Achterbahn - Eine Biografie - Nadja Abd el Farrag - E-Book

Achterbahn - Eine Biografie E-Book

Nadja Abd el Farrag

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Beschreibung

Nadja Abd el Farrag, "Naddel", wurde als langjährige Lebenspartnerin von Dieter Bohlen bekannt. Neben ihrer Tätigkeit als Backgroundsängerin für Blue System und Modern Talking, war sie auch als Moderatorin, Schauspielerin und Werbe-Ikone tätig. Nach der Trennung von Dieter Bohlen startete sie eine eigene Karriere. Sie nahm an zahlreichen Shows teil, war Dschungelcamp- und Big-Brother-Teilnehmerin, DJane und It-Girl. In den Jahren 2006 bis 2009 erreichte ihre Karriere als Schlagerstar in Österreich den Höhepunkt. Mit Kurt Elsasser im Duett landete sie einige Hits in den oberen Rängen der Charts. In ihrer Biografie gibt sie Einblicke in ihr Privatleben, erzählt über gescheiterte Beziehungen und über menschliche Abgründe. Sie berichtet schonungslos über ihren tiefen Fall und über ihre Krankheit ADHS, die sich maßgeblich auf ihr ganzes Leben auswirkt und auch über die Ursachen und Zusammenhänge ihres Alkoholkonsums. Nadja Abd el Farrag führt ein bewegtes Leben mit vielen Höhen und Tiefen. "Mein Leben ist eine Achterbahn", sagt sie über sich selbst.

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EPUB

Seitenzahl: 319

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1. Auflage 2018

© DVO Druck und Verlag Obermayer GmbH, Buchloe

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

Coverbild: [email protected]

Druck: Memminger MedienCentrum

Nadja Abd el Farrag

AchterbahnEine Biografie

mit Sybille F. Martin

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1 – Ein Rückblick

Kapitel 2 – Auf eigenen Beinen

Kapitel 3 – Erfolgreich in Österreich

Kapitel 4 – Neue Wege

Kapitel 5 – Hamburg, ich komme wieder!

Kapitel 6 – Wohnungslos

Kapitel 7 – Die Leber und der Alkohol

Kapitel 8 – Eine helfende Hand

Kapitel 9 – Ein Silberstreif am Horizont?

Vorwort

Es ist ein schöner Tag draußen. Die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel herab, nur ein leichter Wind bewegt die kahlen Äste der Bäume und Büsche vor meiner Terrassentür im Hotelgarten. Bald wird der Frühling zurückkehren und den Garten in eine grüne Oase verwandeln.

Ich sitze auf meinem Bett und streiche sanft über Lillys weiches Fell. Lilly, meine Golden-Retriever-Hündin, liegt neben mir und schläft friedlich. Manchmal zucken ihre Pfoten im Schlaf; vielleicht träumt sie vom Sommer, davon, auf einer grünen Wiese herumzutollen. Noch schöner wäre es, wenn sie in meinem eigenen Garten spielen könnte. Davon träume ich.

Ich weiß, dass ich Chancen nicht ergriffen habe, sie an mir vorbeiziehen ließ, bis sie unwiederbringlich verloren waren.

Ich weiß aber auch, dass ich zu vielen Leuten, die es nicht gut mit mir meinten, vertraut habe.

Es liegt in meiner Natur, zuerst immer nur das Gute anzunehmen, bis ich eines Besseren belehrt werde. Eigentlich bin ich ein unverbesserlicher Optimist, und es fällt mir schwer, den verlockenden, schönen Worten dieser Menschen nicht zu glauben. Sie erspüren dies so sicher wie Hyänen, die mit ihrem untrüglichen Jagdinstinkt Beute schlagen und die Beute war ich.

Doch nicht alle sind so. Ich denke an Burkhardt, meinen Wohltäter, der mir die Hand reichte, als ich an meinem tiefsten Punkt angelangt war.

Es ist nicht meine Art in Selbstmitleid zu versinken und über Vergangenes zu jammern. Wenn ich falle, stehe ich wieder auf, so hat es mir meine Mutter beigebracht.

Trotzdem gibt es Tage, an denen ich es hier im Hotel nicht mehr aushalte, an denen ich mich schmerzlich nach einem eigenen Dach über dem Kopf sehne, nach Privatsphäre – danach, einfach nur Nadja sein zu dürfen und keine Person der Öffentlichkeit.

Ich stecke in einer Schublade fest, in die ich nicht hineingehören möchte, in der ich mich nicht wohl fühle. Für die Öffentlichkeit bin ich die Naddel, die immer gut drauf ist und die ihr strahlendes Lächeln zeigt; die man beleidigen kann und die trotzdem immer noch lächelt.

Für die Öffentlichkeit bin ich die Frau, die sich die Leber kaputtgesoffen hat und nun mit leeren Händen dasteht. Doch das, was die Öffentlichkeit sieht, ist nur ein kleiner Teil einer komplexen Wahrheit. Über diese Wahrheit werde ich in diesem Buch erzählen und nehme Sie auf die Reise mit, die mich auf die höchsten Gipfel und in tiefe Täler führte.

Seit mein erstes Buch, meine Biografie Ungelogen im Jahr 2003 erschien, sind inzwischen fünfzehn Jahre vergangen, in denen ich auf ein bewegtes Leben zurückblicke, ein Leben mit Höhen und Tiefen, mit Achterbahnfahrten, die mich mal nach oben und mal nach unten katapultierten.

Das erste Kapitel ist ein kleiner Rückblick, der mein Leben bis zur Trennung von Dieter Bohlen erzählt.

Kapitel 1 – Ein Rückblick

Ich war ein süßes, hübsches Baby, als ich am 5. März 1965 in Hamburg auf die Welt kam. Zuerst ein kleiner Sonnenschein, entwickelte ich mich allmählich zu einem willensstarken, eigenwilligen Persönchen, mit dem es meine Eltern nicht immer leicht hatten.

