ADELE - Pia Hepke - E-Book

ADELE E-Book

Pia Hepke

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  • Herausgeber: ISEGRIM
  • Sprache: Deutsch
Beschreibung

Ein neuer, mächtiger Feind versucht Adele und ihren Freundinnen die Meerjungfrauenkräfte zu rauben. Ihr Gegner schreckt vor nichts zurück und die Mädchen entdecken so, was es heißt, wirklich zusammenzuhalten. Können sie es schaffen, sich und die anderen Meerjungfrauen zu beschützen? Doch was müssen sie dafür opfern? Und welche Wahl wird Adele am Ende treffen? Land oder Meer? 1 Dreizack – 5 Mädchen und Greg - 1 dunkle Bedrohung

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Seitenzahl: 416

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 

BLEIBEN NOCH 4 MEERJUNGFRAUEN 

Kapitel 2 

EIN GANZ NORMALES LEBEN 

Kapitel 3 

AUF GEHEIMER MISSION 

Kapitel 4 

GETRENNTE WEGE 

Kapitel 5 

ABSCHLUSSPRÜFUNG 

Kapitel 6 

ANGRIFF 

Kapitel 7 

DER MEERMANN 

Kapitel 8 

OMA SING FÜR MICH 

Kapitel 9 

UNERWARTETE BEGEGNUNGEN 

Kapitel 10 

GREG, FREUND ODER FEIND? 

Kapitel 11 

VORAHNUNG 

Kapitel 12 

VERLORENE KRÄFTE 

Kapitel 13 

ABSCHIED 

Kapitel 14 

DA WAREN ES NUR NOCH 3 

Kapitel 15 

VOLLMOND UND VOLLENDUNG 

Kapitel 16 

PLAN B UND C 

Kapitel 17 

OPFERBEREITSCHAFT 

Kapitel 18 

SCHRITT 1 

Kapitel 19 

SCHRITT 2 

Kapitel 20 

WENN MAN SCHRITT 3 VERGESSEN HAT UND IMPROVISIEREN MUSS 

Kapitel 21 

ZOE DIE KRIEGERIN 

Kapitel 22 

MEERJUNGFRAUEN UND DIE SACHE MIT DER LIEBE 

Kapitel 23 

EINE MEERJUNGFRAU, DIE NICHT LIEBEN KANN 

Kapitel 24 

SELKIE 

Kapitel 25 

AUFEINANDERTREFFEN 

Kapitel 26 

ENDKAMPF 

Kapitel 27 

NACH DEM TOD 

Kapitel 28 

VERLORENE UND GEWONNENE KRÄFTE 

Kapitel 29 

GREG ICH LIEBE DICH, NICHT 

Kapitel 30 

BIST DU SICHER? 

Kapitel 31 

PERLENKETTEN 

Kapitel 32 

EIN ENDE UND EIN NEUANFANG 

Vollständige e-Book Ausgabe 2025 

© ISEGRIM VERLAG 2025 

ein Imprint der Spielberg Verlagsgruppe, Neumarkt 

Spielberg Verlag GmbH, Am Schlosserhügel 4a1 

92318 Neumarkt, [email protected] 

Covergestaltung: Ria Raven, www.riaraven.de

Coverillustration: © shutterstock.com 

Alle Rechte vorbehalten. 

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. 

(e-Book) ISBN: 978-3-95452-850-9 

www.isegrim-buecher.de

Pia Hepke wurde 1992 in Oldenburg i.O. geboren. Sie besitzt übersprudelnde Fantasie und baut nicht selten eigene Erlebnisse und Besonderheiten in ihre Bücher ein, wandelt sie in etwas anderes um. Es gibt so viele Möglichkeiten und sie entwickelt immer neue Ideen. Weil ihr neben dem Schreiben nur noch wenig Zeit zum Malen bleibt, zeichnet sie immer öfter für ihre Bücher. Jede Widmung ziert eine Zeichnung und einige Bücher sind bereits mit Illustrationen geschmückt worden. In ihrer restlichen Freizeit beschäftigt sie sich mit ihrem Hund und ihren Pferden.

Kapitel 1 

BLEIBEN NOCH 4 MEERJUNGFRAUEN 

– Katharina – 

Katharina schaute auf die schlafenden Gesichter, nachdem sie sich ihre Brille von dem kleinen Tischchen geangelt und aufgesetzt hatte. Nachdem Zoe während des Neumondes in der Nacht von Samstag auf Sonntag ihre Kräfte an das Meer zurückgegeben hatte, waren sie alle bei Adele geblieben. Dieses Mal war ihr Nachtlager allerdings im Wohnzimmer gewesen.

Die Tische hatten sie beiseite geräumt und ein einziges, großes Luftmatratzenlager aufgeschlagen. Katharina hatte angeboten, auf dem Sofa zu schlafen. Von hier aus hatte sie nun einen guten Blick auf ihre schlafenden Freundinnen. Allerdings fehlte jemand, die Hauptperson. Adele hatte entweder gar nicht geschlafen oder sie war schon vor einer ganzen Weile aufgewacht. Wo sie wohl hingegangen war?

Katharinas Augen wanderten automatisch zu der großen Glastür, die hinaus auf die Terrasse und weiter in den Garten führte. Dahinter begannen fast schon die Dünen und dahinter lag das Meer. Entweder war sie dort oder sie hatte die Zeit genutzt und ihre Oma noch einige Dinge gefragt.

»Auch schon wach?« Connys leise Frage riss Katharina aus ihren Gedanken.

»Ja, du auch?« Conny nickte und richtete sich ein Stück auf ihrer Luftmatratze auf. »Schon länger?«

»Ein wenig. Ich hab‘ mich gefragt, ob das vergangene Nacht bloß ein Traum war.« Sie sah zu Zoe hinüber, die immer noch selig zu schlafen schien.

»Das denke ich eher nicht. Außer wir hatten alle denselben Traum«, antwortete Katharina leise und ließ ihren Blick dabei zu dem Tisch neben Zoe hinüber wandern. Darauf lag nach wie vor die Auster, die Oma Sanna Zoe als Katalysator für ihre Kräfte gegeben hatte. Diese kehrten wie geplant ins Meer zurück. Übrig geblieben war nur eine Perle. So groß wie die Luna-Perlen, aber ohne besondere Farbe oder speziellen Glanz. Es war eine leicht roséfarbene Perlmuttperle. Und das Einzige, was Zoe von ihren Kräften, neben den Erinnerungen, blieb.

»Na ja, es gibt nur einen Weg, um herauszufinden, ob es funktioniert hat.« Conny rutschte vorsichtig ans Ende ihrer Matratze und stand auf. Sie ging in die Küche und Katharina konnte leise etwas klappern sowie Schranktüren auf- und zugehen hören, dann lief Wasser.

»Was machst du da?«, zischte sie, während sie sich auf dem Sofa aufrichtete.

»Das wirst du gleich sehen.« Conny kehrte auf leisen Sohlen zurück, ausgestattet mit einer Schüssel, in der sich hundertprozentig Wasser befand.

Katharina konnte bloß die Augen verdrehen, als sie Connys Plan durchschaute.

»Wehe du machst sie nass«, warnte sie leise, doch Conny schüttelte mit einem breiten Grinsen den Kopf. Sie kniete sich neben Zoe und nahm ihre Hand, die neben ihrem Kopf lag. Sie platzierte sie so, dass sie in die Schüssel hing. Dann begann Conny lautlos zu zählen, indem sie die freie Hand hochhielt und gut für Katharina sichtbar immer fünf Finger abzählte.

Sie waren mittlerweile beim zwölften Durchgang angekommen und eigentlich hätte längst etwas passieren müssen, aber Katharina hatte es ohnehin nicht erwartet. Die Perle und das, was sie als rosafarbenen Schleier im Meer hatten verschwinden sehen, sprachen dagegen. Conny hörte auf zu zählen und hob die Schultern. Sie sah Katharina an, die nur den Kopf schütteln konnte.

