Achtsam die Welt verändern - Sharon Salzberg - E-Book
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Achtsam die Welt verändern E-Book

Sharon Salzberg

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  • Herausgeber: Irisiana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Heilung für eine Welt im Aufruhr

Diese Welt ist chaotisch, unübersichtlich und unkontrollierbar. Angesichts von Pandemien, Flüchtlingselend und Finanzkrisen sind viele Menschen Gefühlen von Ohnmacht, überwältigenden Ängsten und Existenzsorgen ausgesetzt. Resignation und Verzweiflung greifen um sich. Was tun? Gibt es einen Ausweg? Sharon Salzberg sagt: Ja! Die weltberühmte Meditationslehrerin postuliert in ihrem neuen Buch, dass Achtsamkeit, gespeist aus einer fundierten Meditationspraxis, jeden Einzelnen und damit die Welt zum Besseren ändern kann - nicht die Achtsamkeit des asketischen Mönchs, der fernab der Welt in seiner Höhle meditiert. Vielmehr geht Sharon Salzberg davon aus, dass wir alle den Wandel in der Welt herbeiführen können, in jedem Moment unseres Lebens. Sie teilt weise Ratschläge und hilfreiche Techniken, um dem Gefühl der Ohnmacht entgegenzutreten, Resilienz und Großzügigkeit zu entwickeln, Mitgefühl und Handlungsfähigkeit zu stärken. Achtsam die Welt verändern ist ein wichtiges, einfühlsames und intelligentes Buch in diesen Zeiten des Umbruchs.

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Seitenzahl: 338

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Sharon Salzberg

Achtsam die Welt verändern

Wie deine Meditationspraxis Krisen zu Chancen macht

Aus dem Amerikanischen von Hanna R. Müller

© der deutschen Ausgabe 2021 by Irisiana Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, 81673 MünchenDie amerikanische Originalausgabe erschien 2020 bei Flatiron Books New York unter dem Titel Real Change – mindfulness to heal ourselves and the worldREAL CHANGE Text Copyright © 2020 by Sharon Salzberg Published by arrangement with FLATIRON BOOKS. All rights reserved.Dieses Werk wurde im Auftrag von FLATIRON BOOKS durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover, vermittelt.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Projektleitung: Nikola Teusianu

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Hanna R. Müller

Herstellung: Claudia Scheike

Lektorat und Korrektorat: Susanne Schneider

Satz: Uhl + Massopust Aalen

Umschlaggestaltung und Konzeption: Geviert – Büro für Kommunikationsdesign München unter Verwendung eines Motivs von Shutterstock; © Lintang DesignISBN 978-3-641-27617-1V001

INHALT

Vorwort

Einführung

Kapitel 1: Wandel ist möglich

Kapitel 2: Handlungsfähigkeit

Kapitel 3: Zum Feuer erwachen: Wenn Wut zu Mut wird

Kapitel 4: Vom Kummer zur Resilienz

Kapitel 5: Heimkehr zu uns selbst

Kapitel 6: Allverbundenheit

Kapitel 7: Klarer sehen

Kapitel 8: Wunderbares Gleichgewicht

Danksagung

Vorwort

Weisheit für jetzt und allezeit

An diesem Buch habe ich sehr lange gearbeitet und es beendet, kurz bevor Covid-19 weltweit eine massive Spaltung, große Furcht und enormes Leid auslöste. Dieses Buch wurde geschrieben, bevor die Ungerechtigkeiten und Vorurteile, die Kurzsichtigkeit und Ängste, die das Grundgerüst vieler gesellschaftlicher Strukturen bilden, durch die globale Coronakrise so eindringlich in den Vordergrund gerückt wurden. Es wurde geschrieben, bevor so vieles, das wir für den morgigen Tag, die nächste Woche, die nächsten Monate für selbstverständlich gehalten hatten, völlig auf den Kopf gestellt wurde.

In diesen Zeiten von großer Unsicherheit und erheblichem Verlust sucht wohl jeder von uns nach dem, was uns aufrechterhält und was dazu beitragen kann, uns Gewissheit zu geben, dass noch irgendetwas intakt ist. Wir suchen nach etwas Wesentlichem, was nicht weggeblasen worden ist. Und wir sehnen uns danach, uns wieder auf unsere tiefsten Werte zu besinnen, um Erneuerung finden zu können.

Nachdem Hiroshima 1945 durch die Atombombe ausgelöscht worden war, überschwemmte erneute Panik die Stadt, als das Gerücht aufkam, es würden dort nie wieder Gras, Bäume und Blumen wachsen. Konnte das Ausmaß dieser Katastrophe wirklich bewirkt haben, dass alles, woran die Menschen geglaubt hatten, alles, worauf sie sich verlassen hatten, alles, was ihnen lieb und teuer war – gewissermaßen die Naturgesetze selbst –, durch die Bombe pulverisiert wurde? Und dennoch, auch wenn die Frage berechtigt war, ob angesichts solch ungeheuren Leides Erneuerung, Glaubwürdigkeit und Güte jemals wieder möglich sein könnten: Das Gras in Hiroshima fing wieder an zu wachsen.

Als die Überlebenden das Gras wieder wachsen sahen, obwohl sie erlebt hatten, wie ihre ganze Welt so plötzlich und brutal von der Erdoberfläche verschwunden war, fanden sie die Kraft wieder, um weiterzumachen. Wenn ich über diese Geschichte nachdenke, gemahnt es mich daran, auf das zu schauen, was heil und ganz, unversehrt und unbeschädigt ist – selbst angesichts von totaler Zerstörung und Verlust.

Eine der ursprünglichen Bedeutungen des Sanskritwortes dharma – oft übersetzt als »das Sosein der Dinge« oder »das Naturgesetz« – ist »das, was uns aufrechterhält, was uns unterstützt«. Als sich die Begleitumstände der Pandemie deutlicher herauskristallisierten und ich anfing, Ausschau zu halten nach etwas, das mich aufrichten und unterstützen konnte, rang ich mit der Grundfrage: »Was ist immer noch wahr?« Und ich wandte mich erneut der zeitlosen Weisheit zu und den über Jahrtausende erprobten Methoden der Meditation.

