Alex Morgan. Jägerin der Zwischenwelt - Jay Mason - E-Book

Alex Morgan. Jägerin der Zwischenwelt E-Book

Jay Mason

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Beschreibung

Als Alex eine E-Mail von einem gewissen c0nundrum bekommt, ist ihr Interesse geweckt. Woher weiß der geheimnisvolle Unbekannte von ihren Aktivitäten in der Zwischenwelt? Ist das vielleicht ein Scherz? Oder ist sein Hinweis zu der seltsamen Energie, die angeblich von ihrem College ausgeht, ernst gemeint? Alex begibt sich in das verzweigte unterirdische Tunnelsystem und begegnet dort einer Gruppe von Mädchen, die aus Unwissenheit einen alten Fluch heraufbeschworen haben ...

Die Serie:

Alexandra "Alex" Morgan ist eine 19-jährige Studentin und Tochter zweier preisgekrönter Wissenschaftler. Was niemand ahnt: Nebenbei arbeitet Alex als paranormale Ermittlerin und löst mysteriöse Fälle. Zusammen mit ihrem besten Freund Rusty und dem geheimnisvollen Fremden c0nundrum kommt sie einer Verschwörung auf die Spur, die nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Familie in Gefahr bringt ...

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Seitenzahl: 175

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Inhalt

Cover

Die Serie

Über diese Folge

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1: Feind meines Feindes

Kapitel 2: Der sonderbare Besucher

Kapitel 3: Im Maisfeld

Kapitel 4: Gemeinsam sind wir schwach

Kapitel 5: In die Nacht

Kapitel 6: Der Laternenmann

Kapitel 7: Reflektionen der Realität

Kapitel 8: Vergessene Welten

Kapitel 9: Fieberglut

Kapitel 10: Die Zurückgelassenen

Die Serie

Alexandra Morgan, die von ihren Freunden nur »Alex« genannt wird, studiert an einem kleinen amerikanischen College und ist eine eher unauffällige Studentin. Was niemand ahnt: Sie hat außergewöhnliche Fähigkeiten und ein seltsames Hobby – in ihrer Freizeit löst sie zusammen mit dem geheimnisvollen Fremden c0nundrum und ihrem besten Freund Rusty paranormale Fälle in der Zwischenwelt…

Über diese Folge

Als Alex eine eMail von einen gewissen c0nundrum bekommt, ist ihr Interesse geweckt. Woher weiß der geheimnisvolle Unbekannte von ihren Aktivitäten in der Zwischenwelt? Ist das vielleicht ein Scherz oder ist sein Hinweis ernst gemeint? Alex beginnt zu ermitteln und begibt sich in große Gefahr ……

Über die Autorin

Jay Mason ist das Pseudonym von Caroline Dunford, die als Psychotherapeutin und Journalistin arbeitete, bevor sie ihre Liebe zum Romanschreiben entdeckte. Zurzeit ist sie Writer in Residence am Siege Perilous Theater in Edinburgh. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in einem Cottage an der schottischen Küste.

JAY MASON

DergeheimnisvolleTunnel

Folge 1

beBEYOND

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment | Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der Originalausgabe: Alex Morgan. Paranormal Investigator, THE CLIQUE

Written by Caroline Dunford as Jay Mason

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Übersetzer: Bert Schröder

Textredaktion: Birthe Schreiber

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © shutterstock: margo_black; © thinkstock: Hemera Technologies | svedoliver | ahunjet | akvlv | Sirichoke | RobertoDavid

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3599-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Kapitel 1: Feind meines Feindes

»Nicht zu fassen, dass ich mit neunzehn noch meine Schlafzimmertür absperren muss«, brummelte Alex, während sie mit Nachdruck den Riegel vorschob. Dann kehrte sie zurück an ihren Computer. In ihrem E-Mail-Postfach lag erneut eine Nachricht von einem User namens c0nundrum. Er hatte sie über ihre Website »Unfassbare Ermittlungen« kontaktiert und nervte sie schon seit Monaten.

Ich hätte ein Projekt für dich, falls du interessiert bist. Bitte melde dich.

