurück, „Sonja, das war ich nicht. Ich habe meine Mutter gebeten, hier Ordnung zu schaffen. Und wie ich finde, sie hat es wunderbar gemacht.“

„Oh ja,“ sagt Sonja, „dafür laden wir sie aber gleich am Wochenende zu einem Essen ein. Dass hat sie sich verdient.“

Sonja setzt sich. Ein klein wenig verschnaufen muss sein. Die Taschen mit der Wäsche stehen auch noch im Flur. Egal, jetzt nicht. Nun beginnt der kleine Mann zu klagen, also nichts mit ausruhen. Fläschchen machen, Kind wickeln, der häusliche Alltag beginnt. Ralfs Gebrüll macht sie nervös. Die Milch ist noch zu heiß. Rudi steht vor der Tragetasche. Er weiß nicht, wie er den kleinen Mann beruhigen könnte.

Sonja ruft,: „Kannst du ihm vielleicht die Jacke und die Mütze ausziehen?“

Entsetzt sagt Rudi,: „wie stellst du dir das vor? Ich habe das noch nie gemacht. Womöglich tu ich diesem kleinen Würmchen noch weh.“

„Ist gut, ich mache es.“ Dabei fühlt sie sich jetzt durch das Stehen schon ausgelaugt. Der Bauchschnitt zwickt auch noch recht heftig.

„Ralf, du solltest aber schon deinen Sohn auch versorgen können. Das kann man lernen.“

Kleinlaut kommt zurück,: „ ich werde mir Mühe geben. Aber du bist die Mutter.“

Der erste Tag, die erste Nacht ist für alle Beteiligten ein großer Hindernislauf. Es ist nicht möglich irgend etwas in aller Ruhe zu machen. Mal hat er Hunger, dann braucht er eine frische Windel. Für die Eltern ziemlich strapaziös.

Nach einigen Tagen läuft Alles schon besser. Aber die Eltern sind sichtlich gestresst, da sie keine Nacht durch schlafen können. Dem entsprechend ist auch die Stimmung. Es wird schon mal recht laut in der Unterhaltung bei Familie Knopf. Ein wenig wütend über das Verhalten des Partners, versucht man sich aus dem Weg zu gehen.

Rudi freut sich schon auf seinen ersten Tag in der Firma. Und Sonja ist traurig, dass ihr Mann seine angepriesene Hilfe sowenig ernst nimmt. Es kommt zum Streit.

Beide sind restlos überfordert mit der neuen Situation.

Schließlich stellt man zusammen fest: „So geht es nicht, wir brauchen eine Lösung. Wie könnte die aussehen?“

In der Wohnung liegen Kinderkleider und Wäsche der ganzen Familien auf dem Boden verstreut. In der Küche türmt sich das Geschirr zum Abwasch. Keiner der Beiden hat die Kraft und Muße, sich dem Ganzen zu widmen.

„Schatz, sagt Rudi betont ruhig, „soll ich meine Mutter um Mithilfe bitten? Im Moment kommen wir Beide nicht klar.

Sie könnte dir einiges abnehmen und dass tut sie ganz sicher gerne für uns.“

„Rudi so schwierig habe ich mir das nicht vorgestellt. Denkst du nicht, sie wird mich als faul und dumm abstempeln?“

„Wie kommst du jetzt darauf? Sie wird uns gerne helfen und mit Sicherheit kein Wörtchen der Beurteilung fallen lassen. Ich rufe sie an. Sie könnte doch für ein paar Tage im Gästezimmer einziehen. Vielleicht hätten wir dann die Möglichkeit, wenigstens wieder eine Nacht durch zu schlafen.“

Rudi erledigt den Anruf sofort. Überglücklich, dass sie ihre Familie unterstützen kann zieht die älter Dame bepackt mit zwei Koffer in das Gästezimmer. Ganz schnell sieht sie wo es klemmt. Mit Begeisterung geht sie ihrer Schwiegertochter zur Hand. So bekommt man gemeinsam das Problem in den Griff.

