Acht Schritte zum Glück - Neuausgabe - Geshe Kelsang Gyatso - E-Book

Acht Schritte zum Glück - Neuausgabe E-Book

Geshe Kelsang Gyatso

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Beschreibung

Dieses inspirierende Buch erläutert, wie wir über acht wunderschöne Verse meditieren, die eine der beliebtesten Lehren des Buddhismus beinhalten: Acht Verse der Geistesschulung. Sie haben nahezu tausend Jahre lang Generationen von buddhistischen Praktizierenden inspiriert. Dieses kurze, vom großen tibetischen Bodhisattva Geshe Langri Tangpa verfasste Gedicht zeigt auf, wie wir alle Schwierigkeiten des Lebens in wertvolle spirituelle Einsichten verwandeln können. Der Ehrwürdige Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche zeigt praktische Methoden auf, wie wir diese zeitlose Weisheit nutzen können, um in unserem geschäftigen, modernen Leben Sinn und anhaltendes Glück zu entdecken.

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Seitenzahl: 392

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Acht Schritte zum Glück 

Neuausgabe

Über den Autor

Der Ehrwürdige Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche ist ein vollkommen verwirklichter Meditationsmeister und international bekannter Lehrer des Buddhismus, der den Weg für die Einführung des modernen Buddhismus in unsere heutige Zeit bereitet hat. Er ist der Autor von 22 hoch angesehenen Büchern, die die alte Weisheit des Buddhismus in vollkommener Weise in unsere moderne Welt übertragen. Des Weiteren ist er der Gründer von über 1.200 Zentren und Gruppen des Kadampa Buddhismus auf der ganzen Welt.

Ehrwürdiger Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche

Acht Schritte zum Glück Neuausgabe

DER BUDDHISTISCHE WEG DER LIEBEVOLLEN GÜTE

THARPA VERLAG

DEUTSCHLAND • SCHWEIZ

Originaltitel: The New Eight Steps to Happiness

Erstveröffentlichung: 2000, zweite Auflage 2012, dritte vollständig überarbeitete Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich gescchützt. Jede Reproduktion ist unzulässig, außer zur Verwendung kurzer Passagen für privates Studium, Forschung und Buchbesprechungen.

Herausgeber:

Tharpa Verlag Deutschland, ein Teil des

Dipankara Kadampa Meditationszentrum e.V. (VR 33517 B)

Chausseestraße 108

10115 Berlin

Der Tharpa Verlag hat überall auf der Welt Niederlassungen und Tharpa Bücher werden in den gängigsten Sprachen veröffentlicht.

Kontaktadressen siehe hier

© Neue Kadampa Tradition – Internationale Union des Kadampa Buddhismus 2000, 2012

Das Bild auf dem Bucheinband zeigt Buddha Tara und die Titelbilder zeigen Buddha Amitabha und Bodhisattva Langri Tangpa

Satz: Tharpa Verlag Deutschland

ISBN - 978-3-947058-04-4

ISBN Kindle - 978-3-947058-05-1

ISBN ePub 978-3-947058-06-8

Druck: Bell & Bain, Glasgow, GB

Inhaltsverzeichnis
Cover
Über den Autor
Inhaltsverzeichnis
Abbildungen
Danksagung
Einleitung
Bodhisattva Langri Tangpa
Die herausragenden Eigenschaften dieser Anleitungen
Die vorbereitenden Übungen
Lernen, andere wertzuschätzen
Wertschätzende Liebe vertiefen
Austauschen vom Selbst mit anderen
Großes Mitgefühl
Wünschende Liebe
Die Niederlage annehmen und den Sieg anbieten
Nehmen und Geben
Der kostbare Geist des Bodhichitta
Schulung in endgültigem Bodhichitta
Wie wir die Praxis dieser Anleitungen integrieren
Widmung
Anhang I Der Urtext: Acht Verse der Geistesschulung
Anhang II Die zusammengefasste Bedeutung des Kommentars
Anhang III Sadhanas
Glossar
Bibliographie
Studienprogramme des Kadampa Buddhismus
Tharpa Niederlassungen weltweit
Kadampa Tempel für den Weltfrieden

Abbildungen

Die Abbildungen zeigen die Überlieferungsliniengurus der Stufen des Pfades zur Erleuchtung 

Buddha Shakyamuni

Maitreya

Asanga

Vasubandhu

Manjushri

Nagarjuna

Chandrakirti

Vajradhara

Tilopa

Naropa

Atisha

Dromtönpa

Geshe Potowa

Je Tsongkhapa

Jampel Gyatso

Khädrubje

Je Phabongkhapa

Vajradhara Trijang Rinpoche

Ehrwürdiger Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche

Danksagung

Dieses Buch Acht Schritte zum Glück ist ein ausführlicher und praktischer Kommentar zu dem hochgeschätzten Gedicht des Mahayana Buddhismus Acht Verse der Geistesschulung, das von Bodhisattva Langri Tangpa (1054-1123 n. Chr.) verfasst wurde. Das Gedicht legt die essenziellen Methoden dar, mit denen wir allumfassende Liebe und Mitgefühl entwickeln, und dies in einer Weise, die Generationen von Übenden nahezu tausend Jahre lang inspiriert hat.

Das Buch beruht auf den Mitschriften zweier Reihen münd­licher Unterweisungen, die der Autor am Manjushri Kadampa Meditationszentrum gegeben hat. Die Mitschriften wurden vom Autor sorgfältig überprüft und während intensiver redak­tioneller Retreats in den Jahren 1998 und 1999 substanziell erweitert.

Wir danken dem Ehrwürdigen Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche für seine große Güte, diesen Kommentar vorbereitet zu haben, der die volle Bedeutung dieses berühmten Textes zum Wohle aller in der ganzen Welt zum Leben erweckt. Die Kraft und Klarheit des Kommentars zeigen deutlich, dass der Autor über ein Thema schreibt, das er selbst vollkommen verwirklicht hat.

Wir möchten außerdem all jenen langjährigen Dharma Schülern danken, die dem Autor bei der Herausgabe dieses Buches geholfen und das endgültige Manuskript für die Veröffentlichung vorbereitet haben.

Roy Tyson

Administrative Director

Manjushri Kadampa Meditation Centre

August 1999

Buddha Shakyamuni

Einleitung

Jeder, ob religiös oder nichtreligiös, sucht die ganze Zeit nach Glück und möchte dauerhaft frei von Problemen und Leiden sein. Diese Wünsche können wir erfüllen, indem wir die Anleitungen, die in diesem Buch gegeben werden, verstehen und umsetzen.

Dieses Buch beruht auf dem berühmten Text Acht Verse der Geistesschulung (Lojong Tsig Gyema auf Tibetisch), die von Bodhisattva Langri Tangpa verfasst wurden, einem buddhistischen Meister aus dem Tibet des elften Jahrhunderts. Obwohl dieser bemerkenswerte Text nur acht Vierzeiler umfasst, enthüllt er den Kern des buddhistischen Pfades zur Erleuchtung, indem er aufzeigt, wie wir unseren Geist von seinem gegenwärtig verwirrten und egozentrischen Zustand in die vollkommene Weisheit und das vollkommene Mitgefühl eines erleuchteten Buddha umwandeln können.

Jedes Lebewesen hat das Potenzial ein Buddha zu werden, jemand, der seinen oder ihren Geist von allen Fehlern und Beschränkungen vollkommen gereinigt und alle guten Eigenschaften zur Vollendung gebracht hat. Unser Geist gleicht einem bewölkten Himmel, der in seiner Essenz klar und rein, aber von den Wolken der Verblendungen bedeckt ist. So wie sich die dichtesten Wolken schließlich auflösen, so können sogar die schlimmsten Verblendungen aus unserem Geist entfernt werden. Verblendungen wie Hass, Gier und Unwissenheit sind kein innewohnender Bestandteil des Geistes. Wenden wir die geeigneten Methoden an, so können wir sie vollkommen beseitigen und wir werden das höchste Glück der vollen Erleuchtung erleben.

