Alarm auf der Kinderstation - Nina Kayser-Darius - E-Book

Alarm auf der Kinderstation E-Book

Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Notarzt Dr. Winter ist eine großartige neue Arztserie, in der ganz nebenbei auch das kleinste medizinische Detail seriös recherchiert wurde. In der Klinik wird der Chefarzt der Unfallchirurgie mit den schwierigsten, aufregendsten Fällen konfrontiert, die einem Notarzt begegnen können. Im Leben des attraktiven jungen Arztes gibt es eigentlich nur ein Problem: Seine große Liebe bleibt ganz lange unerfüllt. Die Liebesgeschichte mit der charmanten, liebreizenden Hotelmanagerin Stefanie Wagner sorgt für manch urkomisches, erheiterndes Missverständnis zwischen diesem verhinderten Traumpaar. »Da!« sagte Lisa Heininger, patschte mit ihren dicken Händchen begeistert auf den blanken Holzfußboden, auf dem sie in ihren roten Wollhosen saß, und sah zu ihrem Vater auf, ob er auch gebührend von ihr Notiz nahm. Ralf Heininger grinste seine winzige Tochter an, und sie strahlte zurück. Ihr Mund mit den kleinen Schneidezähnen öffnete sich vor Entzücken, und dann lachte sie so heftig, daß sie hintenüber fiel. »Kichererbse!« sagte Ralf, stand auf und setzte sie wieder hin. »Jetzt laß mich mal ein bißchen weiterarbeiten, Lieschen. Das Buch muß fertig werden, das habe ich dir doch schon erzählt. Du spielst, und ich arbeite – du weißt ja, wie das geht.« und immer ein wenig wild um seinen Kopf standen. Sie machten ihn jünger, als er war – immerhin hatte er vor einiger Zeit seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert, doch das sah ihm niemand an. Seine Augen waren von einem sehr intensiven Blau, und ihr offener, forschender Blick hatte schon viele Menschen verunsichert. Lisa war dreizehn Monate alt. Sie sah ihren Vater mit schräg geneigtem Kopf von unten herauf an. Dann nickte sie, als habe sie jedes seiner Worte genau verstanden, und wandte sich ihrem Spielzeug zu, während Ralf Heininger an seinen Computer zurückkehrte und noch einmal die letzten Sätze las, die er geschrieben hatte. Ralf war Kinderbuchautor und ein erfolgreicher noch dazu. Es war ein großes Glück, daß er zu Hause arbeiten konnte, sonst wäre es für ihn und Lisa viel schwieriger gewesen. Aber so ging es problemlos. Die Kleine spielte zu seinen Füßen und ließ ihn arbeiten – jedenfalls meistens. Er mußte nur immer wieder zwischendurch Pausen machen und sich ein wenig um sie kümmern.

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Notarzt Dr. Winter – 18 –

Alarm auf der Kinderstation

Gibt es noch Rettung für die kleine Lisa?

Nina Kayser-Darius

»Da!« sagte Lisa Heininger, patschte mit ihren dicken Händchen begeistert auf den blanken Holzfußboden, auf dem sie in ihren roten Wollhosen saß, und sah zu ihrem Vater auf, ob er auch gebührend von ihr Notiz nahm.

Ralf Heininger grinste seine winzige Tochter an, und sie strahlte zurück. Ihr Mund mit den kleinen Schneidezähnen öffnete sich vor Entzücken, und dann lachte sie so heftig, daß sie hintenüber fiel.

»Kichererbse!« sagte Ralf, stand auf und setzte sie wieder hin. »Jetzt laß mich mal ein bißchen weiterarbeiten, Lieschen. Das Buch muß fertig werden, das habe ich dir doch schon erzählt. Du spielst, und ich arbeite – du weißt ja, wie das geht.«

Ralf war ein großer, schlaksiger Mann mit ziemlich langen blonden Haaren, die sich lockten

und immer ein wenig wild um seinen Kopf standen. Sie machten ihn jünger, als er war – immerhin hatte er vor einiger Zeit seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert, doch das sah ihm niemand an. Seine Augen waren von einem sehr intensiven Blau, und ihr offener, forschender Blick hatte schon viele Menschen verunsichert.