Sonja ist dankbar für die Hilfe der Frau. Im Grunde genommen, mag sie die Mutter von Rudi sehr gerne. Niemals hat sie sich irgend wo ungebeten eingemischt. Sie stellt auch keine großen Ansprüche. Aber man ist auch nicht mehr alleine. Hin und her gerissen von der Notwendigkeit der Mithilfe, würde die Schwiegertochter doch lieber ihre Arbeit wieder selbst erledigen. Wenn Rudi nur etwas mehr mit anpacken würde, könnte man sicher alleine zurecht kommen. So sagt sie zu ihrem Mann,: „Nun ist Ralf schon vier Wochen alt. Wie oft hast du ihn schon in deinem Arm gehabt? Hat er von dir schon ein Fläschchen bekommen? Weißt du überhaupt wie man eine Windel wechselt?“

„Ach mein Liebling,“ kontert Rudi, „ ich habe einfach noch Angst, ich könnte etwas falsch machen. Du hast doch reichlich Unterstützung von meiner Mutter. Ist dir das zu wenig?“

„Nein Rudi deine Mutter unterstützt mich auf eine wunderbare Weise. Ich frage mich nur wieso du nicht den Kontakt zu Ralf aufbaust? Er sieht seinen Vater nur ab und zu neben sich stehen. Hast du ihn nicht lieb? Möchtest du nicht diesen einzigartigen Duft der Babyhaut riechen? Hast du sein Köpfchen schon mal an deine Wange gehalten und gespürt, wie er sich anfühlt?

Ich denke, wenn deine Mutter nicht da wäre müsstest du dich in deiner Freizeit auch mit ihm statt mit dem Fernsehprogramm beschäftigen.“

Der junge Vater horcht auf. War da ein Unterton in Sonjas Stimme? Möchte sie ihm sagen, dass er seine Mutter nach Hause schicken soll? Dabei spielt er mit den Gedanken, sie ein wenig mehr in seine Familie zu integrieren. Aber darüber kann er jetzt absolut nicht mit seiner Frau sprechen. Ein wenig traurig und enttäuscht schaut er zu Sonja. Er merkt nicht, dass seine Mutter am Türrahmen lehnt und das Gespräch der Beiden verfolgt. Er sagt zu Sonja, „ach übrigens, das hätte ich beinahe vergessen. Wir sind morgen Abend noch einmal beim Bürgermeister zum Bankett eingeladen. Denkst du noch daran? Es ist sicher eine willkommene Abwechslung für dich, wieder unter Menschen zu gehen. Ralf ist wunderbar bei Mama aufgehoben. Und wir zwei hätten Gelegenheit, etwas zusammen zu machen. Es ist sehr wichtig für das Geschäft dass wir dort gemeinsam auftreten.“

Wieder hört er den Unterton in der Stimme seiner Frau,: „Du hast dir genau wie ich ein Kind gewünscht. Nun haben wir einen gesunden Jungen. Du überlässt ihn einfach mir und deiner Mutter. Es kümmert dich sehr wenig, wie es uns geht.

Dich interessiert nur deine Firma und deine Mutter. Dass ich auch mal gerne in den Arm genommen sein möchte, scheinst du vergessen zu haben. Nie sind wir alleine. Vielleicht bin ich zur Zeit gereizt kann sein. Aber schließlich stehe ich jede Nacht einige Male auf um das Kind zu versorgen. Während dessen schläfst du ruhig und fest weiter. Ich nehme alles gerne in Kauf.

Nur merke ich wie du dich immer weiter von mir entfernst. Dein Kind scheint dir unwichtig. Aber du machst dir Gedanken um deine Mutter. Weißt du was, ja, ich gehe morgen mit dir zu dem Bankett, wenn es dir so wichtig ist. Aber sorge bitte dafür, dass wir dann zukünftig zu Dritt alleine sind, um uns nicht zu verlieren.“

Rudis Mutter wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und sagt: „ Es war mir bis jetzt nicht bewusst, dass Sonja mich als Belästigung sehen könnte. Noch weniger war mir klar, dass mein Sohn sich zu wenig um seinen Kind kümmert. Ich glaubte, es läuft alles gut, so wie es ist. Niemals wollte ich zwischen euch Beiden stehen. In keinster Weise möchte ich stören. Ich bleibe wenn es recht ist bis Übermorgen. Aber dann lieber Rudi bringe mich bitte nach Hause. Es hat mir sehr weh getan, was ich eben so Alles gehört habe. Deshalb meine herzliche Bitte, lasst mich wo ich bin. Ich komme schon irgendwie klar. Darüber müsst ihr euch keine Gedanken machen und nun Gute Nacht.“

Erschrocken schaut das Ehepaar der Mutter in das Gesicht. Wie unklug von den Beiden sich vorher nicht von der alleinigen Anwesenheit zu überzeugen. Doch bevor sie noch was sagen können, ist die Mutter in ihrem Zimmer verschwunden. Es wird ihnen bewusst, wie sehr diese wunderbare, selbstlose Frau sich gekränkt fühlen muss. Nun überlegen sie, wie sie das wieder gut machen könnten. Wieder ein Abend der vertan wurde. Traurig geht man zu Bett.