Jeder möchte glücklich sein und niemand möchte leiden, doch nur sehr Wenige verstehen, was die wirkliche Ursache von Glück und was die wirkliche Ursache von Leiden ist. Wir neigen dazu, das Glück außerhalb von uns zu suchen und denken, dass wir wahrhaft glücklich wären, wenn wir nur das richtige Haus, das richtige Auto, den richtigen Beruf und die richtigen Freunde hätten, die wir mögen. Wir verbringen fast unsere ganze Zeit damit, zu versuchen die äußere Welt so zurechtzubiegen, dass sie unseren Wünschen entspricht. Unser ganzes Leben lang haben wir versucht, uns mit Menschen und Dingen zu umgeben, die uns ein angenehmes, sicheres oder aufregendes Gefühl geben, und doch haben wir kein reines und anhaltendes Glück gefunden. Selbst wenn es uns gelingt, unsere Wünsche zu erfüllen, so dauert es nicht lange, bis sich unsere Wünsche erneut ändern und wir etwas anderes begehren. Es mag sein, dass wir unser Traumhaus finden, doch ein paar Monate später haben wir das Gefühl, wir bräuchten eine größere Küche, ein weiteres Schlafzimmer oder einen größeren Garten, und wir spielen mit dem Gedanken umzuziehen. Vielleicht treffen wir auch den «perfekten» Partner, verlieben uns und ziehen zusammen. Anfangs scheint unser Partner der wunderbarste Mensch auf Erden zu sein, aber schon bald sehen wir Fehler in ihm oder ihr. Wir stellen fest, dass wir nicht mehr verliebt sind und bald schauen wir uns nach jemand anderem um, der unsere Wünsche erfüllt.

Zu allen Zeiten waren Menschen bestrebt, ihre äußeren Umstände zu verbessern, doch trotz all unserer Anstren­gungen sind wir nicht glücklicher geworden. Wenn man die materielle Entwicklung betrachtet, dann trifft es zu, dass viele Länder Fortschritte machen. Die Technik entwickelt sich ständig weiter und das Wissen über die Welt hat drastisch zugenommen. Wir wissen so vieles, was wir vorher nicht wussten, und können vieles tun, wovon wir nicht einmal geträumt haben. Vordergründig scheint es so, als würde sich unsere Welt verbessern. Doch wenn wir genauer hinschauen, dann stellen wir fest, dass es heute viele Probleme gibt, die es früher nicht gab. Furchtbare Waffen wurden erfunden, unsere Umwelt wird vergiftet und neue Krankheiten treten auf. Sogar einfache Freuden wie essen oder sonnenbaden werden immer gefährlicher.

Das ungehemmte Streben nach dem Glück aus äußeren Quellen hat zur Folge, dass unser Planet zerstört und unser Leben komplizierter und unzufriedener wird. Es ist an der Zeit, dass wir Glück aus einer anderen Quelle suchen. Glück ist ein Teil des Geistes, der inneren Frieden, oder geistigen Frieden, erlebt. Deshalb muss die wirkliche Quelle des Glücks innerhalb des Geistes liegen, nicht in äußeren Bedingungen. Ist unser Geist rein und friedvoll, dann werden wir glücklich sein, ungeachtet unserer äußeren Umstände. Ist er jedoch nicht rein und friedvoll, so werden wir nie glücklich sein, ganz gleich wie sehr wir auch versuchen, unsere äußeren Umstände zu ändern. Wir könnten unseren Wohnort oder unseren Partner unzählige Male ändern, doch werden wir nie wirkliches Glück finden, solange wir nicht unseren ruhelosen, unzufriedenen Geist ändern.

Müssen wir über raues und dorniges Gelände laufen, dann könnten wir unsere Füße schützen, indem wir den ganzen Boden mit Leder bedecken, doch das wäre ziemlich unpraktisch. Wir können dasselbe sehr viel einfacher erreichen: wir bedecken unsere Füße. In gleicher Weise können wir, wenn wir uns vor Leiden schützen wollen, entweder versuchen die äußeren Umstände zu ändern, sodass sie unseren Wünschen entsprechen, oder wir können unseren Geist ändern. Bisher haben wir versucht die äußeren Umstände zu ändern, doch das hat offensichtlich nicht funktioniert. Nun müssen wir unseren Geist ändern.

Der erste Schritt, unseren Geist zu ändern, ist, zu erkennen, welche Geisteszustände Glück hervorbringen und welche Leiden hervorbringen. Geisteszustände, die den Frieden des Geistes fördern und zu Glück führen, werden «tugendhafte Geistesarten» genannt, während jene, die den Frieden des Geistes zerstören und zu Leiden führen, «Verblendungen» genannt werden. Wir haben viele unterschiedliche Arten von Verblendungen wie unkontrolliertes Begehren, auch als begehrende Anhaftung bekannt, Wut, Neid, Stolz, Faulheit und Unwissenheit. Diese sind als «innere Feinde» bekannt, weil sie unseren inneren Frieden, unser Glück, von innen heraus kontinuierlich zerstören. Ihre einzige Funktion ist es, uns zu schaden.

Verblendungen sind eine verzerrte Weise, uns selbst, andere Menschen und die Welt um uns herum zu betrachten. Die Art und Weise, wie ein verblendeter Geist diese Phänomene wahrnimmt, stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein. Der verblendete Geisteszustand des Hasses betrachtet zum Beispiel andere Menschen als an sich schlecht, doch so etwas wie einen an sich schlechten Menschen gibt es nicht. Begehrende Anhaftung betrachtet andererseits ihr Objekt des Begehrens als an sich gut und als wahre Quelle des Glücks. Haben wir das heftige Verlangen, Schokolade zu essen, dann erscheint Schokolade an sich als begehrenswert. Haben wir aber zu viel davon gegessen und es wird uns schlecht, dann scheint sie nicht länger begehrenswert zu sein, sondern vielleicht sogar widerwärtig. Dies zeigt, dass Schokolade an sich weder begehrenswert noch widerwärtig ist. Es ist der Geist der Anhaftung, der alle möglichen begehrenswerten Eigenschaften auf sie projiziert und sich dann darauf bezieht, als hätte sie wirklich diese Eigenschaften.

Alle Verblendungen funktionieren in dieser Weise. Sie projizieren ihre eigene verzerrte Version der Wirklichkeit auf die Welt und beziehen sich dann auf diese Projektion, als wäre sie wahr. Wenn unser Geist unter dem Einfluss von Verblendungen ist, sind wir nicht in Berührung mit der Realität und halluzinieren gewissermaßen. Da unser Geist die ganze Zeit von zumindest subtilen Formen der Verblendungen beeinflusst wird, ist es nicht verwunderlich, dass unser Leben so häufig voller Enttäuschungen ist. Es ist, als jagten wir fortwährend Trugbildern nach, nur um enttäuscht zu sein, wenn sie uns nicht die Befriedigung geben, die wir uns erhoffen.

Die Quelle aller Verblendungen ist ein verzerrtes Gewahr­sein, «Unwissenheit des Festhaltens am Selbst» genannt, das an Phänomenen als inhärent, oder unabhängig, existent festhält. In Wirklichkeit sind alle Phänomene in Abhängigkeit entstehende Phänomene, das bedeutet, dass ihre Existenz völlig von anderen Phänomenen abhängt, wie von ihren Ursachen, ihren Teilen und dem Geist, der sie erfasst. Objekte existieren nicht von ihrer eigenen Seite, nicht an sich oder aus sich heraus. Was sie sind, hängt davon ab, wie sie wahrgenommen werden. Unser Unvermögen, dies zu begreifen, ist der Ursprung all unserer Probleme.

