Albtraum - Peter Wark - E-Book

Albtraum E-Book

Peter Wark

4,4

Beschreibung

Ein Toter am Stuttgarter Flughafen - Mord. Warum wird gerade der Stuttgarter Journalist Jörg Malthaner von der Polizei an den Tatort gerufen? Ein Zettel bei dem Toten gibt den Hinweis, dass es sich um Malthaners ehemaligen Schulkameraden Dietmar Hochdorf aus Albstadt handeln muss, der ihn nach langen Jahren um ein Treffen bat. Jetzt ist ihm klar, warum Hochdorf am vereinbarten Treffpunkt nicht erschienen ist. Diese Vorkommnisse lassen Malthaner in seine alte Heimat, die Schwäbische Alb, zurückkehren, und nach und nach werden die Umstände von Hochdorfs Tod immer mysteriöser. Malthaner beginnt mit eigenen Recherchen. Allmählich stellt sich heraus, dass der ehemalige Musterschüler in üble Machenschaften verstrickt war. Hat er tatsächlich Geld in Millionenhöhe unterschlagen? Und weshalb inter sich der Lokalredakteur vor so sehr für Malthaner und informiert ihn über geheimnisvolle nächtliche Aktivitäten in der hiesigen Mülldeponie? Noch ehe es ihm richtig klar wird, gerät Malthaner selbst in die Fänge einer kriminellen Bande.

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Peter WArk

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2011 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Isabell Michelberger, Meßkirch

Herstellung: Mirjam Hecht

Prolog

Beim Anblick der Leiche fiel die Maske antrainierter Professionalität von ihm ab wie ein vertrocknetes Blatt von einem Baum. Malthaner erstarrte, dann taumelte er einen Schritt zurück. Alle Farbe war schlagartig aus seinem Gesicht gewichen, das einen wächsernen Ton angenommen hatte. Er war kraftlos, zitterte und konnte nichts dagegen tun. Sein Hirn weigerte sich noch zu verarbeiten, was seine Augen nun schon seit Sekunden aufnahmen. »Herrgott«, presste er tonlos zwischen zitternden Lippen hervor, und noch einmal: »Herrgott«. Er wollte wegschauen und spürte gleichzeitig einen zwanghaften Drang, dieses ausgelöschte Leben vor sich auf dem Boden anzustarren. Er würgte gegen seinen Brechreiz an, und wusste nicht, wie lange er den Kloß noch würde hinunter schlucken können, der sich in seinem Hals gebildet hatte.

Natürlich, er hatte schon einige Tote gesehen. Viel zu viele für seine 38 Jahre. Aber noch niemals hatte er so etwas ertragen müssen.

Damals als junger Volontär beim Tagblatt war er meistens der erste, der an der Unfallstelle eintraf, wenn es wieder einmal gekracht hatte. Mit dieser elektrisierenden Mischung aus Abscheu und Faszination hatte er äußerlich ungerührt die Fotos von zertrümmerten Autos gemacht, in denen von einer Sekunde zur anderen Menschenleben ausgelöscht wurden. Später, als Polizeireporter bei der Landeszeitung in Stuttgart, als er sich endgültig für abgebrüht gehalten hatte, bekam er die Junkies zu Gesicht, die sich den goldenen Schuss gesetzt hatten, er sah Männer und Frauen, die von einem durchdrehenden kleinen Ganoven erschossen wurden, weil sie sich weigerten, ihre Brieftaschen herzugeben; er sah, was Eifersucht und Habgier anstellen konnten. Und er sah, wie das organisierte Verbrechen Probleme erledigte. Er hatte jahrelang erlebt, wie profan der Tod meistens war. Damals war er längst nicht mehr so scharf darauf, vor der Konkurrenz von den Stadtnachrichten am Tatort zu sein. Ein Ehrgeiz, der sich in den letzten Jahren fast vollständig gelegt hatte. Seit er als freier Journalist für die Landeszeitung und andere Blätter arbeitete, war das auch nicht mehr nötig, denn er konnte sich seine Themen zumindest teilweise selbst aussuchen, und die hatten im Allgemeinen nichts mehr mit Kriminalität zu tun.