Mein Vater hieß Ibrahim Abd el Farrag und wurde 1944 im Sudan in der Hauptstadt Karthum geboren. Als Zwanzigjähriger kam er nach Berlin, um zu studieren, und als er später nach Hamburg zog, lernte er dort meine Mutter Uta kennen und lieben, die zu dieser Zeit an einer Modedesignschule studierte. Bald darauf war meine Mutter mit mir schwanger.

Als ich ein Jahr alt war, wurde meine Schwester geboren. Sie sah mir zwar ziemlich ähnlich, doch sie besaß ein ganz anderes Temperament als ich. Sie war viel gelassener und ruhiger und hatte weniger oft Schwierigkeiten mit meinem Vater, der im islamischen Glauben erzogen worden war und deshalb mit einer aufsässigen Tochter besonders streng war. Manchmal bekam ich den Hintern voll, wenn ich wieder einmal widerspenstig und frech gewesen war, aber trotz seiner Strenge schaffte er es nicht, mich zu brechen. Ich wurde nie das gehorsame, nachgiebige Mädchen, das er sich wünschte.

Mein Vater war aber nicht nur streng, sondern er besaß auch ein großes Herz und war gastfreundlich und großzügig, weshalb wir in unserer Vier-Zimmer-Wohnung in Hamburg-Altona ständig Besuch von Familienmitgliedern und Freunden meines Vaters hatten. Manchmal war der viele Besuch anstrengend, und ich sehnte mich nach mehr Privatsphäre, aber als Kinder mussten wir uns nach unseren Eltern richten.

*

Als ich mit vier Jahren in den Kindergarten kam, machte ich die ersten negativen Erfahrungen wegen meiner Hautfarbe. Meine Schwester, die etwas heller ist als ich, hatte weniger unter den Hänseleien der anderen Kinder zu leiden. Einesteils war sie die Kleinere, die ich beschützte, andererseits war sie, wie schon gesagt, die viel Ruhigere und ließ sich nicht so leicht provozieren.

Mit der Zeit fand ich jedoch Freundinnen und wurde auch von den anderen Kindern akzeptiert. Ich gab einfach nicht auf, setzte alles daran, von den Kindern akzeptiert zu werden, was mir schließlich auch gelang.

Als sechsjähriges Mädchen lernte ich zum ersten Mal die Heimat meines Vaters kennen. Wir flogen nach Karthum, wo die Familie meines Vaters in einem großen, aus Stein gebauten Haus lebte. Bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr war ich jedes Jahr in den Sommerferien in Karthum, aber danach besuchte ich den Sudan nie wieder.

Ziemlich schlimm fand ich die Beschneidungen der Mädchen, die aber in unserer Familie niemals durchgeführt wurden. Auch die untergeordnete Rolle der Frau im islamisch geprägten Sudan störte mich furchtbar. Frauen besaßen fast keine Rechte, mussten ihren Männern zu jeder Tages- und Nachtzeit zu Diensten sein. Ich wusste, dass ich so ein Leben niemals würde führen wollen, dass kein Mensch das Recht besaß, einen anderen zu versklaven.

Wegen meiner Hautfarbe hatte ich zu Beginn der Schulzeit auch Probleme, doch ich war selbstbewusst und stark und setzte meine Fäuste bei den Kindern ein, die meinten, mich beschimpfen oder schlagen zu können. Nachdem ich einige Kinder verprügelt hatte, wurde ich respektiert und anerkannt, und niemand wollte sich mehr mit mir anlegen.

Natürlich hatte ich auch eine beste Freundin, mit der ich in meiner Freizeit allerhand unternahm. Wir fuhren mit unseren Fahrrädern herum, waren bei mir oder bei ihr zu Hause und spielten und lernten zusammen oder trafen uns mit anderen Kindern.

*

Leider gab es bei uns daheim kaum Privatsphäre. Freunde meines Vaters besuchten uns aus dem Sudan oder aus Ägypten und blieben oft über mehrere Wochen. Sie waren muslimischen Glaubens und praktizierten ihn regelmäßig –im Gegensatz zu meinem Vater, der zwar auch Moslem war, doch nicht strenggläubig. Er hielt sich nicht an das Schweinefleischverbot und machte auch keinen Ramadan mit. Er war streng, doch er erzog uns nicht voll und ganz im muslimischen Glauben. Da wir deutsche und sudanesische Pässe besaßen, gehörten meine Schwester und ich automatisch dem Islam an. Meine Mutter konvertierte nie zum Islam, sie blieb konfessionslos, so, wie sie es schon vorher gewesen war. Später gehörte auch ich keiner Konfession an.

Mein erstes Fotoshooting hatte ich mit sieben Jahren, als meine Mutter ihre Zustimmung gab, dass ich als Kindermodell für den Otto-Katalog fotografiert wurde. Ich genoss das Shooting in vollen Zügen, fand es spannend, fotografiert zu werden und spürte schon damals, dass dies etwas war, was mich faszinierte.

*

Als ich in die Pubertät kam, machte mir die strenge Erziehung meines Vaters immer mehr zu schaffen. Auch wenn er den muslimischen Glauben nicht auslebte, so war es ihm doch in Fleisch und Blut übergegangen, dass eine Tochter die »Familienehre« zu wahren hatte, immer gehorsam sein musste und sich natürlich von Jungs fernhielt.

Meiner Schwester und mir wurden strenge Zeitvorgaben vorgeschrieben, die es kaum ermöglichten, Freundschaften und Freizeitvergnügen aufrecht zu erhalten. Wenn ich mich nicht daran hielt, gab es Schläge oder Hausarrest, der für mich viel schlimmer war, denn das Eingesperrt sein, war etwas, das ich nur schwer aushalten konnte. Deshalb erfand ich oft Notlügen, doch hinter einige kam mein Vater, und ich wurde gehörig dafür bestraft.

Als in der Schule der obligatorische Tanzkurs für die neunten Klassen abgehalten wurde, durfte ich nicht mitmachen, weil es meinen Vater störte, dass ich dort mit Jungs tanzen würde. Ich wollte aber unbedingt mitmachen und bettelte meine Eltern hartnäckig, bis mein Vater so wütend wurde, dass ich aufgab.

