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Als Quelle der Märchen diente ein in arabischer Handschrift verfasstes Manuskript, das von Antoine Galland in die französische Sprache übersetzt und im Jahre 1704 in Paris veröffentlich wurde. Die Übersetzung gilt seitdem als Quelle unzähliger Veröffentlichungen. Es ging um einen König, der, sooft er ein Mädchen heiratete, es am Morgen nach der Hochzeit töten ließ, bis er die geistreiche Tochter Scheherasad seines Vezirs heiratete, die ihn mit Märchen unterhielt, deren Ende am nächsten Morgen hören wollte. So vergingen 1001 Nächte, während der sie seine Gattin wurde und ihm ein Kind gebar. Eins der spannendsten Märchen, das sie ihm über mehrere Tage und Nächte erzählte, hieß: Ali Baba und die vierzig Räuber. Ali Baba verdient sein Geld als Holzfäller. Er findet Zugang zu unermesslichen Schätzen in einer Berghöhle, die er mit zwei Worten öffnen kann. 40 Räuber jagen ihn, während Morgiana, eine ehemalige Sklavin, ihn immer wieder rettet.
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Seitenzahl: 83
Veröffentlichungsjahr: 2021
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In der Stadt Isfahan lebten zwei Brüder. Einer hieß Cassim, der andere Ali Baba. Wie in jeder Stadt lebten dort Reiche wie auch Arme. Die Reichen gehörten vorwiegend dem Hofstaat des Königshauses an oder sie waren erfolgreiche Kaufleute. Familien wie die von Cassim und Ali Baba gehörten zu den ärmeren Einwohnern, die ihr Brot als Lohnarbeiter verdienten.
Ihr Vater bot sich täglich auf dem Platz Naqsche-Dschahan als Träger an. Er transportierte die eingekauften Lebensmittel und andere Waren der reicheren Einwohner in ihr Haus, wobei er wie ein Kuli schwer beladen hinter ihnen herlief. Dafür bekam er einige Maydan als Belohnung, selten eine Zechine, für die er sich etwas zu essen kaufen konnte.
Er lebte von der Hand in den Mund. Selten fiel etwas für seine zwei Söhne ab, die für sich selbst sorgen mussten. Sie suchten dann auf dem Müllberg hinter der Stadt nach etwas Essbarem, sobald sie der Hunger plagte.
Ihre Freunde taten das Gleiche, so dass es ihnen nicht schwerfiel, die oft noch unberührten Einkaufstüten aus der Tiefe des Müllhaufens zu ziehen und sich satt zu essen. Sie stritten sich selten, denn Essen war in Hülle und Fülle vorhanden.
Hatten sie ihre Bäuche gefüllt, vergnügten sie sich, indem sie mit den Raben, den Ratten und Füchsen spielten, die ebenfalls auf dem Müllberg nach Futter suchten. Sie jagten sie, fingen auch einige und boten sie in einem Käfig vor dem Ali-Quapu-Palast an, wo sich immer jemand fand, der aus ihnen etwas Nützliches herstellte.
Als ihr Vater allmählich spürte, dass seine Zeit gekommen war, in der er in die ewigen Gärten Allahs gerufen wurde, teilte er das Wenige, das er besaß, unter seinen zwei Söhnen auf, zu gleichen Teilen. Es schien, dass jeder von ihnen die gleiche Chance bekam, das Schicksal jedoch andere Pläne mit ihnen verfolgte.
Cassim heiratete eine Frau, die sehr bald nach ihrer Hochzeit ein großes Erbe antrat. Darunter befanden sich nicht nur eine Ledertasche voller Goldmünzen, sondern auch ein riesiges Warenlager wertvoller golddurchwirkter Stoffe, Schals und mit Edelsteinen bestickter Seidenstoffe für modische Turbane. Cassim gehörte seitdem zu den reichsten Kaufleuten der Stadt und führte ein sorgenfreies Leben.
Ali Baba dagegen hatte weniger Glück. Er führte ein kärgliches Dasein. Er wohnte in einem der baufälligen Holzhäuser außerhalb der Stadt, in dem er mit seiner Frau und seinen Kindern lebte und von den Erträgen seiner mühsamen Arbeit so recht und schlecht über die Runden kam.
Er fällte Bäume, sägte sie in Holzscheite zu Brennholz und brachte es mit seinen drei Eseln in die Stadt, um es auf dem Markt zu verkaufen. Man kann sagen, dass die drei Esel sein ganzes Vermögen waren.
