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Gotthold Ephraim Lessing

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Beschreibung

Gotthold Ephraim Lessings Werk 'Abhandlungen über die Fabel' ist eine anspruchsvolle Untersuchung über die Bedeutung und Funktion von Fabeln in der Literatur. Lessing erkundet die Geschichte der Fabel und analysiert ihre Rolle als moralische Lehre und künstlerisches Werkzeug. Sein literarischer Stil ist geprägt von Klarheit, Präzision und einem tiefen Verständnis für die poetische Form. Lessing setzt sich in seinem Werk mit den verschiedenen Ansätzen zur Interpretation von Fabeln auseinander und liefert fundierte Beispiele aus der Literaturgeschichte, um seine Argumente zu untermauern. Die 'Abhandlungen über die Fabel' sind ein Meilenstein in der literarischen Kritik des 18. Jahrhunderts und haben bis heute Einfluss auf das Verständnis von Fabeln und ihre Bedeutung für die Literaturgeschichte.

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Gotthold Ephraim Lessing

Abhandlungen über die Fabel

 
EAN 8596547076025
DigiCat, 2022 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

I. Von dem Wesen der Fabel
II. Von dem Gebrauche der Tiere in der Fabel
III. Von der Einteilung der Fabeln
IV. Von dem Vortrage der Fabeln
V. Von einem besondern Nutzen der Fabeln in den Schulen
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Inhalt:   I. Von dem Wesen der Fabel  II. Von dem Gebrauche der Tiere in der Fabel III. Von der Einteilung der Fabeln  IV. Von dem Vortrage der Fabeln   V. Von einem besondern Nutzen der Fabeln in den Schulen

I. Von dem Wesen der Fabel

Inhaltsverzeichnis

Jede Erdichtung, womit der Poet eine gewisse Absicht verbindet, heißt seine Fabel. So heißt die Erdichtung, welche er durch die Epopee, durch das Drama herrschen läßt, die Fabel seiner Epopee, die Fabel seines Drama.

Von diesen Fabeln ist hier die Rede nicht. Mein Gegenstand ist die sogenannte (aesopische) Fabel. Auch diese ist eine Erdichtung, eine Erdichtung, die auf einen gewissen Zweck abzielet.

Man erlaube mir, gleich anfangs einen Sprung in die Mitte meiner Materie zu tun, um eine Anmerkung daraus herzuholen, auf die sich eine gewisse Einteilung der aesopischen Fabel gründet, deren ich in der Folge zu oft gedenken werde und die mir so bekannt nicht scheinet, daß ich sie, auf gut Glück, bei meinen Lesern voraussetzen dürfte.

Aesopus machte die meisten seiner Fabeln bei wirklichen Vorfällen. Seine Nachfolger haben sich dergleichen Vorfälle meistens erdichtet oder auch wohl an ganz und gar keinen Vorfall, sondern bloß an diese oder jene allgemeine Wahrheit, bei Verfertigung der ihrigen, gedacht. Diese begnügten sich folglich, die allgemeine Wahrheit, durch die erdichtete Geschichte ihrer Fabel, erläutert zu haben; wenn jener noch über dieses die Ähnlichkeit seiner erdichteten Geschichte mit dem gegenwärtigen wirklichen Vorfalle faßlich machen und zeigen mußte, daß aus beiden, sowohl aus der erdichteten Geschichte als dem wirklichen Vorfalle, sich ebendieselbe Wahrheit bereits ergebe oder gewiß ergeben werde.

Und hieraus entspringt die Einteilung in (einfache) und (zusammengesetzte) Fabeln.

(Einfach) ist die Fabel, wenn ich aus der erdichteten Begebenheit derselben bloß irgendeine allgemeine Wahrheit folgern lasse.—"Man machte der Löwin den Vorwurf, daß sie nur ein Junges zur Welt brächte. Ja, sprach sie, nur eines, aber einen Löwen."[1]—Die Wahrheit, welche in dieser Fabel liegt, oti to kalon ouk en plhJei, all' aerth, leuchtet sogleich in die Augen; und die Fabel ist (einfach), wenn ich es bei dem Ausdrucke dieses allgemeinen Satzes bewenden lasse.

{Fussnote 1: Fabul. Aesop. 216. Edit. Hauptmannianae.}

(Zusammengesetzt) hingegen ist die Fabel, wenn die Wahrheit, die sie uns anschauend zu erkennen gibt, auf einen wirklich geschehenen oder doch als wirklich geschehen angenommenen Fall weiter angewendet wird. —"Ich mache, sprach ein höhnischer Reimer zu dem Dichter, in einem Jahre sieben Trauerspiele, aber du? In sieben Jahren eines! Recht, nur eines! versetzte der Dichter, aber eine (Athalie)!"—Man mache dieses zur Anwendung der vorigen Fabel, und die Fabel wird (zusammengesetzt). Denn sie besteht nunmehr gleichsam aus zwei Fabeln, aus (zwei) einzeln Fällen, in welchen beiden ich die Wahrheit ebendesselben Lehrsatzes bestätiget finde.

Diese Einteilung aber—kaum brauche ich es zu erinnern—beruhet nicht auf einer wesentlichen Verschiedenheit der Fabeln selbst, sondern bloß auf der verschiedenen Bearbeitung derselben. Und aus dem Exempel schon hat man es ersehen, daß ebendieselbe Fabel bald (einfach), bald (zusammengesetzt) sein kann. Bei dem (Phaedrus) ist die Fabel (von dem kreisenden Berge) eine (einfache) Fabel.

—- Hoc scriptum est tibi, Qui magna cum minaris, extricas nihil.