Sonja deckt am nächsten Morgen mit viel Liebe und Phantasie den Frühstückstisch für drei Personen. Rudi muss ins Geschäft. Frau Knapp hat angerufen und einen Kundentermin in Erinnerung gebracht.„Sonja, es tut mir leid. du musst alleine versuchen die Lage wieder gerade zu biegen. Denke bitte daran, sie hat es nur gut gemeint. Und mache dich für heute Abend hübsch. Ich komme zum Umziehen, dann müssen wir los.“ Die Beiden verabschieden sich. Sonja sitzt alleine am Tisch. Sie überlegt,wie sie ihrer Schwiegermutter das Gesagte erklären könnte. Doch als die Uhr auf Mittag zuwandert, wird auch sie unruhig und klopft leise an die Gästezimmertür. Nichts rührt sich. Sonja öffnet die Tür. Das Bett ist gemacht und ein Blatt Papier liegt auf der Zudecke, worauf geschrieben steht.„Liebe Kinder, es waren schöne Tage mit euch. Besonders habe ich das Zusammensein mit meinem Enkel genossen. Ich danke euch vom ganzen Herzen für diese Zeit. Nun wo mir bewusst wird dass es ein Fehler war bei euch zu sein, habe ich mich entschlossen, mit dem Taxi nach Hause zu fahren. Ich hoffe, ihr verzeiht mir, dass ihr nun doch nicht gemeinsam zu dem Fest gehen könnt.Um Abstand zu bekommen schlage ich vor - wir halten erst einmal Funkstille. Seid ganz herzlich gegrüßt und passt gut auf Ralf auf, eure Mutter.“

Sonja ist entsetzt. Wie kleinkariert ist diese Frau. Man hätte doch über das Alles sprechen können. Sicher würde die Schwiegermutter sie verstehen, wenn sie über ihre Gefühlsschwankungen gesprochen hätten. Na gut, dann eben nicht. Sie ruft Rudi an und erzählt, was passiert ist. Auch er ist enttäuscht. Den einen Tag hätte Mutter doch sicher noch ausgehalten. Na ja, dann muss er heute Abend doch alleine gehen. Das wird sicher nicht sein letzter Termin sein, wo er zukünftig ohne Frau auskommen muss.

Der kleine Ralf ist ein sehr unruhiges Kind. Sonja hat alle Hände voll zu tun, um ihn bei Laune zu halten. Er isst schlecht und schläft wenig. Schon jetzt merkt sie, was ihr ihre Schwiegermutter im Lauf des Tages an Arbeit abgenommen hat. Aber es geht auch so, es muss gehen. Als Rudi am Abend hektisch zur Türe herein kommt, ist seine Frau fix und fertig.

Gut, dass der Mann zu einem Festessen geht. Denn kochen ist nicht, das schafft sie nicht.

Ein paar Wochen weiter. Langsam hat sich die neue Situation eingespielt. Rudi ist nun auch bereit, wenn er abends nach Hause kommt, sich mit Ralf zu beschäftigen. Ab und zu wird Essen bestellt um eine warme Mahlzeit zu bekommen. Die Beiden sprechen darüber, wie schön es vor ihrer Schwangerschaft war. Aber trotz alledem wollten sie den kleinen Mann nicht missen. Jeder Tag bringt etwas Neues in der Entwicklung des Kindes. Manchmal lächelt Ralf. Ob bewusst? Die Nächte sind aber immer noch eine Katastrophe und Sonjas Gemütszustand scheint sich auch nicht zu bessern. Rudi vermisst so sehr die von früher gewohnten Zärtlichkeiten.

Aber seine Frau möchte weder angefasst noch gestreichelt werden. Sie hält im Bett permanent Abstand von ihrem Ehemann. Oft legt sie das Baby zwischen sich und ihren Mann. Irgendwann wird ihm dieser Zustand einfach zu viel. „Sonja, so geht das nicht weiter. Du bist so auf Ralf fixiert und vergisst, dass du auch eine Frau bist, nicht nur Mutter. Ich vermisse so sehr deine Streicheleinheiten und deine Spontanität. Ich möchte dich wieder einmal in meinem Arm halten und dich spüren. Hast du denn gar kein Verlangen nach mir?“