Seither habe ich mir immer wieder diese machtvolle Frage gestellt. Und jedes Mal bin ich aufgefordert, noch genauer und tiefer hinzuschauen, um in mir selbst – und auch außerhalb meiner selbst – eine Antwort zu finden auf diese Frage: »Was ist immer noch wahr?«

In diesem Zusammenhang zog ich auch einige wohlbekannte Sym­bole und Bilder in meine Überlegungen mit ein. So habe ich zum Beispiel die Texte von einigen der geführten Meditationen, die du in diesem Buch findest, für Audioaufnahmen laut vorgelesen. Dazu gehört auch eine »Meditation der Liebenden Güte (metta)«, die darin besteht, unsere Fürsorge und liebevolle Zuwendung auf eine Reihe von Menschen auszudehnen, die wir in unsere Meditation miteinbeziehen. Ein klassischer Empfänger wäre eine sogenannte »neutrale Person« – jemand, den wir weder besonders mögen noch nicht mögen, jemand, den wir leicht über­sehen, aber nicht absichtlich oder aus Abneigung, sondern meist einfach nur aus Gleichgültigkeit.

Für diese Meditation empfiehlt es sich, jemanden zu wählen, den du hin und wieder siehst, sodass du einschätzen kannst, wie sich dein Gefühl zu dieser Person möglicherweise verändert. Meine Kollegen und ich empfehlen seit mehr als 30 Jahren, als »neutrale Person« jemanden wie beispielsweise die Kassiererin im Supermarkt zu nehmen: die Verkörperung eines Menschen, der eine Dienstleistung für uns erbringt, den wir aber gewohnheitsmäßig nicht weiter beachten. Während ich nun diese Meditationsanleitung laut las – inmitten von Pandemie und »sozialer Distanzierung« –, erkannte ich bestürzt: Wir hätten nichts zu essen, wenn diese Menschen nicht an ihrem Arbeitsplatz erschienen. Und ich dachte: Es ist absurd und macht überhaupt keinen Sinn, sich diesen Menschen gegenüber so gleichgültig zu verhalten!

Ich erkannte, dass eine solche Verlagerung der Perspektive, eine solche Umdeutung unserer Wahrnehmung ein perfekter Weckruf sein kann, auch wenn es sich manchmal verstörend anfühlen mag. Oft können wir darin eine bisher völlig übersehene Wahrheit erkennen wie: »Na, so was! Eigentlich bin ich ja von allen möglichen Leuten abhängig! Menschen, die ich auf eine bloße Sache reduziert, zu einem Objekt gemacht habe, als wären sie gar keine menschlichen Wesen, die ihre eigenen Hoffnungen und Träume hegen, genau wie ich selbst.«

Ich denke, es ist nun an der Zeit, dass wir nicht nur das im Blick haben, was wir ohnehin schon kennen, sondern wir sollten auch nach innen blicken – auf das, was sich tief in unserem Innern und zwischen uns Menschen abspielt, und uns fragen: »Was ist immer noch wahr?«

Als ich dieses Buch noch einmal durchlas, diesmal im Licht der aktuellen Ereignisse, erfasste mich ein Gefühl tiefen Friedens. Und die Überzeugung: Ich glaube daran, dass das Gras und die Blumen nach all der Zerstörung wieder wachsen können und dass es einen Weg zurück in die Ganzheit und nachhaltige Unver­sehrtheit gibt. Der Weg, der in diesem Buch aufgezeigt wird, ist für mich heute so gültig wie nie zuvor, ein Weg zu individueller und globaler Heilung: Er gibt uns die Gewissheit, dass wir fähig sind, Einfluss zu nehmen, Wut in Mut zu verwandeln, ebenso wie Schmerz in Resilienz, unsere Freude zuzulassen, gut Sorge zu tragen für uns selbst ebenso wie für andere – und in der Wahrheit von gegenseitiger Verbundenheit und liebendem Mitgefühl zu leben.

Dieses Buch handelt nicht nur davon, wie wir einen Wandel in der Welt da draußen bewirken können, sondern auch davon, wie diese Welt im ständigen Wandel uns selbst innerlich verändert.

Möge dieses Buch von Nutzen sein, möge es helfen, Leiden zu lindern, und möge es dazu dienen, uns noch mehr miteinander zu verbinden, damit wir nicht durch Isolation und Angst, sondern vielmehr durch Weisheit, Großzügigkeit und Liebe geprägt sind.

Einführung

Wir sitzen alle im selben Boot

Von dem Moment an, als ich zum ersten Mal die Ansicht Buddhas über die angeborene Würde und den Wert aller Menschen hörte, fand ich diese Sichtweise einfach atemberaubend. Sie hat mich nicht nur persönlich verwandelt und mir das Gefühl gegeben, dass ich endlich dazugehöre, dass ich Teil eines größeren Lebensbildes bin, sondern ich habe auch schnell erkannt, welche Auswirkungen eine solche Perspektive darauf hat, wie man sich entscheiden kann, in der Welt zu handeln.

Die Übung der Achtsamkeit und sogar die »Meditation der Liebenden Güte (metta)« werden gemeinhin als eine ganz persönliche und nach innen gerichtete Praxis angesehen, aber sie können sehr wohl auch als soziale Praktiken verstanden werden. Wenn wir mit unserem eigenen Schmerz oder dem Schmerz anderer Menschen in Berührung kommen, ist Meditation nicht nur ein heilender Balsam; sie kann uns den Anstoß geben, auf Veränderungen hinzuarbeiten. Das daraus resultierende Engagement kann ein offenherziger Beweis dafür sein, was uns am meisten am Herzen liegt.

Das Bemühen um Veränderung ist Ausdruck unserer eigenen angeborenen Würde und zeugt von der festen Annahme, dass unser eigenes Verhalten in dieser Welt eine Rolle spielt. Wir bemühen uns nicht nur, den Wandel schon jetzt zu fördern, sondern wir engagieren uns auch dafür, das zum Leben zu erwecken, wovon wir glauben, dass es eines Tages möglich sein wird.

Robert Thurman, Professor an der Columbia University, lehrt anhand eines Bildes, wie jeder ein mitfühlendes Leben führen kann. »Stellen Sie sich vor, Sie sind in der New Yorker U-Bahn«, sagt er, »und diese Außerirdischen kommen und kapern den U-Bahn-Waggon, sperren Sie ein, sodass Sie alle darin für immer zusammen sein werden.« Wenn jemand in dem U-Bahn-Wagen Hunger hat, helfen wir ihm, Essen zu besorgen. Wenn jemand in Panik gerät, tun wir unser Bestes, um ihn zu beruhigen. Nicht unbedingt, weil wir diese Person mögen oder sympathisch finden, sondern weil wir in diesem Ding für immer zusammengepfercht sein werden. »Und wissen Sie was?«, fährt Robert fort. »Die Wahrheit ist, dass wir nicht nur alle in einer U-Bahn sitzen, wir sitzen alle zusammen im selben Boot!« Wir teilen uns diesen Planeten, wir teilen miteinander dieses Leben, und alle unsere Handlungen und Reaktionen, ebenso wie die der anderen, machen sich weithin bemerkbar, wie kleine Wellen, die sich kräuselnd über den ganzen See ausbreiten.