Alex runzelte die Stirn und begann zu tippen:

Hi, c0nundrum. Ich übernehme keine Projekte. Wenn du meine AGBs liest – an dieser Stelle fügte sie den Link ein, für den Fall, dass er die fetthervorgehobene URL am unteren Seitenende übersehen hatte – erfährst du zudem, dass ich mir meine Arbeit mit Informationen bezahlen lasse – es sei denn, ein Fall bedeutet aller Voraussicht nach eine einzigartige Chance. Da du bislang trotz deiner wiederholten Nachrichten keinerlei Einblick in deinen Fall gewährt hast, habe ich dir nur wenig zu sagen. Dir dürfte bekannt sein, dass ich als paranormale Ermittlerin viel Erfahrung habe, und es ist höchst unwahrscheinlich – wenn auch nicht unmöglich –, dass du Informationen besitzt, die sich nicht schon in meinen Akten befinden.

Sie unterzeichnete mit einem ihrer bevorzugten falschen Namen.

Alex zögerte einen Moment. Der letzte Satz klang etwas unbescheiden, aber sie hatte erwähnt, dass sie keineswegs alles wusste. Es war nur so, dass sie die Nase voll hatte von Leuten, die geheimnisvoll und rätselhaft taten und am Ende mit Informationen bezahlen wollten, die ihr schon seit Jahren bekannt waren.

Sie klickte auf »Senden«, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und fuhr mit den Fingern durch ihre langen, lockigen Haare. Sie blieben an einem Knoten hängen, und sie war minutenlang damit beschäftigt, ihn zu lösen. Als das geschafft war, warf sie einen abschließenden Blick auf den Computerbildschirm. Interessante Nachrichten waren auf ihrer Website schon ewig nicht mehr eingetroffen. Nur ein dusseliger Teenager, der wissen wollte, wie viele Trefferpunkte es ihrer Meinung nach geben sollte, wenn man in dem Spiel, das er entwickelte, einen Sukkubus erledigte.

C0nundrum hatte bereits geantwortet. Normalerweise nahm er sich dafür tagelang Zeit.

Ich kann dir versichern, dass ›mein Fall‹ für dich sowohl von Interesse als auch informativ ist. Im Anhang findest du eine Karte des alten Bergwerks unter deinem College. Ich habe die Stelle markiert, die ich als Einstiegspunkt vorschlage. Als Beweis für die Informationen, die ich anbieten kann, füge ich zudem die chemische Formel einer Substanz bei, die du herstellen und mitnehmen solltest. Falls die Lage alarmierend wird, könnte sie von Nutzen sein.

Alex tippte schnell. Mittlerweile war sie wirklich genervt.

Ich brauche mehr Informationen. Wenn du von mir erwartest, unter der Erde zu wühlen, muss ich wissen, was ich deiner Meinung nach dort finde.

Es kam keine Antwort. Jemand rüttelte an der Klinke ihrer Schlafzimmertür.

»Abendessen, Alex«, rief ihr Vater. Alex seufzte und schaltete den Computer aus.

Alex’ Mutter mochte eine der renommiertesten Chemikerinnen ihrer Zeit sein, aber Kochen gehörte nicht zu ihren Stärken. Glücklicherweise waren beide Elternteile den kaum essbaren Experimenten ihrer Mutter heute nicht gewachsen und zogen sich schon kurz nach dem Abendessen ins Bett zurück.

Alex wartete so lange, bis sie sich einigermaßen sicher war, dass ihre Eltern – zwei der führenden Wissenschaftler am Zentrum für Wissenschaftliche Kompetenz – in die Unterlagen vertieft waren, die sie bis morgen noch lesen mussten. Dann schlich sie zurück nach unten ins Heimlabor ihrer Mutter. Die Tür war selbstverständlich abgeschlossen, aber Alex’ Onkel hatte ihr vor einigen Jahren zu Weihnachten ein Dietrich-Set geschenkt. Onkel Andrew war ein großer Scherzkeks, allerdings waren seine Späße meist geschmacklos. Alex befand sich damals wieder einmal in großen Schwierigkeiten, und er schenkte ihr das Dietrich-Set für ihre »zukünftige Karriere«. Weder er noch ihre Eltern wussten, dass sie es all die Jahre über behalten hatte und inzwischen äußerst fachkundig damit umgehen konnte.

