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Nach dem überstandenen Abenteuer mit den Kinderhändlern steht Alicia vor neuen Problemen. Sie ist bei der Aufklärung der Einbrüche keine große Hilfe, da sie keine Visionen mehr hat. Auch Sabrina hat neue Konflikte. In einer gefährlichen Situation versagt sie komplett. Hilflos schaut sie zu, wie Leo alleine gegen zwei Gegner kämpfen muss. Ihm kommt eine Frau zur Hilfe. Ihr Kampfstil ist dem von Leo sehr ähnlich. Alicia wird hellhörig, als er diese Frau mit Namen anspricht. Und dann ist da noch der mysteriöse Codey, der beide Mädchen fasziniert. Nur Kevin behält mal wieder einen kühlen Kopf. Es gibt neue Feinde, aber vielleicht auch neue Verbündete. Werden sie den Fall trotzdem lösen?
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Seitenzahl: 268
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Alicia & Sabrina 2
Silke Herbst
Alicia & Sabrina
jagen die Einbrecher
von
Silke Herbst
Konfetti-Verlag, Neuenburg
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Impressum Texte © 2022 Silke Herbst [email protected]
Das Buch:
Was bisher geschah:
Auf einer Party lernte Alicia den mysteriösen, aber sehr smarten Leo kennen. Er schien ihre Nähe zu suchen und hatte im Handumdrehen ihr Herz erobert. Seitdem tauchte er immer wieder in ihrem Leben auf und verschwand genauso schnell. Ihre Freundin Sabrina versuchte, ihr Leo auszureden, da sie keine großen Perspektiven sah. Leo war für sie undurchschaubar. Die resolute Sabrina hätte da gerne klare Verhältnisse. Nachdem der kleine Tommy, der Bruder einer Schulfreundin von Alicia, entführt wurde, quälten Alicia seltsame Visionen, die in irgendeinen Zusammenhang mit der Entführung standen. Immer wieder tauchte die kleine Maadebrücke in ihren Träumen auf. Gemeinsam mit Sabrina und Kevin versuchte sie den Fall zu lösen. Doch je mehr sie ermittelten, desto komplizierter schien alles zu werden. Während eines Überfalls auf der Maadebrücke entdeckte Sabrina ihre Liebe zum Kickboxen. Nun gab auch ihre Vergangenheit ihr Rätsel auf. Ihre verstorbene Mutter hatte sich nie über ihren Vater geäußert. Hartnäckig ermittelten die drei weiter. Mittlerweile geriet Leo in Verdacht, der sich oft mit einer Frau namens Rose traf. Rose schien definitiv mit den Kinderhändlern in Verbindung zu stehen. Nach einem zufälligen Treffen zwischen Alicias Mutter Sarah und Rose, stand für Alicia fest, dass ihre Mutter mehr über Rose wusste. Die Frauen schienen sich von früher her zu kennen. Doch Sarah schwieg und verbot ihrer Tochter jeglichen Kontakt zu Rose und zu Leo. Zu allem Übel tauchte ein fragwürdiges Pentagramm mit leuchtenden Steinen auf. Seltsame Kräfte gingen von ihm aus. Durch ein Gespräch mit ihrem Vater Franz erfuhr Alicia mehr über das komische Verhalten ihrer Mutter. Rose war Alicias Tante, die Schwester von Sarah. Die Schwestern hüteten ein Geheimnis, über das niemand zu sprechen wagte. Währenddessen beschloss Sabrina, Leo näher auf den Zahn zu fühlen. Nach einer langen Unterhaltung unterlag auch Sabrina Leos Charme. Obwohl sie sich erst dagegen wehrte, schien seine Anziehungskraft immer stärker auf sie zu wirken. Nach einer Party stellte Sabrina fest, dass Leo das gleiche Merkmal auf der rechten Schulter trug, wie sie selbst. Eine auffällige Tätowierung, einen weißen Tiger. Diese Tätowierung stand für den Kampf. Nur Auserwählte durften dieses Zeichen tragen. Gemeinsam beschlossen Sabrina, Kevin, Leo und Alicia nach Hamburg zu fahren, um von Leos Vater Alexander, ein Großunternehmer, Antworten zu erhalten. In einem Vieraugengespräch mit seinem Vater erfuhr Leo, dass Sabrina seine Halbschwester ist. Auch Alicia wusste nun über sich Bescheid. Sie war die Hüterin des Pentagramms, wie vorher ihre Mutter.