Wir leben nicht in isolierten Bunkern, getrennt von allen anderen – auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Was anderen widerfährt, betrifft unweigerlich auch uns. Selbst wenn wir die Situation derer, die wir nicht kennen, ignoriert haben oder uns ihrer nicht bewusst waren, können wir aufwachen und erkennen, dass unsere Leben tatsächlich eng miteinander verbunden sind. Was »da drüben« passiert, bleibt nie einfach schön »da drüben« – es schwappt zu uns herüber. Und genauso wird das, was wir hier drüben tun, eine Rolle spielen. Diese gegenseitige Verbundenheit ist nicht bloß eine spirituelle Erkenntnis, auch die Wissenschaft zeigt uns dies, ebenso wie die Wirtschaft und besonders deutlich die Ökologie – und nicht zuletzt führt es uns die Epidemiologie jetzt vor Augen.

Wir alle ringen mit dem, was wir ändern und was wir sein lassen sollen, was wir beeinflussen können und was nicht, mit den Anstrengungen, die nötig sind, um Veränderungen zu begünstigen, und mit der gar nicht so fernen Gefahr, dass man ausbrennt oder dichtmacht. Ich habe gelernt, dass die Meditation Werkzeuge zur Verfügung stellen kann, die Mut aus Wut erwachsen lassen, und Resilienz aus Kummer. Ich habe gelernt, dass die Perspektive, die die Meditation bietet, einem helfen kann, ganz zu werden, wenn das eigene Leben durch die Handlungen anderer erschüttert wurde. Und auch wenn es im Widerspruch zu dem steht, was vielen von uns vermittelt wurde, habe ich gelernt, dass tiefe Akzeptanz keine Trägheit ist.

Unsere Zeit, und vielleicht jede Zeit, erscheint oft aggressiv und verwirrend, sodass viele verunsichert sind, was sie davon halten sollen, und Bedenken haben, sich irgendwo zu engagieren. Manchmal liegt der eigentliche Kern dieses Zweifels darin, dass wir uns von der unermesslichen Bedrängnis rundum schier überwältigt fühlen. Allein schon der Vorgang des Wählens, während wir allein in dieser Wahlkabine stehen, um ein paar Kreuzchen zu setzen, kann sich ja so unbedeutend und wirkungslos anfühlen. Freiwilligenarbeit in einer Suppenküche mag uns angesichts der herrschenden Obdachlosigkeit, Armut und Ernährungsunsicherheit als eine dürftige Bemühung erscheinen. Andererseits verstehe ich aber nicht, wie Teilnahmslosigkeit, Zynismus, lähmende Ohnmacht oder innerliche Wappnung gegen Anteilnahme auch nur irgendwie besser sein sollen! Schließlich kann das, was in unseren Augen ein minimaler Unterschied sein mag, für einen unmittelbar Betroffenen einen großen Unterschied machen.

Mit diesen Themen beschäftige ich mich nun schon seit Jahrzehnten – sowohl mit Menschen, die mich um Hilfe bitten, als auch im Umgang mit den Herausforderungen meines eigenen Lebens. Real Change (»Wahrer Wandel«, wörtliche Übersetzung des amerikanischen Originaltitels; Anm. d. Ü.) ist das Buch, das ich schon seit Jahren schreiben wollte, um die Schnittstelle zwischen dem Bemühen um einen Wandel in der Welt und den Qualitäten von Klarheit und Mitgefühl, die aus der Praxis von Achtsamkeit und Liebender Güte entstehen, zu erforschen. Das Buch ist so aufgebaut, dass es den Weg aufzeigt, den wir auf unserer Reise zu einem wirkungsvolleren und nachhaltigeren Ausdruck unserer inneren Werte oft beschreiten: Wir erweitern unsere Vision, verkörpern buchstäblich das Bemühen um echten Wandel, arbei­ten mit Wut und Trauer, die einen unverstellten Blick auf den Schmerz zwangsläufig begleiten, unterstützen und erinnern uns selbst an die Freude inmitten aller Herausforderungen, schauen immer wieder neu hin, wer oder was wirklich zählt und für uns wichtig ist, erwecken unsere Urteilsfähigkeit und Einsicht, kommen ins Gleichgewicht und erfahren inneren Frieden.

Im Text enthalten sind verschiedene Meditations- oder Kontemplationsübungen zum Ausprobieren. Jede dieser Meditationen enthält die Essenz der Gedanken im jeweiligen Kapitel. Sie dienen als Training, um diese Prinzipien zum Leben zu erwecken – indem sie unsere Aufmerksamkeit stärken, die Energie ausrichten, Entspannung und Loslassen erleichtern und die Erfahrung von Liebe und Mitgefühl erweitern. Wenn du mit den Übungen experimentieren willst, nimm dir etwa zehn Minuten Zeit dafür, setz dich bequem hin, lies die Vorschläge, schließe die Augen, wenn du möchtest (du kannst sie aber auch leicht geöffnet halten), und probiere es einfach aus. Mache jede Übung gern ein paarmal, so lernst du sie besser kennen und kannst entscheiden, ob du manche davon in deinen Alltag aufnehmen möchtest.

Für dieses Buch habe ich mit vielen inspirierenden Menschen gesprochen, die sich für den Wandel einsetzen. Darunter waren Dichter, Stückeschreiber und Professoren bis hin zu Verfechtern, Aktivisten und Aktivistinnen für gleiche Entlohnung, soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und vieles mehr. Manche praktizieren Meditation im klassischen Sinn, andere nicht, doch alle ringen mit ähnlichen Erfahrungen und Herausforderungen, während sie versuchen, einen positiven Einfluss auf die Welt zu nehmen.

Ihre Tätigkeit, ihre Auseinandersetzungen und Erfolge verbinden sich in meinen Augen in vielfacher Hinsicht sehr mit der Lehre von Achtsamkeit, Liebender Güte und der inzwischen 2500 Jahre währenden Weisheit Buddhas. Ich sage dies nicht, weil ich im Sinne der Institution des Buddhismus missionieren will (was seinen eigenen Werten nicht wirklich entsprechen würde), sondern weil die Lehren, und insbesondere die Praxis, die Buddha anbot, mein Leben verändert haben. Sie haben mir gezeigt, wie viel Kraft in Weisheit und Mitgefühl liegt, und sie sind für jeden zugänglich – egal, welcher Religion, Tradition oder Weltanschauung er oder sie anhängen mag.