Der einzige Junge, den mein Vater akzeptierte, war ein zwei Jahre älterer Cousin aus Karthum, der für einige Wochen bei uns zu Besuch war. Er war in mich verliebt und hielt bei meinem Vater um meine Hand an, obwohl ich ihm deutlich genug zu verstehen gegeben hatte, dass ich keinerlei Interesse hegte. Zu dem Zeitpunkt war ich gerade mal vierzehn Jahre alt! Ich musste diesen Cousin nicht heiraten, weil Papa dann doch zu modern war, um so einen Unsinn durchzusetzen.

Damals trug ich bereits den Spitznamen »Naddel«, den mir eine Freundin gab. Es war nicht Dieter Bohlens Idee, wie die meisten Leute meinen. Eigentlich wollte ich so nicht genannt werden, doch meine Freundinnen fanden »Naddel« so süß, dass sich das irgendwann durchsetzte.

*

Leider musste ich sogar bis zu meinem achtzehnten Geburtstag spätestens um sechs Uhr abends daheim sein. Ganz selten durfte ich abends mal bis zweiundzwanzig Uhr ausgehen, aber dann genau darauf achten, dass ich mich auf keinen Fall verspätete, weil ich sonst unangenehme Konsequenzen, die sich meist in Hausarrest ausdrückten, tragen musste.

Natürlich durfte ich nie eine Diskothek besuchen. Um dies zu umgehen, log ich meine Eltern an und behauptete, zu Geburtstagspartys eingeladen zu sein. Mit sechzehn Jahren fing ich zu rauchen an und schaffte es jahrelang, dies vor meinen Eltern zu verheimlichen, weil ich wie eine Besessene meine Zähne schrubbte.

Meinen zweiten Job als Model bekam ich vom Magazin Brigitte, die mich für ihre Juniorseite fotografierten. Ich war ziemlich stolz, als ich die selbst verdienten hundert Mark auf mein Sparbuch einzahlte.

*

Mit achtzehn Jahren verliebte ich mich zum ersten Mal richtig. Er hieß Matthias, war groß, blond, blauäugig, ziemlich attraktiv und einige Jahre älter als ich. Oft schwänzte ich wegen ihm die Schule, und da ich ja volljährig war, schrieb ich meine Entschuldigungen selbst. Daheim fiel es niemandem auf, dass ich einen Freund hatte.

Matthias studierte und konnte sich deswegen Tagesfreizeit nehmen. Wir fuhren in seinem Wagen in der Gegend rum und suchten einsame Fleckchen, um zu knutschen. Ich war schwer verliebt, aber trotzdem zurückhaltend, wenn es darum ging, mit ihm intim zu werden. Er durfte nicht mal meinen Busen anfassen, geschweige denn, mich unter der Gürtellinie berühren. Irgendwann bekam mein Vater Wind von der Sache, und als mir keine Ausreden mehr einfielen, gab ich es zu. Obwohl mein Vater mir sofort jeglichen Kontakt verbot, konnte ich mich noch einige Male heimlich mit Matthias treffen, doch der Druck von zu Hause war so groß, dass ich die Beziehung bald darauf beendete.

*

Ich hielt es daheim wegen der ständigen Einschränkungen und Verbote nicht mehr aus und zog, nachdem ich das Gymnasium mit dem Realschulabschluss verlassen hatte, zu meiner Freundin Randy. Kurz zuvor hatte ich sie bei einem Herrenausstatter kennen gelernt, als ich mich dort für eine Stelle als Verkäuferin bewarb. Sie arbeitete in dem Laden schon einige Zeit als Verkäuferin, wohnte in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Altona und war bereit, mir ein Zimmer zu vermieten. Ich bekam die Stelle beim Herrenausstatter und verdiente endlich mein eigenes Geld.

Randy und ich waren nun nicht nur Freundinnen, sondern auch Arbeitskolleginnen und wohnten zusammen. Zu Beginn verstanden wir uns ziemlich gut und gingen oft zusammen abends aus. Ich genoss meine neue Freiheit in vollen Zügen. Doch mit der Zeit bekam ich Schwierigkeiten mit meinem Chef, weil ich wegen meines ausgiebigen Nachtlebens einige Male verschlief und zu spät zur Arbeit kam. Randy verschlief noch öfter, außerdem kiffte sie viel und war mit Leuten befreundet, die auch konsumierten. Als ich das mitbekam, war ich – als absoluter Gegner von Drogen – richtig davon abgestoßen. Da der Chef wegen unseres Zuspätkommens sauer war und mitbekam, was Randy in ihrer Freizeit tat, schmiss er uns gleich beide raus, fest davon überzeugt, dass auch ich mit Drogen zu tun hatte.

Gut, dass ich bald wieder einen Job als Verkäuferin in einer Boutique in Eppendorf ergattern konnte. Randy arbeitete in einem anderen Geschäft in der Stadtmitte. Wir stritten uns immer öfter, weil sie ständig irgendwelche Typen mit in die Wohnung nahm und mich manchmal für diese Zeit aus der Wohnung aussperrte.

*

Nach einem halben Jahr kehrte ich reumütig zu meinen Eltern zurück, die mich mit offenen Armen aufnahmen. Sogar mein Vater nahm mich wieder wohlwollend auf, obwohl er wegen meines Auszuges von zu Hause ziemlich verletzt gewesen war. Leider war es nun mit meinen Freiheiten wieder vorbei: Nachtleben ade! Solange ich zu Hause wohnte, musste ich mich nach den Anweisungen meines Vaters richten. Wenigstens durfte ich mein selbstverdientes Geld behalten und musste keine Miete mehr bezahlen.

Mittlerweile gefiel mir mein Job in der Boutique auch nicht mehr so richtig, und meine Mutter meinte: »Kind, eine anständige Ausbildung in der Tasche zu haben ist total wichtig!«

Ich bekam einen Ausbildungsplatz in einer Apotheke als Apothekenhelferin und schlug mich tapfer. Trotzdem besserte sich das Verhältnis zu meinem Vater nicht, es wurde stattdessen immer schlechter.

Eines Tages bekam ich einen Anruf einer Freundin, die mir vorschlug, zu ihr in eine WG nach Eppendorf zu ziehen. Natürlich sagte ich sofort zu und zog wieder mal von zu Hause aus.