»Conny!«, schrie Zoe mit einem Mal los. »Wie absolut kindisch von dir, meine Hand in warmes Wasser zu legen. Was soll der Scheiß?«

»Oh! Ist das Wasser warm? Sorry, hab‘ nicht nachgefühlt. Aber darum ging es mir ja auch nicht.« Zoe wischte ihre nasse Hand an ihrem Schlafanzugoberteil ab.

»Ach, nein?«, wollte Zoe schlecht gelaunt wissen.

»Nein. Ich hab‘ die Zeit gezählt.«

Zoe begriff. Ihre Augen wurden zunächst groß, als sie sie vor Überraschung und Erkenntnis aufriss. Danach wurden sie kleiner, als sie verstand, was das bedeutete. Schließlich senkte sie die Lider. Weil sie traurig darüber war.

Das alles konnte Katharina in ihrem Blick sehen und lesen.

»Daran hab‘ ich gar nicht gedacht.« Zoe umklammerte ihre Hand und es schien sie wehmütig zu stimmen, dass sie schon nach so kurzer Zeit vergessen hatte, wie man sich als Meerjungfrau verhielt. »Tut mir leid.«

»Muss es nicht«, wehrte Conny ab und stellte die Schale mit dem Wasser auf den vor der Wand geparkten Esstisch. »Ich wollte nur sichergehen, dass es wirklich so ist und dich damit ganz bestimmt nicht ärgern.«

Katharina nahm insgeheim schon an, dass Conny ihre Freundin ein wenig piesacken wollte. Mit Sicherheit aber hatte sie nicht vorgehabt, ihr irgendetwas vorzuwerfen oder sie traurig zu stimmen, deshalb wehrte sie das jetzt ab.

»Was ist los?« Chloe tauchte gähnend und mit verstrubbelten gelbbraunen Haaren aus dem Bettenlager auf. Verschlafen blinzelte sie. »Seid ihr etwa alle schon wach?«

»Ja, und das schon eine ganze Weile.« Katharina schwang fröhlich ihre Beine vom Sofa und balancierte auf den luftigen Matratzen wackelig Richtung Toilette. »Ich geh mal eben aufs Klo und Conny, wehe du schüttest Zoe Wasser über den Kopf, nur um sicherzugehen.« Das letzte Wort betonte sie und malte mit den Fingern noch Gänsefüßchen in die Luft, ehe sie sich von ihren Freundinnen abwandte.

Katharina öffnete die Tür und schloss sie hinter sich. Sie atmete langgezogen aus. Scheinbar war es doch nicht ganz so leicht, da weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Zoe unterschied sich nun von ihnen, aber davon sollten sie sich nicht verrückt machen lassen.

Sie hatten es immerhin auch irgendwie überstanden, dass Adele eine geborene Meerjungfrau war und Oma Sanna ebenfalls.

Katharina brannten nach wie vor so viele Fragen unter den Fingernägeln, aber es kamen immer wieder andere Dinge dazwischen.

Sie sah in den Spiegel. Die roten Strähnen in ihren fast schwarzen Haaren leuchteten ihr entgegen – das Zeichen, dass sie immer noch eine Meerjungfrau war. Zoes pinke Strähnen hingegen waren in dem Moment verschwunden, als sie ihr Meerjungfrauensein im Meer zurückgelassen hatte.

Das steht uns allen irgendwann bevor, stellte Katharina mit einem mulmigen Gefühl fest. Sie konnten die Kräfte nicht für immer behalten, schließlich gehörten sie ihnen nicht. Aber vorher mussten sie noch herausfinden, wie es Connys Dad und den anderen Wissenschaftlern gelungen war, die Kräfte der Meerjungfrauen zu stehlen und in den Perlen einzuschließen.

Zum jetzigen Zeitpunkt waren sie nicht einmal sicher, dass die Mitarbeiter überhaupt wussten, was sie da taten. Wenn sie bloß bei Nacht mit einem Boot voller Muscheln für die Perlenzucht übers Meer tuckerten, bekamen sie womöglich gar nicht mit, dass unter ihnen reihenweise Meerjungfrauen ertranken, weil sie sie in Menschen verwandelten. So, wie es Adeles Mutter ergangen war.

Katharina hatte mit ihrer besten Freundin bisher noch nicht über dieses schreckliche Ereignis gesprochen. Aber was sollte sie auch sagen? Adele hatte all die Jahre geglaubt, ihre Mutter wäre bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen und irgendwie war es ja auch so gewesen.

Was sollte es bringen, das alles wieder hochzuholen? Außerdem passierten ständig so viele neue Dinge, dass sie kaum Zeit hatten, sich zu zweit in Ruhe zu unterhalten. Vergangene Nacht hatten sie auch zu fünft zusammengehockt und quasi ihr gesamtes Leben als Meerjungfrauen durchgekaut. Gleichzeitig hatten sie Zoe mit Fragen bombardiert, was sie nun vorhatte; vor allem in Hinblick auf Ben.

Der wusste zwar nicht, dass Zoe ihn zweimal gerettet und beim zweiten Mal sogar von einer Lähmung geheilt hatte, aber es war dennoch ziemlich klar, dass er irgendetwas für Zoe empfand. Und jetzt, wo sie sich nicht mehr vor Wasser in Acht zu nehmen brauchte …

Zoe hatte ihnen widerwillig gestanden, dass sie ihn bei seinem Schwimmtraining unterstützt hatte und dabei einmal wegen eines Scherzes in eine ziemlich brenzlige Situation gebracht worden war. Zoe hatte es mit Sicherheit nur erzählt, weil sie jetzt nicht mehr Gefahr lief, dass ihr so etwas passierte. Wenn Ben sie das nächste Mal spielerisch ins Becken zog und sie ein ungewolltes Bad nahm, dann konnte sie ihm Wasser ins Gesicht spritzen und das Ganze als Scherz abtun.

Katharina seufzte leise. Irgendwie wünschte sie sich auch jemanden, für den sie ihre Kräfte freiwillig abgab, um unbeschwert mit ihm zusammen sein zu können. So jedoch konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen, sie je wieder herzugeben.

Mit einem Gähnen ging sie zurück ins Wohnzimmer. Dort waren inzwischen alle wach, doch von Adele und ihrer Oma fehlte weiterhin jede Spur. Katharina beschloss, einen Umweg zu machen, und klopfte vorsichtig an die Schlafzimmertür von Oma Sanna.

»Entschuldige, aber wir …« … sind wach. Als sie die Tür öffnete, fand sie ein leeres Zimmer vor. Katharina runzelte die Stirn.

Die beiden haben sich doch nicht etwa zu zweit ins Meer abgesetzt?

»Hört mal, Adele und …« Weiter kam sie jedoch nicht, denn in dem Moment öffnete sich die Haustür und Oma Sanna gefolgt von Adele betrat mit einigen großen Einkaufstüten das Wohnzimmer. Neugierig starrten sie alle an.

»Guten Morgen«, begrüßte Zoe die beiden.

»Morgen?«, wollte Oma Sanna verblüfft wissen. »Es ist bereits früher Nachmittag. Morgen war es, als ihr endlich aufgehört habt zu quatschen und nacheinander eingeschlafen seid.«

»Was? Es ist bereits Nachmittag?« Conny kramte hastig nach ihrem Handy.

»Ja. Es überrascht mich, dass ihr nicht schon längst von euren knurrenden Mägen aufgewacht seid.« Passenderweise meldete sich in dem Moment Chloes Magen mit einem lauten Geräusch, das alle hörten.

»Ich denke, ich bin davon aufgewacht«, sagte Chloe leise und hob die Hand, weswegen alle rundherum lachen mussten. Katharina hielt sich den Bauch, der auch bei ihr nun deutliche Anzeichen von Hunger preisgab.