„Sag einmal Rudi, sonst hast du keine Sorgen? Ich weiß absolut nicht, wie ich den Haushalt hier in Schwung halten soll. Und du erzählst mir, dass du deine Frau vermisst? Ich fühle mich wie ein ausgedrücktes Handtuch. Dann weiß ich überhaupt nicht, was ich als Erstes machen muss. Und du willst deine Frau vernaschen? Wenn du das unbedingt brauchst, dann schau dich um. Frauen laufen zu Hunderten draußen herum.“

„Sonja,“ ruft Rudi dazwischen, bevor seine Frau noch mehr Unstimmigkeit verbreiten kann. „Sonja, auf dieses Niveau wollen wir uns doch ganz bestimmt nicht begeben, oder? So kenne ich dich ja absolut überhaupt nicht. Ich sagte nichts von einer Frau. Ich sprach von meiner Frau. Ich denke, dass Thema wollen wir für heute schließen, oder?“ Beschämt laufen der Frau Tränen über die Wangen. Sohnemann brüllt in seinem Bettchen, er hat sicher Hunger. Und Rudi erkennt, dass seine Frau nun wirklich professionelle Hilfe für ihren Gemütszustand braucht. Er gesteht sich ein, dass das Thema zur Zeit absolut nicht angebracht ist.

„Frau Schnapp, ich brauche ihre Hilfe. Wir brauchen sofort eine Haushaltshilfe, wissen sie eine?“

„Nein, aber ich kann eine Annonce für das Wochenende in der Tageszeitung schalten. Sie sind überlastet, dass spürt man auch im Geschäft. Das der Auftrag letzte Woche im Sande verlief, war doch sicher auch ein Teil Ihrer häuslichen Situation.“

„Oh ja Frau Schnapp, bei uns zu Hause funktioniert absolut gar nichts mehr. Meine Frau ist überfordert und der Junge sehr verwöhnt. Ihr fehlt die Zeit für den Haushalt und um sich auch einmal aus zu ruhen. Was man mit einer Frau sonst noch Schönes machen könnte, daran wage ich schon gar nicht mehr zu denken.“

Frau Schnapp öffnet ihren ersten Blusen Knopf und schaut ihrem Chef in das Gesicht. „Herr Knopf, ganz sicher ist es schwierig, sich mit dieser neuen Situation und einem Baby zu arrangieren. Doch ich kann sie beruhigen. Geben sie ihr noch ein bisschen Zeit, sie werden sehen, es gibt sich. Manche Frauen haben ganz schwere Schwangerschaftsdepressionen. Sollte sich der Zustand nicht bessern, wäre es ratsam vielleicht einen Arzt aufsuchen. Und was ihre männlichen Hormone angeht, so sind sie doch sicher nicht so hilflos um nicht zu wissen, es gibt immer eine Lösung, so oder so.“

Rudi schaut seiner Sekretärin auf die offene Bluse und merkt, da ist noch Gefühl, es rührt sich was bei ihm. Doch fremd gehen, nein, dass ist nicht sein Ding, soviel steht fest. Frau Schnapp betritt noch einmal das Büro und sagt zu ihrem Chef,: „Übrigens, meine Freundin hatte auch so ein kreischendes Kind. Das ging solange, bis sie es einfach mal brüllen ließ. Die Kleine hat ganz schnell gemerkt, dass das Spiel zu Ende war. Und prompt schlief sie ohne Zwischenfall durch. Ein gut gemeinter Rat, einfach mal versuchen. Es kann nicht schaden.“

Sonja weiß inzwischen auch, dass sie weit über das Ziel hinaus geschossen ist. Sie bereitet ein leckeres Abendessen vor und überlegt, wie sie ihre Wiedergutmachung beginnen könnte.

Endlich kommt Rudi zur Türe herein. Er sieht, wie seine Frau sich abstrampelt und nach einem kurzen Begrüßungskuss nimmt er seinen Sohn auf den Arm. Gerade will er sich auf die Couch setzen, da fängt der Kleine an zu jammern. Sobald der Vater im Zimmer hin und her läuft, ist der Bub ruhig. Rudi probiert es noch zweimal aus und immer mit demselben Ergebnis. „Also so geht es nicht mein Sohn,“ knurrt sein Vater vor sich hin. Du lernst jetzt ganz schnell, ruhig zu werden.“ Er legt eine Decke auf den Boden. Darauf kommen das Kind und Spielsachen. Natürlich brüllt der Kleine los. Als Sonja ihn nehmen will, sagt Rudi: „Lass ihn ruhig mal brüllen. Er muss wissen, das wir auch noch was Anderes zu tun haben. Der beruhigt sich schon wieder.“ „Wer sagt das?“ fragt Sonja. „Frau Schnapp,“ kommt die Antwort.