In der WG wohnten, mich eingeschlossen, drei Mädels. Da ich während der Ausbildung nicht genügend verdiente, um mir ein eigenes Leben finanzieren zu können, jobbte ich am Wochenende und nach der Berufsschule in einer Boutique. Dort lernte ich Bert kennen, der nebenan in einem Terrakotta-Laden arbeitete. Er war etwas älter als ich, groß, blond und kräftig. Mit der Zeit verliebte ich mich in den charmanten, lebenslustigen Bert, und wir wurden ein Paar. Bis wir aber im Bett landeten, dauerte es allerdings noch ein halbes Jahr. Er war total überrascht, dass ich mit fast zweiundzwanzig Jahren noch Jungfrau war.

Bert und ich passten total gut zusammen. Wir waren beide temperamentvoll, hatten keine Probleme damit, auf Menschen zuzugehen und feierten gerne und lange. Ich sprudelte über vor Energie und Lebensfreude, konnte gar nicht genug vom Partyleben bekommen und wurde überall eingeladen, weil die Leute mich witzig und unterhaltsam fanden. Endlich konnte ich, ohne mich rechtfertigen zu müssen, tun und lassen, was ich wollte, und weil ich in dieser Beziehung einen riesigen Nachholbedarf verspürte, befand ich mich mit hoher Geschwindigkeit auf der Überholspur.

In der Diskothek Mezzanotte, in der ich später Dieter Bohlen kennenlernte, hielten wir uns oft auf; auch im Voilá waren wir fast schon Stammgäste.

Bert und ich waren seit zwei Jahren zusammen, als es zwischen uns zu kriseln begann. Schuld daran war unter anderem meine Eifersucht. Ich wurde immer besitzergreifender und konnte es kaum ertragen, wenn sich Bert mit anderen Mädchen abgab. Manchmal habe ich mich furchtbar aufgeführt, ihm grässliche Szenen und Vorwürfe gemacht, obwohl ich wusste, dass er treu zu mir stand. Wir rauften uns immer wieder zusammen und fuhren zusammen in den Urlaub, nach Italien oder auf Sylt.

In dieser Zeit kam es auch zum endgültigen Bruch mit meinem Vater. Er sah mich eines Tages auf einer Alsterwiese mit einem Bekannten auf einem Handtuch liegen, wo wir uns gerade sonnten. Er war einfach nur ein Freund aus der Clique, aber mein strenger Vater konnte den Anblick, obwohl wir angezogen waren, trotzdem nicht ertragen, vor allem, weil seine Freunde dabei waren und er sich für mich schämte. Meine Mutter riet mir daraufhin, nicht mehr nach Hause zu kommen. Mit Mutti und meiner Schwester traf ich mich nun eben woanders, der Kontakt zu ihnen riss nie ab.

*

Im Laufe der Jahre hatte ich mir etwas Geld angespart, das ich nun dafür verwendete, um mir meinen Busen vergrößern zu lassen. Meine kleinen Brüste hatten mich schon lange gestört, und jetzt erfüllte ich mir diesen Wunsch. Als ich mich nach der OP betrachtete, war ich total glücklich, dass ich endlich Körbchengröße B tragen konnte.

Nachdem ich meine Ausbildung in der Apotheke erfolgreich beendet hatte, jobbte ich weiter in der Boutique, weil mir das besser gefiel, als mein erlernter Beruf. Leider wurde mir dort einige Monate später gekündigt, und ich war vorerst arbeitslos. Meine Laune erreichte einen Tiefpunkt, mein Kontostand ließ zu wünschen übrig. Die Ersparnisse waren ja für die Brustvergrößerung draufgegangen. Durch meine ständig miese Laune litt die Beziehung zu Bert. Er war genervt von meiner Passivität und meinen Stimmungsschwankungen und fuhr alleine in den Urlaub nach Arosa in die Schweiz. Ich bekam eine neue Stelle als Verkäuferin bei Benetton und war wenigstens meine Geldsorgen los.

Als Bert zurückkam, spürte ich, dass sich etwas verändert hatte, dass Bert sich in eine andere Frau verliebt hatte. Ich stellte ihn zur Rede, und er gab es zu. Ich beendete die Beziehung, litt aber monatelang wahnsinnig unter der Trennung, konnte kaum noch essen und schlafen, und wenn wir telefonierten, ging es mir danach noch mieser. Ich hätte Bert lange Zeit mit Handkuss zurückgenommen, obwohl er mich betrogen hatte, aber seine liebevolle, lebenslustige und verständnisvolle Art konnte kein anderer Mensch ersetzen. Ich kapselte mich ab, ging kaum noch weg. Ständig las ich die Liebesbriefe, die Bert mir während unserer Beziehung geschrieben hatte und heulte jeden Tag stundenlang. Es dauerte ein ganzes Jahr, bis ich die Trennung einigermaßen überwunden hatte. Danach begann ich, wieder am Leben teilzunehmen, auszugehen und neue Leute kennenzulernen.

*

Ich lernte Thomas kennen. Er zog drei Stockwerke unter mir ein. Wir begegneten uns ab und zu im Treppenhaus, bis er mich eines Tages fragte: »Hast du Lust, mit mir auszugehen?« Ich stimmte zu, obwohl Thomas überheblich war und mir ganz deutlich zu verstehen gab, dass er sich nicht für mich verbiegen würde. Ich fand Thomas anziehend, doch ich verliebte mich nicht mit Haut und Haaren in ihn und umgekehrt war es offenbar auch so.

An einem Septembertag 1989 feierte eine meiner Freundinnen ihren Geburtstag bei sich zu Hause, zu dem auch ich eingeladen war. Ich ging ohne Thomas hin. Die Party war feucht-fröhlich und so laut, dass die Nachbarn schon die Polizei holen wollten. Später machte ich mich mit ein paar Leuten auf ins Mezzanotte, wo wir Freunde an der Bar trafen.

