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Vor über 3000 Jahren im heutigen Nürnberger Land ... Häuptling Andmar schäumt vor Wut. Sein kostbares Zinn wurde gestohlen. Und die dreisten Diebe sind wie vom Erdboden verschluckt. Eine zufällige Begegnung bringt den 10jährigen Aig und seinen Freund Tarrov auf die Spur der Räuber. Bald geraten die Jungen in große Gefahr. Wird es ihnen trotzdem gelingen, die Diebe zur Strecke zu bringen und das Zinn wiederzufinden?
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Seitenzahl: 46
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das Zinn
Überfall
Ein freches Grinsen
Unter Verdacht
Alles nur Einbildung?
Verfolgung
Das Versteck
In der Falle
Verzweifelt
Herr Andmar hört nicht zu
Ein großer Fehler
In Lebensgefahr
Mitgefangen, mitgehangen
Der zehnjährige Aig kauerte auf der Bank und beobachtete aus den Augenwinkeln seinen Vater Andmar.
Andmar, der Anführer der Sippe, war ausgesprochen schlecht gelaunt und stiefelte ungeduldig auf und ab.
Vor mehr als zehn Tagen hatte er einige seiner Männer in das Zinngebirge geschickt, um zwei prächtige Pferde gegen eine große Menge Zinn einzutauschen.
„Bei allen Unholden, wo bleiben die? Sie müßten längst wieder hier sein! Wenn sie bis heute abend nicht zurück sind, laß ich sie suchen!“ rief Andmar ungehalten.
Zur Bekräftigung trat er gegen einen Türpfosten und fegte eine Tonschale vom Tisch, so daß sie klirrend zerbrach.
Seit zwei Tagen ging das schon. Aig, ein schmaler blonder Junge, und seine ältere Schwester Gerg schlichen auf Zehenspitzen durchs Haus, um den Vater nicht noch mehr zu reizen. Es war noch schlimmer als sonst.
Hoffentlich kam bald die verflixte Zinnlieferung an.
Den halben Vormittag lang mußte Aig wie üblich die Belehrungen des Dorfältesten über sich ergehen lassen – so wollte es sein Vater. Erst dann durfte er das Haus verlassen.
Draußen regnete es. Aig zog den Umhang über den Kopf und lief zu einem Verschlag hinter dem Haus, um sein Schwein herauszulassen. Das gescheckte Schwein hatte die Vorderbeine auf den Rand der halbhohen Brettertür gelegt und sah seinem Herrchen freudig grunzend entgegen. Aig kraulte ihm zur Begrüßung die Rückenborsten. Dann ließ er das Tier heraus.
„Komm Schweinchen, wir suchen Tarrov.“ Schweinchen quiekte.
Tarrov war Aigs Freund, ein grobknochiger Junge mit riesigen Hände und Füßen, der den gleichaltrigen Aig um einen halben Kopf überragte.
Wer sein Vater war, wußte Tarrov nicht. Die anderen Kinder hänselten ihn deswegen, aber nur, wenn Aig nicht dabei war.
Wenn Aig kam, verstummten sie. Denn Aigs Vater war der Anführer, mit dem sich keiner anlegen wollte.
Tarrov mußte oft seiner Mutter helfen. Manchmal konnte er kleine Arbeiten für andere Leute übernehmen, wie Holz holen oder Steine aus dem Acker klauben. Dafür bekam er einen Krug Milch oder ein abgetragenes Hemd, das seine Mutter dann für ihn umnähte.
Wenn Tarrov Zeit übrig hatte, fand man ihn in der Werkstatt des Bronzeschmieds Hester, die abseits der übrigen Häuser am Rand des Dorfes lag.
Als Aig zur Schmiede kam, sah er unter dem Vordach der Werkstatt Tarrovs struppigen Hund namens Hundi vor sich hin dösen.
Drinnen saß Tarrov an der Feuerstelle. Neben ihm stand Hester, ein ruhiger, gutmütig wirkender Mann mit Händen wie Schaufeln. Er hatte sich eine Lederschürze umgebunden und zwinkerte Aig freundlich zu.
„Gleich gießen wir Beilklingen“, erklärte er. Wir, das waren er und Tarrov.
Offenbar durfte Tarrov heute also mehr als nur niedere Dienste für Hester verrichten. Stolz bediente er mit seinen kräftigen Armen die ledernen Blasebälge, um die Glut anzufachen. Hester befüllte einen Tontiegel mit kleinen Kupfer- und Zinnklümpchen und stellte ihn in die glühenden Holzkohlen.
Jetzt pumpte Tarrov was das Zeug hielt, bis die Klümpchen flüssig wurden und zu Bronze verschmolzen.
Von der Gluthitze war Tarrovs Gesicht knallrot. Er schnaufte vor Anstrengung. Aber er ließ nicht nach, bis Hester den Tiegel mit einer Zange griff und die rotgelbe Bronze gekonnt in die Gußformen fließen ließ.
Nun konnte Tarrov ausruhen. Seufzend wischte er sich das dichte Haar aus der schweißnassen Stirn und sah glücklich aus.
Anders als sein Freund war Aig nicht versessen aufs Gießen und Schmieden, aber er genoß die Stimmung in Hesters Werkstatt.
Ruhig, berechenbar, friedlich. Das Gegenteil von zu Hause.
Den restlichen Vormittag verbrachten die beiden Jungen in der Werkstatt. Tarrov schwärmte vom Feuer, der Glut und dem zischenden Metall, das wie die Sterne leuchtete. Für sein Leben gerne wäre er der Gehilfe des Schmieds geworden. Das war sein Traum.
Auf einmal hörte man laute Stimmen und Rufe. Hundi fing an zu bellen. Schweinchen kam in die Werkstatt gelaufen und stupste Aig an.
Alle traten vor die Tür. Der Regen hatte inzwischen aufgehört.
Aig spähte zum Dorfplatz hinüber. Offenbar waren eben zwei Reiter eingetroffen. Einige Dörfler umringten sie aufgeregt.
„Die sitzen aber ganz schön schief auf den Pferden“, stellte Tarrov fest.
„Was ist da los?“ fragte Hester, stemmte die Hände in die Hüften und blinzelte in die Sonne.
„Weiß nicht“, antwortete Aig, aber ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Er sah seinen Vater aus dem Haus stürmen. Gleich darauf hörte man Andmar brüllen wie ein gestochenes Tier.
Aig rannte los, die anderen hinterdrein.
Warum war Zinn vor 3000 Jahren so wertvoll?
Damals stellte man bei uns die meisten Geräte, aber auch Waffen und Schmuck aus Bronze her. Die Verarbeitung von Eisen war noch nicht üblich.
Diese Zeit nennt man heute die Bronzezeit.
Bronze ist eine Mischung (= Legierung) aus Kupfer und Zinn. Sie ist härter und weniger spröde als reines Kupfer.
Ein Bronzeschmied mischte neun Teile Kupfer und einen Teil Zinn und schmolz alles in Tontiegeln, die er in die Glut stellte. Die Glut mußte sehr heiß sein. Wenn das Metall flüssig war, füllte es der Schmied in Gußformen aus Sandstein oder Ton. Nach dem Erkalten wurde das gegossene Werkstück nachbearbeitet, also geglättet und poliert.
Um Klingen zu schärfen, schmiedete man die Schneiden durch Hämmern aus, ähnlich wie man heute eine Sense dengelt.
Kupfer wurde in Bergwerken in den Alpen abgebaut.