Alicia beschloss, diese verantwortungsvolle Aufgabe anzunehmen, aber es fehlte ihr die Erfahrung. Sie war in der Lage aus ihren Augen kleine Lichtblitze zur Verteidigung zu schießen, doch trotz aller Übung wollte es ihr nicht gelingen. Als ihre Freundin Anja entführt wurde, wurde sie zur Handlung gezwungen. Der Kampf gegen die Kinderhändler ging in eine neue Runde. Eine zweite Gruppe schien sich für Alicia zu interessieren, denn seit es Hüterinnen gab, erschienen Jäger. Die Jäger waren eine Gruppe Menschen, die die Fähigkeiten des Pentagramms zu eigenen Zwecken nutzen wollten. Es stellte sich heraus, dass Denis einer der Führer dieser Gruppe war. Denis war der uneheliche Sohn von Rose und eines Jägers. Zwar gehörte Rose der Organisation der Hüterin an, hatte in ihrer Jugend einmal unbedacht gehandelt. Trotz aller Hindernisse konnte der Kinderhandelring gesprengt und Denis verhaftet werden.
Doch eine Aussage von Denis blieb allen im Gedächtnis:
Wenn zwei Linien sich kreuzen, wird eine vernichtet.
Was in diesem Buch geschieht:
Nach dem überstandenen Abenteuer mit den Kinderhändlern steht Alicia vor neuen Problemen. Sie ist bei der Aufklärung der Einbrüche keine große Hilfe, da sie keine Visionen mehr hat. Auch Sabrina hat neue Konflikte. In einer gefährlichen Situation versagt sie komplett. Hilflos schaut sie zu, wie Leo alleine gegen zwei Gegner kämpfen muss. Ihm kommt eine Frau zur Hilfe. Ihr Kampfstil ist dem von Leo sehr ähnlich. Alicia wird hellhörig, als er diese Frau mit Namen anspricht. Und dann ist da noch der mysteriöse Codey, der beide Mädchen fasziniert. Nur Kevin behält mal wieder einen kühlen Kopf. Es gibt neue Feinde, aber vielleicht auch neue Verbündete. Werden sie den Fall trotzdem lösen?
Der Autor:
Silke Herbst wurde in Wilhelmshaven geboren und ist dort aufgewachsen. Schon in der Schule schrieb sie gerne lange Aufsätze. Heute lebt sie in Schortens.
Alicia öffnete freudestrahlend das Fenster ihres Zimmers. Eine leichte Sommerbrise fuhr durch ihr Gesicht und spielte mit ihren Haaren. Entspannt lehnte sie sich auf die Fensterbank und sah nach draußen.
Die Abiturprüfungen waren vorüber und sie hatte alles gut überstanden. Bis zur Uni waren es noch ein paar Wochen und diese Zeit wollte sie in vollen Zügen genießen. Sie schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und nahm einen tiefen Atemzug. Wie in einem Film zogen die Bilder der letzten Wochen an ihr vorbei.
Denis saß in Untersuchungshaft und der kleine Tommy war wieder bei seinen Eltern. So blieb ihr genügend Zeit sich auf die Prüfungen zu konzentrieren.
Leider hatte sie Leo kaum gesehen. Er war in Hamburg in der Firma seines Vaters beschäftigt und meldete sich nur selten. Er hatte nicht einmal Zeit, sie auf den Abiball zu begleiten. An diesem Wochenende hatte er sich ein weiteres Mal mit einem Haufen Arbeit entschuldigt.
Ausgerechnet heute war bei einer Freundin eine ihrer legendären Gartenpartys. Sie hatte sich so darauf gefreut, nun musste sie ohne Leo zur Party, aber diesen Abend würde sie sich durch nichts und niemanden vermiesen lassen.Ihre Freundin Sabrina und deren Freund Kevin hatten versprochen, sie zu begleiten.
Kevin telefonierte häufig mit Leo und fuhr oft bei Nacht und Nebel nach Hamburg.
Alicia wüsste zu gerne, was die beiden ausheckten. Kevin spukte diese Meldung mit den Apothekeneinbrüchen im Kopf herum. Nach der Geschichte mit dem Kinderhandel war er entschlossen, diesen Fall zu lösen. Und dann gab es da ja diese seltsame Prophezeiung.
Ein leises Motorengeräusch riss sie aus ihren Gedanken. Von Weitem sah sie Sabrinas Auto die Klinkerstraße hochkommen. Schnell schloss sie das Fenster und rannte hinunter in den Flur, wo sie ihre Sachen deponiert hatte. Ein kurzer Check im Spiegel und sie war startklar.