Lisa war dreizehn Monate alt. Sie sah ihren Vater mit schräg geneigtem Kopf von unten herauf an. Dann nickte sie, als habe sie jedes seiner Worte genau verstanden, und wandte sich ihrem Spielzeug zu, während Ralf Heininger an seinen Computer zurückkehrte und noch einmal die letzten Sätze las, die er geschrieben hatte. Ralf war Kinderbuchautor und ein erfolgreicher noch dazu. Es war ein großes Glück, daß er zu Hause arbeiten konnte, sonst wäre es für ihn und Lisa viel schwieriger gewesen.

Aber so ging es problemlos. Die Kleine spielte zu seinen Füßen und ließ ihn arbeiten – jedenfalls meistens. Er mußte nur immer wieder zwischendurch Pausen machen und sich ein wenig um sie kümmern. Sie empfanden es beide als angenehm, nicht allein zu sein, aber dennoch unabhängig vom anderen etwas tun zu können. Zumindest bildete Ralf sich ein, daß es Lisa ähnlich erging wie ihm.

Sie waren ein gutes Team, seine kleine Tochter und er – und die Tatsache, daß sich Lisas Mutter Karin schon bald nach der Geburt des Kindes mit einem Flamencotänzer aus dem Staub gemacht hatte, war mittlerweile zwar nicht vergessen, aber doch einigermaßen verarbeitet. Ralf und Karin waren nicht verheiratet gewesen, sie hatten eigentlich gar kein Kind haben wollen. Lisa war ein »Unfall« gewesen, aber Ralf hatte damals sofort gesagt, daß er sich um das Kind kümmern werde. Karin war einverstanden gewesen, es auszutragen, wenn auch erst nach einigem Zögern.

Und dann war Lisa mit einem Loch in der Herzscheidewand auf die Welt gekommen und hatte gleich operiert werden müssen. Für Karin war das alles viel zuviel gewesen. Der Flamencotänzer hatte leichtes Spiel mit ihr gehabt. Nur zu gern war sie ihm gefolgt in seine sonnige spanische Heimat – weit weg von den Pflichten einer Mutter.

Nein, Ralf trug ihr nichts mehr nach. Karin konnte nicht aus ihrer Haut, das konnte niemand. Sie mußte unabhängig sein, um sich glücklich zu fühlen. Und unabhängig war man mit einer kranken kleinen Tochter natürlich nicht. Aber seit der Operation ging es Lisa gut. Sie war ein

sehr ausgeglichenes Kind und fast immer fröhlich und guter Dinge.

Ralf warf ihr einen Blick zu, aber sie spielte jetzt völlig selbstvergessen. Sie versuchte, bunte Holzklötze aufeinander zu türmen, was sich als unerwartet schwierig erwies, doch sie ließ sich nicht entmutigen und versuchte es immer wieder von neuem.

Lächelnd wandte sich Ralf wieder dem Monitor zu und zwang sich zur Konzentration. Das Buch war fast fertig, und sein Verleger wartete darauf. Außerdem brauchten Lisa und er Geld. Eine Viertelstunde später eilten seine Finger über die Tastatur, und er war völlig in die Welt versunken, die er selbst geschaffen hatte.

*

»Und du bist sicher, es wird dir nicht zuviel, Anna für zwei Wochen bei dir zu behalten?« fragte Marie Künzler ihre Schwester Liliane Meding, als sie an diesem Abend mit ihr telefonierte.