Mit einer Effizienz, die aus großer Praxis erwächst, begann sie, das Labor systematisch nach den chemischen Stoffen zu durchsuchen, die c0nundrum aufgelistet hatte. Dann arbeitete sie nach seinen Anweisungen.

Der Vormittag am College erschien ihr ungewöhnlich lang. Der einzige Nervenkitzel, den Alex verspürte, während sie absichtlich durch eine Prüfung nach der anderen fiel, war das Wissen um das, was sie in ihrem Rucksack bei sich trug. Besser gesagt: das Nichtwissen. Sie hatte sich peinlich genau an c0nundrums Anweisungen gehalten – was ihren Chemiedozenten schwer erstaunt hätte – und zwei kleine Ampullen mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllt. Die chemische Formel hatte für sie nur wenig Sinn ergeben. Sie hatte keine Ahnung, was die Substanz bewirken konnte, trotzdem verlieh sie dem ansonsten öden Tag eine gewisse Spannung. Alex war sogar so abgelenkt, dass sie in der mündlichen Physik-Prüfung vier korrekte Antworten gab. Sie wusste, dass sie morgen doppelt so dumm sein musste.

Der Ansturm aufs Mittagessen war für Alex das Zeichen, mit der Arbeit zu beginnen. Ihr Dietrich-Set machte kurzen Prozess mit dem von ihr bevorzugten Nebeneingang, auf den die Überwachungskameras sich nur alle zwanzig Sekunden richteten. »Ein Kinderspiel«, sagte Alex, als sie durch die Tür schlüpfte. Im Inneren gab es noch immer keine Bewegungsmelder. Eines Tages würde man im College-Budget die nötigen Geldmittel finden, um das Sicherheitssystem aufzurüsten, und dann wäre sie in Schwierigkeiten. Bis dahin jedoch konnte sie nach Lust und Laune durch die Flure schleichen.

Der Einstiegspunkt, den c0nundrum auf der Karte markiert hatte, war problemlos zu finden. Alex musste im Lagerraum für Putzmittel lediglich einige lockere Bodenbretter anheben.

»Ich schwöre, c0nundrum«, flüsterte Alex sich selbst zu, »wenn das eine Art Hinterhalt ist, bist du fällig.«

Unten an der Tunnelwand verlief ein breites, silbernes Rohr. Alex registrierte einen altmodischen Schalter, der eine antiquierte Form von Notbeleuchtung aktivierte. Sie schaltete ein kleines Mikrofon ein, das an ihrem Kragen klemmte, und begann mit der Aufzeichnung ihrer Beobachtungen.

»Offenbar handelt es sich bei diesem Gang um einen Versorgungsschacht. Wäre nicht überrascht, im Heizungskeller zu landen. Werde das Gefühl nicht los, dass man mich in eine Falle lockt.«

Sie lief weiter. »Rechts und links von mir sind Türen. Ich ignoriere sie fürs Erste. Der Gang ist noch immer abschüssig. Wird staubiger. Am Ende kann ich eine breite Tür sehen. Aus Metall, mit großem Vorhängeschloss. Hoffentlich ist es nicht eingerostet.«

Alex ging in die Hocke und machte sich an der Tür zu schaffen. Zwei ihrer Dietriche zerbrachen, bevor es ihr endlich gelang, das Schloss zu öffnen.

»Denk dran, sie c0nundrum in Rechnung zu stellen«, murmelte sie in ihr Mikrofon. Die Tür schwang mit einem lauten Knarren auf.