„Die muss es ja wissen,“bekommt er gesagt. „Nimm ihn kurz, er hat Hunger.“ „Schatz,“ sagt Sonja, „ ich mach jetzt für Ralf das Essen. In der Hoffnung, dass er dann müde genug ist und schläft. Ich muss unbedingt mit dir reden.“ „Ich habe uns gutes Essen gemacht und bei einem Gläschen Wein könnte man sich so wie früher unterhalten.“

„Oh ja,“ sagt Rudi „diese Idee finde ich ja wirklich wunderbar.“

Gemeinsam erledigen sie was zu tun ist um endlich wieder einmal ein Stündchen für sich zu haben. Ralf liegt in seinem Bettchen. Die Eltern stehen davor und sehen ein rundherum zufriedenes Kind.

Endlich kann man sich zu Tisch setzen und seit langer Zeit fragt Sonja wieder einmal, „wie war es in der Firma?“ Rudi schaut auf und freut sich. „Weißt du eigentlich, dass du mich seit der Geburt unseres Sohnes nie mehr nach der Firma gefragt hast? Kannst du dir vorstellen, wie gut es tut, wenn man merkt, dass der Partner sich für die Arbeit interessiert? Ja du - in der Firma geht es mal besser, mal weniger. Durch unser gespanntes Familienleben habe ich den einen oder anderen Auftrag nicht bekommen. Aber noch läuft alles zu meiner Zufriedenheit. Du wolltest mit mir reden? Gehört das hier zu deinem Thema?“ „Rudi, ich weiß, dass ich einen sehr treusorgenden Partner habe. Mir ist bewusst, wie sehr ich dich in dem letzten halben Jahr vernachlässigt habe. Trotz alledem liebe ich dich noch genauso wie früher. Es ist für mich so schwer, alles unter einen Hut zu bekommen. Du musst wissen, ich habe ein sehr schlechtes Gewissen wegen unserer häuslichen Situation. Trotzdem bekomme ich das Ganze mit Haushalt und Kind nicht gebacken. Ich wollte dich fragen, ob wir uns nicht doch eine Haushaltshilfe leisten können? Wir haben doch im Keller neben Deinem Büro noch ein schönes Zimmer. Dort könnte eine ältere Dame einziehen und mir behilflich sein.“

„Eine ältere Dame?“ fragt Rudi. „Warum muss das eine ältere Dame sein? Die haben doch auch schon ihre gesundheitlichen Probleme und du brauchst doch Hilfe denke ich. Außerdem, ganz ehrlich mein Schatz, ohne Bewertung deiner Worte. Da hättest du auch Mutter weiter hier lassen können. Wir hätten gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie hätte ganz sicher auch öfter auf Ralf aufgepasst und wir mehr Zeit für uns gehabt. Übrigens, hast du jemals darüber nach gedacht, deinen Eltern Bescheid zugeben, dass sie einen Enkel haben?“

Schmollend kontert seine Frau,: „Meine Eltern, nein ich habe mich nie mehr gemeldet, nachdem du sie bei ihrem letzten Besuch aus der Firma geworfen hast. Oder hast du etwa vergessen, wie sie nach dem Wortwechsel ab gerauscht sind? Ich stand damals daneben wie ein begossener Pudel. Sicher war es die Wahrheit. Doch die hättest du auch mit anderen Worten den Beiden sagen können. Dass sie arme Menschen sind, wusstest du, als du mich zur Frau nahmst. Aber dass sie nicht zu uns passen, war mehr als hart. Dass ihr Allgemeinwissen nicht wie deines ist war bekannt. Genauso, dass sie kein Problem haben, Jemand zu sagen, dass er eine Pfeife ist.“

Rudi erwidert: „Sie hätten dass aber nicht zu Herr Kostenlos, meinen Bankvertreter sagen dürfen. Nur mit viel Mühe ist es mir gelungen, ihn damals wegen des Kredites bei Laune zu halten. Die Worte deines Vaters, hast du sie vergessen, als er sagte: „Herr Kostenverdreher oder wie sie heißen, sie reden genauso geschwollen und doofes Zeug wie sie aussehen?“ Dabei wusste mein Schwiegervater sehr wohl wie dieser Mann heißt.