»Wie sieht es denn aus? Wollt ihr etwas essen? Und danach solltet ihr aufräumen und euch langsam auf den Weg nach Hause machen, morgen ist schließlich Schule und deshalb solltet ihr heute Abend rechtzeitig ins Bett gehen.«

»Also ich hab‘ auf jeden Fall Hunger«, meldete Katharina sich und überging den netten Hinweis von Adeles Oma, dass sie früh schlafen gehen sollten. »Über den Rest muss ich noch nachdenken.«

»Ich auch.«

»Und ich erst!« Auch Zoe, Chloe und sogar Conny vermeldeten Hunger.

»Dann geht Zähne putzen, räumt zusammen, damit wir den Tisch wieder vernünftig hinstellen können und danach gibt es Mittagessen. Dafür ist es wenigstens noch nicht zu spät.« Oma Sanna lachte und begab sich in Richtung Küche.

Vom Hunger getrieben taten sie, was ihnen aufgetragen worden war. Wenig später saßen Katharina und die anderen am großen Esstisch und unterhielten sich. Niemand sprach dabei das an, was ihnen allen unbewusst durch den Kopf gehen musste. Bis zum nächsten Neumond waren es noch vier Wochen und bis dahin würden sie sich entscheiden müssen, ob sie ihre Kräfte abgaben oder weitere vier Wochen behielten. Für Katharina und mit Sicherheit auch für Adele stand fest, dass sie sie unter allen Umständen behalten würden. Aber das war eben der Knackpunkt, die Umstände. Es konnte niemand abschätzen, wie sie sich in den kommenden vier Wochen womöglich ändern würden.

Außerdem mussten sie etwas gegen diese Wissenschaftler und das ganze Perlenzuchtprojekt unternehmen. Aber damit konnten sie auch noch bis zur nächsten Woche warten.

Katharina beschlich allerdings das ungute Gefühl, dass sie sich einiges an Ärger einhandeln würden, wollten sie diese Zucht wirklich aufhalten und die restlichen Meerjungfrauen retten. Und das alles, ohne ihre Existenz zu verraten. Denn andernfalls würde etwas viel Schrecklicheres mit ihnen passieren. Sie würden gejagt, gefangen genommen und untersucht werden. Auch wenn sie sich wie Menschen mit ihnen unterhalten konnten, wären sie am Ende doch nicht mehr als Studienobjekte. Da war Katharina sich absolut sicher. Die Geschichte zeigte nur allzu deutlich, dass Menschen andere Menschen schon immer gern als weniger wert angesehen hatten. Egal, ob es an der Hautfarbe, dem Geschlecht oder der Herkunft lag. Es gab stets einen Grund, um sich als etwas Wertvolleres anzusehen als andere. Und da die Meerjungfrauen eben halb Fisch waren, wären sie nichts weiter als Tiere. Ja, so würde es wahrscheinlich aussehen.

»Kathi, möchtest du noch etwas?« Oma Sanna hielt ihr die Spaghetti hin und Katharina nahm sich mit einem dankbaren Lächeln einen Nachschlag.

Aber sie sind wie wir. Vielleicht einfach nur mehr. Oma Sanna ist bestimmt kein Tier und sollte auch nie so behandelt werden. Sie ist genauso ein Mensch wie ich oder Adele und sollte auch als solcher wahrgenommen werden.

Katharina wusste jedoch, dass ihre persönlichen Ansichten niemanden interessierte. Und deshalb würde sie weiterhin alles daransetzen, um das Geheimnis der Meerjungfrauen zu bewahren. Eventuell würde sie ihre weitere Zukunft ja dem Schutz des Meeres widmen. Mit Unterwasserfotos konnte sie außerdem ihrem Hobby Platz in ihrer späteren Arbeit geben.

Aber ein Schritt nach dem anderen. Bloß nichts überstürzen.

Erst einmal mussten sie die Wissenschaftler und die weitere Zucht von Luna-Perlen aufhalten.

Kapitel 2 

EIN GANZ NORMALES LEBEN 

– Zoe – 

Zoe war furchtbar aufgeregt, als sie sich am Montagmorgen auf den Weg machte. Sie hatte kurz überlegt, ob sie wie gewohnt früher aufstehen und Ben bei seinem Training begleiten sollte. Da sie das seit der Sache, als er sie ins Becken gezogen hatte, jedoch nicht mehr getan hatte, wäre es ihr komisch vorgekommen.

Stattdessen schlief sie etwas länger und fuhr dann hin, um ihn nach dem Training abzufangen. Sie waren danach meistens getrennt zur Schule gefahren, da Zoe es vor den anderen hatte geheim halten wollen, was sie mit Ben vor der Schule trieb. Sie hätten es zurecht als zu großes Risiko eingestuft. Das Ergebnis wäre jedenfalls ein Verbot gewesen, da sie nicht genügend Gegenargumente vorzubringen gehabt hätte. Also hatte sie nach dem Motto gehandelt, was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. In erster Linie war es dabei um Conny gegangen.

Aber jetzt konnte sie ihn ohne Probleme bei seinem weiteren Schwimmtraining unterstützen und um das zu besprechen, wollte sie gern gemeinsam mit ihm zur Schule fahren.

Zoe war ziemlich überrascht, als sie nach fast zehnminütigem Warten einen Mann neben Ben das Gelände verlassen sah. Zoe hatte sich bereits gewundert, wessen Auto auf dem Parkplatz parkte.

»Hi«, grüßte sie schüchtern, als Ben sie bemerkte. Der Mann nickte ihr nur knapp zu und musterte dann Ben, als solle der ihm erklären, wer sie war und was sie hier tat.

»Zoe? Was machst du denn hier?« Ben wirkte überrascht und kam langsam auf sie zu.

»Ähm, auf dich warten?« Mit einem Mal kam ihr die Idee ziemlich bescheuert vor. Sie knibbelte nervös mit den Fingern an den Griffen ihres Lenkers herum.

»Oh, okay.« Jupp, definitiv eine blöde Idee.

»Wir können aber sonst ja auch in der Schule reden, wenn ihr noch was vorhabt oder so.« Schüchtern sah sie zu dem Mann hoch. Er besaß blassblaue Augen, sehr helle Wimpern, wirkte recht muskulös und hatte eine sehr gerade, breitschultrige Haltung, die sie einschüchterte. Seine Haare waren ziemlich kurz, aber sie konnte erkennen, dass sie blond waren. Vorsichtig ließ sie den Blick zu Bens Wuschelkopf wandern.

»Nein, kein Problem. Das ist übrigens mein Dad.« Ben deutete mit dem Daumen auf ihn. »Er trainiert mich seit letzter Woche wieder und ich bin echt top in Form. Nicht wahr?«

Der Mann – Bens Dad – nickte wohlwollend. »Absolut. So gut warst du noch nie. Es wundert mich, dass du in der kurzen Zeit nach dem Unfall eine solche Leistung erbringen kannst. Wenn ihr beiden noch reden wollt, dann mache ich mich auf den Weg. Wir sehen uns heute Abend, Ben. Hat mich gefreut …« Er streckte Zoe eine Hand hin, die sie zögernd ergriff. Sie war so groß, dass ihre regelrecht darin verschwand.

»Ähm, Zoe. Ich heiße Zoe.«

»Na dann, Zoe. Pass mir gut auf meinen Ben auf, nicht dass er wieder so waghalsige Sachen unternimmt.« Er lachte, winkte ihnen beiden zu und schlenderte zu seinem Wagen. Als er davonfuhr, schüttelte Ben bloß den Kopf und ging zu seinem Rennrad hinüber.

»Ich hätte nicht gedacht, dass du hier auftauchst. In letzter Zeit hast du dich ja eher von mir ferngehalten.« Er musterte sie eingehend.

»Ich wollte wissen, wie es dir geht«, meinte Zoe kleinlaut.

»Wieso? Meinst du wegen meines Surfausflugs zum Brecher? Das war vor einer Woche, Zoe! Außerdem haben wir uns seitdem in der Schule gesehen.« Er runzelte die Stirn und schob sein Fahrrad neben ihres.