„Sabrina ist da“, rief sie in den Flur, „ich haue jetzt ab. Bis morgen Mama.“
„Viel Spaß mein Schatz“, kam Sarah Freys Stimme aus der Küche zurück.
Alicia schnappte ihre Tasche und verließ das Haus. Sabrina hatte inzwischen geparkt und war ausgestiegen. Die beiden Freundinnen begrüßten sich mit einer herzlichen Umarmung, dann luden sie Alicias Gepäck in den Wagen.
Suchend schaute Alicia sich um: „Wo steckt Kevin? Er hatte doch versprochen mitzukommen.“
Sabrina hob die Hände und zuckte ratlos mit den Schultern: „Er ist bei Leo in Hamburg. Er kommt später nach.“
„Was die wohl aushecken? Leo meinte, er könne dieses Wochenende nicht kommen, wieder mal die Arbeit. Schade, ich habe mich auf ein paar Tage mit ihm gefreut. Ich habe ihn ewig nicht gesehen“, bemerkte Alicia ein wenig geknickt. „Ich habe den Eindruck, dass er mir aus dem Weg geht.“
„Du kennst ihn doch. Leo ist und bleibt nun einmal undurchschaubar und damit leider unberechenbar“, versuchte Sabrina sie mit einem Zwinkern zu trösten.
Innerlich musste sie ein wenig lachen, sie liebte ihren Halbbruder, aber seine Gefühlswelt blieb ihr ein Rätsel. Im Grunde genommen war sie davon überzeugt, dass Leo etwas für Alicia empfand. Doch manchmal hatte sie den Eindruck, sein Herz war woanders. So, als gäbe es da jemanden. Es war aber nur so ein Gefühl.
„So, Taschen und Zelte sind verstaut“, redete sie weiter und stieß die Heckklappe mit Wucht zu.
„Es kann losgehen. Welche Strecke nehmen wir? Friedeburg?“
Anja wohnte im Landkreis Aurich, so ca. 35 km von Wilhelmshaven entfernt.
Die Mädchen hatten sich entschieden, dort zu zelten. So waren sie nicht voneinander abhängig.
„Mir egal, fahr einfach los“, antwortete Alicia knapp und stieg ins Auto. Sie konnte ihre Enttäuschung wegen Leo nicht verbergen.
Kopfschüttelnd setzte Sabrina sich hinters Lenkrad. Die beiden waren schon ein komisches Paar, Leo so vernünftig, ruhig, manchmal ein bisschen geheimnisvoll und Alicia hatte eindeutig zu viel Temperament. Geduld war nicht immer ihre Stärke. Sobald Leo sich ihr näherte, wurde sie regelrecht zappelig und sie handelte oft unüberlegt. Meistens endete es in einer mittleren Katastrophe, da Alicia sich dann nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Nein, Leo und Alicia passten nicht so richtig zusammen, aber das behielt Sabrina besser für sich. Die Meinung hatte sie schon, bevor sie wusste, dass Leo ihr Halbbruder war. Und wer weiß, eines Tages hatte Alicia ihre Ausbrüche vielleicht im Griff.
Sie startete den Wagen und fuhr los.
Leo und Kevin brüteten in Hamburg über neue Probleme.
„Wenn zwei Linien sich kreuzen, wird eine vernichtet. Wer lässt sich so einen Quatsch einfallen?“, Leo war sichtlich verärgert.
„Und?“
„Und was?“
„Hat man die Lösung gefunden?“
„Nein, man ist sich nicht einig“, erwiderte Leo gereizt, indem er das Wort man extrem betonte.
„Es gibt keine genauen Angaben über diese Prophezeiung. Die Organisation hat zwar wilde Theorien aufgestellt, aber das ist bisher leider schon alles. Also immer noch nichts Konkretes. So etwas geht bei denen meistens nie gut aus. Das kenne ich nur zu genau. Das war damals genauso mit ...“, er unterbrach den Satz und stutzte kurz.
Dann sprach er einfach weiter: „Alicia wird mich umbringen, wenn sie von den neuesten Vorbeugemaßnahmen hört. Diese Sache mit den Linien beschäftigt sie sehr.“
Leo stellte sich vor, wie Alicia explodieren würde, wenn er ihr von den aktuellsten Auswertungen dieser verflixten Prophezeiung erzählte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er mochte ihre Temperamentsausbrüche, aber manchmal war es auch ein wenig anstrengend. Gut sie war ein paar Jahre jünger, er hoffte, es würde sich mit der Zeit geben.