Und jetzt stand er hier und starrte auf diesen toten Menschen, beziehungsweise das, was der Mörder von ihm übrig gelassen hatte. In Jörg Malthaners Kopf pulsierte es, und er fröstelte trotz der 30 Grad, die draußen herrschten. Es war abscheulich, was er sah, denn die Leiche hatte kein Gesicht mehr. Weggeschossen. Der Tote trug Jeans, dazu weiße Turnschuhe, ohne Socken. Das modisch karierte, kurzärmelige Hemd, mit dem er bekleidet war, sah aus wie frisch gebügelt, es hatte nichts von der Sauerei abbekommen. Seltsam, dachte Malthaner, was einem in einem Moment des Schocks alles auffällt. Am linken Handgelenk trug der Tote eine teuer wirkende Uhr mit goldenem Armband. Beide Arme wiesen Verletzungen auf, die aussahen wie vernarbte Brandwunden. Auf dem Boden rund um den Kopf der Leiche hatte sich Blut gesammelt, das längst getrocknet war und sich mit den anderen Säften vermischt hatte, die der Körper im Todeskampf von sich gegeben hatte. Es war viel weniger Blut, als man in Filmen sah, in denen jemand niedergemetzelt wurde. Malthaner ahnte, dass er in der kommenden Nacht würde nicht schlafen können.

»Geht’s wieder?« Die Stimme von Rehberg. Rüdiger Rehberg, genannt Rudi, Hauptkommissar und jüngster Dezernatsleiter in der Geschichte der Stuttgarter Mordkommission. Rehberg, der Bulle, und – vor allem – der Freund. Beide waren sie zusammen auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen, hatten gemeinsam das Abitur gemacht, bevor sich ihre Wege trennten. Zehn Jahre später hatte sie die Winkelzüge des Schicksals wieder zusammengeführt, Malthaner, der Polizeireporter der Landeszeitung, und Hauptkommissar Rudi Rehberg, der nach einigen Jahren beim Dezernat Schwerkriminalität in Mannheim neuer Leiter der Mordkommission in der Landeshauptstadt Stuttgart geworden war. Beide hatten sie in den letzten Jahren gelegentlich vom Wissen des jeweils anderen profitiert, doch war es nie ein Sich-benutzen. Es gab die unausgesprochene Übereinkunft, dass ihre Freundschaft nicht durch die manchmal gegenläufigen Interessen ihrer Berufe leiden dürfe, wenngleich die Gefahr mehr als einmal gegeben war.

Rehberg hatte sich einen Zigarillo angesteckt. Er zog Malthaner von dem unschönen Anblick der Leiche auf den harten Steinboden zurück. »Kipp mir hier nicht um«, sagte er und nestelte einen weiteren Zigarillo aus der Hemdtasche. Trotz der Hitze trug er eine Krawatte, deren freundliche bunte Farben so gar nicht zu der Situation passen wollten. Er hielt Malthaner den Rillo hin. »Steck ihn an, Jörg. Das hilft.« Malthaner war diese Marotte bei den Beamten vom »Mord«, wie sie sich selbst nannten, an Tatorten schon häufig aufgefallen. Vor allem, so hatte ihm Rehberg einmal erklärt, wenn die Leiche schon länger tot war, halfen Zigarren gegen den beißenden Gestank, der Begleitumstand eines jeden Ablebens war. Malthaner lehnte den Zigarillo ab. »Sonst kotze ich dir doch noch auf dein gestärktes deutsches Beamtenhemd«, versuchte er lässig hervorzubringen, was ihm gründlich misslang.

Rehberg lächelte nachsichtig und schob seinen qualmenden Stummel mit der Zunge in den anderen Mundwinkel. Er drückte einem Kollegen etwas in die Hand. Malthaner, der langsam wieder aus der anderen Welt auftauchte, in der er vor einer Minute beim Blick auf die übel zugerichtete Leiche versunken war, versuchte tief durchzuatmen. Das Gefühl des Unwirklichen wollte noch nicht weichen. Die Beamten, die hier routiniert ihrer Arbeit nachgingen, hatte er bei seinem Eintreffen wahrgenommen, beim Blick auf den Leichnam aber völlig vergessen. Sie waren in dieser letzten Minute für ihn einfach nicht existent gewesen.

»Warum mutest du mir das zu?«, fragte er Rehberg. »Du weißt doch, dass diese Scheiße nicht mehr mein Ressort ist.«

»Du bist auch nicht aus beruflichen Gründen hier«, antwortete der Kriminalbeamte leise durch den Qualm des Zigarillos und blickte auf die Spitzen seiner wie immer glänzend polierten schwarzen Halbschuhe. Er machte den Eindruck, als fühle er sich unbehaglich, als er schließlich den Blick Malthaners suchte. Mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand nahm er den Zigarillo aus dem Mund.