Es blieb nicht aus, dass er dort ab und zu auch die Frau seines Bruders Cassim antraf, die bei ihm Holz bestellte und durch einen Träger in ihr Haus bringen ließ. Während sich viele seiner Kunden großzügig zeigten und den Betrag, den Ali Baba forderte, gewöhnlich aufrundeten, war sie die einzige seiner Kunden, die ihm nichts gönnte. Sie gab ihm eine Zechine und bestand darauf, dass er ihr den Rest von drei oder vier Maydin herausgab.
Eines Tages, als Ali Baba im Wald arbeitete und seine Esel mit Holz belud, beobachtete er in einiger Entfernung eine riesige Staubwolke, die in Windeseile auf ihn zukam. Instinktiv führte er seine Esel tiefer in den Wald hinein, band sie fest und stellte sich hinter einen Baum.
Aufmerksam verfolgte er die rätselhafte Wolke, wie sie von einer Seite auf die andere schwebte, immer näher auf ihn zukam, bis er endlich einige bewaffnete Männer auf ihren Pferden erkannte. Sie riefen einander etwas zu, aber in einer Sprache, die er nicht verstand.
Er hielt es für besser, hinter dem Baum zu bleiben und erst einmal abzuwarten. Obwohl bisher keine Räuber in der Gegend gemeldet wurden, dachte Ali Baba sofort an sie. Vielleicht wollten sie die Gegend um die Stadt herum auskundschaften? Ohne darüber nachzudenken, was mit seinen beladenen Eseln geschehen würde, beschloss er, zuerst seine eigene Haut zu retten.
Er kletterte auf den hohen Baum, der sich dicht an eine Felswand lehnte. Seine Äste reichten bis zum Boden und waren so dicht ineinander verflochten, dass er sich dort sicher fühlte. Niemand würde ihn dort vermuten. In ihrem Schutz kauerte Ali Baba auf einer Astgabel und beobachtete von dort, was die Reiter unter dem Deckmantel der beginnenden Dunkelheit anstellen würden.
Die Staubwolke hatte sich inzwischen gesenkt und gab den Blick frei auf vierzig gut ausgerüstete und bewaffnete Männer auf verschwitzten Pferden. Sie näherten sich vorsichtig dem Fuß des Berges, schauten um sich, ob ihnen jemand gefolgt war, und stiegen von ihren Pferden. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, war er sich sicher, dass es sich hier um Räuber handelte.
Nicht nur das, er hielt sie für eine Gruppe von Banditen, die, ohne in der Nachbarschaft jemanden zu überfallen, irgendwo in der Ferne ihre Raubzüge unternahmen, während sie hier ihren Treffpunkt hatten, wo sie sich nach ihren Beutezügen wieder versammelten.
Seine Vermutung bestätigte sich, als er sah, wie sie ihre Pferde von ihrem Zaumzeug befreiten, sie an Ästen anbanden und ihnen einen Sack Hafer um den Hals stülpten. Als sie ihr Gepäck abnahmen, sah Ali Baba, dass ihre Satteltaschen bis zum Rand mit Gold- und Silbermünzen gefüllt waren.
Ein Räuber, der ihm auffiel, der besonders stattlich war und auf seinen Schultern goldene Streifen trug, als wäre er ein Kapitän und würde zur See fahren, schien der Anführer zu sein. Ausgerechnet er setzte sich mit seinen Satteltaschen direkt unter den Baum, auf dem Ali Baba saß. Er fing an, an einem getrockneten Fleischstreifen zu kauen.
Während er ein weiteres Stück mit seinen scharfen Zähnen abriss, stieß er versehentlich mit seinem Ellbogen an eine Satteltasche, die umfiel und den gesamten Goldmünzen-Inhalt auf die Wiese vor ihm ausschüttete. Er schrie auf, als hätte ihn eine Wespe gestochen. Ali Baba wunderte sich, dass ein Räuberhauptmann so empfindlich sein konnte.
Er rief zwei seiner Freunde zu sich, die die Goldmünzen einsammeln mussten. Ohne dass es jemand bemerkt hatte, beobachtete Ali Baba, wie ein Räuber eine Handvoll Goldmünzen in seine Hosentasche steckte. Noch während die beiden die Satteltasche füllten, stand der Räuberhauptmann plötzlich auf und schrie:
‚Sesam, öffne Dich!