„Du hast nicht selber recherchiert?“, riss Kevin ihn aus seinen Gedanken.
„Wie? Ach so. Nein, bisher nicht. Genau genommen möchte ich dich darum bitten.“
Kevin nickte zustimmend. Natürlich hatte er Leos Versprecher sofort bemerkt: „Ich werde sehen, was ich herausfinden kann. Hast du schon irgendwelche Ansatzpunkte für mich? Wie zum Beispiel von damals!“
Kevin wartete auf Leos Antwort. Gespannt hielt er den Atem an, aber er wurde enttäuscht, Leo ging nicht darauf ein.
„Nein, die bisherigen Auswertungen halte ich eher für irrelevant. Vielleicht fängst du von vorne an.“
Kevin lachte, so leicht gab er nicht auf. Dann eben direkt: „Okay fangen wir bei damals an. Mit wem war es genauso? Es könnte ja wichtig sein.“
Leo dachte nach. Dabei entspannten sich seine Gesichtszüge und er lächelte.
Dann wandte er sich wieder an Kevin: „Nein, ist es nicht. Ich möchte nicht darüber reden.“
„Haben wir denn zumindest schon eine neue Spur von den Apothekeneinbrechern?“, wechselte Kevin erst einmal das Thema.
Er würde aber definitiv an Leos Geschichte dranbleiben.
„Leider nicht“, antwortete Leo. „Wir müssen warten, bis sie wieder tätig werden. Ich vermute, dass hinter diesen Einbrüchen wesentlich mehr steckt. Wir brauchen dringend eine neue Spur.“
Nervös sah Kevin auf die Uhr: „Leo, ich glaube, wir sollten langsam los, wenn wir pünktlich bei Anja auf der Party sein wollen.“
Leo zog die Augenbrauen hoch und ein freches Grinsen legte sich auf seine Lippen: „Du meinst, du möchtest pünktlich sein. Mit mir rechnet ja keiner, ich habe offiziell abgesagt.“
„Coole Idee. Hätte ich absagen sollen? Frei nach dem Motto: Liebe Sabrina, es tut mir unendlich leid, aber ich muss mit Leo einen Plan entwerfen, wie er Alicia loswerden kann. Ich glaube, ihre Faust in meinem Gesicht könnte schmerzhaft werden. Lass uns lieber losfahren.“
Leo lachte und ein belustigtes Funkeln lag in seinen braunen Augen: „Sabrina hat dich ganz schön in Griff, oder?“
„Wo die Liebe hinfällt. Was soll ich machen? Und …“, er zwinkerte vergnügt, „außerdem ist sie immer gleich so brutal. Aber mal ehrlich, ich könnte mir ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen.“
Leo sammelte die vor ihm liegenden Unterlagen zusammen: „Das kenn ich. Dann sollten wir starten. Ich kann es wohl kaum verantworten, wenn du morgen blaue Flecke von der Dame deines Herzens hast.“
„Alicia wird sich freuen, dich zu sehen. Sie rechnet ja nicht mit dir.“
„Gab es da nicht so ein Sprichwort mit Frauen und Überraschungen?“, scherzte Leo.
„In diesem Fall würde es mich schwer wundern“, stellte Kevin fest.
Die Männer machten sich auf den Weg. Sie hatten eine lange Fahrt vor sich.
Alicia und Sabrina hatten die Gartenparty erreicht und ihre Zelte aufgebaut. Wie immer hatte Anja ihren Garten liebevoll gestaltet. Einladend war das kleine Fehnhaus mit Lampions geschmückt. Neben dem Wintergarten prasselte lustig ein Feuer, während aus dem Partyschuppen laute Musik tönte. Auf dem ausgerollten Kunstrasen waren überall gemütliche Sitzecken verteilt. Übermütig stürzten sich die Freundinnen ins Getümmel. Sie hatten sich für die Party rausgeputzt, zwar trugen beide Jeans, aber Alicia hatte sich für einen Body mit raffiniertem Ausschnitt entschieden und Sabrina für eine gewagte Korsage, die ihre Schultern freilegte und damit ihr Tattoo betonte.
Nachdem sie eine ganze Weile getanzt hatten, machten sie an einem kleinen Stehtisch eine Pause und tranken ein Glas Wein.
„Hat Leo dir gesagt, wann er mal wieder nach Wilhelmshaven kommt?“, fragte Alicia in der Hoffnung, ihre Freundin wüsste mehr.