»Ja … ich weiß. Es ist nur so …« Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm erklären sollte, dass sie jetzt ohne Geheimnisse Zeit mit ihm am Wasser verbringen konnte. »Es ist nur so, dass ich dich eigentlich fragen wollte, ob ich dir beim Training helfen soll, aber da dein Dad das jetzt macht, brauchst du mich wohl nicht.«

Bestimmt hatte sie es versaut, weil sie zu lange gewartet hatte. Sie hätte schon viel früher vernünftig mit ihm reden sollen. Aber sie hatte abwarten wollen, ob das mit dem Kräfte zurückgeben bei Neumond funktionierte. Ben aber musste glauben, sie hätte das Interesse verloren. An ihm und an allem anderen.

»Ich hab‘ am Samstag einen Schwimmwettkampf. Wenn du magst, kannst du ja kommen und … keine Ahnung. Mich anfeuern oder so …«, endete er lahm und sah zur Seite, doch Zoe war vollauf begeistert.

»Unbedingt! Ich komme auf jeden Fall! Du musst mir nur sagen, wo und wann, dann bin ich da. Bestimmt!«

»Sehr schön.« Ihre offensichtliche Begeisterung brachte ihn zum Lachen. Langsam schob er sein Fahrrad an und Zoe tat es ihm gleich.

»Weißt du, ich war echt sauer auf dich«, begann er, nachdem er für einige Zeit hoch in den blauen Himmel geschaut hatte.

»Es tut mir wirklich leid, dass ich …«, setzte Zoe an, kam jedoch nicht weiter.

»Nein, schon gut. Ich kann verstehen, dass du nicht begeistert davon warst, dass ich am Brecher noch mal surfen gehen wollte. Es ist echt gefährlich da.« Er lächelte ihr kurz zu und sah dann schnell wieder weg. Zoe fasste sich daraufhin ein Herz und fragte nach. Sie wusste nicht, an wie viel oder woran genau er sich erinnern konnte.

»Warst du … also hast du es getan? Ich meine, bist du surfen gegangen?« Sie wusste es zwar schon, aber sie wollte aus seinem Mund hören, woran er sich erinnerte.

»Ja«, antwortete er schlicht, setzte sich auf sein Rad und fuhr einfach los. Zoe war so sehr darum bemüht, ihm schnell zu folgen, dass sie zweimal von den Pedalen abrutschte und sich dabei verletzte. Doch sie ignorierte den Schmerz. Hastig nahm sie Fahrt auf, um ihn einzuholen.

»Und?« Gespannt hielt sie den Atem an.

»Na ja, wie gesagt. Es ist gefährlich da und ich kann verstehen, dass du mich davon abhalten wolltest.«

Das war keine richtige Antwort!, hätte sie ihn am liebsten angeschrien.

»Hast du dich verletzt?« Sie wusste bereits, dass er sich verletzt hatte. Und zwar so schwer, dass er weinend in ihrem Schoß gelegen hatte, ohne mehr als seinen Mund und die Augen bewegen zu können. Bei der Erinnerung daran bildete sich ein dicker, fetter Kloß in ihrem Hals, gegen den sie heftig anschluckte. Jedoch ohne Erfolg.

»Nein. Also ich muss wohl mit dem Kopf irgendwo angestoßen sein, da ich mich an kaum etwas erinnere, aber ich bin nicht verletzt. Ganz im Gegenteil: Es ist eher so, dass all meine alten Wunden verheilt zu sein scheinen. Es ist total krass und richtig abgedreht und ich habe dafür absolut keine Erklärung, aber …« Er sah sie nach einem lauten Auflachen an und für einen Moment hatte Zoe das Gefühl, er würde sich an etwas erinnern. Da war so ein Erkennen in seinem Blick und dann war es wieder weg. Hastig sah er nach vorn.

»Du hältst mich mit Sicherheit für verrückt. Aber ich musste seitdem irgendwie die ganze Zeit an dich denken. Ich wusste nur nicht, wie ich auf dich zugehen sollte. Ich fühlte jedes Mal diese Beklemmung und ich hatte auch Probleme damit, weil du wegen der Aktion ja vollkommen recht gehabt hast. Es tut mir wirklich leid.« Ben senkte kurz den Kopf und sah dann von unten zu ihr auf.

»Ja, und mir tut es leid, dass ich nicht mitgekommen bin, obwohl ich es versprochen hatte.« Zoe blinzelte, weil sie spürte, wie Tränen in ihr hochstiegen. Die ganzen Erinnerungen kamen zurück und drohten, sie zu überschwemmen. Dabei ging es ihm gut, mehr als gut. Aber die Angst, die sie gefangen gehalten hatte … sie war noch immer da.

»Muss es nicht, um Gottes Willen, Zoe!« Ben hob abwehrend eine Hand und machte sogleich einen Schlenker mit seinem Fahrrad. »Ich war ein Idiot, es ein weiteres Mal versuchen zu wollen. Ich habe nicht einmal eine Ahnung, was ich da finden oder wem ich etwas beweisen wollte. Ich werde es jedenfalls nie wieder tun. Ich konzentriere mich jetzt voll aufs Schwimmen und gehe nur zum Entspannen mit dem Brett ins Wasser. Ganz weit weg von irgendwelchen gefährlichen Felsen.« Er grinste.

»Sehr gut.« Zoe lächelte zurück und dann kam ihr ein Gedanke. »Sag mal, ich war noch nie richtig Surfen. Würdest du es mir vielleicht beibringen?«

»Jetzt im Ernst?« Ben wirkte mehr als überrascht. Zoe hingegen lachte befreit auf, denn …

»Ja, das ist mein voller Ernst. Ich würde es gerne lernen. Dann könnten wir zusammen surfen gehen.« Denn jetzt konnte sie all diese Dinge ohne Bedenken tun. Sie war frei und konnte tun und lassen, was sie wollte.

»Aber klar doch. Gleich nach meinem Wettkampf am Samstag, ja? Vielleicht sogar direkt im Anschluss. Ich brauche sicher etwas Entspannung.«

»Wenn dir das nicht zu viel wird.«

»Aber nein, das ist schließlich Entspannung und mit dir zusammen sogar so etwas wie eine Belohnung. Ich werde schwimmen, wie ich noch nie geschwommen bin.« Ben trat kräftig in die Pedale und ließ sich dann ein ganzes Stück rollen, während Zoe lachend hinter ihm herfuhr.

Es war richtig gewesen, wenn auch schwer. Doch ihre Kräfte für das hier aufzugeben, war es absolut wert gewesen.

– Conny – 

Conny war nicht entgangen, wie fröhlich Zoe schon seit dem Morgen war. Sie war sogar noch fröhlicher als normalerweise. Die ganze Zeit trug sie dieses Lächeln auf den Lippen. Und das, so kurz nachdem sie ihre Kräfte abgegeben hatte.

Da drängte sich einem irgendwie die Frage auf, ob …

»Sag mal, Zoe. Vermisst du es denn gar nicht?« Conny hatte sie mit auf die Toilette begleitet und wollte die Gelegenheit nutzen, ohne sich vor den anderen rechtfertigen zu müssen.

»Mhm? Wovon redest du?« Zoe wusste offenbar nicht, was sie meinte.

»Na, ob du es nicht ein wenig bereust, dass du deine Kräfte aufgegeben hast.« Conny sah sie prüfend an. Zoes Miene wurde das erste Mal an diesem Tag ernst, aber dann lächelte sie schon wieder.

»Nein, ich bereue es nicht.« Sie schüttelte den Kopf, doch ihr Lächeln wurde für einen Moment traurig, ehe es sich erneut aufhellte. »Ich kann Ben nun bei seinem Schwimmwettkampf zusehen. Er hat mich eingeladen, heute Morgen. Er schwimmt Samstag und ich konnte einfach ja sagen. Denn ich kann hingehen. Und das ohne, dass ich mir wegen der vielen Menschen Sorgen machen muss, oder darüber, dass ich dabei in die Nähe von Wasser komme. Ich kann den Tag voll und ganz genießen und Ben mit aller Kraft unterstützen. Ich freue mich wirklich!« Und die Begeisterung und Vorfreude waren ihr anzusehen. Sie strahlte, wie sie es die letzten Tage kein einziges Mal getan hatte. Endlich war die lebensfrohe, immer fröhliche, quietschfidele Zoe zurück.