»Das war’s dann mit der geräuschlosen Annäherung«, sagte Alex. Sie lehnte die Tür hinter sich nur an und schloss sie nicht ganz. »Ich schalte jetzt die Taschenlampe ein.« Alex ließ den Lichtstrahl durch den Raum wandern. »Wow, das hatte ich nicht erwartet. Sieht aus wie das Erdgeschoss eines alten Gebäudes. Denk dran, in der Stadtbibliothek anhand von Karten zu prüfen, was sonst noch auf diesem Grundstück erbaut wurde. Bislang noch kein Hinweis auf einen Grubeneingang.«

Das Licht ihrer Taschenlampe fiel auf zerbrochene Stühle, übereinander gestapelte Tische, einen alten Aktenschrank und sogar ein Bettgestell. Alex ging durch mehrere Türen, von denen die meisten wie betrunken in ihren Angeln hingen. Dann erreichte sie einen Punkt, von dem aus mehrere Gänge in verschiedene Richtungen abzweigten.

Alex atmete tief durch. »Gut, ich habe scheinbar eine Art Kreuzung erreicht. Dieser Ort wird zu einem Labyrinth. Der Gang zu meiner Rechten ist abschüssig. Wenn es hier irgendwo ein Bergwerk gibt, dann bestimmt dort unten. Ich sag’s nicht gern, aber vielleicht ist c0nundrum doch auf etwas gestoßen. Irgendwas stimmt hier nicht. Meine sprichwörtlichen Nackenhaare stehen aufrecht wie Soldaten.«

»Verdammt«, sagte Alex und schaltete das Mikrofon aus. Nicht mal sich selbst gegenüber wollte sie einräumen, dass sie nicht die richtige Ausrüstung dabei hatte. »Ich hätte ihm glauben sollen. Verdammt. Mist.« Sie schaltete das Mikro wieder ein.

»Ich werde dem Gang folgen, der scheinbar nach unten führt. Ich versuche, einen Eindruck davon zu bekommen, welche Art von Ausrüstung ich brauche, wenn ich zurückkomme. Sind Kletterseile angesagt, oder muss ich durch Schutt kriechen?«

Je weiter sie vordrang, desto enger wurde der Gang und desto niedriger die Decke. Irgendwann begriff sie, dass sie nur noch von zerklüftetem Gestein umgeben war. »Ich glaube, ich habe den Anfang des alten Bergwerks gefunden«, sagte sie. »Die Luft ist muffig. Überlege, bald umzukehren.«

Alex wusste, dass ein Rückzug das Klügste wäre, doch ihre Neugier flüsterte ihr etwas anderes zu: Ein Stück noch, nur noch ein kleines Stück. Jeden Moment könnte der Schacht in eine riesige Höhle münden, und dann würde sie endlich wissen, weshalb c0nundrum sie an diesen Ort geschickt hatte.

Sie war tief unter der Erde, als sie es hörte. Von vorne, bedrohlich nahe, erklang ein Gebrüll. Es war die Art von bösartigem Gebrüll, das klar zu verstehen gab, dass Alex hier unten nicht erwünscht war und der Verursacher es kaum erwarten konnte, seine Hände, Tatzen, Tentakeln oder sonstige Gliedmaßen an sie zu legen – und zwar nicht, um ihr die Hand zu schütteln und ihr seine Freundschaft anzubieten. Alex erstarrte und erwog ihre Optionen.

Mit den Fingern tastete sie nach den Ampullen in ihrer Hosentasche. In diesem Moment wurde das Licht der Taschenlampe schwächer. »Mist«, flüsterte Alex und schüttelte das störrische Gerät.

Schritte, laut wie Donnergrollen, hallten durch den Tunnel. Würde sie erfahren, von wem sie stammten, wenn sie lange genug ausharrte? Die meisten Menschen hätten die Flucht ergriffen, aber nicht Alex Morgan. Ihr Verlangen, diese Kreatur zu sehen, war stärker als ihr Überlebensinstinkt, der ihr zuschrie: Renn weg! Gespenstische Wesen, böse Geister und Erscheinungen, die sich den Anschein gaben, real zu sein, hatte sie schon häufig gesehen, aber auf physische Beweise für die Existenz des Übernatürlichen traf man extrem selten. Ihre Finger umklammerten eine der Ampullen. »Lass mich ja nicht hängen, c0nundrum«, zischte sie ins Mikrofon. »Ich würde die Lage als alarmierend einstufen.« Sie zog eine Ampulle aus der Tasche, hielt sie zum Wurf bereit und positionierte sich gleichzeitig so, dass sie im Zweifelsfall wegrennen konnte. Ihr Herz raste, Adrenalin strömte durch ihren Körper und ihre Augen glühten vor Aufregung.