Sabrina schüttelte verneinend den Kopf: „Leider nein. Unser Vater hat nichts erwähnt. Ich habe erst heute mit ihm telefoniert. Er war im Stress. Er hat irgendetwas von Ärger mit einer Felia gesagt. Keine Ahnung was er damit meinte. Aber er spricht mit mir nie über wichtige Sachen.“
„Mit Leo auch nicht“, sagte Alicia, „nur immer genau so viel, wie er wissen muss. Von einer Felia hat Leo noch nie etwas erzählt. Wer weiß, welche Fäden Alexander so im Hintergrund zieht.“
Sabrina schaute ein paarmal in Richtung Haus und grinste, dann stieß sie Alicia an: „Guck mal, der Typ da, neben Anja, der beobachtet uns schon die ganze Zeit. Immer wenn ich hinsehe, schaut er weg. Mir scheint, der quatscht seit einer Ewigkeit mit ihr.“
Unauffällig sah Alicia sich um. Tatsächlich stand da ein ca. 25-jähriger Mann mit dunklen Haaren.
Er sah sie an und lächelte, dann wandte er sich schnell wieder an Anja und schien intensiv mit ihr zu diskutieren.
Alicia runzelte die Stirn: „Den schaue ich mir mal näher an. Ich würde gerne wissen, was an uns so interessant ist.“
„Keine Ahnung. Aber nun renne nicht gleich ...“
Zu spät, Alicia war schon auf dem Weg.
„Verflixt“, fluchte Sabrina und folgte ihr.
Es könnte eine Falle sein. Hatte sie aus Denis denn nichts gelernt? Der hatte sich als Kinderhändler entpuppt und wollte ihr außerdem das Pentagramm abnehmen. Hoffentlich ging das jetzt gut, ansonsten würde sie Leo besser die nächsten Jahre aus dem Weg gehen. Bestimmt sah sie aber auch einfach nur zu Schwarz.
„Schwarz? Wie Leo Schwarz?“, Sabrina lachte, das war ja im wahrsten Sinne des Wortes.
Nachdem sie Alicia eingeholt hatte, war diese bereits mit dem Mann in einem Gespräch verwickelt.
„Oh, da bist du ja. Das hier ist Nils. Anja hat ihn auf dem letzten Treckerrennen in Aurich kennengelernt.“
Sabrina versuchte zu lächeln: „Hey, ich bin Sabrina.“
Sie sah zu ihm hoch und schaute direkt in zwei wunderschöne himmelblaue Augen.
„Ich habe deine Tätowierung bewundert. So etwas habe ich ja noch nie gesehen, einen weißen Tiger, wow“, bemerkte Nils leicht verlegen und ein warmes, freundliches Lächeln lag auf seinem Gesicht.
Sabrinas Alarmsirenen beruhigten sich ein wenig. Der Typ schien eher harmlos zu sein.
„Die Tätowierung habe ich schon seit meiner Kindheit“, erzählte sie stolz.
Ein leises Knurren kam aus ihrem Magen: „Ups, ich glaube, wir essen erst einmal etwas.“
Plaudernd liefen sie in Richtung Grill. Anja gesellte sich kurz zu der lustigen Runde.
„Bin ich satt“, Sabrina ließ sich in einen Sessel fallen.
„Wenn ich mich jetzt hinsetze, schlaf ich ein“, meinte Alicia und strich sich über den vollen Bauch, „ich gehe lieber tanzen. Was ist Nils, kommst du mit?“
„Klar, ich brauche jetzt ein wenig Bewegung“, antwortete er.
Sabrina blieb in der Sitzecke zurück und genoss ein wenig die Abenddämmerung. Ungeduldig sah sie auf ihre Uhr. So langsam könnte Kevin eintrudeln.
Inzwischen hatten Alicia und Nils beim Tanzen eine Menge Spaß.
„So viel Bewegung nach dem Essen ist ganz schön anstrengend“, stellte Alicia fest, „mir ist total warm.“
Sie setzte sich auf einen Stuhl und fächerte sich mit der Hand Luft zu.
„Stimmt“, erwiderte Nils und sah auf die Uhr, „andererseits ist es auch schon wieder Zeit für einen Nachtisch. Vorzugsweise etwas Kaltes.“ Erwartungsvoll sah er sie an.