Diese Gestalter des Wandels haben mir großzügig erlaubt, sie zu zitieren – in meinem Bemühen, einen möglichst gesunden und heilsamen Weg aufzuzeigen, wie wir durch die weiten Gewässer des Handelns und der Bewusstheit navigieren können. Ihre Einsichten und Geschichten möchte ich gern mit anderen teilen. Wir machen diese Reise alle im selben Boot.

Kapitel 1 Wandel ist möglich

In der Tradition, in der ich ausgebildet wurde, ist es seit Langem Brauch, die positive Energie, die aus der Meditationspraxis entsteht, anderen zu widmen. Deshalb verbringe ich morgens vor der Meditation oft etwas Zeit damit, an jemanden zu denken, von dem ich weiß, dass er gerade in Schwierigkeiten steckt. Natürlich kann es sich dabei um unterschiedliche Empfänger handeln, je nachdem, wer mir an einem bestimmten Tag in den Sinn kommt. Vielleicht denke ich an jemanden, den ich getroffen habe und der sich um einen Elternteil mit Alzheimer kümmert, oder an ein Schulkind, das ich kenne und das versucht, sich von einer traumatischen, gewalttätigen Erfahrung zu erholen. Oder ich denke über eine Gemeinschaft nach, der man die Luft abschnürt, als hätte ihre Stimme keinen Wert, oder es fällt mir eine abscheuliche Sache ein, die sich gerade eine Straße weiter zutrug, wo die Wände der Universität mit Hakenkreuzen beschmiert wurden.

Manchmal wird meine Aufmerksamkeit von der eklatanten Grausamkeit gefangen genommen, die tagtäglich ganz nüchtern in den Nachrichten beschrieben wird. Es wird in einer Weise berichtet, als wäre das, was geschehen ist, die normale Art, wie Menschen miteinander umgehen. Wenn ich höre, wie jemand brutal behandelt wurde, wird die Handlung oft so geschildert, als wäre die Person, die da buchstäblich oder bildlich getreten wurde, ein Objekt wie ein Möbelstück, aber kein menschliches Subjekt mit Gefühlen und Träumen, Verpflichtungen und Ängsten. Manchmal möchte ich morgens am liebsten gleich wieder ins Bett gehen.

Als ich kürzlich meine morgendliche Kontemplation durchführte, war ich alles andere als meditativ inspiriert. Stattdessen fühlte ich mich belastet und völlig erledigt von dem unerbittlichen Ansturm von Schmerz und Leid, wohin ich auch schaute. Da wusste ich: Ich habe eine Pause nötig. Ich brauchte etwas, um mein wundes Herz in sanfter Zärtlichkeit zu wiegen. Etwas, das mich mit den unsichtbaren Kräften verband und mir eine umfassendere, offene Perspektive des Wandels gab. Ich fühlte mich wie erstarrt.

Die Stressreaktion

Die meisten von uns kennen die Beschreibung der Kampf-oder-Flucht-Reaktion auf Stress oder Trauma. Es ist für uns normal, eine derartige Situation als unmittelbare Bedrohung wahrzunehmen. Wir reagieren darauf, indem wir uns wappnen, uns physiologisch, hormonell und emotional darauf vorbereiten, entweder ums Überleben zu kämpfen – oder alternativ alles hochzurüsten, um so schnell wie möglich wegzurennen.

Ich war froh, als Stressexperten diese landläufige Beschreibung um eine weitere, allgemein verbreitete Reaktion ergänzten: die Erstarrung. Als ich davon hörte, ergab es sofort Sinn für mich. Wir erfahren natürlich immer wieder alle drei Reaktionen, aber jeder Einzelne scheint doch aufgrund seiner individuellen Prägung mehr zu einer bestimmten Reaktion zu tendieren als zu den anderen. Ich würde behaupten, dass meine häufigste automatische Reaktion die Erstarrung ist – viel eher als das Wegrennen oder Angreifen.

Wenn wir erstarren, verhalten wir uns wie das sprichwörtliche Reh im Autoscheinwerfer. Wir versuchen zu verschwinden, indem wir Unsichtbarkeit vortäuschen. Kürzlich spielte ich mit einer Dreijährigen »Guckguck«, und sie schien überzeugt, dass ich sie ebenfalls nicht sehen könne, wenn sie sich ihre Augen zuhielt. Eine solche Reaktion kann im Moment am geeignetsten erscheinen, weil wir manchmal einfach nicht die Ressourcen haben, um voll und ganz zu begreifen, was im Augenblick gerade abläuft. Dann verschafft die vorübergehende Taubheit oder Abspaltung uns die benötigte Zeit. Es dürfte aber keine Überraschung sein, dass das Erstarren auch eine schwerwiegende Fehlanpassung sein kann. Einige Stressexperten sagen, zu kämpfen oder zu flüchten seien Zeichen der Hoffnung, während Erstarren eine Verstrickung in Hoffnungslosigkeit sei. Möglicherweise ist sie deshalb schwerer zu bewältigen.

Unsere reflexartigen Reaktionen mit Kampf, Flucht oder Erstarrung in extremen Stresssituationen oder beim Wiedererleben eines Traumas unterscheiden sich qualitativ von der Energiefreisetzung, die als intensive Reaktion auf ein aktuelles Bedürfnis erfolgt. Unsere reflexiven Reaktionen sind oft sprunghaft und unberechenbar und ziehen uns in einen Zustand von Taumel und Unklarheit – eher wie ein Schmerzensschrei als ein Kampfruf, der uns an unser Ziel erinnern und uns mit anderen Menschen in einer gemeinsamen Sache vereinen würde. Meine eigene gewohnheitsmäßige Neigung zu erstarren, also gefühllos, taub, dissoziiert, weggetreten oder schläfrig zu sein, ist beispielsweise kein wirklich sinnvoller Zustand, in dem es sich auf Dauer zu bleiben empfiehlt, sofern man wirklich etwas ändern will.

Ich möchte jedoch unsere ganz normalen Reaktionen auf Stress oder Trauma keinesfalls als pathologisch bewerten, so schlimm sie sich auch anfühlen mögen. Die wichtigsten Werkzeuge, die ich kenne, um der Herausforderung zu begegnen, wenn wir in unseren Ängsten gefangen sind, heißen Achtsamkeit und Liebende Güte – beides habe ich in den letzten vier Jahrzehnten praktiziert und gelehrt.

Bei der Entwicklung dieser Qualitäten geht es nicht darum, uns selbst hart zu beurteilen, wenn wir einmal weniger achtsam oder freundlich sind, sondern zu lernen, nicht in einer automatischen Reaktion stecken zu bleiben. Wir üben, um ein Gefühl für unsere Handlungsfähigkeit zu entwickeln und um zu verstehen, dass wir eine ganze Reihe von Reaktionen zur Verfügung haben. Wir üben das Erinnern an den Atem, damit wir auch mitten in einer Notlage einen Spielraum haben, uns auf unsere Werte und das, was uns wirklich wichtig ist, zu besinnen – und so in unserer inneren Stärke und im Miteinander Unterstützung zu finden.