Die Art des Festhaltens am Selbst, die uns am meisten schadet, ist das Festhalten an unserem eigenen Selbst, oder Ich, als inhärent, oder unabhängig, existent. Wir haben instinktiv das Gefühl, dass wir ein vollkommen wirkliches und objektives Selbst oder Ich haben, das unabhängig von allen anderen Phänomenen existiert, sogar unabhängig von unserem Körper und Geist. Eine Folge des Festhaltens an unserem Selbst als unabhängige, eine von der Welt und Anderen getrennte Wesenheit ist, dass wir Selbstwertschätzung entwickeln, einen Geist, der uns selbst als höchst wichtig betrachtet. Weil wir uns so stark wertschätzen, fühlen wir uns zu Menschen und Dingen hingezogen, die wir anziehend finden, möchten uns von Menschen und Dingen fernhalten, die wir abstoßend finden, und haben kein Interesse an Menschen und Dingen, die wir weder anziehend noch abstoßend finden. Auf diese Art und Weise werden begehrende Anhaftung, Wut und Gleichgültigkeit geboren. Da wir ein übertriebenes Gefühl unserer eigenen Bedeutung haben, haben wir das Gefühl, als würden unsere Interessen mit denen anderer kollidieren und dies wiederum führt zu Rivalität, Neid, Arroganz und Rücksichtslosigkeit ihnen gegenüber. Handeln wir unter dem Einfluss dieser und anderer Verblendungen, so werden wir uns destruktiv verhalten: wir töten, stehlen, üben sexuelles Fehlverhalten aus, lügen und sprechen in verletzender Weise. Die Folgen dieser negativen Handlungen sind Leiden für uns selbst und andere.

Obwohl unsere Verblendungen tief verwurzelt sind, sind sie kein innewohnender Teil unseres Geistes und können deshalb mit Sicherheit entfernt werden. Verblendungen sind lediglich schlechte geistige Angewohnheiten und können wie alle Angewohnheiten überwunden werden. Indem wir uns aufrichtig und stetig bemühen, mit konstruktiven Geistes­zuständen vertraut zu werden, können wir sogar die hartnäckigsten Verblendungen beseitigen und sie durch entgegengesetzte Tugenden ersetzen. Wir können zum Beispiel unsere Wut verringern, indem wir unseren Geist mit Geduld und Liebe vertraut machen, unsere Anhaftung verringern, indem wir unseren Geist mit Nichtanhaftung vertraut machen, und unseren Neid verringern, indem wir uns am Glück anderer erfreuen.

Um Verblendungen jedoch vollständig zu beseitigen, müssen wir ihre Wurzel zerstören – den Geist des Festhaltens am Selbst. Um dies zu tun, müssen wir unseren Geist mit der wahren Natur der Wirklichkeit, oder endgültigen Wahrheit, vertraut machen. Dies wird ausführlich im Kapitel über Schulung in endgültigem Bodhichitta erklärt. Wenn wir das Festhalten am Selbst zerstören, hören alle anderen Verblendungen ganz natürlich auf, so wie die Blätter und Äste eines Baumes absterben, wenn wir seine Wurzeln zerstören. Haben wir unsere Verblendungen erst einmal vollkommen beseitigt, so wird es völlig unmöglich sein, dass wir unfriedliche Geisteszustände erleben. Da wir nicht länger die inneren Ursachen des Leidens in uns tragen, werden die äußeren Ursachen des Leidens wie Krankheit oder Tod keine Macht mehr haben, unseren Geist zu stören. Diese dauerhafte Beendigung der Verblendungen und des Leidens ist als «Befreiung» oder «Nirvana» auf Sanskrit bekannt.

Obwohl die eigene Befreiung von Leiden eine großartige Erlangung ist, ist sie unzureichend. Wir sind kein isoliertes Individuum, sondern Teil der Familie aller Lebewesen. Alles was wir besitzen, alles was uns erfreut, alle unsere Gelegenheiten für spirituelle Entwicklung und sogar unseren Körper verdanken wir der Güte anderer. Würden wir unserem eigenen Leiden entfliehen und dann alle anderen ihrem Schicksal überlassen wollen? Dann wären wir wie ein junger Mann, der mit seinen alten Eltern in Gefangenschaft gerät, seine eigene Flucht organisiert, jedoch seine Eltern zurücklässt. So jemand hätte unsere Bewunderung nicht verdient. Wir müssen uns definitiv bemühen, uns aus dem geistigen Gefängnis unserer verblendeten Geisteszustände zu befreien, doch unser endgültiges Ziel muss es sein, allen anderen zu helfen, dasselbe zu tun.

Folglich ist unser endgültiges Ziel das Erlangen der vollen Erleuchtung, oder Buddhaschaft. Das Sanskritwort «Buddha» bedeutet «der Erwachte» und bezieht sich auf jeden, der aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht und frei ist vom Traum fehlerhafter Erscheinung. Da gewöhnliche Wesen wie wir noch nicht aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht sind, leben wir weiterhin in einer traumähnlichen Welt fehlerhafter Erscheinungen und sehen nicht die wahre Natur der Dinge. Das ist der Hauptgrund, weshalb wir Leiden erleben und anderen nur bedingt helfen können. Buddhas haben allwissende Weisheit erlangt und die grenzenlose Fähigkeit, allen Lebewesen zu helfen, indem sie alle Spuren der Dunkelheit der Unwissenheit vollständig aus ihrem Geist entfernt haben.

Ihr grenzenloses und allumfassendes Mitgefühl gibt den Buddhas die Energie, ohne Unterlass für das Wohl anderer zu arbeiten. Sie verstehen die wirklichen Ursachen des Glücks und des Leidens und wissen genau, wie sie Lebewesen im Einklang mit ihren individuellen Bedürfnissen und Nei­gungen helfen können. Buddhas haben die Kraft, den Geist aller Lebe­wesen zu segnen, sodass sie inneren Frieden erleben können, und die Fähigkeit, unzählige Formen zum Wohle anderer auszustrahlen. Doch die wirksamste Art und Weise, wie Buddhas Lebe­wesen helfen, besteht darin, sie zu lehren, ihren Geist zu zähmen und dem spirituellen Pfad zur Befreiung und Erleuchtung zu folgen.

Der Gründer des Buddhismus in dieser Welt war Buddha Shakyamuni. Nachdem er Erleuchtung erlangt hatte, gab Buddha vierundachtzigtausend Unterweisungen, die allesamt Ratschläge sind, wie wir Verblendungen bändigen und überwinden, indem wir tugendhafte Geisteszustände entwickeln. Buddhas Lehren sowie die inneren Verwirklichungen, die durch das Umsetzen dieser Lehren erlangt werden, sind als «Dharma» bekannt.

Bodhisattva Langri Tangpa hat in dem Text, auf dem dieses Buch beruht, die Essenz des Buddhadharma in acht kurzen Versen zusammen­gefasst. Denken wir über die Bedeutung dieser Verse nach, so werden wir sehen, dass sie einen schritt­weisen Pfad zu vollkommenem inneren Frieden und Glück enthalten. Setzen wir diese Lehren aufrichtig um, dann werden wir unsere zerstörerischen und selbstbezogenen Geistes­haltungen allmählich besiegen und sie durch die positiven Geistes­arten der bedingungslosen Liebe und des Mitgefühls ersetzen. Insbesondere werden wir, indem wir den Anleitungen folgen, die im Kapitel über Schulung in endgültigem Bodhichitta dargelegt werden, die grundlegende Verblendung der Unwissenheit des Festhaltens am Selbst zusammen mit ihren Prägungen überwinden können und dadurch die Glückseligkeit der vollen Erleuchtung erfahren. Wenn wir die Anleitungen umsetzen, die in diesem Buch gegeben werden, werden wir die ganze Zeit einen friedvollen Geist entwickeln und bewahren, sodass wir die ganze Zeit glücklich sind. Dies ist die wirkliche Bedeutung, Glück aus einer anderen Quelle zu suchen.