Fünf Meter entfernt flackerten in der Dunkelheit zwei rote Lichtquellen auf. Alex überkam Panik. Waren das Augen? Ein ohrenbetäubendes Brüllen ließ den Boden unter ihren Füßen erzittern.

Alex hatte Schwierigkeiten, zu begreifen, was genau sie sah. Und dann erneut dieses Brüllen. Diesmal so laut, dass ihr die Ohren weh taten. Sie zögerte nicht länger. Alex warf die Ampulle.

Es gab einen grellen Lichtblitz, einen merkwürdig süßen Geruch nach Pinien, und dann brach die Hölle los.

Die Welt bebte. Das Gebrüll der Kreatur verstummte unter herabstürzendem Geröll. Alex ließ ihre Taschenlampe fallen, sank auf die Knie und schützte ihren Kopf instinktiv mit den Armen. Möglicherweise entfuhr ihr ein für eine paranormale Ermittlerin höchst untypischer Angstschrei. Ein faustgroßer Felsbrocken traf sie hart an der Schulter und warf sie auf die Seite. Durch den aufgewirbelten Staub um sie herum sah Alex, wie ein Felsbrocken, der größer war als sie selbst, dort landete, wo sie gerade noch gekauert hatte. »Das war knapp«, sagte sie laut. »Nichts wie weg hier!« Doch im selben Moment bebte die Erde erneut. Um sie herum regnete es Felsbrocken. Alles wurde schwarz.

Das Gute war, dass Alex ihre Augen öffnen konnte. Sie blinzelte ein paar Mal und hustete. Die Luft war voller Staub. Ihre Finger zuckten auf Befehl, und sie spürte, wie ihre großen Zehen gegen die Innenseite ihrer Turnschuhe kratzten. Mehr aber auch nicht. Keines ihrer anderen Glieder reagierte.

Alex schluckte die aufkommende Panik hinunter und versuchte es erneut. Diesmal löste sich ihr rechter Arm aus einem Trümmerhaufen. Schrittweise und unter zunehmenden Schmerzen gelang es Alex, sich zu befreien. Der große Felsbrocken, der ihr den Schädel hätte zertrümmern können, lag wenige Meter von ihr entfernt. Glücklicherweise bestand der Rest des Gerölls offenbar aus deutlich kleineren Brocken. Es waren einfach nur furchtbar viele. Alex setzte sich aufrecht hin und tastete Kopf und Gesicht nach Beulen und Schnittwunden ab. Aus ihren zerrissenen Jeans blitzten blutig geschlagene Knie hervor, auf die jeder Vorschüler stolz gewesen wäre. Ihr gesamter Körper fühlte sich an, als wäre ein Riese darüber hinweggetrampelt, doch sie spürte keinen stechenden Schmerz und hustete auch kein Blut. Alex war sich halbwegs sicher, dass sie überleben würde.

Sie bewegte langsam ihren Kopf von Seite zu Seite, um den Schutt abzuschütteln. Dann fuhr sie sich vorsichtig mit den Fingern durchs Haar. Sie hatte gerade einen besonders störrischen Knoten erreicht, als ihr Herzschlag sich beschleunigte. Wo zum Teufel ist das Ding?, fragte sie sich. Der Staub hatte sich inzwischen gelegt, und die Luft wurde langsam klarer. Vor ihr lag die bedrohliche Dunkelheit, die die Kreatur hervorgebracht hatte.

»Mist! Mist! Mist!«, rief Alex und rappelte sich auf. Sie drehte sich im Kreis, um ihre Umgebung zu prüfen. Der Staub machte sie immer noch halbblind, aber sie glaubte, allein zu sein. Sie bückte sich und tastete mit ihren Fingern nach dem Tonbandgerät, fühlte aber nur Plastikscherben. »Mist«, sagte sie erneut, diesmal leiser. »Kein Beweis.«

Der Boden zitterte leicht. Ein tiefes Stöhnen hallte von den Höhlenwänden wider. Ohne Möglichkeit, die bevorstehende Begegnung aufzuzeichnen, traf Alex ihre erste rationale Entscheidung und floh.