Sonja lenkt ein: „Ja, das stimmt. Und doch, es sind meine Eltern. Es tat verdammt weh, als sie zu mir sagten, egal was passiert, melde dich nie wieder. Du gehörst inzwischen auch zu dem vornehmen Pack. Doch nun sind ja schon Jahre in das Land gezogen, vielleicht sollte ich mich doch melden? Oder ist es besser, ich fahre mit Ralf einfach hin? Wenn ich vor der Türe stehe, werden sie mich sicher nicht stehen lassen. Aber noch einmal zu deiner Mutter. Bist du nicht davon überzeugt, dass du immer wieder in die miese Lage kommen würdest, zwischen meiner und ihrer Meinung zu stehen? Ist dir nicht klar, dass wir nie mehr alleine hier sitzen könnten? Eine älter Dame als Haushaltshilfe deshalb, weil diese Menschen die Arbeit sehen. Junge Frauen muss man sie zeigen.“

„Ja Sonja, du hast in Allem nicht ganz unrecht. Und doch werden wir entscheiden ob ältere oder jüngere Haushaltshilfe, wenn die Damen sich vorgestellt haben. Sie muss ja auch zu uns passen. Wir haben einen Geschäftshaushalt. Also das heißt, sie muss auch den passenden Umgangston und einen einwandfreien Leumund haben. Schließlich wird sie sicher öfter mit unserem Sohn zu tun haben. Was deine Eltern angeht, es tut mir ja genauso leid wie dir, dass das damals so gelaufen ist.

Trotzdem es stand soviel auf dem Spiel, ich musste so handeln. Aber deine Idee einfach dort aufzukreuzen, sie wäre einen Versuch wert. Vielleicht könnten wir die Zwei wieder integrieren?“

Ralf brüllt nach seiner nächtlichen Nahrung. Dabei wollte Rudi jetzt endlich einmal mit seiner Frau noch ein bisschen kuscheln. Deshalb sagt er: „Mann oh Mann, ich dachte wir hätten nun noch ein Stündchen für uns. Nein, Herr Sohn hat wie immer etwas dagegen.“ Die junge Mutter lacht, während sie Ralf seinem Vater in die Arme legt um Essen für das Kind zu machen. „Komm, mache ihn bitte schon einmal trocken.

Inzwischen mache ich das Fläschchen, vielleicht schläft er dann gleich wieder ein.“

Der Vater genießt es trotzdem mit dem kleinen Mann zu knuddeln. Wunderbares Kinderlachen, herrlich unverständliche Laute aus dem Mund von Ralf. Das Trockenlegen ist schwierig. Das Kind will absolut nicht still halten. Trotzdem nimmt sich Rudi vor, sich mehr um seinen Sohn zu kümmern. Er merkt, dass sich der kleine Mann irgend wie täglich verändert. Er will seinen Sohn wachsen sehen. .

Inzwischen kommt die Mutter dazu und gibt Ralf sein Fläschchen. Rudi beobachtet seine Frau und seinen Sohn. Er denkt bei sich: „Was für ein liebevolles, friedliches Bild. Wie harmonisch die Beiden aufeinander abgestimmt sind. Seine Familie, ein sehr schöner Augenblick. Ich gehöre dazu, zu diesem Bild, ich bin der Vater. Kann ich das? Werde ich genauso liebevoll mit diesem Kind umgehen können. Wird er zu mir genauso glücklich aufschauen?“

Ralf liegt ruhig im Bett und nun legt Rudi den Arm um seine Frau und führt sie in das Schlafzimmer. Irgendwie scheint sie glücklich zu sein. Die Aussprache kam wahrscheinlich genau im richtigen Moment. Die Beiden erleben die Höhen einer ehelichen Gemeinschaft. Zufrieden und entspannt erwachen sie am nächsten Morgen. Nach einem wunderbaren Frühstück verabschiedet sich der Mann von seiner Familie und fährt in die Firma. Vor der Halle steht ein LKW mit neuen Autos auf dem Anhänger. Rudi schaut diesem Mann zu, mit welcher Genauigkeit er diese Fahrzeuge von dem Anhänger in die Glashalle fährt. Rudi fragt sich ob dieser LKW Fahrer wohl den Job macht, den er sich als junger Mann erträumt hat? Er selbst hat keine Auswahl gehabt, als er den Betrieb übernahm. Die Frage, was er mal werden wollte, stellte sich bei ihm erst gar nicht. Jedoch nach der letzten Nacht scheint auch das kein Thema zu sein. Eine wunderbare Frau, einen total süßen Sohn und ein gut gehendes Geschäft, was will man noch mehr.