Nachdenklich wickelte Alicia eine Haarsträhne um ihren Finger: „Ein Eis wäre jetzt super. Gab es hier nicht eine Eisdiele?“
„Ja, zu Fuß ungefähr zwanzig Minuten von hier. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es, bevor sie schließen.“
Alicia sprang auf und strahlte: „Und worauf warten wir dann noch?“
Sie machten sich auf den Weg zur Eisdiele. In ihrer Euphorie vergaß Alicia, Sabrina Bescheid zu geben.
Nachdem sie schon eine Weile die Hauptstraße entlang gegangen waren, hörte Alicia ein merkwürdiges Geräusch. Schnell packte sie Nils am Arm und zog ihn hinter einen Baum.
„Was ist los?“, Nils war irritiert.
„Pst“, zischte Alicia leise, „in der Apotheke da drüben stimmt etwas nicht.“
„Wie kommst du darauf?“
„Siehst du nicht das Schummerlicht hinter dem Schaufenster? Außerdem habe ich dort komische Gestalten gesehen.“
Vorsichtig schaute Nils hinter den Baum hervor. „Du hast recht. Es scheinen Einbrecher in der Apotheke zu sein. Was nun?“
„Ich habe keine Ahnung. Erkennst du etwas?“
„Nein, leider nicht.“
Alicia schluckte. Sie konnte mit Nils im Gepäck wohl kaum eine Blitzshow veranstalten. Abgesehen davon, hatte sie keine Ahnung, ob es funktionierte. Seit der Maadebrücke hatte sie sich damit nicht mehr beschäftigt. Und alleine in die Apotheke zu gehen wäre unklug.
Verzweifelt kramte sie in ihren Hosentaschen.
„Suchst du etwas?“, fragte Nils.
„Ja, mein Handy, aber es liegt wohl noch in meiner Tasche im Zelt.“
„Was willst du jetzt mit einem Handy?“
„Na, die Polizei rufen. Hast du eins dabei? Ansonsten gehe ich rüber. Vielleicht erkenne ich etwas.“
„Bist du wahnsinnig? Die könnten gefährlich sein“, Nils war entsetzt, „nein meins liegt leider auch bei Anja.“
„Du kannst ja hierbleiben. Ich komme gleich wieder.“
Sie schlich über die Straße bis zur Apotheke, dann setzte sie sich in die Hocke und wagte mutig einen Blick am Rand des Schaufensters ins Innere des Geschäftes. Nur vage erkannte sie zwei dunkel gekleidete Männer. Sie öffneten alle Schubladen und steckten Medikamente in ihre Rucksäcke. Einer von ihnen schien zu humpeln. Für weitere Einzelheiten war es bereits zu dunkel. Sie drückte sich an die Hauswand und sah auf die Straße, dann hörte sie leise Stimmen.
Sie beschloss, lieber zu Nils zurückzugehen. Alleine konnte sie sowieso nichts ausrichten.
Sie spurtete über die Straße. Noch gerade rechtzeitig erreichte sie einen Baum. In diesem Moment kamen die Männer aus dem Gebäude und die Alarmanlage der Apotheke ertönte. Sie waren beim Verlassen der Apotheke wohl etwas unvorsichtig. Eilig verschwanden sie in der Dunkelheit.
Alicia spürte, wie ihr jemand mit der Hand auf die Schulter tippte. Sie hielt die Luft an und ihr wurde heiß. Hatte einer der Einbrecher sie entdeckt?
„Lass uns verschwinden“, kam eine leise Stimme von hinten.
Erleichtert atmete Alicia auf: „Nils, hast du mir einen Schrecken eingejagt. Spinnst du? Wollen wir nicht auf die Polizei warten?“
„Lieber nicht, die stellen immer so viele Fragen.“
„Hattest du Ärger?“
„Nein, natürlich nicht. Aber ich möchte nichts damit zu tun haben.“
„Und unser Eis?“
Nils wurde nervös und begann leicht zu schwitzen: „Die Eisdiele hat jetzt eh schon geschlossen. Lass uns lieber zurückgehen.“
Alicia überlegte kurz: „Ja, aber ... “
Sanft packte Nils sie an den Schultern und sah sie flehend an.
„Bitte Alicia, vertraue mir. Lass uns gehen.“
„Mit Nils stimmt etwas nicht“, dachte Alicia bei sich.
Forschend sah sie ihm ins Gesicht. Eigentlich machte er auf sie einen ehrlichen Eindruck. Sollte sie sich so getäuscht haben?
Leise dröhnten die Sirenen der Polizei durch die Nacht. Immer näher kamen sie in Richtung der Apotheke.
Schließlich rauschte der erste Wagen an den beiden vorbei.