Ein jeder, ohne Unterschied, der große und fürchterliche Anstalten einer Nichtswürdigkeit wegen macht, der sehr weit ausholt, um einen sehr kleinen Sprung zu tun, jeder Prahler, jeder vielversprechende Tor, von allen möglichen Arten, siehet hier sein Bild! Bei unserm (Hagedorn) aber wird ebendieselbe Fabel zu einer (zusammengesetzten) Fabel, indem er einen gebärenden schlechten Poeten zu dem besondern Gegenbilde des kreisenden Berges macht.

Ihr Götter rettet! Menschen flieht! Ein schwangrer Berg beginnt zu kreisen, Und wird itzt, eh man sich's versieht, Mit Sand und Schollen um sich schmeißen etc. ———- Suffenus schwitzt und lärmt und schäumt: Nichts kann den hohen Eifer zähmen; Er stampft, er knirscht; warum? er reimt, Und will itzt den Homer beschämen etc. ———- Allein gebt acht, was kömmt heraus? Hier ein Sonett, dort eine Maus.

Diese Einteilung also, von welcher die Lehrbücher der Dichtkunst ein tiefes Stillschweigen beobachten, ohngeachtet ihres mannigfaltigen Nutzens in der richtigern Bestimmung verschiedener Regeln: diese Einteilung, sage ich, vorausgesetzt, will ich mich auf den Weg machen. Es ist kein unbetretener Weg. Ich sehe eine Menge Fußtapfen vor mir, die ich zum Teil untersuchen muß, wenn ich überall sichere Tritte zu tun gedenke. Und in dieser Absicht will ich sogleich die vornehmsten Erklärungen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel gegeben haben.

De La Motte

Dieser Mann, welcher nicht sowohl ein großes poetisches Genie als ein guter, aufgeklärter Kopf war, der sich an mancherlei wagen und überall erträglich zu bleiben hoffen durfte, erklärt die Fabel durch eine unter die Allegorie einer Handlung versteckte Lehre [1].

{Fussnote 1: La Fable est une instruction deguisée sous l'allegorie d'une action. Discours sur la fable.}

Als sich der Sohn des stolzen Tarquinius bei den Gabiern nunmehr festgesetzt hatte, schickte er heimlich einen Boten an seinen Vater und ließ ihn fragen, was er weiter tun solle? Der König, als der Bote zu ihm kam, befand sich eben auf dem Felde, hub seinen Stab auf, schlug den höchsten Mahnstängeln die Häupter ab und sprach zu dem Boten: Geh, und erzähle meinem Sohne, was ich itzt getan habe! Der Sohn verstand den stummen Befehl des Vaters und ließ die Vornehmsten der Gabier hinrichten. [2]—Hier ist eine allegorische Handlung—hier ist eine unter die Allegorie dieser Handlung versteckte Lehre: aber ist hier eine Fabel? Kann man sagen, daß Tarquinius seine Meinung dem Sohne durch eine Fabel habe wissen lassen? Gewiß nicht!

{Fussnote 2: Florus. lib. I. cap. 7.}

Jener Vater, der seinen uneinigen Söhnen die Vorteile der Eintracht an einem Bündel Ruten zeigte, das sich nicht anders als stückweise zerbrechen lasse, machte der eine Fabel? [3]

{Fussnote 3: Fabul. Aesop. 171.}

Aber wenn ebenderselbe Vater seinen uneinigen Söhnen erzählt hätte, wie glücklich drei Stiere, solange sie einig waren, den Löwen von sich abhielten und wie bald sie des Löwen Raub wurden, als Zwietracht unter sie kam und jeder sich seine eigene Weide suchte [4]: alsdenn hätte doch der Vater seinen Söhnen ihr Bestes in einer Fabel gezeigt? Die Sache ist klar.

{Fussnote 4: Fab. Aesop. 297.}

Folglich ist es ebenso klar, daß die Fabel nicht bloß eine allegorische Handlung, sondern die Erzählung einer solchen Handlung sein kann. Und dieses ist das erste, was ich wider die Erklärung des de La Motte zu erinnern habe.

Aber was will er mit seiner Allegorie?—Ein so fremdes Wort, womit nur wenige einen bestimmten Begriff verbinden, sollte überhaupt aus einer guten Erklärung verbannt sein.—Und wie, wenn es hier gar nicht einmal an seiner Stelle stünde? Wenn es nicht wahr wäre, daß die Handlung der Fabel an sich selbst allegorisch sei? Und wenn sie es höchstens unter gewissen Umständen nur werden könnte?

Quintilian lehret: Allhgoria, quam Inversionem interpretamur, aliud verbis, aliud sensu ostendit, ac etiam interim contrarium [5]. Die Allegorie sagt das nicht, was sie nach den Worten zu sagen scheinet, sondern etwas anders. Die neuern Lehrer der Rhetorik erinnern, daß dieses etwas andere auf etwas anderes Ähnliches einzuschränken sei, weil sonst auch jede Ironie eine Allegorie sein würde [6]. Die letztern Worte des Quintilians, ac etiam interim contrarium, sind ihnen hierin zwar offenbar zuwider, aber es mag sein.

{Fussnote 5: Quinctilianus lib. VIII. cap. 6.}

{Fussnote 6: Allegoria dicitur, quia allo men agoreuei, allo de noei. Et istud allo restringi debet ad aliud simile, alias etiam omnis Ironia Allegoria esset.}

Die Allegorie sagt also nicht, was sie den Worten nach zu sagen scheinet, sondern etwas Ähnliches. Und die Handlung der Fabel, wenn sie allegorisch sein soll, muß das auch nicht sagen, was sie zu sagen scheinet, sondern nur etwas Ähnliches?