Sie sprang auf eine Weise durch das Loch im Boden des Putzmittel-Lagerraums, die auch einer Olympia-Turnerin alle Ehre gemacht hätte, und rannte durch die Flure zurück in Richtung College. Als sie durch die letzte Tür schoss, kollidierte sie mit etwas Großem und Schwerem. Sowohl dieses Etwas als auch sie selbst landeten eng umklammert auf dem Boden.

Nun hatten selbst Alex’ Prellungen Prellungen. Als sie realisierte, dass sie nicht etwa ein Monster sondern einen Jungen umschlungen hielt, stieß sie Flüche aus, die ihre Mutter geschockt hätten, und stieß ihn unsanft von sich.

»Hey, alles klar?«, fragte eine männliche Stimme. »Du siehst aus, als hättest du einen Unfall gehabt.«

»Einen Unfall mit einem Schwachkopf«, zischte Alex, ignorierte die angebotene Hand und stand auf. »Was zur Hölle studierst du? Laufen für Anfänger? Denn ich sag’s nicht gern, Kumpel, aber du fällst durch.«

Der rothaarige Junge lief hochrot an. Groß und schlaksig wie er war, hätte man ihn nicht als gutaussehend bezeichnen können, aber er hatte die Art von Gesicht, mit denen Leute in Werbesendungen Haustierversicherungen verkaufen: freundlich und sanft. Er war ungefähr in ihrem Alter, trotzdem wirkte er mit seinen großen Händen und langen Gliedmaßen wie ein Hundewelpe, der noch nicht ganz ausgewachsen ist.

»Ich wollte dir helfen«, sagte er und klang verletzt. Alex bekam sofort Gewissensbisse. Der Zusammenprall war wohl kaum seine Schuld gewesen. Sie blickte in seine Augen und zuckte kaum merklich zusammen. Er wirkte so … nett. An so etwas war sie an diesem College nicht gewöhnt.

»Rusty?«, rief eine weibliche Stimme. Sie klang streng und besitzergreifend. »Rusty, wo bist du?«

»Scheint so, als wirst du vermisst«, sagte Alex. »Solltest du nicht besser abhauen?«

In diesem Moment bog das »Modische Quartett« um die Ecke. Alex seufzte. Wie geriet ein solch netter Kerl an diese Clique? Im Vergleich zu den vier Mädchen war das Monster im Tunnel absolut harmlos. Ein Blick auf ihre Mikro-Miniröcke erklärte einiges.

Sie waren allesamt Cheerleaderinnen, langhaarig und gepanzert mit Unmengen an Make-up. Sie hassten Alex ebenso sehr, wie sie selbst sich von ihnen abgestoßen fühlte. »Was macht ihr hier?«, wollte sie wissen. »Zur Turnhalle geht’s in die andere Richtung.«

»Oooh, was ist das denn?«, fragte Savannah und warf sich in Pose. »Könnte es weiblich sein?«

»Ignorier sie«, sagte Tiffany.

»Die Seminare beginnen gleich«, schaltete sich Rusty ein. Er stellte sich halb vor Alex, als wolle er sie abschirmen.

»Sollten wir nicht aufbrechen?«

»Ich will wissen, was sie hier macht«, sagte Charisma. »Wir haben einen Grund, hier zu sein, aber was führst du im Schilde? Hat dein Gehirn wieder mal einen Aussetzer, Morgan? Die Mensa befindet sich im anderen Block. Block C, bei den großen Bäumen.« Die letzten Worte sprach sie sehr langsam, so als würde sie mit einem Idioten reden.

Am liebsten hätte Alex das Mädchen an den langen Haaren gezogen. Mit schief sitzender Perücke würde sie nicht halb so glamourös aussehen. Doch aus irgendeinem Grund bewirkte Rustys Anwesenheit, dass sie würdevoll auftreten wollte. Außerdem musste sie ihm zeigen, dass sie keinen Beschützer nötig hatte. »Ich meine mich zu erinnern, euch den Weg zur Turnhalle geschildert zu haben«, sagte sie kühl.