Als ich mich gerade angeregt mit einer Freundin unterhielt, stupste mich einer aus der Clique an und meinte: »Du, da hinten hockt der Bohlen. Hast du gesehen, dass er dich dauernd anglotzt?« Ich zuckte mit den Schultern, denn es war mir reichlich egal, ob der Bohlen mich anglotzte oder nicht.

»Ist mir egal, der Bohlen interessiert mich nicht!«, erwiderte ich. Mir gefiel seine Musik nicht besonders, und ich gehörte auch nicht zu den Mädchen, die in Verzückung fielen, wenn sie ihn sahen. Er war mit einem Mädchen da, interessierte sich aber nur für mich. Irgendwann saß er auf einem Barhocker genau hinter mir. »Bist du oft hier?«, fragte er. Ich tat desinteressiert und unterhielt mich weiter mit meiner Freundin. Doch Dieter ließ sich davon nicht abschrecken und blieb an Ort und Stelle sitzen, nur um mich dauernd anzuhimmeln. Irgendwie beeindruckte mich das dann doch, und ich bot ihm etwas zu trinken an. Ich bezahlte ihm ein Bier, und er fing an, mich vollzulabern, dass ich ihm gleich aufgefallen wäre, mit meiner tollen Ausstrahlung und ich ihm gefiel und so weiter. Plötzlich sagte er: »Küss mich. Ich will dich heiraten.«

Ich war völlig baff, fand das total verrückt und gleichzeitig arrogant. Mir verschlug es erst einmal die Sprache. Er erzählte mir, dass er mich schon öfter im Intermezzo gesehen hatte und mich für die Frau seines Lebens hielt. Normalerweise hätte ich so einen Typen kommentarlos stehen gelassen, aber dieser Bohlen faszinierte mich doch mit seinem Charme. Außerdem war er blond und groß, genau der Typ Mann, auf den ich stand. Obwohl ich die Coole spielte und so tat, als würde er mich nicht im Geringsten interessieren, lud Dieter mich für den nächsten Tag in ein Café ein. Ich sagte zu, allein schon deshalb, um ihn wieder loszuwerden. Ein Bekannter warnte mich am selben Abend vor Bohlen: »Der ist Vater von zwei Kindern und verheiratet.«

Mit einem verheirateten Mann wollte ich nichts zu tun haben und ließ das Treffen am nächsten Tag im Café sausen. Außerdem war ich ja noch mit Thomas zusammen.

Die nächsten drei Monate sah und hörte ich nichts mehr von Dieter, bis ich ihm wieder im Mezzanotte begegnete. Er war ziemlich sauer, weil ich ihn damals versetzt hatte: »Eineinhalb Stunden habe ich auf dich gewartet! So eine Unverschämtheit, nicht mal abzusagen!« Ich rechtfertigte mein Verhalten nicht, sagte nur, dass ich eben keine Zeit gehabt hätte: »Ich musste länger arbeiten und konnte nicht kommen.«

Es ist zwar unglaublich, doch Dieter wollte sich zwei Tage später wieder mit mir verabreden. Erneut sagte ich zu, aber danach war mir nicht mehr wohl, weil ich Angst vor meiner eigenen Courage bekam. Außerdem störte mich die Tatsache gewaltig, dass der Typ verheiratet und Vater war.

Das Café, in dem wir verabredet waren, lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite meiner Wohnung. Ich musste also nur rübergehen. Dieter saß in seinem Jaguar und wartete. Ich ließ ihn absichtlich warten, doch irgendwann ging ich runter. Natürlich war er sauer, weil ich ihn hatte warten lassen, aber er war bald wieder guter Laune. Später fuhren wir noch zum Essen ins Intermezzo.

Nachdem ich seinen Versuch, mich im Auto zu küssen, erfolgreich abgewehrt hatte, benahm er sich den restlichen Abend sehr anständig. Er erzählte, dass die Ehe mit seiner Frau Erika schon lang keine mehr war und er nur noch wegen der Kinder mit ihr zusammen war. Als er mich später heimbrachte sagte er: »Du bist meine Traumfrau. Ich habe mich in dich verliebt.« Ich gab ihm meine Telefonnummer.

Bald darauf lud mich Dieter ein, mit ihm an Silvester nach Berlin zu fahren, um dort am Brandenburger Tor den Jahreswechsel zu feiern. Ich sagte zu. Noch waren wir nicht zusammen und hatten bis jetzt auch keine Intimitäten ausgetauscht, aber ich wusste, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Mich störte nach wie vor sehr, dass er verheiratet war und Vater von zwei Söhnen war, und daran konnten auch seine Beteuerungen, dass ich seine Traumfrau war, nichts ändern.

Plötzlich wollte ich nicht mehr mit ihm nach Berlin fahren. Als er pünktlich um achtzehn Uhr vor meiner Tür stand, machte ich nicht auf und tat so, als wäre ich nicht zu Hause. Dieter wartete in seinem Jaguar geschlagene zwei Stunden, dann trollte er sich. Ich legte mich ins Bett und zog die Decke über meinen Kopf. Um zehn Uhr klingelte das Telefon. Ich ging ran, es war Dieter. Er war bitterböse und auch verzweifelt, weil ich ihn schon wieder so übel versetzt hatte.

»Ich habe eine Suite angemietet und alles mit Rosen dekorieren lassen«, jammerte er. Ich ließ mich schließlich von ihm breitschlagen und stimmte zu, doch noch Silvester mit ihm zu feiern, in Hamburg, im Pulverfass. Danach mietete Dieter eine Suite im Elysée. In dieser Nacht wurden wir ein Paar.

Einige Tage später, als Thomas aus seinem Barcelona-Urlaub zurückkam, machte ich mit ihm Schluss. Ich war ehrlich und sagte ihm, dass ich bereits mit Dieter zusammen war. Natürlich schmeckte ihm das nicht, aber es blieb ihm ja nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren.