Obwohl die Acht Verse vor über neunhundert Jahren geschrieben wurden, sind sie heute genauso relevant wie damals. Ob wir Buddhist sind oder nicht, jeder, der den aufrichtigen Wunsch hat, seine inneren Probleme zu überwinden und dauerhaften inneren Frieden und Glück zu erlangen, kann aus Langri Tangpas Rat Nutzen ziehen. Wie oben erwähnt ist Glück ein Teil des Geistes, der geistigen Frieden erfährt. Es existiert nicht außerhalb unseres Selbst. In ähnlicher Weise sind unsere Probleme und unser Leiden Teil des Geistes, der unangenehme Gefühle erlebt. Sie existieren nicht außerhalb von uns. Ist unser Auto kaputt, dann ist das ein äußeres Problem und wir müssen es lösen, indem wir äußere Methoden anwenden. Unsere Probleme sind jedoch innere Probleme und die müssen wir lösen, indem wir einen friedvollen Geist entwickeln und bewahren. Nur wenn Lebewesen einen friedvollen Geist haben, sind sie glücklich. Im Allgemeinen ist es so, dass sie von sich aus keine Kraft haben, einen friedvollen Geist zu entwickeln. Nur wenn ihr Geist Buddhas Segnungen empfängt, können sie einen friedvollen Geist entwickeln und bewahren. Deshalb ist Buddha die Quelle des Glücks aller Lebewesen.

WIEDERGEBURT UND KARMA

Unser Schlafen gleicht dem Tod, unser Träumen gleicht dem Zwischenzustand und unser Aufwachen gleicht der Wiedergeburt. Der Kreislauf dieser drei Zustände weist auf die Existenz zukünftiger Wiedergeburten hin. Da etwas Hintergrundwissen über Wiedergeburt und Karma hilfreich ist, um die in diesem Buch erklärten Hauptübungen zu verstehen, folgt nun eine kurze Einleitung in diese Themen.

Der Geist ist weder körperlich, noch ein Nebenprodukt körperlicher Prozesse, sondern ein formloses Kontinuum, das eine vom Körper getrennte Wesenheit ist. Wenn der Körper zum Zeitpunkt des Todes zerfällt, erlischt der Geist nicht. Unser oberflächlicher, bewusster Geist hört zwar auf, jedoch nur, weil er sich in eine tiefere Bewusstseinsebene auflöst, den sogenannten «sehr subtilen Geist». Das Kontinuum unseres sehr subtilen Geistes hat keinen Anfang und kein Ende und es ist dieser Geist, der sich, wenn völlig gereinigt, in den allwissenden Geist eines Buddha umwandelt.

Jede Handlung, die wir begehen, hinterlässt eine Prägung, oder ein Potenzial, in unserem sehr subtilen Geist, und jedes dieser karmischen Potenziale zeitigt schließlich seine eigene Auswirkung. Unser Geist gleicht einem Feld und unser Handeln gleicht dem Säen von Samen in dieses Feld. Positive oder tugendhafte Handlungen säen Samen für zukünftiges Glück und negative oder nichttugendhafte Handlungen säen die Samen für zukünftiges Leiden. Diese definitive Beziehung zwischen Handlungen und ihren Auswirkungen – Tugend führt zu Glück und Nichttugend zu Leiden – ist als «Gesetz des Karmas» bekannt. Das Gesetz des Karmas zu verstehen ist die Grundlage buddhistischer Ethik.

Nachdem wir gestorben sind, verlässt unser sehr subtiler Geist unseren Körper und tritt in den Zwischenzustand oder «Bardo» auf Tibetisch ein. In diesem subtilen, traumähnlichen Zustand erleben wir viele unterschiedliche Visionen, die aus den karmischen Potenzialen entstehen, die zum Zeitpunkt unseres Todes aktiviert wurden. Diese Visionen können angenehm oder furchterregend sein, abhängig vom Karma, das heranreift. Sind diese karmischen Samen erst einmal gänzlich gereift, dann zwingen sie uns in eine Wiedergeburt, ohne dass wir eine Wahl haben.

Es ist wichtig zu verstehen, dass wir uns als gewöhnliche samsarische Wesen unsere Wiedergeburt nicht aussuchen können, sondern allein in Übereinstimmung mit unserem Karma wiedergeboren werden. Reift gutes Karma heran, so werden wir in einem glücklichen Zustand wiedergeboren, entweder als Mensch oder Gott. Reift jedoch negatives Karma heran, so werden wir in einem niederen Zustand wiedergeboren, als Tier, hungriger Geist oder Höllenwesen. Es ist, als würden wir von den Winden unseres Karmas in unser zukünftiges Leben geweht, manchmal landen wir in höheren Wiedergeburten, manchmal in niederen.

Dieser ununterbrochene Kreislauf von Tod und Wieder­geburt, ohne Wahlmöglichkeit, wird «zyklische Existenz» oder «Samsara» auf Sanskrit genannt. Samsara gleicht einem Riesenrad, das uns manchmal nach oben in die drei höheren Bereiche bringt und manchmal nach unten in die drei niederen Bereiche. Die treibende Kraft des Rades von Samsara sind unsere verunreinigten, durch Verblendungen motivierten Handlungen und die Radnabe ist die Unwissenheit des Festhaltens am Selbst. Solange wir in diesem Rad bleiben, erleben wir den unaufhörlichen Kreislauf von Leiden und Unzufriedenheit und werden keine Gelegenheit haben, reines, dauerhaftes Glück zu erleben. Wenn wir jedoch den buddhistischen Pfad zur Befreiung und Erleuchtung umsetzen, so können wir das Festhalten am Selbst zerstören, uns dadurch vom Kreislauf unkontrollierter Wiedergeburt befreien und einen Zustand vollkommenen Friedens und vollkommener Freiheit erlangen. Dann werden wir anderen helfen können das Gleiche zu tun. Eine ausführliche Erklärung über Wiedergeburt und Karma findet sich in den Büchern Einführung in den Buddhismus und Freudvoller Weg.

Maitreya

Bodhisattva Langri Tangpa

Der Autor der Acht Verse der Geistesschulung ist der Meister, oder Geshe, des Kadampa Buddhismus, Bodhisattva Langri Tangpa. Seine Lebensgeschichte zu lesen und seine guten Eigenschaften zu kennen, wird uns helfen, Vertrauen in ihn zu entwickeln und die Authentizität der Acht Verse zu schätzen. Dies wiederum wird unsere Entschlossenheit stärken, diese Anleitungen umzusetzen.

Bodhisattva Langri Tangpa wurde im elften Jahrhundert n. Chr. in Zentraltibet geboren. Sein wirklicher Name war Dorje Senge, bekannt wurde er jedoch unter dem Namen Langri Tangpa, nach Lang Tang, der Gegend, in der er lebte. Er war ein Schüler von Geshe Potowa, der einer der Hauptschüler des buddhistischen Meisters Atisha war, der den Kadampa Buddhismus in Tibet gründete.

Geshe Potowa war in ganz Tibet als großer Gelehrter angesehen, der für andere Praktizierende ein makelloses Vorbild war, indem er den Schwerpunkt seiner Praxis auf Bodhichitta legte, den altruistischen Geist der Erleuchtung. Er verfasste viele tiefgründige Schriften des Kadampa Buddhismus, insbesondere einen Text namens Die Schrift der Beispiele, in dem er anhand von Alltagserfahrungen die Bedeutung des Dharma veranschaulichte. In diesem Text erzählt er die Geschichte eines Diebes, der in ein Haus einbrach, ein Fass Chang, oder tibetisches Bier, fand und sich dann betrank. Die Familie erwachte von seinem Gesang: «Wie glücklich bin ich, dass ich vom Mund des Fasses Chang trinken kann, doch noch viel schöner wäre es, wenn ich vom Boden des Fasses trinken würde!» Geshe Potowa nahm den Gesang des Diebes als Gleichnis und änderte die Worte wie folgt: «Wie glücklich sind wir, dass wir Dharma mit dem Mund praktizieren, doch noch viel schöner wäre es, wenn wir aus der Tiefe unseres Herzens praktizieren würden!» Ein tibetisches Sprichwort besagt, dass die Schüler Geshe Potowas so zahlreich wie die Sterne am Himmel waren und dass seine zwei Hauptschüler Geshe Langri Tangpa und Geshe Sharawa wie Sonne und Mond waren.