Sie hatte etwas gefunden, das für sie wichtiger war, als eine Meerjungfrau zu sein. Und damit auch etwas, das sie glücklich machte.

Conny nahm an, dass Zoe der Meerjungfrau in ihr dankbar war, dass sie es ihr ermöglicht hatte, Ben zu retten und das mehr als ein Mal. Aber sie lebte nun über diesen Punkt hinaus. Und irgendwie beschlich Conny das Gefühl, dass dieser Tag für sie alle irgendwann kommen würde. Nur ob Adele damit leben konnte, das wusste sie nicht. Sie war die Einzige von ihnen, für die durch diese Sache alles irgendwie normaler geworden war. Sie war in ihrem Inneren schon immer eine Meerjungfrau gewesen, die ganze Zeit. Conny glaubte nicht, dass sie es schaffen würde, dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatte, so wie Zoe es gerade tat. Jedenfalls konnte Conny sich nicht vorstellen, dass sie es an Adeles Stelle könnte. Sie hatte von Anfang an gespürt, dass Adele mehr Meerjungfrau war als sonst eine von ihnen. Sie hatte diese Verbindung zum Meer, die schon vorher dagewesen sein musste. Doch da war noch mehr. Richtig deutlich geworden war es in dem Moment, als Zoe so schwer verletzt vor ihr gelegen hatte. Als Adele das Wissen der Meerjungfrauen nutzte, um sie zu retten.

Für sie musste sich seit Connys Geburtstag alles viel richtiger anfühlen. Aber irgendwann würde dieser Traum vergehen. Chloe, Kathi und Conny würden aufwachen und ihr Leben weiterleben. So wie Zoe es gerade tat. Doch für Adele würde es sich anfühlen, als wäre eine Seifenblase zerplatzt und hätte etwas von ihr einfach mitgenommen, was sie nie zurückbekommen würde.

Sie schüttelte den Kopf. Woher kamen denn plötzlich diese tristen Gedanken? Und wieso glaubte sie auf einmal, so gut über Adele Bescheid zu wissen?

Dennoch. Sie hatte das Gefühl, mit allem richtig zu liegen. Leider.

Mit einem merkwürdigen Druck in der Magengegend ging Conny neben Zoe zu den anderen hinüber, die genüsslich die Gesichter in die Sonne hielten.

Sie setzten sich dazu und für eine Weile herrschte einvernehmliches Schweigen. Irgendwann durchbrach Zoe es leise.

»Am Samstag werde ich Ben zu seinem Schwimmwettkampf begleiten. Ich weiß, dass ihr nicht mitkommen könnt, aber …« Sie wandte den anderen ihr Gesicht zu.

»Alles gut, ich wünsche dir viel Spaß.« Kathi grinste sie an.

»Hat er dich eingeladen?«, wollte Chloe aufgeregt wissen.

»Ja«, gab Zoe mit einem strahlenden Lächeln zurück und Conny konnte genau sehen, wie die Erleichterung sie von den letzten Ketten befreite. Da schien immer noch diese Angst gewesen zu sein, wie die anderen reagieren würden. Aber Zoe war jetzt frei, sie konnte solche Dinge tun, ohne das eine von ihnen deswegen besorgt sein musste.

Conny musste den Blick abwenden. Sie freute sich für ihre Freundin, gleichzeitig tat es aber auch weh, so direkt vor Augen geführt zu bekommen, wie sehr sie ihre Kräfte einschränkten und welche Fesseln sie ihnen auferlegten. Sie wollte das nicht sehen, denn das hieß, dass es eine Form von Erlösung sein würde, wenn das alles hier vorbei war. Aber Conny wollte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es endete.

Und wie Kathi sie kurz darauf erinnerte, war die Sache an sich so schnell sowieso noch nicht vorbei.

»Okay, weg von dem schönen, behüteten Leben als einfacher Mensch und zurück zum gefährlichen Leben einer Meerjungfrau. Wir wissen jetzt zwar, wie wir wieder Menschen werden, aber wir wissen nicht, wieso jemand die Perlen züchtet und den Meerjungfrauen die Kräfte nimmt. Dagegen müssen wir so langsam was unternehmen. Ich schlage vor, wir nutzen den direkten Weg.«

»Und der wäre?«, wollte Adele von Kathi wissen.

»Conny geht zum Arbeitsplatz ihres Vaters und stöbert da ein bisschen rum.«

»Wie stellst du dir das denn bitteschön vor? Ich kann da doch nicht einfach reinmarschieren und die erzählen mir alles!« Conny schüttelte wild den Kopf. Selbst wenn ihr Vater netter zu ihr wäre, wäre das … es handelte sich dabei immerhin um streng geheime Forschung. Ihr würde nie jemand freiwillig Auskunft geben.

»Aber irgendetwas müssen wir versuchen. Du könntest sagen, es handelt sich um ein Schulprojekt oder du suchst einen Praktikumsplatz oder etwas in der Art.«

Conny wurde wütend. Kathi stellte sich das wirklich verdammt einfach vor.

»Warum kann Zoe es nicht machen? Sie läuft nicht Gefahr, Verdacht zu erregen und selbst wenn, verwandelt sie sich nicht mehr.« Conny sah zu ihrer Freundin hinüber. Wenn sie anfing, Fragen über die Perlen zu stellen, könnte jemand Verdacht schöpfen, doch Zoe war sicher und würde sich nicht bei irgendwelchen Tests oder Unachtsamkeiten in eine Meerjungfrau verwandeln.

»Aber Zoes Vater arbeitet da nunmal nicht. Sie hat so gut wie keine Chance, dort reinzukommen«, widersprach Kathi energisch. Conny hätte daraufhin beinahe einen Schmollmund gezogen. Wieso musste sie da allein hingehen? Das wollte sie nicht, es machte ihr Angst.

»Aber wenn du dich allein nicht traust, dann kannst du Zoe ja mitnehmen. Sie hat bestimmt nichts dagegen, dich zu begleiten.«

Und Händchen zu halten?, fragte Conny sich leise. Diese Blöße wollte sie sich dann auch nicht geben.

»Nein, danke. Ich schaffe das schon allein. Nur versprechen werde ich nichts. Es kann sogar sein, dass ich nicht mal durch die Tür komme.«

»Aber dann haben wir es zumindest versucht und können uns etwas anderes überlegen. Ich schätze, nachts da einzubrechen wäre nicht unbedingt eine Alternative, oder?«

»Wenn wir am nächsten Morgen nicht alle im Knast sitzen wollen, nicht. Das ist so etwas wie ein Hochsicherheitslabor.« Conny hatte ihren Vater noch nie auf der Arbeit besucht und so, wie er manchmal drauf war, wenn es um seine Forschungen ging, wäre sie unter normalen Umständen auch nie auf den Gedanken gekommen. Allerdings schien sie keine andere Wahl zu haben.

»In dem Fall also mein direkter Weg«, entschied Kathi. »Am besten du nimmst das Ganze so schnell wie möglich in Angriff. Dann können wir weiterplanen oder entsprechend reagieren.«

»Kathi, ich kann dir versprechen, dass ich an keine brisanten Infos herankomme. Die werden mir da nicht das Geringste …«

»Also wäre es dir eventuell lieber, wenn wir noch mal in das Arbeitszimmer deines Dads schleichen? Wann ist er denn das nächste Mal nicht zu Hause? Oder wir könnten es am besten machen, wenn du ihn besuchst, dann …«

»Schon gut! Schon gut. Ich guck, was ich herausfinden kann und danach können wir ja schauen, wann meine Eltern das nächste Mal einen Ausflug machen. Aber ich hab‘, wie gesagt, das Passwort für seinen Laptop nicht, also …«

»Das bekommen wir schon irgendwie hin. Wir nehmen, was wir kriegen können und ansonsten lassen wir uns eben etwas anderes einfallen.« Kathi wirkte wild entschlossen. Das war jedes Mal so, wenn sie irgendetwas planten. Conny konnte nur ergeben den Kopf schütteln.