In seinem Inneren spürte Malthaner eine neue Welle der Übelkeit hochsteigen. »Ich fürchte, ich verstehe dich nicht ganz, Rudi.«

»Diesen Zettel haben wir bei der Leiche gefunden«, antwortete Rehberg, und hielt ihm ein Blatt Papier entgegen, das aussah, als sei es aus einem Ringbuch ausgerissen worden. In säuberlicher Schrift stand in Großbuchstaben darauf: MALTHANER, DIENSTAG, 14.30 UHR, STUTTGART, CHEZ SEVERIN.

»Das ist noch nicht alles«, fuhr Rudi Rehberg fort. Er zog einen Personalausweis aus der linken Gesäßtasche seiner dunklen Hose, die Bundfalten hatte, wie mit einem Lineal gezogen. Mit fahrigen Bewegungen blätterte Malthaner das Dokument auf. Mehr zu sich selbst sagte er: »Dietmar Hochdorf.«

»Ja, Dietmar Hochdorf«, echote Rehberg. »Ich glaube, ich habe einige Fragen an dich.«

»Und ich befürchte, dass ich dir die Antworten schuldig bleiben muss.«

Kapitel I

Der Juli war heiß. Brütend heiß.

Nicht nur die Hitze machte allen Warmblütern seit Wochen zu schaffen. Dazu kam die Smog-Glocke, die sich jeden Tag in den späten Vormittagsstunden über die Stadt legte und Stuttgart in ihrem stickigen Würgegriff hielt. Jeder, der nicht arbeiten musste, ließ es langsamer angehen. Malthaner wünschte sich an Tagen wie diesem mehr denn je in seine Heimat droben auf die Alb zurück, wo es jetzt bestimmt vier, fünf Grad weniger hatte und die Luft so viel reiner und frischer war. Stattdessen gehörte er zu dem Hunderttausende zählenden Ameisenheer, das über die Kessellage der Landeshauptstadt klagte. Und weitermachte. Immer weitermachte.

Die Hitze hatte ihn für seine Verhältnisse früh aus den Federn gejagt. Seit er nicht mehr festangestellter Redakteur und damit Sklave regelmäßiger Arbeitszeiten war, erlaubte er sich regelmäßig den Luxus, lange im Bett zu bleiben. Das war eine der kleinen Gewohnheiten, die ihm wichtig waren. Gewohnheiten erachtete er als unerlässliche Festen im Wahnsinn des Alltags.

Er hatte darauf verzichtet, sich zuhause ein Frühstück zu bereiten, machte stattdessen auf dem Weg zum Pressehaus, in dem die Landeszeitung residierte, Station im Café d’Art, wo er ein superbes Frühstück einnahm. Er ließ die Milch, die es hier nicht in diesen unsäglichen Plastikverpackungen gab, aus einem kleinen Kännchen auf den Löffel tropfen und von da in den Kaffee rinnen.

 Jörg Malthaner schaute sich um im »d’Art« mit seinen großen Spiegeln an den Wänden und den kleinen Marmortischen. Es war wenig los an diesem Vormittag kurz nach neun Uhr. Nur drei der vierzehn Tischchen waren belegt. Gedämpfte Gespräche. Salvatore, dem der Laden gehörte, hantierte an einer überdimensionalen, blank blitzenden Kaffemaschine hinter der breiten Theke. Er hatte Malthaner kurz zugewunken, als dieser das Café betreten hatte. Celine, die hübsche Bedienung mit den langen schwarzen Haaren und der perfekten Figur, hatte ihm sein Frühstück gebracht und die Zeit für einen kleinen Schwatz erübrigt. In zwei Stunden würde sich die Atmosphäre hier völlig verändert haben, wenn ganze Heerscharen einkaufsgestresster Hausfrauen sich in dem kleinen Lokal breit machen würden. Celine trug ein leichtes, farbenfrohes Sommerkleid, das ihre sagenhaften Beine wunderbar zur Geltung kommen ließ, was Malthaner ihr auch sagte. Wenn er erwartet hatte, dass sie wenigstens ein bisschen rot werden würde, hatte er sich getäuscht. Der einzige, dessen Gesichtsfarbe sich veränderte, war er selbst. »Alter Chauvi, der rasende Reporter«, hatte sie gelacht. Celine war Anfang dreißig, sie bediente hier schon seit Malthaner regelmäßig ins »d’Art« kam und war ein nicht unwesentlicher Grund für die männliche Stammkundschaft, immer wieder einzukehren. Das wusste auch Salvatore, deshalb wollte er seine Beziehung zu ihr nicht an die große Glocke hängen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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