Bodhisattva Langri Tangpa wurde in ganz Tibet als heiliger Mann verehrt und er wurde von vielen großen Meditierenden als Emanation Buddha Amitabhas betrachtet. Obwohl er von anderen als etwas Besonderes angesehen wurde, blieb er immer bescheiden und hielt andere für wichtig und des Respekts würdig. Reichtum, Ansehen und andere weltliche Erlangungen waren ihm vollkommen gleichgültig und er lebte viele Jahre in Armut, fast wie ein Bettler. In seinem Inneren jedoch beschäftigte er sich mit der Übung, die als «die Niederlage annehmen und anderen den Sieg anbieten» bekannt ist, indem er alle Schwierigkeiten und widrigen Umstände, die ihm begegneten, freudig annahm und sein Glück und seine guten Bedingungen anderen anbot. Seine Bereitwilligkeit, mit der er Armut und Entbehrung annahm, war für andere spirituell Praktizierende ein gutes Vorbild.

Bodhisattva Langri Tangpas Auftreten war ganz anders als das der meisten Menschen. Wir neigen dazu, uns allzu sehr zu sorgen ob andere uns mögen und bemühen uns deshalb stets einen heiteren Ausdruck zu zeigen, ganz gleich, wie wir uns innerlich fühlen. Langri Tangpa war das Gegenteil. Seine Miene war immer so streng und ernst, dass er den Spitznamen «der Grimmige» erhielt. Sein Assistent sagte einmal zu ihm: «Die anderen nennen dich ‹der Grimmige›. Es wäre gut, wenn du ab und zu lächeln und sanft zu ihnen sprechen würdest, wenn sie kommen, um Segnungen von dir zu empfangen.» Langri Tangpa antwortete: «Es stimmt, was du sagst, doch fällt es mir schwer, irgendetwas in Samsara finden, worüber ich lächeln könnte. Jedes Mal, wenn ich jemanden sehe, denke ich an sein Leiden und anstatt zum Lachen ist mir zum Weinen zumute.» Aufgrund seines tiefen Mitgefühls für alle Lebewesen fiel es Langri Tangpa schwer zu lächeln. Es ist wichtig, das nicht falsch zu verstehen. Langri Tangpa war nicht unglücklich. Sein Mitgefühl und andere spirituelle Verwirklichungen beschützten ihn davor, sich je deprimiert zu fühlen, und sorgten dafür, dass er voller Freude war. Ihm war jedoch klar, dass es kein wahres Glück in Samsara gibt und dass wir uns nur noch fester an Samsara binden, wenn wir weltliche Freuden mit wahrem Glück verwechseln. Seine strenge Art forderte die Menschen heraus, sich mit ihrer tatsächlichen samsarischen Lage auseinanderzusetzen und spirituelle Pfade einzuschlagen.

Langri Tangpa lachte nur selten und wenn, dann war das so außergewöhnlich, dass sein Assistent es niederschrieb. So meditierte Langri Tangpa einmal in einer Höhle an einem Berghang mit Blick über einen Fluss. Es war mitten im Winter und der Fluss war vollständig zugefroren. Ein reisender Töpfer überquerte den Fluss, doch vollbeladen mit Töpfen, rutschte er immer wieder aus und Töpfe zerbrachen. Da der Töpfer wusste, dass sich Langri Tangpa irgendwo an diesem Hang aufhielt, rief er jedes Mal, wenn er ausrutschte: «O Langri Tangpa, Grimmiger!», so wie manche Menschen im Westen in ähnlichen Situationen rufen: «O Gott!» oder «O Jesus!». Langri Tangpa hörte das und er fand es so lustig, dass er lachen musste.

Ein anderes Mal, nachdem ihm ein großer Türkis dargebracht worden war, sah Langri Tangpa eine Maus, die versuchte, diesen von seinem Meditationstisch zu stehlen. Da sie den Stein nicht bewegen konnte, verschwand die Maus und kam mit vier anderen Mäusen zurück. Die erste Maus, die kleinste von ihnen, legte sich auf den Rücken und die anderen Mäuse schoben den Türkis auf ihren Bauch. Jede von ihnen fasste an eine Pfote und indem sie schoben und zogen, gelang es ihnen, den Türkis bis zu ihrem Mauseloch zu schleifen. Als sie jedoch dort ankamen, mussten sie feststellen, dass der Stein für das Loch zu groß war, und so mussten sie ihn zurücklassen. Langri Tangpa fand das so amüsant, dass er laut lachte.

Trotz seiner strengen Erscheinung verstanden die Leute allmählich aufgrund seiner Handlungen, dass die wirkliche Natur Bodhisattvas Langri Tangpas außergewöhnlich war. Da sie ihn als heiliges Wesen betrachteten, brachten sie ihm viele Gaben dar, doch sobald ihm etwas gegeben wurde, brachte er es sofort seinem spirituellen Meister Geshe Potowa und dessen Schülerschaft dar. Kurz bevor Geshe Potowa starb, versprach Langri Tangpa ihm zwei Dinge: seinen ganzen Besitz wegzugeben und nie lange an einem Ort zu bleiben. Ab dann gab er, wann immer er an einen neuen Ort zog, seine gesamte angesammelte Habe weg und zog mit leeren Händen weiter. Indem er Armut glücklich annahm und fortwährend Großzügigkeit übte, sammelte Langri Tangpa eine riesige Menge von Verdiensten an. Als Folge all dieser Verdienste erhielt er später in seinem Leben so viele Darbringungen, dass er ein großes Kloster gründen, zweitausend Mönche unterstützen und vielen Armen helfen konnte. Ohne irgendwelchen Geschäften nachzugehen oder sich um Reichtum zu bemühen, wurde er dennoch reich, einfach durch das Ansammeln von Verdiensten. Jeden Monat gab er alles weg, was er besaß, doch im darauffolgenden Monat wurde ihm sogar mehr gegeben! Obwohl Langri Tangpas Großzügigkeit ihn anfangs arm machte, machten ihn die Verdienste, die er durch seine Praxis des Gebens ansammelte, später sehr vermögend.

Langri Tangpa war auch ein großer Gelehrter und Prak­tizierender. Seine Hauptübungen waren das Austauschen vom Selbst mit anderen, die Niederlage annehmen und den Sieg anbieten sowie Bodhichitta. Alle diese Übungen werden in diesem Buch erklärt. Indem er andere in diesen Übungen unterwies, führte er Tausende von Schülern zur Erleuchtung. Selbst die Gegend Lang Tang, in der er lebte, wurde durch seine Anwesenheit gesegnet, sodass die örtliche Bevölkerung friedvoll und freundlich wurde und die Tiere und Vögel in Harmonie lebten. Er hatte außerdem eine besondere Fähigkeit, Krankheiten zu heilen und Hindernisse zu beseitigen, und einmal konnte er sogar das Leben vieler Menschen beschützen, indem er ein gefährliches Hochwasser zurückgehen ließ.

Langri Tangpa übte unaufhörlich die Praxis, die Niederlage anzunehmen und anderen den Sieg anzubieten, sowohl in seinen Meditationen als auch im Alltag. Eines Tages gebar eine junge Frau, die in der Nähe lebte, ein Mädchen, das schwer krank wurde. Ihr erstes Kind hatte sie bereits verloren und aus Angst, dass auch dieses Kind sterben würde, fragte sie ihre Mutter, was sie tun könne. Ihre Mutter riet ihr, ihre Tochter Geshe Langri Tangpa zu geben, dies sei der einzige Weg, sie zu retten. «Aber wie kann sich ein Mönch um einen Säugling kümmern?», fragte sie. Ihre Mutter antwortete: «Geshe Langri Tangpa ist ein Bodhisattva. Es ist seine Natur, alle Entbehrungen zu ertragen und alle guten Bedingungen anderen zukommen zu lassen. Deshalb wird er mit Sicherheit bereit sein, sich um dein Kind zu kümmern.»