Wird schon schiefgehen.

»Und? Denkst du, du kannst bereits heute hingehen?« Kathis tiefschwarze Augen funkelten vor Begeisterung. Wenn sie so scharf drauf ist, soll sie doch selber hingehen, murrte Conny ungehört in ihrem Inneren.

»Kathi, fahr runter und nutz deine Energie lieber dafür, Plan B und C zu entwickeln. Ich stimme Conny nämlich zu und glaube auch nicht, dass Plan A uns besonders weit bringen wird.« Adele nickte Conny zu, die das mit einem leichten Lächeln quittierte.

»Mag schon sein, aber immer ein Schritt nach dem anderen. Außerdem haben wir jetzt ja eine Geheimwaffe.« Kathi deutete mit ausgestreckten Armen auf Zoe.

»Wie? Ich?« Erschrocken zeigte sie auf sich selbst.

»Klar doch. Du bist eine Meerjungfrau ohne Wasserverwandlungsnachteile.« Chloe musste bei Kathis Worten laut losprusten.

»Das klingt total bescheuert«, verkündete sie und lachte weiter.

»Wie auch immer, ich denke, dass wir Zoe für irgendetwas noch sehr gut gebrauchen können.«

»Da bin ich ja beruhigt.« Zoe griff nach ihrer Tasche und holte eine Trinkflasche heraus.

»Pass damit bloß auf, du Geheimwaffe«, schimpfte Adele, als Zoe sie mit einem lauten Zischen öffnete.

»Immerhin kenne ich jetzt euren Schwachpunkt, wenn ihr mir mal blöd kommt.« Zoe hielt die Flasche vor sich wie eine Waffe.

»Wir sollten sie gefangen nehmen und einkerkern, bevor sie unser Geheimnis ausplaudert.« Adele war aufgesprungen und deutete spielerisch entsetzt auf Zoe. Conny grinste und war sofort dabei.

»Genau, auf sie!«

Das freundschaftliche Gerangel und Gezanke hielt sie davon ab, genauer darüber nachzudenken, was sie spätestens morgen würde tun müssen. Ihr Dad war sicherlich nicht begeistert, wenn sie so einfach bei seiner Arbeit auftauchte. Aber es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie musste es tun und das lieber früher als später.

Frei nach dem Motto: Augen zu und durch!

Kapitel 3 

AUF GEHEIMER MISSION 

– Conny – 

Ich hab kein gutes Gefühl dabei. Ich hab kein gutes Gefühl dabei. Gott, hab ich ein schlechtes Gefühl dabei! Ein total mieses, Oberhammer schlechtes Gefühl!

Conny zitterten wortwörtlich die Knie. Ihr war schlecht und sie fühlte sich einfach nur total fehl am Platz. Mit der Ausrede, dass sie ihrem Dad ein paar Unterlagen bringen sollte, und einem Ordner unter dem Arm war sie zumindest schon mal aufs Gelände gekommen. Sie wusste, wenn sie ihrem Dad begegnete, würde der sie postwendend wieder nach Hause schicken. Und vorher bekam sie mit Sicherheit noch ordentlich was zu hören, schließlich hatte sie vorgegeben, ihm etwas bringen zu müssen, was gar nicht stimmte. Ängstlich sah sie sich um, während sie in eine der großen Hallen huschte.

Sie wusste, dass es am Wasser die Perlenzucht mit ihren Muscheln und den entsprechenden Anlagen gab. Aber da wollte sie nicht hin, dort würde sie keine wichtigen Unterlagen oder Erkenntnisse finden. Sie musste in die Labors. Als Erstes hatte sie sich in eine Lagerhalle geschlichen. Hier stand ein Boot. Conny staunte nicht schlecht, doch nachdem sich ihr Hirn wieder eingeschaltet hatte, war ihr klar, dass es jenes Boot sein musste, mit dem sie bei Vollmond rausfuhren.

Sie sah sich um und entdeckte im hinteren Teil eine Tür. Dort sollte es zu den Laborräumen gehen. Ihre Schritte hallten unangenehm in der großen Halle, während sie auf die Tür zuhastete. Dort angekommen zog sie sie mit einem erleichterten Seufzer auf. Kurz darauf fiel ihr der Ordner mit den Scheindokumenten aus den Händen.

»Himmel!«, rief sie, als sie sich plötzlich ihrem Dad gegenübersah.

»Was machst du hier?«, wollte er mit scharfer Stimme wissen und drängte sie zurück in die Halle, die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Aus der Traum von einer geheimen Operation zur Beschaffung neuer Informationen. Conny war soeben gescheitert. »Man sagte mir, du hättest Dokumente für mich. Ich weiß davon nichts?«

Conny schluckte und wich zurück, nachdem sie den Ordner hastig wieder aufgesammelt hatte.

»Und?« Er ging bedrohlich einige Schritte auf sie zu und Conny fühlte sich regelrecht in die Ecke getrieben. Sie hätte sich so gern umgedreht, um zu flüchten, aber es holte sie ja spätestens zu Hause wieder ein.

Kathi! Es brachte jedoch nichts, ihre Freundin dafür verantwortlich zu machen. Sie hätte auch nein sagen können, aber Kathi hatte recht, sie mussten alles versuchen, um an weitere Informationen zu kommen. Und dabei gingen Dinge eben ab und an schief. Leider hatte sie sich für diesen Fall keine Ausrede überlegt.

Conny öffnete den Mund, um zumindest irgendetwas zu sagen. Doch ehe sie auch nur einen Ton herausbrachte, erklangen Schritte und sie konnte eine Bewegung im Schatten des Bootes ausmachen.

Conny zuckte daraufhin erschrocken zusammen, hatte sie doch überhaupt nicht mitbekommen, dass noch jemand in der Nähe war.

Der Neuankömmling räusperte sich vernehmlich hinter dem Rücken ihres Dads. Selbst wenn er ihn bis dahin schlicht nicht bemerkt haben sollte, spätestens jetzt musste ihm bewusst sein, dass jemand hinter ihm stand.

Als Conny ihrem Dad einen Blick zuwarf und dieser ganz langsam die Augen schloss und sehr tief Luft holte, wurde ihr klar, dass er ihn mit Absicht ignoriert hatte. Wie eine Fliege, von der man hoffte, dass sie irgendwann wieder von allein verschwand. Das taten Fliegen in der Regel jedoch nicht und dieser Mann scheinbar auch nicht. Sie summten einfach nur lauter.

Langsam drehte Mr. Corbey sich um.

»Dr. Waveheart ich wusste gar nicht, dass Sie heute hier sind.« Mit gespielter Überraschung hob er die Augenbrauen.

Dr. Waveheart schien jedoch nicht im Mindesten aufzufallen, dass er offensichtlich nicht erwünscht war. Oder zumindest störte er sich an dieser Tatsache nicht.

Conny besah sich den Mann im langen, weißen Laborkittel einmal genauer. Er war jung. Viel jünger als die anderen Arbeitskollegen ihres Dads, die sie bisher getroffen hatte. Und er sah ausgesprochen gut aus. Tiefschwarzes, leicht gewelltes Haar, das im Licht der Deckenlampe sanft schillerte. Seine Augen besaßen die gleiche Farbe.

Als er nähertrat, konnte sie seine hochgewachsene Gestalt betrachten. Er war noch mal eine ganze Ecke größer als ihr Vater, dem es offensichtlich missfiel, dass er ein Stück weit zu ihm aufschauen musste.