Unbemerkt steht Frau Schnapp hinter ihm. Sie hat wohl gemerkt, dass es ihrem Chef besser zu gehen scheint. So wagt sie die Frage: „Herr Knopf, darf ich sie was fragen? Ich brauche in zwei Wochen Urlaub. Ist das machbar?“ Ohne sich um zudrehen fragt er zurück. „Wie lange denn?“ „Vier Wochen,“

kommt die Antwort. Jetzt dreht der Chef sich aber ruckartig um: „vier Wochen Frau Schnapp? Wie soll denn das gehen? Das muss ich noch mit meiner Frau absprechen, solange kann ich das Büro nicht unbesetzt lassen. Im Prinzip steht Ihnen der Urlaub zu. Aber ich brauche für diese Zeit eine Aushilfe. Wollen sie verreisen?“ „Ja, Herr Knopf und ich hatte das Anfang des Jahres mit ihnen abgesprochen. Sie wollten entweder ihre Frau, oder ihre Mutter als Vertretung einsetzen.“

„Na gut, dann kläre ich das in den nächsten Tagen. Da hat sich ja die Frage ob es geht schon erledigt. Liegt für morgen etwas Wichtiges an? Ich würde gerne mit meiner Frau zu ihren Eltern fahren.“ „In Ordnung Chef, ich vertrete sie.“

Rudi möchte seine Frau überraschen. Er kauft einen wunderbaren Blumenstrauß und lädt sie telefonisch zum Essen in ein schönes Speiselokal. Ralf kann ruhig mitkommen. Die Leute sollen sehen. „Der Chef vom Autohaus Knopf führt seine Familie aus. Jeder darf wissen, wie unendlich stolz er auf Frau und Kind ist.“ Pünktlich holt er seine Lieben zu Hause ab. Man erlebt zusammen einen wunderbaren frühen Abend. Als Rudi noch erzählt, dass er sich frei genommen hat, um die Beiden zu ihren Eltern zu fahren, ist die Freude perfekt. Er betont aber sofort, dass er nur fährt und nicht mit geht um nicht sofort wieder den Ärger herauf zu beschwören. So machen sich drei Menschen am nächsten Tag auf den Weg in ein neues Abenteuer. Etwas Angst fährt mit, was sie dort am Ziel erwarten wird.

Sonjas Eltern lernen ihren Enkel kennen

Sonja steigt aus und schaut auf die Namensschilder. Gott sei Dank, sie scheinen noch hier zu wohnen. Vor dem Haus liegen Zigarettenkippen und anderer Unrat auf dem Bürgersteig. Sie geht zurück zum Auto und holt den Kindersitz mit Ralf. Für Mutter einen riesigen Blumenstrauß und für ihren Vater eine Flasche Rotwein von der Sorte, die er immer so gerne getrunken hat. Rudi wartet bis sie geklingelt hat. Als sie die Türe aufmacht, fährt er los. Man hat vereinbart, dass Sonja ihm am Handy schreibt, wenn sie abfahren möchte. Mit den Händen voll steht mit zitternden Knie an der Tür als diese von Innen geöffnet wird. Eine ungepflegte ältere Frau schaut verweint auf den Besuch.

Der jungen Frau schießen Tränen in die Augen: „Mama – ich bin es, Sonja. Dürfen wir rein kommen?“

Ohne den Kopf zu heben, total regungslos wie es scheint sagt da eine dünne Stimme: „Von mir aus.“

Überall liegen irgend welche Kleidungsstücke und alte Zeitungen auf dem Boden. Sogar im Wohnzimmer, wo ein kleines Fernsehgerät läuft, ist die Couch voll damit belagert.

Die alte Frau fegt einmal mit dem Handrücken darüber, um für ihre Tochter Platz zu schaffen.

Sie sagt: „Setze dich.“ Noch immer scheint sie nicht zu interessieren, was oder wen ihre Tochter mitbringt. Sonja setzt sich und die Frau verlässt das Zimmer.

Als sie nach einer Zeit immer noch alleine sitzt, steht sie auf und ruft „Mutter?“ Keine Antwort. Noch einmal „Mutter?“

Da hört sie : „Ich bin im Schlafzimmer.“

Sie geht der Stimme nach und sieht, wie sich ihre Mutter über ihren Vater beugt und mit ihm spricht. Er liegt teilnahmslos im Bett und scheint auch keine Antwort zu geben. Sonja weint, während sie dieses furchtbare Bild in sich aufnimmt. Sie geht um das Bett herum und kniet sich vor ihre Eltern: „Papa, Mama, es tut mir so leid, könnt ihr mir verzeihen?“

Zwei Augenpaare schauen sie traurig an. Sie hört zwei Stimmen die ihr sagen: „Wir haben dir schon lange verziehen.