Die Frau ging mit ihrem Kind zu Langri Tangpa und traf ihn an, als er auf einem Thron saß und eine große Zuhörer­schaft unterrichtete. Sie konnte immer noch nicht wirklich glauben, dass er das Kind annehmen würde, war aber überzeugt, dass ihr Kind sicher sterben würde, wenn sie es ihm nicht gäbe. So schritt sie auf ihn zu, legte den Säugling in seinen Schoß und sagte: «Hier ist dein Kind. Ich kann es nicht ernähren. Versorg du es!» Zum Erstaunen seiner Schüler nahm Langri Tangpa das Kind an. Obwohl einige vermuteten, dass er wirklich der Vater des Kindes sei und an ihm zu zweifeln begannen, war Langri Tangpa unbesorgt. Zärtlich wickelte er das Kind in seine gelbe Robe und setzte seinem Vortrag fort. Als er geendet hatte, nahm er das Kind mit nach Hause, fütterte es und segnete es. Zwei Jahre lang kümmerte er sich um das Mädchen und dank seiner Segnungen wurde es vollkommen gesund. Nach zwei Jahren kehrte die Mutter zurück, um zu sehen, ob es ihrer Tochter gut ging. Als sie sah, wie gesund das Kind war, fragte sie Langri Tangpa, ob sie ihre Tochter zurückhaben könne und der gütige Geshe willigte sofort ein. Durch diese Begebenheit und durch viele andere Beispiele seiner Selbstlosigkeit verstanden alle, dass Langri Tangpa ein außergewöhnlicher, heiliger Mensch war.

Nicht nur in jenem Leben arbeitete Langri Tangpa sehr viel, um Lebewesen zu helfen und den Buddhadharma in Tibet zu verbreiten, er hatte dies bereits in vielen früheren Inkarnationen getan und setzte das auch in seinen darauffolgenden Leben fort. In einem früheren Leben war er als Übersetzer Gowa Pagtse nach Indien gereist, hatte Sanskrit gelernt und viele buddhistische Texte ins Tibetische übersetzt. Später wurde er als Je Tsongkhapas Hauptschüler Khädrubje, als Gyalwa Ensäpa und als der erste und zweite Panchen Lama wiedergeboren.

Als ich in Lhasa war, traf ich zum ersten Mal meinen spirituellen Vater Vajradhara Trijang Rinpoche und schon sein Anblick erinnerte mich an Bodhisattva Langri Tangpa. Ein Gefühl tiefer Zuneigung zu ihm erfasste mich und ich dachte oft, dass er eine Emanation Langri Tangpas sein müsse. Ein älterer Mönch gab mir später ein kleines Büchlein, in dem die Namen der früheren Inkarnationen Trijang Rinpoches aufgelistet waren, und unter diesen war der Name «Geshe Langri Tangpa». Ich war so glücklich, meinen Glauben bestätigt zu wissen!

Weil Langri Tangpa Buddha Amitabha ist und weil das Mitgefühl eines Buddha grenzenlos ist, gibt es mit Sicherheit in der ganzen Welt Emanationen Langri Tangpas, auch wenn wir sie nicht erkennen. Wir können sicher sein, dass seine Emanationen im Westen arbeiten, um Lebewesen zu helfen und um Buddhadharma zu verbreiten. Dass unser Geist in Unwissenheit gehüllt ist, ist der einzige Grund, weshalb wir sie nicht erkennen.

Durch seine aufrichtige Übung der Anleitungen über die Geistesschulung, fand Bodhisattva Langri Tangpa endgültiges Glück und half vielen anderen, das Gleiche zu erlangen. Dann erklärte er die Essenz seiner Dharma Erfahrung in Acht Verse der Geistesschulung. Spätere Kadampa Lamas wie Geshe Chekhawa verbreiteten das Studium und die Praxis des Kadam Lojong, oder Geistesschulung, in ganz Tibet, indem sie sich auf diesen Text stützten. Wir sollten uns sehr glücklich schätzen, solch kostbaren Lehren begegnet zu sein.

Asanga

Die herausragenden Eigenschaften dieser Anleitungen

Da die Acht Verse der Geistesschulung aus der Weisheit eines vollerleuchteten Wesens hervorgehen, ist diese Anleitung gesegnet und sehr kostbar. Damit wir ihren Wert wirklich schätzen können, werde ich einige ihrer Vorteile erklären. Im Allgemeinen werden wir, wenn wir diese Anleitungen umsetzen, sowohl vorübergehendes als auch endgültiges Glück erleben. Das ist so, weil wir durch diese Übung den unwissenden Geist der Selbstwertschätzung und des Festhaltens am Selbst beseitigen können, die Wurzel allen Leiden und aller Probleme.

Im Besonderen zeigt uns diese Unterweisung, wie wir widrige Umstände in den spirituellen Pfad umwandeln, wodurch wir reines und immerwährendes Glück erleben werden. Was die spirituelle Entwicklung anbelangt, ist diese gegenwärtige Zeit äußerst degeneriert, es gibt viele Umstände, die den spirituellen Fortschritt behindern. Setzen wir diese Anleitungen jedoch um, so können wir all diese Widrig­keiten nutzen und in Gelegenheiten für spirituelles Wachstum umwandeln.

Der Geist der Menschen heute ist weniger rein als in der Vergangenheit und Verblendungen und falsche Sichtweisen sind vorherrschender. Da Menschen früher einen reineren Geist hatten, konnten sie relativ leicht reine Wesen wie Buddhas und Bodhisattvas wahrnehmen, doch in der heutigen Zeit fällt es ihnen sogar schwer, auch nur an die Existenz heiliger Wesen zu glauben. Früher waren Menschen weniger empfänglich für ablenkende Gedanken und so fiel es ihnen viel leichter, ruhiges Verweilen und andere fortgeschrittene Ebenen meditativer Konzentration zu erreichen. Mit dem Geist des ruhigen Verweilens konnten sie verschiedene Arten von Hellsicht erlangen, wie die Fähigkeit, Formen jenseits des gewöhnlichen Sehvermögens zu sehen oder subtile und entfernte Geräusche zu hören. Viele erwarben die Fähigkeit, den Geist anderer zu kennen oder vergangene und zukünftige Leben zu sehen. Und Wunderkräfte, wie die Fähigkeit, durch die Luft zu fliegen oder unterschiedliche Formen auszustrahlen, waren weit verbreitet. Zusätzlich zu diesen weltlichen Erlangungen erreichten unzählige Menschen Befreiung und volle Erleuchtung.

Mit der Zeit wurden diese Erlangungen immer unüblicher. Heutzutage können nur sehr wenige Menschen Buddhas direkt sehen und es ist äußerst schwierig geworden, ruhiges Verweilen, Hellsicht oder andere spirituelle Verwirklichungen zu erlangen. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass wir in spirituell degenerierten Zeiten leben. Es ist nicht nur schwieriger geworden, spirituelle Verwirklichungen zu erlangen, sondern wir sind zusätzlich vielen Schwierigkeiten und Gefahren ausgesetzt, die es früher nicht gab. Die politische Weltlage ist heute sehr instabil und durch die starke Verbreitung immer gefährlicherer Waffen ist das Leben der Menschen unsicherer als je zuvor. Trotz der Fortschritte in der modernen Medizin treten neue Krankheiten auf und alte kehren zurück. Jahr für Jahr sterben immer mehr Menschen an den direkten oder indirekten Folgen der Umweltverschmutzung und sogar Errungenschaften wie Autos, Strom oder die Medizin, die wir normalerweise als hilfreich erachten, erweisen sich als potenzielle Ursachen eines vorzeitigen Todes.