Dieter bezeichnete unsere Mädels-WG abfällig als Dreckloch und überredete mich, mit ihm nach Berlin zu ziehen. Ich kündigte meine Stellung bei Benetton und wohnte mit Dieter in den ersten Wochen im Grand Hotel Esplanade. Im Februar zogen wir in ein Penthouse, in Berlin-Grunewald am Königssee. Dieters Frau Erika wusste von alledem noch gar nichts und war total geschockt, als Dieter ihr endlich die Wahrheit gestand. Und ich war fast genauso schockiert, als Dieter mir gestand, dass er bald wieder Vater werden würde. Er gab zu, dass er mir das absichtlich verschwiegen hatte, aus Angst, dass ich mich deswegen nicht auf ihn einlassen würde.

Kurz darauf wurde sein drittes Kind, eine Tochter, geboren. Ich war in den ersten Monaten unseres Zusammenlebens dauernd angespannt und ängstlich, dass er wieder zu seiner Familie zurückkehren und mich verlassen könnte.

Nach einem halben Jahr war ich mir sicher, dass wir zusammenbleiben würden, denn wir waren verrückt nacheinander und verbrachten jede Minute zusammen. Dieter wollte mich überall dabeihaben, sogar bei geschäftlichen Angelegenheiten, wie Besprechungen, Geschäftsessen und Studioaufnahmen. Es war normal, das fast zu jedem Essen Wein gereicht oder Sekt angeboten wurde. Man stößt mit Geschäftspartnern auf Erfolge an und schlägt auf Empfängen ungern ein Glas Sekt aus.

Ich kam nicht auf die Idee, dass dieses Konsumieren schädlich sein könnte, denn alle anderen taten es auch und die waren erfolgreich und wohlhabend. Ich dachte mir nie etwas dabei, da ich mich nicht betrank und nur geringe Mengen konsumierte. Aber mein Stoffwechsel ist aufgrund meines geringen Körpergewichts natürlich viel stärker belastet, als der eines normalgewichtigen Menschen, deshalb schadeten auch kleine Mengen Alkohol meinen Körper mehr, als mir bewusst war. Ich spürte nie irgendwelche negativen, körperlichen Auswirkungen, fühlte mich fit und gesund und sah blendend aus.

Fast jedes Wochenende fuhren wir nach Hamburg, damit Dieter seine Kinder sehen konnte. Wir wohnten dann entweder im Elysée oder im Atlantic. Wenn er sich mit den Kindern beschäftigte, besuchte ich meine Mutter und meine Schwester, oder ich traf mich mit meinen Freundinnen.

Ich lebte seit meiner Kündigung bei Benetton von Dieters Geld. Das hieß Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf, aber nicht, dass ich Zugang zu Geld hatte, auch nicht in Form von Haushalts- oder Taschengeld.

Wenn ich Geld für Lebensmittel brauchte, musste ich ihn darum bitten, und er gab mir so viel, wie dafür benötigt wurde. Klamotten kaufte er mir keine, die musste ich mir weiterhin selbst finanzieren, aber da ich genügend Klamotten besaß und außerdem noch etwas gespart hatte, kam ich das nächste halbe Jahr um die Runden, ohne bei Dieter betteln zu müssen.

Als ich später für Blue System als Backgroundsängerin arbeitete, verdiente ich wieder eigenes Geld, allerdings erst nach zwei Monaten, denn Dieter meinte, dass ich erst mal eine Probezeit bewältigen müsse. Danach wurde ich für die Auftritte bezahlt, bekam aber nicht so viel, wie die anderen Backgroundsängerinnen.

Dieter war der Meinung, dass er schon genug Geld für meinen Lebensunterhalt ausgab. Er hätte mir sowieso nie erlaubt, arbeiten zu gehen, weil er mich immer bei sich haben wollte.

Was ich total gut fand war, dass Dieter mich dabei unterstützte, mit dem Rauchen aufzuhören. Es störte ihn, obwohl er selbst auch rauchte, aber er zog das Ganze durch und hörte gleichzeitig mit mir auf.

*

In unserem ersten Jahr waren wir ständig unterwegs, eilten von einer Tournee zu einem Fernsehauftritt und umgekehrt. Mir gefiel dieses Leben, weil es alles andere als langweilig war; aber es war auch stressig und belastend. Ich war nur für Dieter da, war ständig an seiner Seite. Wenn wir dann wieder in Berlin waren, musste ich den ganzen Tag bei ihm im Studio hocken, was oft furchtbar langweilig war. Es war nicht nur langweilig, ich litt auch ständig unter Heimweh. Ich rief meine Freundin Meike in Hamburg an und führte lange Telefongespräche mit ihr, doch Dieter wollte das nicht und machte einen riesen Aufstand deswegen. Ich telefonierte noch eine Weile heimlich weiter, aber irgendwann habe ich es sein lassen, weil ich mir keinen weiteren Ärger einhandeln wollte.

Wir waren beide sehr eifersüchtig. Ich auf die weiblichen Fans, von denen einige Dieter hartnäckig hinterher waren und Dieter auf meine Freundinnen und vor allem auf die Männer, die mich anstarrten, wenn ich durch Berlin lief. Diese ungesunde, gegenseitige Eifersucht war Ursache vieler Beziehungsprobleme, die später auftraten.

An unserem ersten Weihnachtsfest bekam ich von Dieter das erste wirklich schöne Geschenk. Shaky war eine niedliche Zwergmalteserhündin, in die ich mich sofort verliebte. Dieter wusste, dass ich mir schon lange einen Hund wünschte. Der Kleine half mir etwas über mein Heimweh nach Hamburg hinweg, doch ganz verschwand es nie.

*

Im März des darauffolgenden Jahres beschloss Dieter, wieder in den Norden zu ziehen, um seinen Kindern näher zu sein. Die Fahrerei nach Hamburg war ihm zu stressig geworden, und er gab sein Penthouse in Berlin-Grunewald auf.

Für mich war das ein Glücksfall, ich konnte nun endlich wieder in meine Heimat zurückkehren. Aber nur wegen meines Heimwehs wäre er bestimmt nicht umgezogen.

Dieter kaufte in Quickborn-Heide ein villenähnliches Haus, das uns beiden auf Anhieb gefiel. Es war von einem großen Garten umgeben und besaß über zweihundert Quadratmeter Wohnfläche. Dieter wollte seinen Kindern eine vertraute Atmosphäre bieten, da sie mit ihrer Mutter in einer Villa wohnten, die dem Haus in Quickborn-Heide ähnelte.