»Ganz sicher«, versicherte diese und strich sich die schönen braunen Haare aus dem Gesicht. »Ich habe Urlaub genommen, Marie, und ich werde mit meinem Patenkind eine wunderbare Zeit verleben, während ihr Mallorca genießt. Ich freue mich richtig darauf, das kannst du mir glauben.«

»Stefan und ich haben Urlaub wirklich nötig«, meinte Marie seufzend. »Und damit meine ich Urlaub ohne Anna. Sie ist so lebhaft, Lili, man muß sich einfach ständig etwas einfallen lassen, um sie zu unterhalten.«

»Darauf freue ich mich ja gerade«, versicherte Liliane. Sie arbeitete als Filialleiterin in einer Bank, und sie tat das mit großem Engagement – aber manchmal brauchte sie einfach etwas ganz anderes, etwas, das nicht mit der Bank, ihren Kunden und ihren Kollegen zu tun hatte. Und so war ihr die vorsichtige Anfrage ihrer Schwester, ob sie vielleicht bereit wäre, irgendwann in der nächsten Zeit die vierjährige Anna für zwei Wochen bei sich aufzunehmen, gerade recht gekommen. »Mit Vergnügen«, hatte sie geantwortet, und das war die reine Wahrheit gewesen.

Anna und sie hatten sich von Anfang an bestens verstanden, und sie nahm als Annas Patentante am Leben der Kleinen regen Anteil.

Anna und sie würden die zwei Wochen in Lilianes großzügiger Wohnung in Berlin verbringen. So lange waren sie noch nie allein zusammen gewesen. Eine Art Bewährungsprobe stand ihnen mithin bevor. Aber Liliane wußte schon jetzt, daß sie gut miteinander auskommen würden. Sie hatte einige Ausflüge geplant, und dann bot ja Berlin für ein Kind auch jede Menge Abwechslung und Anregung.

»Wann kommt ihr denn morgen?« erkundigte sie sich.

»Abends«, antwortete ihre Schwester. »Wenn es dir wirklich nichts ausmacht, Stefan und mich auch noch eine Nacht zu beherbergen. Du mußt es ehrlich sagen, Lili, wenn es dir zuviel wird. Unser Flugzeug geht übermorgen sehr früh, von daher wäre es für uns natürlich ideal…«

»Ihr seid mir alle herzlich willkommen, mein Urlaub beginnt morgen«, teilte Liliane ihr mit. »Er hat also eigentlich schon begonnen. Ach, Marie, ich freue mich richtig. Was wir alles unternehmen werden, Anna und ich…«

Marie lachte. »Sie wird völlig verwöhnt sein, wenn wir zurückkommen, das ist mir sowieso schon klar.«

»Das wird sie nicht!« widersprach Liliane vergnügt. »Du wirst sehen. Na ja, ich gebe mir jedenfalls Mühe. Ich freu mich, wenn ihr morgen kommt.«

»Wir freuen uns auch, Lili. Bis dann!«

Marie legte auf, aber Lili stand noch einen Augenblick mit dem Hörer in der Hand da. Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht, und sie sah gar nicht mehr wie die energische Frau aus, die jeden Tag in der Bank von neuem beweisen mußte, daß sie sich trotz ihrer Jugend durchsetzen konnte. Jetzt auf einmal waren ihre Züge weich und mädchenhaft, und ihre schönen blaugrünen Augen, die stahlhart gucken konnten, wenn es darauf ankam, blickten verträumt vor sich hin. Ganz langsam legte sie den Hörer auf. Es würden wunderbare zwei Wochen werden mit Anna.

*

»Was ist los, Adrian?« fragte Dr. Julia Martensen erschrocken, als sie das finstere Gesicht ihres Kollegen Dr. Adrian Winter sah. Er hatte einen Termin bei Thomas Laufenberg, dem Verwaltungsdirektor der Kurfürsten-Klinik gehabt, und Julia wußte, daß er sich von diesem Termin einiges erhofft hatte. Adrian leitete die Notaufnahme der Klinik, und seit langem mahnte er bei der Verwaltung zusätzliche Stellen an.

Man war sich allgemein darüber einig, daß es wünschenswert wäre, das Personal der Notaufnahme aufzustocken, da alle, die dort arbeiteten, völlig überlastet waren – aber letztlich scheiterte jede Verhandlung um neue Stellen am Geld. Das war unter dem vorigen Verwaltungsdirektor so gewesen – und das war bisher unter Herrn Laufenberg so geblieben.