Früher waren die Sichtweisen der Menschen im All­gemeinen spiritueller, heute jedoch wird die Weltanschauung der meisten Menschen zunehmend undifferenzierter und materieller. Es ist sehr schwierig, Menschen zu finden, die reine und richtige Sichtweisen vertreten. Fast jeder vertritt Einstellungen, die mit einer spirituellen Entwicklung unvereinbar sind. Manche neigen ganz natürlich zu falschen Sichtweisen, während andere sie von ihrer Familie oder von engen Freunden oder auch im Verlauf ihrer schulischen Ausbildung übernehmen. Nur sehr wenige schaffen es, sich dem Einfluss falscher Sichtweisen völlig zu entziehen.

Unsere Verblendungen sind heute sehr stark und schwer zu bändigen. Wir haben so wenig inneren Frieden, dass es uns selten gelingt, auch nur ein paar Stunden eines friedvollen Geistes zu genießen. Wenn wir unseren Geist überprüfen, werden wir feststellen, dass wir fast ständig in einem Zustand des Unbehagens und der Angst leben. Sobald wir eine Sorge los sind, beunruhigt uns etwas anderes. Unsere Verblendungen lassen uns keine Ruhe. Unser Geist macht uns zu schaffen und nur selten sind wir wirklich glücklich. Unser Leben ist äußerst hektisch und kompliziert, voller ständig steigender vielfältiger Ablenkungen. Selbst wenn wir die Zeit hätten, uns zu entspannen, neigen wir dazu, den Fernseher oder das Radio anzuschalten und sind einer Vielzahl von sich ständig ändernden Bildern und Geräuschen ausgeliefert. Wir haben uns so daran gewöhnt, von der Außenwelt stimuliert zu werden, dass es uns schwerfällt, still zu sein und die Ruhe unseres eigenen Geistes zu genießen. Unsere Aufmerksamkeitsspanne nimmt ständig ab und es wird immer schwieriger, uns auf die innere Entwicklung zu konzentrieren wie das Fördern reiner Sichtweisen und reiner Absichten.

Unsere Welt wird immer gefährlicher und verunreinigter, während innerlich unser Geist gröber und unbeherrschter wird. Obwohl solche Umstände die herkömmliche spirituelle Praxis sehr erschweren, können wir alle diese Widrigkeiten in den Pfad zur Erleuchtung umwandeln und inmitten dieser unreinen Welt glücklich sein, wenn wir den Anleitungen in Acht Verse folgen. Anstatt ein Hindernis für unseren spiri­tuellen Fortschritt zu sein, können die Unreinheiten dieses Zeitalters wie ein Kraftstoff für unsere spirituelle Praxis sein. Ich denke, dass es heutzutage sehr schwierig ist, wahren Frieden und wahres Glück zu finden, ohne diese Lehren umzusetzen.

Atishas Lehrer Dharmarakshita verglich Samsara mit einem Wald voller giftiger Pflanzen, da wir ständig von anziehenden und abstoßenden Objekten umgeben sind, die die geistigen Gifte der Anhaftung und Wut anregen. Er verglich diejenigen, die ihre widrigen Umstände nicht in den spirituellen Pfad umwandeln können, mit Krähen, die keine giftigen Pflanzen fressen können. Praktizierende der Geistes­schulung hingegen sind wie Pfaue, von denen es heißt, dass sie von den Pflanzen, die für andere Vögel giftig sind, prächtig gedeihen, da sie sowohl anziehende als auch abstoßende Objekte in den spirituellen Pfad umwandeln können. Sie können anziehende Objekte genießen, ohne Anhaftung zu entwickeln und sie können abstoßende Objekte wie Krankheit und andere widrige Umständen gut annehmen, ohne wütend oder mutlos zu werden. Welche Umstände auch immer entstehen, Praktizierende der Geistesschulung können sie genießen und zu etwas Gutem nutzen. Da wir in diesen degenerierten Zeiten fortwährend von Objekten der Anhaftung und Abneigung umgeben sind, müssen wir auf jeden Fall lernen, sie durch Schulung unseres Geistes in den spirituellen Pfad umzuwandeln.

Üben wir Langri Tangpas Lehren des Lojong, oder der Geistesschulung, so haben wir eine wunderbare Gelegenheit, wahren inneren Frieden zu finden, indem wir unser Fest­halten am Selbst und unsere Selbstwertschätzung zerstören, die Hauptursachen all unseres Leidens. Das ist nur sehr schwer durch irgendeine andere Methode zu erreichen. Aus diesem Grund vergleicht Geshe Chekhawa zu Beginn von Geistesschulung in sieben Punkten, dem Kommentar zu Acht Verse, die Anleitungen der Geistesschulung mit einem Diamanten, mit der Sonne und mit einem Medizinbaum. Sie sind wie ein Diamant, denn so wertvoll selbst der Splitter eines Diamanten ist, so hat das Üben selbst eines Bruchteils der Anleitungen der Geistesschulung große Kraft, unseren Geist von einem unglücklichen in einen glücklichen Zustand zu verwandeln. Sie sind wie die Sonne, denn so wie die ersten wenigen Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne die morgendliche Dunkelheit erhellen, so erhellt selbst eine oberflächliche Erfahrung nur eines Teils dieser Anleitungen die innere Dunkelheit unserer Unwissenheit, und so wie das volle Sonnenlicht jede Dunkelheit vollständig vertreibt, so überwindet eine tiefe Erfahrung der ganzen Praxis der Geistesschulung unsere Unwissenheit vollständig. Sie sind wie ein Medizinbaum, denn so wie jeder Teil eines solchen Baumes eine heilende Wirkung hat, so hat auch jeder Teil dieser Lehren die Kraft, die innere Krankheit unserer Verblendungen zu heilen.

Ich könnte viele Seiten lang damit fortfahren, die guten Eigenschaften dieser Lehren zu erläutern, doch es gibt nur einen einzigen Weg, sie wirklich schätzen zu können: Setzen Sie sie in die Praxis um und erfahren Sie selbst ihren Nutzen. Wie Geshe Chekhawa sagt: «Die Bedeutung dieses Textes sollte erkannt werden.» Damit meint er, dass wir alle die ausgezeichneten Eigenschaften nur dann verstehen, wenn wir die Bedeutung dieser Anleitungen verstehen und sie umsetzen. Ein Ladenbesitzer mag zum Beispiel versuchen, uns von der außergewöhnlichen Qualität eines bestimmten Tees zu überzeugen, doch es gibt nur einen einzigen Weg, um sicher zu gehen, dass der Tee wirklich so gut ist, wie gesagt wird: Wir müssen ihn selbst kosten.

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass wir nie in materiellen Dinge reinen Frieden und reines Glück finden können. Ganz gleich, wie perfekt wir unsere äußere Situation gestalten, solange wir in Samsara sind, werden uns Probleme weiterhin stören. Tatsächlich scheint es oft so zu sein, dass die Probleme zunehmen, je mehr Wert wir auf materielle Entwicklung legen. Reines Glück kann nur erlangt werden, wenn wir unseren Geist entwickeln. Indem wir die Qualität unserer Liebe, unseres Mitgefühls und unserer Weisheit verbessern, können wir allmählich alle unseren Leiden und Probleme beseitigen und schließlich die immerwährende Freude der vollen Erleuchtung erlangen. Wenn Sie die Anleitungen der Geistesschulung in Ihrem täglichen Leben anwenden, so versichere ich Ihnen, dass Sie den inneren Frieden und die innere Freude finden, nach der sich alle sehnen. Indem Sie dies verstehen, sollten Sie den festen Entschluss fassen, diese Anleitungen umzusetzen.