»Oooh, meine mich zu erinnern«, äffte Savannah sie nach.

»Geschildert zu haben«, wiederholte Charisma.

»Sprechen alle Briten so affektiert oder nur die geistig behinderten?«, fragte Savannah.

Alex spürte Wut in sich aufsteigen. Mit großer Mühe sagte sie ruhig: »Geht lieber zum Training. Ihr habt es mit Sicherheit nötig.«

Bethany stürmte nach vorn und drängte sich an den schlaksigen, rothaarigen Jungen. »Wo war mein Schatz?«, gurrte sie. »Ich hab dich verloren.« Sie kicherte. »Du siehst aus, als hättest du es wild getrieben. Du hättest auf mich warten sollen.«

Die Mädchen scharten sich neckend um ihn. Alex stahl sich davon.

Ironischerweise war ihr nächstes Seminar Chemie. Alex schlüpfte in die nächstgelegene Toilette und griff zu Papierhandtüchern und Flüssigseife. Doch so viel Mühe sie sich auch gab – die Gestalt, die ihr im Spiegel entgegenblickte, blieb schmuddelig. Gesicht und Hände waren sauber, aber der Rest wirkte – kaum überraschend – als hätte sie sich im Dreck gewälzt. Alex seufzte und hob ihre Tasche auf. Es war ja nicht so, als ob sich irgendjemand um ihr Erscheinungsbild kümmern würde.

Im Chemie-Seminar beschäftigte sie sich mit dem Experiment, das der Professor für den Kurs vorbereitet hatte. Rusty saß am Labortisch hinter ihr, und aus irgendeinem Grund fiel es ihr deshalb schwieriger, sich zu konzentrieren. Kurz vor Abschluss der letzten Reaktion fügte sie anstelle von Magnesiumcarbonat bewusst Schwefeldioxid hinzu. Die Flüssigkeit in ihrem Becherglas schäumte einen Moment lang wild auf und entlud sich dann erwartungsgemäß wie ein Mini-Vulkan, heftig blubbernd und widerliche Glibber-Klumpen auswerfend. Alex machte einen Satz zurück und stieß einen Angstschrei aus, von dem sie hoffte, dass er möglichst mädchenhaft klang. Auch Rusty sprang auf. »Was zum …« begann er. Dann wandte er sich ihrem Experiment zu. »Oh je«, sagte er mit weit aufgerissen Augen. Als ein Glibber-Klumpen auf ihn zuflog, wich er ihm mit einer Gewandtheit aus, die Alex überraschte, und der Klumpen landete mitten in dem komplizierten Kristallsalzexperiment, an dem er arbeitete, um sich Extrapunkte zu verdienen. Die Kristallstruktur zersprang, und die Scherben flogen in alle Richtungen. Studenten schrien auf und stoben auseinander. Mr. Zybslaw schrie: »Schluss jetzt! Sofort hinsetzen!«

Er kam zu Alex und ihrem Experiment, das weiterhin leise Rülpser ausstieß. »Was haben Sie jetzt wieder gemacht, Morgan?«, fragte er. »Sie sind der beste Beweis dafür, dass nicht die genetische Veranlagung den Menschen prägt, wissen Sie das?«

»Nein«, sagte Alex, die genau wusste, was er meinte.

»Ihr Apfel ist weit vom Stamm gefallen«, ergänzte ihr Professor. »Sie bleiben nach der Stunde mit Gibson hier, um die Schweinerei zu beseitigen. Und Sie werden Gibson in Ihrer freien Zeit bei der Wiederherstellung seines Experiments helfen.«

»Nein, Sir, bitte. Das ist nicht nötig«, sagte Rusty flehentlich. Er lief knallrot an.

»Oh, doch«, erwiderte Mr. Zybslaw unfreundlich lächelnd. »Sie könnte noch etwas von Ihnen lernen. Der Unterricht ist beendet.« Die anderen Studenten verließen den Raum. Alex ignorierte die auf sie gemünzten Kommentare. Rusty stand wutschnaubend neben seinem Labortisch.