Manche Bedrohungen wirken natürlich übertrieben groß aufgrund unserer Ängste, unserer Gefühle von Ohnmacht und Unzulänglichkeit, unserer tief verwurzelten Überzeugung, dass wir unterliegen werden. Manche Bedrohungen sind einfach nicht real, sondern existieren nur in unserer Vorstellung. Und auch wenn einige Bedrohungen durchaus real sind, nehmen wir ihre Gefährlichkeit völlig verzerrt wahr, was unsere Furcht noch verstärkt. In den Zeiten, in denen wir jetzt leben, gibt es viel Trennendes und viel Spaltung auf der ganzen Welt. Die Menschen stellen oft die Unterschiede mehr als die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund, die Entfremdung mehr als die Verbindung. Es scheint, als würde der Hass sich ausbreiten, als würde das Gerüst, das unsere Gemeinschaften bisher aufrechterhielt, ziemlich wackelig werden: die Nächstenliebe, die von den Glaubenstraditionen gelehrt wurde, das Bekenntnis zur Barmherzigkeit weltlicher Traditionen, die Vision vom Gemeinwohl im Staatswesen. Tagtäglich erleben wir, dass offenbar überall auf diesem Planeten die Menschen eher gegeneinander aufgebracht als zusammengeführt werden.

Das schmerzende Herz

Die Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsreaktionen sind chronisch geworden – ein Dauerzustand, der alles mehr und mehr beherrscht: unsere Konsum- und Kommunikationsgewohnheiten, die Medien, den Einsatz von Technologie, unsere Beziehungen, das Maß unserer Großzügigkeit und die Grenzen unserer Vorstellungskraft. Wir leben mehr in Angst und wir isolieren uns immer mehr. So ist es wenig überraschend, dass die Anzahl der Menschen, die sich als ziemlich einsam bezeichnen, in die Höhe schnellt, wie etwa aus den Vereinigten Staaten, England, Japan berichtet wird.

Es ist kein Wunder, dass wir so ängstlich und verzweifelt sind, denn es kann sich heutzutage an vielen Tagen so anfühlen, als würde eine Lawine trauriger Nachrichten über uns hereinbrechen, während wir viel zu selten inspirierende Visionen von der Zukunft zu hören bekommen. Viele Menschen, insbesondere die Jüngeren, fühlen sich wie in einer Falle. Sie sagen, dass sie sich in einem System wiederfinden, das sie durch ihre Teilnahme mit aufrechterhalten – ein System, das sie nicht geschaffen haben, das ihre Werte nicht widerspiegelt und das für den Planeten zerstörerisch und insgesamt ungerecht ist. Wie soll man inspiriert sein, fragen sie, wenn sich »das einzige Spiel in der Stadt« wie abgekartet und völlig manipuliert anfühlt? Da gibt es diese kognitive Dissonanz, die mit dem Gefühl, in der Falle zu sitzen, einhergeht. Es ist eine Form tagtäglicher moralischer Verletzung – was die Journalistin Diane Silver beschrieb als »eine Seelenwunde, die die Identität, den Sinn für Moral und die Beziehung zur Gesellschaft bei einem Menschen durchlöchert«.

Als ich lehrend um die ganze Welt reiste, bekam ich ein Gefühl dafür, wie weitverbreitet und wie tief diese moralische Verletzung als Folge der globalen Ereignisse ist. Anfang 2018 begegneten mir im politischen Klima der Vereinigten Staaten aus nächster Nähe genau jene Zutaten, deren es bedarf, um mich in einen aufgewühlten Zustand zu versetzen: Irreführung durch Autoritätsfiguren, sich ständig ändernde Narrative, die der objektiven Realität widersprechen, und die fortwährende Untergrabung der eigenen Wahrnehmung dessen, was ich als wahr empfand.

Meine Kindheit wurde von Menschen geprägt, die mich, wie ich glaube, sehr umsorgt haben. Dennoch dachten sie, die beste Art und Weise, ihre Fürsorge zum Ausdruck zu bringen, bestünde darin, meine Mutter, nachdem sie gestorben war, als ich erst neun Jahre alt war, nie wieder zu erwähnen. Als ich elf war, hielten sie es für das Beste, die Überdosis Schlaftabletten meines Vaters als »Unfall« zu bezeichnen – ohne mir jemals zu erklären, wie ein bloßer Unfall dazu führen konnte, dass mein Vater den Rest seines Lebens in der einen oder anderen psychiatrischen Einrichtung verbrachte. Als ich dann fern von daheim am College herausfand: »Oh, das spricht aber eher für Selbstmordabsichten als für einen Unfall«, war das äußerst schmerzhaft für mich. Dieses Gefühl, eine Wahrheit in jeder Zelle des Körpers spüren zu können, während diese Wahrheit in der Außenwelt nirgendwo bestätigt, sondern komplett verleugnet wird, kann einen schier verrückt machen. So war der Geschmack meiner Kindheit.

Das erinnert mich stark an die Double-Bind-Theorie (Doppelbindungstheorie) des Anthropologen Gregory Bateson – eine einstmals populäre, in den 1950er-Jahren erstmalig aufgestellte, inzwischen aber wieder verworfene Theorie über die Wurzeln der Schizophrenie. Eine Doppelbindung entsteht dadurch, dass man zwei einander widersprechende Botschaften empfängt, und wenn man auf die eine positiv reagiert, sich die andere automatisch negativ auswirkt. Ein gängiges Beispiel wäre eine Mutter, die dir sagt, dass sie dich liebt, während ihr Gesichtsausdruck und ihre Körpersprache das Gegenteil vermitteln. Durch Doppelbotschaften dieser Art fühlt man sich hin- und hergerissen, wird ständig frustriert und beginnt immer mehr an sich selbst zu zweifeln. Auch wenn es (wie ursprünglich vermutet) keine Schizophrenie verursacht, so kann es dennoch sehr beängstigend sein. Als ich bei Google nach Artikeln zu diesem Thema suchte, sah ich einen (in englischer Sprache) mit dem Titel (frei übersetzt): »Die Theorie der Doppelbindung – macht nach all den Jahren immer noch verrückt.«

Im Dienste einer eher böswilligen Absicht, etwas zu verbergen, zu manipulieren oder zu dominieren, sind solche Doppelbotschaften eine Taktik, die darauf abzielt, Angst zu verbreiten oder zu verwirren, indem sie beim Empfänger den Eindruck fördert, er könne sich selbst oder seinen Gefühlen und Wahrnehmungen nicht (mehr) trauen. Diese Art von Psychoterror wird seit den 1960er-Jahren umgangssprachlich (beziehungsweise in der psychologischen Terminologie; Anm. d. Übers.) Gaslighting genannt, nach dem Film Gaslight(Das Haus der Lady Alquist) mit Ingrid Bergman aus dem Jahr 1944. Gaslighting beschreibt den Versuch, die Wahrnehmung einer Person bis hin zu dem Punkt zu manipulieren, an dem sie an ihrer geistigen Gesundheit zweifelt.