Schnell packte Nils Alicia, drückte sie gegen den Baum und küsste sie.
Unterdessen hatten Kevin und Leo die Party erreicht. Nachdem sie Anja begrüßt hatten, sahen sie sich nach ihren Freundinnen um.
Kevins scharfe Augen hatten Sabrina in der Sitzecke schnell ausfindig gemacht. Aber wo zum Kuckuck steckte Alicia. So sehr er sich auch bemühte, er entdeckte sie nirgends.
Achselzuckend wandte er sich an Leo: „Ich kann sie nicht finden.“
„Wir sollten Sabrina fragen“, Leos Ton war scharf. Er hatte ein ungutes Gefühl. Sabrina war ihm oft zu luschig, nicht die ideale Voraussetzung für einen Kämpfer. Ihre Unachtsamkeit könnte sie noch einmal Kopf und Kragen kosten.
Auch Sabrina hatte ihren Freund erspäht und lief freudig auf ihn zu. Dann bemerkte sie Leo und blieb abrupt stehen. Eigentlich freute sie sich, ihren Halbbruder zu sehen, aber sie musste sich eingestehen, dass sie keine Ahnung hatte, wo Alicia steckte. Als ihr Kindermädchen hatte sie kläglich versagt. Es würden ein paar sehr unangenehme Fragen auf sie zukommen. Angestrengt dachte sie nach. Das letzte Mal hatte sie Alicia auf der Tanzfläche mit Nils gesehen. Sabrina suchte fieberhaft eine Erklärung, langsam schlenderte sie dabei auf Kevin zu.
Tausend Ausreden schossen ihr durch den Kopf, aber nicht eine davon war brauchbar.
Natürlich könnte sie sagen, sie war mal für kleine Königstiger, es würde allerdings nicht erklären, warum sie so entspannt in der Ecke saß. Wie war es noch mit dem Schwarzsehen? Und nun stand er leibhaftig vor ihr. Sie stöhnte leise und ein paar Schweißperlen traten auf ihre Stirn.
Leo sah ihr interessiert entgegen: „Na, die hat ja heute ein Tempo drauf. Jede Schnecke ist schneller.“
„Ich sag es ja ungern“, stimmte Kevin ihm zu, „aber ich befürchte nichts Gutes. Die Verzögerungstaktik wird ihr nicht helfen.“
Ein ironisches Grinsen huschte über Leos Gesicht: „Wollen wir ihr entgegenlaufen? Das beschleunigt die Sache ungemein. Ich meine, wir können auch eine halbe Stunde warten, bis sie hier ist.“
Kevin pfiff anerkennend durch die Zähne: „Eine halbe Stunde auf zehn Meter, Donnerwetter, das ist richtig schnell. Sie muss ein verdammt schlechtes Gewissen haben. Aber mal was anderes, wer ist eigentlich die Brünette? Sie starrt dich schon die ganze Zeit an?“
„Wer starrt mich wo an?“
„Na, da vorne, am Wintergarten.“
Diskret schaute Leo nach links. Zwischen dem Wintergarten und dem Grill stand ein ca. 20-jähriges Mädchen mit kurzen braunen Haaren. Ihr Blick war starr auf Leo gerichtet und ihr Mund stand offen. Er musterte sie aus dem Augenwinkel.
„Keine Ahnung, noch nie gesehen.“
„Wenn sie so weiter macht, hat sie morgen blaue Flecken an der Kinnlade“, konnte Kevin sich einen Kommentar nicht verkneifen. „Wie machst du das eigentlich immer mit den Frauen?“
„Wer ich?“
„Ja du. Die Weiber sind bei dir ja schlimmer, als die Motten mit dem Licht. Scharenweise kleben sie an dir und du bemerkst es nicht einmal.“
Ratlos sah Leo an sich herunter. Er trug Jeans und ein weißes T-Shirt, was seinen sportlichen Typ gut betonte. Die schwarzen Haare hingen ihm etwas wirr im Gesicht.
Er lächelte und in seinen braunen Augen blitzte es: „Ich habe keine Ahnung. Die Frauen müssen blind sein. Ich hatte ja nicht einmal Zeit, um mich umzuziehen. Ist die halbe Stunde schon vorbei?“
„Welche halbe Stunde?“, erkundigte sich Sabrina neugierig.
„Jeep, sie ist rum“, bemerkte Kevin trocken.
„Was ist rum und welche halbe Stunde?“, fragte sie hitzig.