Vasubandhu

Die vorbereitenden Übungen

Innere Verwirklichungen entspringen weder magisch der Erde, noch fallen sie vom Himmel. Ob wir tiefe Erfahrungen mit den Übungen machen, die in Acht Verse erklärt werden, hängt von bestimmten inneren Bedingungen ab, die wir durch die vorbereitenden Übungen schaffen können. So wie ein Bauer den Boden vorbereiten muss, bevor er sein Feld bestellt, so müssen wir unseren Geist vorbereiten, bevor wir eine Ernte spirituelle Verwirklichungen erwarten können. Viele Menschen sind sehr an Meditation interessiert, vernachlässigen aber die vorbereitenden Übungen, da sie ihre Wichtigkeit nicht verstehen, und sind enttäuscht, wenn ihre Anstrengungen in der Meditation keine Früchte tragen. Sie sind wie ein Bauer, der sein Feld nicht gejätet, gedüngt oder bewässert hat und dennoch erwartet, dass seine Saat gedeiht. Je gewissenhafter wir die vorbereitenden Übungen machen, desto leichter werden wir Verwirklichungen aus unserer Praxis der Geistesschulung erlangen.

Die vorbereitenden Übungen haben drei Funktionen: Sie reinigen unseren Geist von Negativität, sie sammeln Verdienste, oder Glück, an und sie helfen uns, die Segnungen der Buddhas und Bodhisattvas zu empfangen. Wenn wir unseren Geist reinigen ist es so, als würden wir ein Feld von Steinen und Unkraut befreien, bevor die Aussaat erfolgt. Zurzeit ist unser Geist durch die Prägungen negativer Gedanken und durch die Potenziale aller nichttugendhaften Handlungen, die wir in der Vergangenheit begangen haben, verunreinigt. Solange wir diese Negativität nicht durch die Praxis der Reinigung aus unserem Geist entfernen, wird sie das Wachstum tugendhafter Eigenschaften behindern und unsere Meditation wird keine Ergebnisse hervorbringen.

Zweitens müssen wir unserem Geist durch die Ansamm­lung von Verdiensten die Kraft geben, das Wachstum von Dharma Verwirklichungen zu unterstützen. Verdienste sind die positive Energie tugendhafter Handlungen. So wie ein gut gedüngter Boden eine reiche Ernte hervorbringen wird, so werden wir eine überreiche Ernte an spirituellen Verwirklichungen einbringen, wenn unser Geist reich an Verdiensten ist.

Drittens müssen wir die Segnungen der heiligen Wesen erhalten. Solange unser Geist nicht mit einem Regen von Segnungen, oder inspirierende Energie, der Buddhas und Bodhisattvas bewässert wird, ist er wie ein ausgedörrtes Feld, in dem die Samen der spirituellen Verwirklichungen, die durch Meditation gesät wurden, nicht wachsen können. Um Segnungen zu empfangen, müssen wir starkes Vertrauen in die heiligen Wesen und große Hingabe ihnen gegenüber entwickeln und sie darum bitten, unseren Geist zu segnen. Erhält unser Geist die Segnungen der heiligen Wesen, aktiviert dies unsere tugendhaften Potenziale, so wie Regen eine Wüste zum Leben erwecken kann, und spirituelle Verwirklichungen wachsen in unserem Geist heran.

Wenn wir unseren Geist gut vorbereiten, indem wir Negativität reinigen, Verdienste ansammeln und Segnungen empfangen, werden unsere Meditationen sehr erfolgreich sein. Eine einfache Weise dies zu tun ist, indem wir jede Meditationssitzung über die Geistesschulung mit der Rezitation der Gebete Essenz des Glücks beginnen (siehe hier), während wir über ihre Bedeutung nachdenken und die entsprechenden Visualisierungen ausführen. Wer weniger Zeit hat, findet hier eine kürzere Praxis, Gebete für die Meditation. Beide Gebete enthalten die sechs vorbereitenden Übungen für eine erfolgreiche Meditation. Diese sind:

1. Den Meditationsraum reinigen und einen Altar aufbauen

2. Schöne Darbringungen aufstellen

3. In der richtigen Meditationshaltung sitzen, Zuflucht nehmen und Bodhichitta erzeugen

4. Das Feld für die Ansammlung von Verdiensten visualisieren

5. Die siebengliedrige Praxis und das Mandala darbringen

6. Die heiligen Wesen um ihre Segnungen bitten

Die Anleitungen über die sechs vorbereitenden Übungen beruhen auf den Sutras der Vollkommenheit der Weisheit. Atisha erhielt diese Anleitungen von seinem Guru Lama Serlingpa und in der Folge erblühte diese Tradition in der ganzen Kadampa Welt.

Sowohl Essenz des Glücks als auch Gebete für die Meditation enthalten die Übung des Guru Yoga, das Tor, durch das wir die Segnungen aller Buddhas und Bodhisattvas erhalten. In dieser besonderen Übung visualisieren wir Buddha Shakyamuni im Raume vor uns, umgeben von allen Buddhas und Bodhisattvas. Wir konzentrieren uns auf Buddha Shakyamuni, den wir als eins mit unserem Guru, oder spirituellem Meister, betrachten, entwickeln Vertrauen und bitten um seine Segnungen. Wenn wir diese Gebete als Vorbereitung zur Meditation über die Acht Verserezitieren, ist es glückverheißend, eine kleine Änderung an der Visualisierung vorzunehmen. Im Herzen Guru Buddha Shakyamunis visualisieren wir Buddha Amitabha, der einen rotfarbigen Körper hat und mit seinen beiden Händen in der Geste des meditativen Gleichgewichtes sitzt. Oder wir visualisieren Buddha Amitabha statt Buddha Shakyamuni. Der Grund für diese kleine Änderung ist, dass wir unsere Beziehung zu Bodhisattva Langri Tangpa verstärken können, der wie bereits erklärt eine Emanation Buddha Amitabhas ist. Diese Art der Visualisierung hilft uns, größeres Vertrauen in den Verfasser dieser Verse und seine Anleitungen zu entwickeln, und dies wird uns helfen, seine inspirierenden Segnungen schneller zu empfangen.

Buddha Amitabha wird der «Buddha der Vajrarede» genannt, was darauf hinweist, dass er die Manifestation der Rede aller Buddhas ist. In Zukunft werden alle Lebewesen diesem Buddha im Aspekt eines gewöhnlichen Wesens begegnen und er wird sie auf dem Pfad zur Erleuchtung führen. Buddha Amitabha, Buddha Amitayus und Buddha Vajradharma sind die gleiche Natur, zeigen aber einen anderen Aspekt. Auf dem Scheitel Avalokiteshvaras, dem Buddha des Mitgefühls, ist immer sein spiritueller Meister Buddha Amitabha gegenwärtig. Auf den Scheiteln aller vertrauensvollen Schüler ist in gleicher Weise immer Buddha Amitabha, ihr spiritueller Meister.

Abgesehen von dieser Änderung in der Visualisierung sind die übrigen vorbereitenden Übungen die gleichen. Es folgt nun eine kurze Erklärung der sechs vorbereitenden Übungen.

Manjushri

DEN MEDITATIONSRAUM REINIGEN UND EINEN ALTAR AUFBAUEN

DIE PRAXIS DER REINIGUNG

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass eine schmutzige und unordentliche Umgebung unseren Geist bedrückt und uns unsere Energie raubt, während eine saubere und ordentliche Umgebung unseren Geist aufbaut, ihn klar und lebendig macht. Wenn Menschen besondere Gäste zu sich einladen, erweisen sie ihnen natürlich Respekt, indem sie sich bemühen, das Haus vorher auf Hochglanz zu bringen. In unserer Meditationssitzung laden wir alle Buddhas und Bodhisattvas ein, vor uns zu erscheinen, unsere Darbringungen und Gebete anzunehmen und uns in unserer Meditation zu helfen. Deshalb ist es ganz natürlich, dass wir uns vor Beginn unserer Sitzung etwas Zeit nehmen sollten, um unseren Meditationsraum zu reinigen.