Diese innere Landschaft des Zusammenbruchs und des Chaos kannte ich nur zu gut. Als dies aber inmitten der politischen Turbulenzen von 2018 wieder auftauchte, war es schon eine längere Zeit her, dass ich diese Gefühle so stark oder anhaltend erlebt hatte. Anders als in meiner Kindheit hatte ich aber nun Werkzeuge zur Verfügung, die ich mir durch meine Meditationspraxis erworben hatte. Meine inneren Werte dienten mir nun im Leben als zuverlässige Orientierung – wie meine Achtung für mich selbst und andere und die innere Verpflichtung, nach Gleichgewicht zu streben. Ich wusste inzwischen, wie ich meine Resilienz (psychische Widerstandskraft) erhöhen konnte, und ich war in der Lage, mich in aller Aufrichtigkeit an die entscheidende Tatsache zu erinnern, dass ich nicht allein bin. Ich glaubte an die heilende Kraft der Liebe. Hilflosigkeit fühlte sich jetzt wie etwas Unnatürliches an, nicht mehr wie der Normalzustand, sondern wie eine Verzerrung, die ich selbst wieder geraderücken konnte, was ich auch tat.

Trotzdem: In den Zeiten, in denen wir hier leben, braucht es eine ordentliche Portion an Entschlossenheit, um sich die eigene Verletzlichkeit einzugestehen – angesichts der Realität von Zwietracht, Vorurteilen, Ausbeutung und Verschlechterung des Klimas –, und dennoch die Quelle von Licht, Verbindung und Freiheit zu sehen.

Eine Zeit lang hatten eine Freundin und ich verabredet, uns jeden Tag eine gute Nachricht zu schicken. Wir waren nicht die Einzigen mit diesem Anliegen. Der Algorithmus des Google-Assistenten fügte kürzlich ein Feature hinzu, das positive Nachrichten und Empfehlungen als Antwort auf die Eingabe: »Erzähl mir etwas Gutes (Tell me something good)«, auflistet. Die Zeitschrift Mindful ruft in ihrer Rubrik »Top of Mind« zu Taten der Herzensgüte auf; die New York Times bringt regelmäßig eine Spalte mit guten Nachrichten; in der Washington Post gibt es »The Optimist«; die Los Angeles Times betreibt ein Twitter-Feed mit guten Nachrichten; Gruppen wie Solutions Journalism zeigen Wege auf, wie versucht wird, unsere Probleme zu lösen; und Internetseiten wie Upworthy.com und das GoodNewsNetwork.org sind voll von optimistischen Meldungen.

Meine Freundin war ein großer Schildkröten-Fan und wusste über sie ziemlich gut Bescheid. Offenbar ging es den Schildkröten auch ziemlich gut am Ende der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts, denn ich erhielt von ihr täglich eine Menge überaus positiver Schildkröten-Nachrichten. Ich hingegen hatte an manchen Tagen Schwierigkeiten, einen erhebenden Artikel als Antwort zu finden – zwischen all den Berichten über Rassismus und Frauenfeindlichkeit, Gender-Diskriminierung, von ihren Eltern getrennte Kinder, den neu auflebenden Antisemitismus, Geschichten von Gier, die sich über jeden Anstand und gesunden Menschenverstand hinwegsetzt, und Berichten über Massenerschießungen in Schulen, Konzerten, Kirchen, Synagogen, Moscheen und Einkaufszentren.

Ein Kaleidoskop wäre ein passendes Bild für diesen unendlichen Strom an Nachrichten, denn schon mit einer winzigen Bewegung aus dem Handgelenk, einem Wechsel des Blickwinkels und ein paar neuen Elementen kann sich unsere ganze konstruierte Welt dramatisch verändern. Was an der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland, Florida, im Jahr 2018 passierte, war eine unaussprechliche Tragödie. Dennoch brachte sie eine Ahnung in die Welt, über wie viel Stärke, Klarheit und Mitgefühl die nächste Generation verfügt.

Sari Kaufman war Elftklässlerin in der Marjory Stoneman Douglas High School, als ein ehemaliger Schüler am Valentinstag Amok lief, 17 Schüler und Lehrer tötete und weitere 17 Menschen schwer verwundete. Sari rannte um ihr Leben und überlebte. Zusammen mit mehreren anderen Schülern wurde sie sofort nach der Gewalttat aktiv. Sie sprach vor Ort und im ganzen Land öffentlich darüber, dass etwas gegen die Waffengewalt getan werden müsse. Sari übernahm eine führende Rolle bei einem Demonstrationszug gegen Waffengewalt, der an ihrer Schule vorbeiführte. Die jungen Stimmen waren laut und deutlich zu hören. Für Sari war diese Aufgabe motivierend, aber sie hat ihr nicht den Schmerz genommen, der ohne Zweifel allgegenwärtig ist. In einem Interview für dieses Buch redeten wir über den Parkland March for Our Lives, den Sari mitorganisiert hatte. Sie sagte:

Als wir an unserer Schule vorbeikamen, waren wir 35 000 Leute, und alle waren völlig still. Es war verrückt. So viele Menschen zum Schweigen zu bewegen und gleichzeitig die Gedenkstätte zu passieren und das Gebäude, in dem alles geschehen war … Einfach an dem Ort zu sein, an dem sich alles geändert hatte, an dem diese Bewegung entstanden war, das war wirklich inspirierend. Wir sind einmal um die ganze Schule herumgegangen und kamen dann zum Park zurück. Es war ein merkwürdiger Tag, es fühlte sich an wie: »Wow, seht, was wir gerade getan haben!«, aber gleichzeitig war da auch: »Wir haben das getan, weil es eben in unserer Schule passierte.« So war das Gefühl bittersüß. Ich wusste einfach nicht, was ich fühlen sollte, denn auf der einen Seite war ich danach sehr glücklich, weil diese Arbeit ein so großer Erfolg war. Andererseits hatte ich einen meiner Freunde verloren. Wenn uns das alles nicht passiert wäre, hätten wir die Demons­tration nicht auf die Beine zu stellen brauchen.