In den ersten sechs Jahren habe ich den Haushalt alleine geschmissen, habe gekocht, geputzt, gewaschen und mich um die Kinder gekümmert, wenn sie da waren. Leider bekam ich nach wie vor kein Haushaltsgeld, musste um jeden Pfennig betteln.

Weil Dieter Angst um sein Hab und Gut hatte, kaufte er einen Hund, einen großen Labrador, der das Haus und das Grundstück bewachen sollte. Doch Rocky war viel zu verspielt und gutmütig, als dass aus ihm ein Wachhund geworden wäre. Ich durfte jetzt immer öfter daheim bleiben, um auf die Hunde und das Haus aufzupassen, wenn er nach Hamburg ins Studio fuhr.

Als wir im August 1991 wegen einer Geschäftsreise nach Los Angeles flogen, durfte ich nur deshalb mit, weil die Plattenfirma, für die Dieter mit Dionne Warwick eine Platte aufnahm, für alle Kosten aufkam, inklusive Flug und Hotel.

Während dieser Reise verlangte Dieter von mir, dass ich mir seine Initialen auf meinen Körper tätowieren lassen sollte, aber ich weigerte mich kategorisch, was einen ziemlich heftigen Streit auslöste. Tagelang sprachen wir nichts mehr miteinander. Auf dem Rückflug versöhnte ich mich mit Dieter, weil ich ihm sagte, dass ich es mir doch noch überlegen würde, aber ich tat es nie.

Seit wir in Quickborn-Heide wohnten, waren Dieters Kinder oft bei uns da. Meistens am Wochenende und in den Ferien. Ich habe alles versucht, dass die Kleinen mich mögen, habe mit ihnen gespielt, bin im Sandkasten gesessen und mit ihnen auf den Spielplatz gegangen, doch es brachte nichts. Vor allem die Jungs konnten mich nicht leiden und gaben mir das deutlich zu verstehen. Nicht selten kam es vor, dass ich als »Arschloch« oder »Blöde Kuh« betitelt wurde. »Du bist nicht unsere Mutter und hast uns nichts zu sagen!«, schrien sie mich an, wenn ich versuchte, sie zu erziehen.

Dieter vergötterte seine Kinder und setzte ihnen keine Grenzen. Sie durften tun und lassen was sie wollten, durften mit Essen herumwerfen und Knete an die Wände schmieren. Natürlich war ich dafür zuständig, dass danach alles wieder picobello aussah. Wenn ich Dieter bat, den Kindern Grenzen aufzuzeigen, stieß ich damit auf taube Ohren. Vor allem der Älteste war Dieters ausgesprochener Liebling. Egal, was die Kinder anstellten, er hielt immer zu ihnen. Nach einigen Jahren gab ich es auf, um ihre Anerkennung und Liebe zu kämpfen, doch seltsamerweise mochten sie mich auf einmal dann, als die Beziehung zu Dieter schon total kaputt war, doch nach der Trennung riss auch der Kontakt zu ihnen ab.

Wir stritten öfter heftig, und dabei konnte es schon vorkommen, dass die Situation eskalierte. Zum Beispiel, als wir einmal auf der Autobahn fuhren und wegen irgendwas, das ich gar nicht mehr weiß, in Streit gerieten. Ich wollte raus aus dem Auto, aber Dieter fuhr unbeirrt weiter. Vor lauter Wut riss ich am Schalthebel, und das machte ihn so sauer, dass er an den Seitenstreifen fuhr und mich aus dem Auto schubste. Als ich draußen war, gab er Gas, hielt dann aber einige hundert Meter wieder an. Ich stieg ein, doch froh darüber, dass ich nicht in der Dunkelheit allein heimlaufen musste.

Das mit dem Heimlaufen war nämlich auch schon vorgekommen, aber da war ich selbst schuld daran. Es war in den frühen Morgenstunden gewesen, wir stritten mal wieder, und ich wollte aussteigen. Dieter ließ mich raus und brauste tatsächlich davon! Bis nach Hause waren es noch ein paar Stunden Fußmarsch, die ich nun im Minirock und in hochhackigen Schuhen zurücklegen musste. Durch die engen Schuhe bekam ich bald Blasen an den Füßen. Ein junger Kerl erbarmte sich schließlich und fuhr mich die letzten Kilometer heim.

Solche Ereignisse gaben mir immer wieder zu spüren, wie sehr ich von Dieter abhängig geworden war. Er besaß die Kohle, das Haus, einfach alles. Und ich liebte ihn immer noch zu sehr, um mir ein Leben ohne ihn vorstellen zu können.

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Wir verbrachten viele schöne Zeiten miteinander. Unser erster Urlaub auf den Malediven wird mir unvergesslich bleiben.

Bald darauf begann das mit den Einbrüchen. Es fing mit Dieters aufgebrochenem Mercedes an, danach verschafften sich die Einbrecher mehrmals Zutritt ins Haus. Einmal sogar, als wir oben ahnungslos schliefen. Sie stahlen wertvolle Dinge, unter anderem mehrere goldene Schallplatten. Das machte uns beide ziemlich fertig, mich wegen der Vorstellung, dass die Einbrecher uns hätten umbringen können, Dieter wegen seiner materiellen Verluste. Wenn wir nach diesen Vorfällen manchmal nachts Geräusche im Haus hörten, bat Dieter mich, nach unten zu gehen und nachzuschauen, weil ich die Mutigere war und kaum Angst verspürte, während er vor Angst zitternd im Bett liegen blieb.

Bald darauf verkaufte Dieter das Haus in Quickborn-Heide und kaufte das Haus in Tötensen, in dem er heute noch lebt.

Mit fünfhundertsechzig Quadratmetern zum Wohnen und einem 1,3 Hektar großen Garten war das zweiflügelige, ockergelbe Anwesen eine wahre Pracht. Es war in der TV-Serie Die Guldenburgs die Film-Residenz für Ruth Maria Kubitschek gewesen. Der Garten war so riesig, dass wir den Gärtner übernahmen, der den Job schon vorher gemacht hatte.