»Ja, ich dachte, ich mache noch ein paar Tests.« Conny lief es eiskalt den Rücken hinunter, als sie hörte, wie er das letzte Wort betonte. Hatte sie seine Stimme am Anfang des Satzes noch als einschmeichelnd und angenehm empfunden, so hatte sie plötzlich das Gefühl, als habe sie eine warme Decke abgeschüttelt, die ihr bis dahin weisgemacht hatte, dies wäre ein kuscheliger Ort.

Als Conny jetzt noch mal genauer hinsah, kam ihr der Mann gar nicht mehr so schön vor. Seine Nase erinnerte sie an die einer Maus, irgendwie zu spitz. Als er lächelte, fiel ihr auf, dass seine Zähne regelrecht scharf waren, wie bei einem Vampir, wodurch sein Lächeln etwas Bedrohliches bekam.

Conny hob deshalb den Blick von seinem Mund, hoch zu seinen Augen. Was auch nicht besser war, denn die wirkten wie Knopfaugen und ihnen fehlte der Glanz.

Wenn es nicht so unhöflich gewesen wäre, hätte sie sofort einige Schritte zurück gemacht, als er sich zu ihr vorbeugte.

»Und wen haben wir da? Eine neue Praktikantin?«, wollte er neugierig wissen, doch Conny verschlug es bei seinem Atem die Sprache.

Gott, was hat der denn gegessen? Rohen Fisch?

Sie hielt den Atem an, was leider inzwischen auch keinen großen Unterschied mehr machte.

»Nein, das ist meine Tochter«, verbesserte ihr Dad, ohne rechte Begeisterung.

»Interessant.« Endlich richtete er sich wieder auf und Conny konnte unauffällig durchatmen. Allerdings wurde sie auch sogleich hellhörig.

»Praktikantin? Kann man denn hier ein Praktikum machen?«, wollte sie gespannt wissen. Das wäre ja der absolut beste Weg, um etwas herumzuschnüffeln und dazu ganz legitim mehr in Erfahrung zu bringen.

»Nein!« Doch in gewohnt energischer Art machte ihr Dad all ihre neuen Pläne zunichte.

»Zumindest nicht, wenn du nicht an einer renommierten Uni studierst und ein solches Praktikum Teil deines Studiums ist«, erklärte Dr. Waveheart ihr die Sachlage etwas ausführlicher, fügte jedoch noch hinzu, »und danach siehst du nicht aus.«

Und warum hast du dann gefragt, wenn ich doch gar nicht danach aussehe? Conny kniff die Augen ungehalten ein kleines bisschen zusammen. Dem Blick nach zu urteilen, den er ihr mit der leisen Andeutung eines Lächelns, zuwarf, hatte er es dennoch bemerkt.

»Na, dann lasse ich euch beide mal wieder allein«, verabschiedete er sich schließlich.

»Ich bitte darum.« Conny beruhigte es irgendwie, dass ihr Dad mit anderen auch so schroff umging wie die meiste Zeit mit ihr.

Was sie jedoch nicht beruhigte, war die Tatsache, dass sie mit ihrem Dad nun wieder allein war. Auch wenn er sich jetzt offensichtlich über jemand anderen als sie ärgerte. Das sollte normalerweise ein Pluspunkt sein, nicht wahr?

»Du interessierst dich also für meine Arbeit?«, wollte er mit eher skeptischem Blick wissen.

»Ja!«, stimmte Conny ihm hastig zu und hätte fast alles fallengelassen, was sie die letzten Minuten so eisern umklammert gehalten hatte. »Die-die Perlen sind so unglaublich schön und ich würde wirklich gern wissen, wie die Vorarbeit dazu aussieht, um später so etwas Wunderschönes herstellen zu können.«

Sie überschlug sich regelrecht, doch wenn nur die geringste Chance bestand, dass er sie nicht für die nächsten vier Wochen in ihrem Zimmer einsperrte und sie womöglich auch noch eine Möglichkeit bekam, genau an die Infos zu kommen, die sie brauchten, durfte sie nicht zögern.

»Ach so, ja. Die Perlen.« Er wandte den Blick kurz ab und sah sie dann wieder an. »Mhm, na ja. Wenn du dich wirklich ernsthaft dafür interessierst, könnte ich es eventuell arrangieren, dass du in den Ferien vielleicht mal den ein oder anderen Tag mitkommst.«

Conny wäre beinahe die Kinnlade heruntergeklappt. So offensichtlich hatte er noch nie einen Schritt auf sie zugemacht oder war auf sie eingegangen. Wenn da nicht das schlechte Gewissen gewesen wäre, dass sie ihn im Grunde nur ausnutzte, wäre sie ihrem Dad jetzt wahrscheinlich um den Hals gefallen. Stattdessen schämte sie sich im Inneren dafür, aber daran konnte sie nun nichts mehr ändern.

»Ja, ähm. Sehr gern. Also ich würde wirklich gern …«

»Schön. Dann regele ich das mit meinem Chef und du gehst jetzt erst einmal wieder nach Hause.«

Conny nickte hastig und wäre beinahe mit gebeugtem Rücken rückwärtsgegangen, um sich unauffällig zu entfernen.

Sie sah noch, wie ihr Dad fast ungläubig den Kopf schüttelte. Ob über sie, ihr neu entdecktes Interesse oder darüber, dass er ihr wirklich vorgeschlagen hatte, in den Ferien so etwas wie ein Praktikum hier zu machen, wusste sie nicht.

Aber sie konnte es nicht fassen, dass er ihr das angeboten hatte! Das war absolut unglaublich!

Und was erst die anderen sagen würden, wenn sie davon erfuhren! Kathi würde sich natürlich mal wieder Recht geben, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, das Risiko einzugehen. Aber letztendlich war sie, Conny, es gewesen, die es irgendwie hinbekommen hatte. Irgendwie war dabei die richtige Bezeichnung. Aber egal. So hatte sie die besten Chancen, um an weitere Informationen zu kommen.

Nur, was sie dann damit anfangen sollten und wie sie diese Form der Perlenzucht für immer beenden konnten, um zu verhindern, dass noch mehr Meerjungfrauen starben. Das stand auf einem ganz anderen Blatt.

Kapitel 4 

GETRENNTE WEGE 

– Conny – 

Conny wollte schon den ganzen Tag davon berichten, was ihr gelungen war. Aber es per Nachricht zu schreiben … dann bekam sie die überraschten Gesichter nicht mit. Und es schnell morgens vor Schulbeginn zu erzählen, brachte ihr auch nicht die richtige Menge an Aufmerksamkeit ein, also musste sie bis zur ersten großen Pause warten. Allerdings fehlte Zoe und wenn, dann wollte sie es schon allen zusammen erzählen. Menno.

Noch dazu hatte es angefangen zu regnen, weswegen sie heute drinnen bleiben mussten.

»Wenn das nicht aufhört, sollten wir uns überlegen, uns gemeinsam abholen zu lassen. Es ist viel zu riskant bei dem Wetter irgendwo hinzugehen ohne Auto.« Adele sah besorgt durchs Fenster auf den Innenhof, wo sich nur wenige Schüler aufhielten.

»Ja, frag am besten deine Oma, die weiß ja Bescheid und falls doch was passiert, ist das wenigstens kein Problem.« Conny war froh, dass sie erst morgen zur Sporthalle rüber mussten. Der Weg dahin war ziemlich riskant.

»Zoe hat es in der Hinsicht echt gut«, seufzte Chloe und sah sich suchend um. »Wo ist sie überhaupt?«

»Mhm, Ben hat sie auf dem Gang abgefangen«, erklärte Kathi mit vollem Mund.