Monate später, im Juni 2018, fühlten die Menschen auf der ganzen Welt mit den zwölf Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren und ihrem Fussballtrainer mit: Sie steckten auf einem kleinen trockenen Fleck in einer mit Wasser gefüllten, tiefen Höhle in Thailand fest. 18 Tage lang mussten sie dort bis zu ihrer heldenhaften und gefährlichen Rettung durch ausgebildete Taucher ausharren. Sie überlebten – ohne Essen, mit einer begrenzten Menge Sauerstoff, nur mit dem Wasser, das von den Stalaktiten in der Höhle tropfte. Ein früher Rettungsversuch endete mit einer Tragödie, als ein Thai Navy SEAL bei dem Versuch, zu ihnen zu gelangen, sein Leben verlor. So schrecklich das Ganze auch war, erinnerten die dramatischen Ereignisse uns auch daran, welche unglaublichen Fähigkeiten wir in uns tragen – als bekannt wurde, dass die Jungen meditierten, um ihre Kräfte für ihr Martyrium zu bündeln. Wir sind verletzlich und können zerbrechen. Aber wir sind auch stark und widerstandfähig. Wir lassen uns nicht unterkriegen.

Ekapol Chanthawong, der 25-jährige Assistenztrainer der Jungen, lernte das Meditieren von seiner Mutter und praktiziert regelmäßig in einem Kloster. Er sagte über die Unterweisung seiner Jungs in der Achtsamkeitsmeditation: »Ich nenne es gern meine transportable Ruhe, denn sie begleitet mich, wohin ich auch gehe. Ich muss nicht auf die Straße oder um den Block gehen, um nach ihr zu suchen. Sie ist schon in mir und wartet darauf, dass ich anklopfe und eintrete. Meine Mutter, die gern Philosophen und Visionäre zitierte, teilte diese Worte mit mir: ›Ruhe ist nicht die Freiheit vom Sturm, sondern der Frieden inmitten des Sturms.‹«

Weich und stark zugleich

Wenn ich angesichts von Schrecken und Hass Stärke und Kraft beschwören will, besinne ich mich auf das Wasser. Unsere Vorstellung von Stärke bezieht sich so oft auf Dinge, die eine harte Struktur haben, wie ein Fels oder sogar eine geballte Faust. Vielleicht glauben wir deshalb, dass Liebe keine Stärke, sondern nur Weichheit beinhalte. Wir denken nur in einer Dimension.

Deswegen denke ich an Wasser, in all seinen Erscheinungsformen. Es sickert, rieselt, tropft, spritzt, strömt, rinnt, ergießt sich, überflutet und zeigt sich auf noch viel mehr Arten. Alle diese Formen vermitteln Vergänglichkeit, Loslassen, Fließen. Alles dreht sich darum, nicht ins Stocken zu geraten.

Wasser ist flexibel und nimmt die Form eines jeglichen Gefäßes an, in das es fließt. Es interagiert unablässig, verändert sich, ist in Bewegung, und doch offenbart es fortwährende Verbindungsmuster. Eine Manifestation des Wassers in dem saftigen Stück Obst, das du gestern gegessen hast, ist vielleicht im letzten Jahr am anderen Ende der Welt als Regen herabgefallen. Oder es hat eine wunderschöne Blume genährt, die in Indien, Cleveland oder Buenos Aires einem geliebten Menschen überreicht wurde. Vielleicht hat es einen Elefanten in der afrikanischen Savanne erfrischt, das Gesicht eines Koalas in Australien benetzt oder zur Bestürzung der verspäteten Passagiere ein Flugzeug beim Start vom San Francisco International Airport total eingenebelt.

Wasser kann so ausdrucksvoll sein, ein Zeichen unserer tiefsten Herzensgefühle. Wir weinen Tränen der Trauer, der Wut, der Dankbarkeit, Ergriffenheit, Freude und Liebe.

Wasser kann rätselhaft sein, scheinbar schwach oder unwirksam, zu nachgiebig, zu gefügig. Und doch wird sich das Wasser mit der Zeit seinen Weg bahnen, selbst durch Felsen hindurch. Und ja, Wasser gefriert. Aber es schmilzt auch.

Eine radikale Praxis

Wir Menschen haben schon immer aus bildlichen Symbolen, wie dem des Wassers, Motivation und Inspiration geschöpft, aber wir lassen uns auch von anderen Menschen inspirieren, etwa durch ihre Stärke und Widerstandskraft angesichts schwieriger Umstände. Davon, wie es ihnen gelingt, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen und die Dinge zu verändern. Nicht nur auf eine, sondern auf vielerlei Arten, so wie das Wasser auf vielerlei Arten strömt. Es hat mich so sehr bewegt, Menschen zu erleben, die neue Wege beschreiten und sich dabei eine innere Stärke erschließen, eine neue Art des Seins und des Tuns. Das hat mir geholfen, den Mut zu finden, erstarrte Formen ebenfalls hinter mir zu lassen.

Die Menschen, die ich zutiefst inspirierend finde, beziehen ihren Lebenssinn, ihre Vision, ihre Entschlossenheit aus den unterschiedlichsten Quellen: aus Glaubenstraditionen, traumatischen Verlusten, einem Gefühl von All-eins-Sein, das ihnen ihre Familie vermittelte, oder auch aus einem Impuls, den Werten ihrer Herkunftsfamilie den Rücken zu kehren. Ihre Bemühungen in der Welt finden Unterstützung in Gemeinschaft, Natur, Musik, Poesie. Für mich haben die grundlegenden Meditationen der Achtsamkeit und der Liebenden Güte am unmittelbarsten die gleichen Werte von Mitgefühl, Inklusion und Verstehen geweckt. Ich habe diese Meditationen immer als die am meisten unterstützende Praxis empfunden. Ich preise die Qualitäten, die aus einer regelmäßigen Meditationspraxis erwachsen, und ermutige alle, sich diese Werkzeuge anzueignen und in dem Maße zu entwickeln, wie wir sie für hilfreich halten. Doch ich selbst hole mir Inspiration nicht nur von praktizierenden Meditierenden. Ich möchte beispielhafte menschliche Qualitäten aufzeigen und fördern, wo immer ich sie hervortreten sehe und wie auch immer Menschen sie entwickeln. Denn indem wir diese Qualitäten erkennen, werden wir an unsere eigenen Möglichkeiten erinnert.