Hinzu kam, daß Adrian Winter und Thomas Laufenberg eine Art Haßliebe verband – zumindest auf Seiten des Arztes war das so. Zwar sah es zwischendurch immer mal wieder so aus, als fänden die beiden Männer endlich einen Weg zueinander, doch dann geschah unweigerlich etwas, das

Adrian erneut gegen den Direktor aufbrachte und seinen Zorn wieder frisch entfachte. Es half nichts, daß die meisten seiner Kollegen längst davon überzeugt waren, daß Thomas Laufenberg seine Arbeit hervorragend machte und auch wirklich bemüht war, ihnen zu helfen – Adrian blieb in Abwehrstellung.

»Adrian!« wiederholte Julia Martensen. Sie war um einiges älter als Adrian, doch sie kamen hervorragend miteinander aus. Julia war Internistin und arbeitete meistens auf ihrer Station, aber wann immer sie Dienst in der Notaufnahme hatte, freute sich Adrian darüber. »Nun rede schon, ich sehe dir doch an, daß du sonst gleich platzt!«

»Er ist ein Bürokrat, das habe ich ja schon immer gesagt«, knurrte Adrian. »Aber ihr seid ja alle so begeistert von ihm, daß ich mich in letzter Zeit schon gefragt habe, ob ich mich vielleicht doch irre.«

»Du sprichst also von Thomas Laufenberg«, stellte Julia gelassen fest. »Was hat er dir dieses Mal wieder getan?«

»Du brauchst gar nicht so zu reden!« Der sonst so ruhige und gelassene Adrian Winter war richtig aufgebracht. »Er hat mir mitgeteilt, daß wir im nächsten Jahr mit neuem Personal nicht rechnen können. Er kann uns ab und zu Ärzte im Praktikum zuschieben, auch mal einen Zivildienstleistenden zu uns abstellen – aber das ist auch alles. Er behauptet, er hätte alles versucht, aber die Finanzdecke der Klinik sei überaus dünn, alle müßten sparen, da könne für die Notaufnahme keine Ausnahme gemacht werden.«

»Es wird schon so sein, wie er sagt«, erwiderte Julia betont ruhig. »Oder glaubst du im Ernst, er macht das alles nur, um dich zu schikanieren?«

»Natürlich nicht!« Auf Adrians Stirn erschienen zwei unheilverkündende steile Falten. »Er macht das, weil er einfach nicht imstande ist, sich etwas einfallen zu lassen, um uns zu helfen. Und wahrscheinlich hält er es auch nicht unbedingt für nötig. Aber ich werde mir das nicht länger bieten lassen, das versichere ich dir. Wenn sie mich schon zum Chefarzt gemacht haben, dann werden sie jetzt sehen, daß ich meine neue Position nutzen werde.«

»Das wird ganz in seinem Sinne sein«, vermutete Julia. »Er ist doch selbst ein Kämpfer, auch wenn du das nicht so siehst. Er hat, seit er hier an der Klinik ist, schon eine ganze Menge in Bewegung gebracht, Adrian. Aber du kennst doch den Spruch: ›Kleinigkeiten erledigen wir sofort, Wunder dauern etwas länger.«

Wenn sie geglaubt hatte, ihrem Kollegen damit wenigstens ein Lächeln entlocken zu können, so sah sie sich getäuscht: Adrian verzog keine Miene. »Wunder!« knurrte er verächtlich. »Von Wundern sind wir Lichtjahre entfernt.«

Julia seufzte unhörbar und beschloß, das Thema zu wechseln. Sie waren in den meisten Dingen einer Meinung, und auch in der Beurteilung von Menschen lagen sie fast immer nah beieinander. Thomas Laufenberg war eine Ausnahme. Sie fragte sich, wie schon öfter, warum Adrian ausgerechnet auf diesen ruhigen und souveränen Mann so allergisch reagierte, aber sie fand auch dieses Mal keine Antwort auf ihre Frage.