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, öffnete sich eine Tür in der Felswand. Sie war mit Sträuchern zugewachsen, so dass Ali Baba sie gar nicht bemerkt hatte. Alle Räuber strebten mit ihren vollen Satteltaschen zur Tür und verschwanden in dem Bergmassiv. Ali Baba überlegte verzweifelt, ob er wieder vom Baum steigen sollte.
Er befürchtete, dass sie seine Esel entdecken könnten und damit auch ihn. Und wenn das geschah, dann konnte er zwar um Gnade flehen oder Allah bitten, ihn zu retten, aber - so viel hatte er von ihnen bei einem Besuch im Gemeindebad gehört – sie würden mit ihm kurzen Prozess machen.
Das heißt, sie würden ihm den Kopf mit ihrem Krummsäbel abschlagen. Ein Nachbar erzählte davon mit einer Gewissheit, als wäre er schon einmal dabei gewesen. Die Erzählung setzte ihm so zu, dass er Angst bekam. Nicht so sehr um seine eigene Person als um seine drei Esel, die sein ganzer Besitz waren.
Ohne sie würden er und seine Familie verhungern. Sie waren sein Werkzeug, mit dem er Geld verdiente. Sie trugen das viele Holz auf ihrem Rücken bis auf den Markt, wo er es verkaufen konnte. Er liebte sie, als wären sie drei seiner Brüder und wollte alles tun, um sie in Sicherheit zu bringen.
Er hatte sich gerade aufgemacht, um eines der Pferde zu besteigen, das in seiner Nähe angebunden war, und um mit ihm seine Esel so schnell wie möglich in die Stadt zu treiben, als er noch einmal auf den Eingang im Felsen schaute. Er blieb wie angewurzelt stehen. Nach einer Pause, in der er sich von seinem Schrecken erholt hatte, stieg er wieder einige Äste hoch, wo er schon einmal war. Von dort hatte er einen bequemen und sicheren Ausguck nach unten.
Die Felsentür war inzwischen weit geöffnet, und alle vierzig Räuber verließen das Innere des Berges. Der Räuberhauptmann war der erste, der herauskam und seine vierzig Räubergesellen zählte, damit keiner der Versuchung erlag, sich in dem Berg einschließen zu lassen. Er traute ihnen nicht. Offensichtlich hatte er mit ihnen schon die Erfahrung gemacht, dass sie auch ihn verraten würden, wenn sie einen Sack voller Goldmünzen dafür erhielten.
Dann hörte Ali Baba, der von seinem Ausguck im Baum alles gut beobachten konnte, wie der Räuberhauptmann schrie:
‚Sesam, schließe Dich!‘
Seine Männer beschäftigten sich inzwischen schon mit ihren Pferden, zäumten sie wieder auf, befestigten ihre Sättel mit den leeren Satteltaschen auf den Rücken der Pferde und warteten auf den Befehl ihres Anführers. Sie verließen dann in schnellem Galopp ihren Sammelplatz, als hätten sie es eilig, rechtzeitig den nächsten Raubzug zu unternehmen.
Ali Baba wartete und stieg noch nicht vom Baum. Er wusste, dass vielleicht einer von ihnen wieder zurückkommen könnte, weil er etwas vergessen hatte. Er verfolgte geduldig die Staubwolke, die sich hinter ihnen bildete, wartete noch eine Weile, bis er es wagte herabzusteigen.
Er erinnerte sich an die Worte des Häuptlings: Sesam, öffne Dich und schließe Dich und wollte aus Neugier versuchen, den Berg mit denselben Worten zu öffnen. Er überwand eine stachlige Hecke und stand endlich vor der Felsentür und rief:
‚Sesam, öffne Dich!‘
Unmittelbar darauf öffnete sich die Tür. Ali Baba, der eine trostlose, dunkle Höhle erwartete, war überrascht, eine lichtdurchflutete, mit einer weitläufigen Gewölbedecke ausgestattete Halle vor sich zu sehen. Sie bezog ihr Licht durch mehrere, für das gewöhnliche Auge kaum sichtbare Öffnungen im oberen Felsengewölbe.
Er sah alle möglichen Waren auf dem Boden liegen, deren wertvollere Gewebe in hohen Regalen an der Wand aufgeschichtet waren, angefangen von riesigen Ballen wertvoller Seidenstoffe, über kostbare Brokatstoffe bis hin zu teuren Teppichen, die wegen ihrer Menge in drei verschiedenen Partien aufgeteilt und übereinandergestapelt waren. Auf der Seite gegenüber lagen Gold- und Silberbarren aufgetürmt und eine Reihe von Geldsäcken davorgestellt.