Nur du scheinst deinen Ursprung vergessen zu haben. Solange warten wir auf ein Lebenszeichen von dir, doch nichts kam.

Mussten wir nicht denken, dass du dich deiner Eltern schämst?“

Sonja legt ihre Arme um die beiden Menschen und senkt traurig den Kopf. Nun wird ihr deutlich bewusst, sie hätte sich schon lange melden müssen, es sind doch ihre Eltern.“

Ihre Mutter scheint sich als Erste wieder zu fangen. „Kind steh auf. Nun bist du ja da. Vielleicht bekommen wir den Wagen wieder zum Laufen. Vielleicht wird nun wieder alles gut.“

Da meldet sich Ralf mit kräftiger Stimme. Sonja lächelt: „Darf ich euch euren Enkel Ralf vorstellen? Mein Sohn ist jetzt schon acht Monate alt. Rudi ist der Meinung, dass ihr ihn endlich kennen lernen sollt. Ich bin alleine gekommen, weil wir dachten euer Zorn auf ihn ist wahrscheinlich noch nicht abgeklungen.“

Die junge Frau ist froh, schon fertige Nahrung für ihr Kind mitgebracht zu haben. So wie es hier aussieht, möchte sie da nichts kochen und nichts essen. Sie setzt sich wieder in das Wohnzimmer und kümmert sich um ihren Sohn. Die Beiden wollen gleich nach kommen. Dies dauert eine Weile und so ist Ralf versorgt und sitzt im Arm seiner Mutter. Als Sonja die schlürfenden Schritte im Gang hört, drehen sich zwei Köpfe der Tür zu. Mutter und Sohn sind gespannt auf die Reaktion der Großeltern.

Zwei alte gebrochene Menschen stehen dort und ein Lächeln verzaubert ihr Gesicht. Sie können den Charme ihres Enkels nicht widerstehen. Seine Arme hebt er diesen fremden Menschen entgegen, als ob er sie kennen würde. Der Vater sagt: „Blut ist dicker als Wasser, er erkennt uns.“ Auch der Vater wirft das Herumliegende einfach auf dem Boden um Platz für sich und seine Frau zu schaffen.

„Kind, wir können dir höchstens Leitungswasser anbieten.

Etwas Anderes ist nicht da. Wir zwei können nicht mehr einkaufen gehen und der Nachbars Junge kommt nur einmal die Woche um für uns etwas zu holen.“

Sonja legt ihrem Vater den kleinen Ralf in die Arme und sagt: „Papa, hier dein Enkelkind. Du, es tut mir so leid. Ich hätte mich schon längst melden müssen. Und was ich jetzt sage ist ein Versprechen. Es soll euch zukünftig besser gehen, nein, es wird euch gut gehen. Ich muss natürlich alles mit Rudi besprechen.“

Der alte Mann schaut auf seinen Enkel. Trotzdem sieht die Tochter seine Tränen laufen. Seine Frau hat am Türrahmen gelehnt das Ganze beobachtet und kommt auf ihre Tochter zu.

„Verspreche nicht, was du nicht halten kannst. Wir kommen schon irgendwie zurecht. Dein Vater hat alles ganz schlecht verkraften können. Er ist an unserem Streit mit euch zerbrochen und schon seit Jahren zu Hause. So reicht natürlich auch die Rente absolut für nichts aus. Vom Amt konnten wir leider keine Unterstützung bekommen, weil du zu viel Geld hast. Da hättest du erfahren, wie es uns geht und du wärst zur Kasse gebeten worden. Das wollten wir nicht. So haben wir uns eingeschränkt so gut es ging. Aber trotzdem, wir sind schon zufrieden, wenn wir morgens wach werden. Unsere Beine sind sehr schwach. o bewegen wir uns nur noch in der Wohnung. Schön, dass du dich doch noch an uns erinnert hast. So wissen wir jetzt, dass wir ein Enkelkind haben. Übrigens - du siehst sehr gut aus. Das ist unser größtes Anliegen – es soll dir gut gehen.“

Nun vergisst Sonja all ihren Stolz und legt den Kopf auf die Schulter ihrer Mutter. Mit Tränen erstickter Stimme sagt sie: „Mama – verzeih mir, bitte. Ich will alles wieder gut machen, so weit ich es kann. Darf ich Rudi anrufen und ihn hier her bestellen. Er sitzt im Auto ein paar Straßen weiter und wartet auf uns?“

Die Eltern sagen wie aus einem Mund: „ Von mir aus, wir wollen uns einfach nur wieder vertragen.“