Obwohl das Haus auf den ersten Blick total nobel wirkte, war doch einiges renovierungsbedürftig. Einige Mauern mussten trockengelegt, Holzfenster gestrichen und Dachbalken repariert werden. Bis alles fertig renoviert war, dauerte es fast ein ganzes Jahr.

Dieter hatte nicht nur das Haus gekauft, sondern auch noch ein Grundstück mit Pferdekoppeln samt Stall und einen angrenzenden Wald dazu.

Oft bin ich in unserem wunderschönen, parkähnlichen Garten rumgelaufen und genoss die Natur in vollen Zügen, habe ich im Teehaus gesessen und über meine Zukunft nachgedacht. Habe darüber nachgedacht, dass ich gerne mit Dieter verheiratet wäre und Kinder hätte. Wir lebten in einem wunderbaren Paradies.

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Weil Dieter Angst um seinen Besitz hatte, schaffte er sich zusätzlich zu einer Alarmanlage zwei Rottweiler an, die das Haus und das Grundstück bewachen sollten. Jetzt hatten wir vier Hunde. Weil meine süße, kleine Shaky von den großen Hunden umgerannt wurde und deswegen beinahe gestorben wäre, schenkte ich sie der Frau des Gärtners, wo sie sicher war und sich wohl fühlte. Dieter meinte, dass Rocky, unser Labrador, unnütz wäre, weil er kein Wachhund war. Er gab ihn gegen meinen Willen einem Freund. Ich heulte wochenlang wegen der Hunde, aber Dieter war in dieser Beziehung ziemlich kaltherzig. Später kamen auch die beiden Rottweiler weg, weil sie ihm zu viel Dreck machten. Er log mir vor, die Hunde würden ein tolles Leben auf einem Bauernhof führen, doch in Wirklichkeit hatte er sie ins Tierheim gegeben. Das erfuhr ich erst sehr viel später durch Zufall.

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Dieter erfüllte mir einen Kindheitstraum und schenkte mir ein Pferd. Das war total großzügig und lieb von ihm. Er bezahlte auch den Reitunterricht, den ich im nahegelegenen Reitstall nahm. Auch Dieter wurde vom Reitvirus befallen und nahm Reitstunden, und weil mein Pferd so einsam und allein auf der riesigen Koppel stand, kaufte sich Dieter ein eigenes Pferd. Meine schönste Zeit mit Dieter war die, in der wir oft zusammen ausgeritten sind und uns über Gott und die Welt unterhielten. Wir galoppierten über die Felder und Wiesen und genossen die Natur in vollen Zügen. Leider wollte Dieter nur das Vergnügen haben, aber nicht die Arbeit. Um die Pferde kümmerte ich mich, mistete, fütterte und schleppte im Winter, wenn es zufror, die Wassereimer zur Weide.

Mein Tag war ausgefüllt, weil ich mich zu den Pferden auch noch um den Haushalt kümmerte. Zu Beginn hatten wir noch keine Putzfrau, und das hieß für mich, dass ich über fünfhundert Quadratmeter sauber halten musste. Dieter legte sehr viel Wert auf Hygiene und Sauberkeit und prüfte akribisch nach, ob alles so gemacht war, wie er es haben wollte. Passte ihm etwas nicht, konnte er richtig eklig werden. Ich war dann auch zickig, weil ich mir nicht alles gefallen lassen wollte und weil ich gar nicht einsah, dass man so übertreiben musste.

Da ich schon als Kind gerne gekocht habe und meinem Vater, der auch gerne kochte, über die Schulter guckte, machte es mir nichts aus, für Dieter zu kochen, wenn wir daheim waren. Er aß am liebsten gut bürgerlich, bevorzugt Fleischgerichte. Sein Lieblingsgericht war Ente mit Rotkohl, aber auch Hackbraten, Gulasch und Schnitzel gehörten zu seinen Favoriten.

Wenn wir in Urlaub fuhren, war Dieter immer großzügig. Er bezahlte alles: den Flug, das Hotel und die Freizeitprogramme für die Kinder. Im Sommer flogen wir nach Mallorca, weil es Dieter dort am besten gefiel, Silvester verbrachten wir auf den Malediven. Nach einigen Jahren hatte ich auf Mallorca keine Lust mehr. Es war immer dasselbe: Dieter wollte in Mallorca einen Zweitwohnsitz haben, deshalb liefen wir in der brütenden Hitze umher und hielten nach einem Grundstück oder einem geeigneten Haus Ausschau. Es war aber nie etwas dabei, was ihm gefiel. Entweder war das Objekt zu teuer oder es passte ihm irgendetwas anderes nicht.

Wir stritten immer öfter. Plötzlich passte ihm nicht mehr, wie ich aussah oder was ich trug. Manchmal sagte er zu mir: »Du siehst scheiße aus, mit dir muss ich mich ja schämen!« Das machte mich total fertig. Ich hatte an meinem Stil und meinem Aussehen nichts geändert. Was war geschehen? Er wollte auch immer öfter ohne mich ausgehen und begründete das mit »Männerabenden«. Mein Gefühl, dass er fremdging, trog mich nicht, aber ich wollte es nicht wahrhaben und verdrängte es.

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Ab dem Jahr 1995 begann er mit dem Fremdgehen. Es sprachen mich mehrere Leute darauf an, doch ich wollte nichts darüber hören und blockte ab. Mit unserer Beziehung ging es allmählich bergab, ebenso mit Blue System. Er war ständig schlecht gelaunt, ich auch. Weil ich innerlich fürchterliche Angst verspürte, dass Dieter mich mit anderen Frauen betrog, machte ich ihm oft Szenen und ging ihm damit auf die Nerven.

Eines Tages beschuldigte mich Dieter, mit unserem Gärtner etwas zu haben. Das war richtig gemein, denn ich hätte nie auch nur einen anderen Mann angefasst. Ich denke, dass Dieter sich durch die Beschuldigungen selbst einen Vorteil verschaffen wollte, damit er seine Eskapaden mit anderen Frauen rechtfertigen konnte.