Das Wetter schien ihrer neuen Freundin jedenfalls nicht den Appetit verdorben zu haben. Conny hingegen hatte vor gespannter Aufregung keinen Platz für Essen in ihrem Bauch. Sie musste sich dringend ablenken und da Zoe gerade nicht da war, könnte man ja …

»Hört mal, wenn Zoe am Samstag zu diesem Schwimmwettkampf von Ben geht und da den ganzen Tag beschäftigt ist, wir aber lieber nicht hingehen sollten«, Conny warf einen warnenden Blick in die Runde und holte kurz Luft, weil sie alles so schnell aneinandergereiht hatte, »dachte ich mir, wir könnten die Gelegenheit nutzen und einen kleinen Schwimmausflug machen. Ich meine, wenn wir jetzt schwimmen gehen wollen, können wir Zoe eigentlich nicht mehr mitnehmen. Das heißt, sie würde sich mit Sicherheit ausgeschlossen fühlen, aber wenn sie sowieso etwas anderes vorhat …« Auffordernd sah Conny in die Runde.

»Meine Güte, Conny. Du bist so einfühlsam geworden, das erschreckt einen ja regelrecht.« Kathi hielt die Hand an die Brust gepresst und lehnte sich ein Stück zurück.

»Hey, das war fies!«, beschwerte Conny sich mit einem Lachen und schlug ihr gegen die Schulter, wodurch Kathi beinahe nach hinten umgekippt wäre.

»Aber ich finde die Idee wirklich gut und Conny hat ja auch recht«, kam Adele ihr zu Hilfe.

»Ja. Wenn Zoe etwas ohne uns vorhat, wird sie nichts dagegen haben, wenn wir stattdessen einen Schwimmausflug unternehmen«, stimmte nun auch Chloe zu.

»Also abgemacht. Wir müssen bloß vorsichtig sein«, ermahnte Kathi, doch das brauchte sie ihnen nicht extra zu sagen.

»Wir sind seit der Sache mit den Briefen immer vorsichtig. Ich frage mich nur, wieso der Typ sich nicht mehr gemeldet hat. Ist doch wirklich eigenartig.« Conny legte nachdenklich die Stirn in Falten.

»Kann ich dir auch nicht erklären, aber eigentlich bin ich froh, wenn man es einfach so auf sich beruhen lassen kann. Meinetwegen muss das nicht wiederaufgewärmt werden.« Adele schüttelte energisch den Kopf.

»Eigentlich bin ich auch der Meinung. Andererseits würde es mich schon interessieren, was denn nun dahintergesteckt hat und vor allem wer!« Conny runzelte die Stirn. Sie verstand einfach nicht, was das alles sollte. Erst Angst machen und mit dem Foto regelrecht drohen und dann nie wieder was von sich hören lassen? Das war doch seltsam!

»Wenn er sich nicht mehr meldet, finden wir das aber leider nicht heraus«, meinte Chloe.

»Ist mir auch lieber, als wenn er weiterschreibt und unser Geheimnis am Ende noch öffentlich macht oder so. Also schön. Eine Runde schwimmen und wohin?« Adele sah fragend von einem zum anderen.

»Ich wäre für das Riff. Ich will unbedingt auch mal mit den Haien schwimmen.« Chloe sah mit leuchtend braunen Augen in die Runde.

»Also schön, ich hätte nichts dagegen.« Kathi nickte zustimmend.

»Ich auch nicht«, meinte Conny. Ganz im Gegenteil beim letzten Mal war sie schließlich kaum dazu gekommen, sich das Riff, die Korallen und all die bunten Fische genauer anzusehen, weil Adele diesen Krampfanfall bekommen hatte. Sie hoffte inständig, dass sich das nicht wiederholen würde. Das war total gruselig gewesen und sie hatten noch immer keine Idee, was dahinterstecken könnte. Bisher war Adele die Einzige, die das getroffen hatte.

»Und ich sowieso nicht.« Adele hob mit einem breiten Grinsen die Schultern. Sie schien nicht mehr an den Vorfall zu denken und freute sich anscheinend riesig auf die Aussicht nochmal mit den Haien schwimmen zu können. Sie hatte ihnen damals von dieser inneren Verbundenheit erzählt, welche sie gespürt hatte, als sie neben einem weißen Hai hergeschwommen war. Conny war sich sicher, dass sie in Begleitung von den anderen auch den Mut aufbringen würde, einem weißen Hai so nah zu kommen. Und das wollte sie unbedingt getan haben, bevor sie – wie Zoe – wieder zu einem ganz normalen Menschen wurde.

»Also, dann ist es beschlossene Sache, am Samstag gehen wir eine Runde schwimmen!« Chloe drehte sich begeistert im Kreis, in dem Moment kam Zoe um die Ecke.

»Ihr wollt schwimmen?« Augenblicklich setzte Chloe eine beschämte Miene auf, was Conny fast zum Lachen gebracht hätte. Sie hatten doch gerade noch darüber gesprochen, wieso sie es unbedingt am Samstag machen wollten. Dennoch sah Chloe zu Boden und schielte zu ihnen hinüber, als wäre daran irgendetwas falsch, während sie es Zoe erklärte.

»Also, weil du ja am Samstag zu diesem Schwimmwettbewerb gehst, und da dachten wir … also weil du sonst ja nicht mitkönntest und da du dann ja sowieso etwas anderes … also …«

Conny hielt sich möglichst unauffällig eine Hand vor den Mund, um ihr Lachen zu verstecken. Chloe wirkte total hilflos und dabei bemerkte sie gar nicht, wie Zoes linker Mundwinkel mehr und mehr zu zucken begann, weil auch sie sich das Grinsen nur noch schwerlich verkneifen konnte. Schließlich erlöste sie ihre Freundin.

»Chloe ist schon in Ordnung, ich bin deswegen nicht böse oder so.«

»Nicht?« Chloe atmete erleichtert auf und sah sich beruhigt zu den anderen um, die sie wie Conny bloß angrinsten. »Was guckt ihr denn so?«

»Nichts, nichts«, wehrte Kathi hastig ab, konnte ihr Lachen jedoch nicht wirklich als Husten tarnen. Chloe stand da und legte wie ein Welpe mit großen Augen den Kopf schief, als würde sie die Welt nicht mehr verstehen.

»Ist schon in Ordnung, Chloe.« Zoe trat von hinten an sie ran und legte ihr einen Arm um die Schulter, wofür sie sich jedoch auf die Zehenspitzen stellen musste. »Ich wollte euch ohnehin vorschlagen, dass ihr einen Schwimmausflug machen sollt, da ich wahrscheinlich den ganzen Tag weg bin. Ben will mir danach nämlich noch das Surfen beibringen.« Zoes Augen leuchteten vor Begeisterung. Doch in eben diesem Augenblick fiel Conny wieder ein, was sie ihnen schon den ganzen Tag hatte erzählen wollen. Hastig öffnete sie den Mund, bevor Zoe zu schwärmen begann oder die Pause vorbei war.

»Ich hab‘ mir nämlich gedacht …«

»Will eigentlich keiner wissen, wie mein Spionageausflug in Dads Labor verlaufen ist?«, platzte Conny heraus und lächelte Zoe entschuldigend an, weil sie ihr dabei unbeabsichtigt mitten ins Wort gefallen war. Die zuckte nur mit den Schultern und nickte ihr kurz zu, um zu zeigen, dass sie ihr deswegen nicht böse war.

»Ach, warst du gestern da?« Kathi stopfte sich den letzten Bissen ihres Brotes in den Mund und musterte sie kauend.

»Du hast doch gesagt, dass ich es zeitnah erledigen soll.« Conny sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. Kathi schluckte.

»Das schon, ich hatte nur erwartet, dass du es noch eine ganze Weile vor dir herschieben würdest und ich dich drängen muss.«

»Tja, falsch gedacht. Ich bin gestern hingegangen und war sogar so erfolgreich, dass mein Dad mir erlaubt, ihn während der Ferien quasi als Praktikantin einige Tage zu begleiten. Dann kann ich bestimmt jede Menge über die Zucht der Perlen herausfinden.« Conny stand mit Stolz geschwollener Brust da und wollte sich jetzt feiern lassen.

Gut, sie hatte das Ganze ziemlich beschönigt und etwas aufgebauscht, aber sie hatte nicht gelogen. Es entsprach schließlich alles der Wahrheit.