Wie sich diese Qualitäten in unserem Leben manifestieren, kann sehr unterschiedlich sein. Als ich zum ersten Mal mit einer meiner Freundinnen, der bahnbrechenden feministischen Autorin bell hooks (ihr Name wird tatsächlich mit Kleinbuchstaben geschrieben), über dieses Buch sprach, erzählte sie mir, dass sie den Begriff soziales Handeln nicht verwende. Nun bin ich total daran gewöhnt, dass buddhistische Gelehrte Wörter analysieren und eine unsägliche Sorgfalt an den Tag legen, um einen Ausdruck vom anderen mit einer fast schmerzhaften Akribie abzugrenzen, aber ich habe meiner Freundin gesagt, sie stecke sie alle in die Tasche. Dennoch hat sie nicht ganz unrecht.

Wenn sie an soziales Handeln denke, meinte sie, assoziiere sie damit öffentliche Proteste, wie Demonstrationsmärsche oder Streikposten. Das schränke aber die Bandbreite effektiver Maßnahmen zu stark ein, mit denen man auf die Herausforderungen in dieser Welt reagieren könne. Ich stimme ihr insofern zu, dass der Spielraum, in dem wir durch unsere Handlungen einen Wandel anstoßen oder uns motivieren können, im Großen wie im Kleinen aktiv zu werden, sehr viel mehr umfasst als nur Proteste. Sie schlug radikales Denken und radikale Praxis vor.

Ich dachte sofort: Wie wäre es mit Kunst? Die halte ich für eine zutiefst radikale Praxis. Viele Historiker messen der Kunst und der Welt der Ideen – nicht bloß der Politik – bei der Beurteilung der Dynamik des sozialen Wandels eine gewichtige Rolle zu. In seinem preisgekrönten Werk Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart (2009) zählt der inzwischen verstorbene Historiker Tony Judt die ästhetischen, intellektuellen und kulturellen Bewegungen dieser Zeit zu den bedeutenderen Faktoren, die letztendlich eine neue Welt aus der Asche der alten entstehen ließen. Ideen, die auf künstlerische Art und Weise geäußert werden, bewegen den Geist.

Die Liedermacherin Rosanne Cash beschrieb in einem Vortrag an der Yale University im Jahr 2019 die Kunst als Medium für den sozialen Wandel. »Ich dachte immer, wenn einmal der Weltfrieden käme oder wenn große Bewegungen in der Gesellschaft stattfänden, die uns kollektiv aufrichten, dann würde es nicht passieren, weil ein paar Politiker miteinander geredet haben. Es würde passieren, weil Kunst und Musik die Menschen so sehr verändert haben, dass sie ihre Überzeugungen ausdrücken können und Zugang zu ihren Gefühlen bekommen.«

Rosanne fuhr fort: »Alle Kunst und Musik ist politisch«, weil wir durch die Kunst »Mitgefühl und Empathie entwickeln … und wenn man weiß, dass andere leiden, will man etwas dagegen tun«.

Während ich an diesem Buch schrieb, arbeitete ich in Puerto Rico ehrenamtlich für eine Organisation namens Bajacú Boricua. In Zusammenarbeit mit der Holistic Life Foundation in Baltimore stellten sie ein Lehrerteam zusammen, das zur Hälfte aus Puerto Rico kam und zur Hälfte aus internationalen Mitgliedern bestand. Das Team untersuchte Meditation, Musik und Bewegung als Möglichkeit für Heilung und Ausdruck.

Zur gleichen Zeit brachte der Bühnenautor und Schauspieler Lin-Manuel Miranda seinen gigantischen Musical-Erfolg Hamilton auf die Insel, als Teil der Bemühungen, bei der lange verzögerten Erholung vom Hurrikan Maria zu helfen. Indem er sämtliche Einnahmen dem Flamboyan Arts Fund zur Verfügung stellte, half seine Familie, ein Bildungsprogramm für Jugendliche auf die Beine zu stellen, das Musik, Theater, bildende Kunst, Tanz, Literatur und Kunsterziehung umfasste.

Das Musical Hamilton gefiel mir sehr, und wie viele andere kreative Werke hat es mich tief bewegt. Meiner Meinung nach gehen

Bühnenautoren ebenso wie Choreografen, Filmemacher, Komponisten, Dichter und andere Künstler mit ihren häufig radikalen Projekten über reine Unterhaltung weit hinaus.

Lynn Nottage und Sarah Jones sind zwei Dramatikerinnen, die ihre Kunst als eine Art von »radikaler Übung« betreiben. Sarah Jones sieht die Kunst als eine motivierende ebenso wie verstörende Kraft. Sie hat mir geschrieben:

Diejenigen von uns, die es wagen (oder sich gezwungen fühlen), sich vor ein leeres Blatt zu setzen und so lange an einer Idee zu meißeln, bis sie sich authentisch genug anfühlt, um ihr eigenes Leben zu führen – oder diejenigen, die in ihrem Kopf eine ganze Welt erstehen lassen und damit eine Lücke in der Welt des Films schließen, können dazu beitragen, die Welt zu verändern und zum Denken anzuregen. Hoffentlich aber sind wir ein nützliches Beispiel für andere – egal, ob sie nun von dem Werk selbst bewegt sind, oder einfach von dem kreativen Prozess, der ihnen emotionale Risikobereitschaft und Verletzlichkeit abverlangt.

Genauso ist Lynn inspiriert von dem, was sie »eine Form des Akti­vismus und des Schreibens« nennt, »die zu Veränderungen anregt und die Menschen zum Nachdenken einlädt – die zu kleinen Revolutionen einlädt, unabhängig davon, ob diese Revolutionen winzige Verschiebungen der Perspektive sind oder ob es sich um Revolutionen handelt, die uns zwingen, über uns selbst hinauszugehen und etwas Überraschendes oder anderes hervorzubringen.« Ein Stück ist keine starre Sache, sagt sie. Es inszeniert sich im Augenblick. »Egal, wie oft ich ein Stück auf die Bühne bringe – es ist nie das gleiche Stück, denn es wird vom Publikum und von der Energie, die gerade im Raum ist, vollendet.«

Achtsamkeit ist nicht nur für Berggipfel

In den letzten vier Jahrzehnten hat meine Arbeit darin bestanden, anderen bei der Entwicklung ihrer inneren Fähigkeiten der Achtsamkeit und Liebenden Güte durch Meditation und andere Methoden zu helfen. Ich weiß, dass Meditation von manchen als eine ausschließlich nach innen gerichtete, esoterische Praxis angesehen wird, zutiefst spirituell, mit positiven Auswirkungen für den Übenden, aber dennoch etwas abgehoben und ziemlich getrennt vom alltäglichen Leben – ein Rückzug vom Leiden und den Kämpfen des Lebens. Wir denken dabei an Gurus auf Berggipfeln und Jünger, die in klösterlicher Abgeschiedenheit in einem Ashram oder einer Höhle eine reine, fast körperlose Existenz leben.