Doch bevor sie etwas erwidern konnte, kamen zwei Sanitäter mit einem Verletzten herein, und sofort änderte sich die Stimmung. Während die Männer den beiden Ärzten eilig alles mitteilten, was sie an Informationen über das Unfallopfer hatten, begannen Julia und Adrian bereits mit der Untersuchung. Sie waren so aufeinander eingespielt, daß sie keine Worte wechseln mußten. Der Verwaltungsdirektor war vergessen, jetzt hatte die Arbeit Vorrang.

*

Thomas Laufenberg war so wütend über seinen letzten Zusammenstoß mit Dr. Winter, daß er seiner jungen Mitarbeiterin Sabine Meyer mit knappen Worten mitteilte, er sei eine Stunde lang nicht zu erreichen, und die Klinik verließ. Er mußte einfach raus aus dem Laden, dem er sich nun seit einiger Zeit verschrieben hatte und dem er mehr als seine Arbeitskraft widmete Manchmal hatte er den Eindruck, die Kurfürstenklinik saugte ihn aus, kostete ihn auch noch die letzte Kraft. Und dann kam der Leiter der Notaufnahme daher und beschwerte sich wieder einmal darüber, daß er nicht genügend Personal hatte.

Das stimmte natürlich, aber was Thomas daran so aufbrachte, war die Tatsache, daß Dr. Winter immer so tat, als sei das alles eine Frage des mangelnden Willens. »Sie als Verwaltungsdirektor müßten doch…« – so oder so ähnlich begannen seine Sätze oft, wenn er in Thomas’ Büro war und wieder einmal Sturm lief gegen die Verwaltung.

So sehr Thomas Engagement schätzte, so empfindlich reagierte er darauf, wenn jemand ihm Vorschriften machen wollte, wie er seine Arbeit zu machen hatte. Und genau diesen Eindruck vermittelte ihm Dr. Winter.

Thomas rannte zwanzig Minuten durch die beißend kalte Luft, dann hatte er sich wieder beruhigt. Dr. Winter versuchte nur, seine Notaufnahme so gut auszustatten, wie es irgend möglich war – das war nicht nur verständlich, es war im Prinzip auch richtig. Er selbst durfte sich nur durch die Hartnäckigkeit des Arztes nicht immer auf die Palme bringen lassen. Er brachte sogar ein kleines Lächeln zustande, als er daran dachte, daß sie einander am Ende des Gesprächs wie zwei bockige Schuljungen gegenübergestanden hatten – keiner von ihnen war bereit gewesen, ein versöhnliches Wort zu sagen.

Albern, dachte er, und wunderte sich über sich selbst. Er lief langsamer und beschloß, in die Klinik zurückzukehren, als ihm der wunderbare Duft von Backwaren und frischem Kaffee in die Nase stieg. Er sah auf und stellte fest, daß direkt vor ihm ein altmodisches, aber sehr gemütlich aussehendes Café lag. Kurz entschlossen trat er ein, bestellte einen großen Milchkaffee und suchte sich dazu ein dickes, sahniges Stück Kuchen aus.

Am Nebentisch saß ein junger Mann mit lockigen blonden Haaren, der ein munteres kleines Kind auf dem Schoß hielt. Dieses sah Thomas aufmerksam an, dann verzog es das Gesicht zu einem so breiten Lächeln, daß Thomas unwillkürlich zurücklächelte. Zugleich verflüchtigte sich auch das letzte Restchen Groll gegen Dr. Winter.

»Da!« sagte das Kind strahlend und zeigte auf ihn.

Der junge Vater blickte auf und lächelte Thomas ebenfalls an. »Sie gefallen ihr«, meinte er. »Nicht, Lisa?«

»Dada!« sagte Lisa und patschte die Händchen zusammen. Dann fing sie an, unruhig zu werden, und ihr Vater ließ sie sanft zu Boden gleiten.

»Sie gefällt mir auch«, meinte Thomas lächelnd. »Wie alt ist sie denn?«