Kevin lächelte seine Freundin unschuldig an: „Hallo mein Schatz, ich finde es auch sehr schön, dich zu sehen.“
Leo verschränkte lässig die Arme: „Hallo Schwesterherz. Ich gehe davon aus, dass du mir sofort sagen kannst, wo Alicia sich aufhält.“
Erwartungsvoll sah er sie an.
Sabrina schluckte.
„Ich habe keine Ahnung“, sie lächelte schuldbewusst und sah auf ihre Fußspitzen, „vor ein paar Minuten war sie mit Nils auf der Tanzfläche.“
„Wer ist Nils?“, entfuhr es Kevin und Leo gleichzeitig.
„Nils haben wir heute Abend kennengelernt. Er ist ein Gast von Anja. Er war so fasziniert von meinem Tattoo und da kamen wir ins Gespräch.“
Leo schüttelte den Kopf und sah seine Schwester vorwurfsvoll an: „Nur damit ich es verstehe, Alicia ist mit einem Nils unterwegs, den ihr erst ein paar Stunden kennt und der von dem weißen Tiger weiß? Und weil es alles so vertrauensselig ist, hast du gedacht, du kannst alleine vor dich hin feiern und Alicia bei Nils lassen?“
„Na ja, ganz so war es nicht …“
Kevin ließ seinen Blick immer wieder durch den Garten wandern: „Ich sehe sie nicht. Wo steckt denn dieser Nils?“
Suchend sah Sabrina sich um.
„Ich kann ihn auch nicht finden“, gab sie schließlich zerknirscht zu.
Leo wurde nervös. Bis gerade fand er Sabrinas Situation noch ein wenig amüsant, aber so langsam spitze sich das Ganze zu.
„Entschuldigung“, hörten sie eine zarte Stimme.
Leo drehte sich um. Vor ihm stand das Mädchen vom Wintergarten.
„Ja?“, fragend schaute er in ihre Richtung.
Sie errötete leicht unter seinem Blick: „Ich bin Bella. Sucht ihr Nils und die hübsche Dunkelhaarige, die bei ihm war?“
„Ja, genau die haben wir auf unserer Vermisstenliste.“
Bella lächelte. Sie war glücklich, Leo helfen zu können: „Ich habe zufällig mitbekommen, dass sie Eis essen wollten.“
„Eis essen?“, Leo sah Sabrina vorwurfsvoll an.
Sie zuckte mit den Schultern: „Leg los mit der Standpauke.“
„Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Sehe lieber zu, dass du dich ins Auto bewegst. Wir sollten uns schnellstens auf die Suche machen. Kevin, du fährst. Sabrina, du gehst nach hinten und behältst die linke Seite der Straße im Auge, alles klar?“
Kevin schnappte seine Freundin am Arm und zog sie mit sich.
Leo wandte sich freundlich an das Mädchen:
„Danke, für deine Hilfe Bella. Bella war doch richtig oder?“
Sie nickte eifrig und lächelte ihn schüchtern an.
Dann machte er sich auf den Weg.
„Was an dieser Dunkelhaarigen wohl so toll ist?“, sagte Bella so zu sich, „wenn sie so einen Typ warten lässt, ist sie selber schuld. Ich würde ihn nicht gegen Nils tauschen. Vielleicht ist er ja gar nicht ihr Freund, wir werden sehen.“
„An dem haben sich schon viele die Finger verbrannt“, hörte sie die Stimme ihrer Freundin Viola neben sich.
„Egal, er ist es wert. Hast du gesehen, wie er aussieht? Und so höflich.“
Viola lachte laut und schmiss ihre blonde Mähne hinter die Schultern: „Er ist gefährlich, in jeder Hinsicht. Der Reiz des Undurchschaubaren. Die Macht des weißen Tigers. Um sein Herz zu erobern, musst du schon ein wenig mehr bringen, als ihm eine Auskunft geben.“
„Wie meinst du das? Kennst du ihn näher?“
Geheimnisvoll sah Viola ihre Freundin an: „Wer weiß!“
„Erzähle mir mehr von ihm!“, bettelte Bella.
„Später, jetzt möchte ich erst einmal die Party genießen. Eins kann ich dir verraten. Sein Herz hat er vor langer Zeit vergeben. Und da ist jemand, mit dem gleichen Problem. Der könnte dir auch gefallen. Aber den habe ich mir schon ausgesucht. Wenn er mich doch nur bemerken würde. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Dabei gebe ich jeden Tag alles.“
„Ich verstehe kein Wort“, meinte Bella und lachte.
Leo, Kevin und Sabrina saßen im Auto und fuhren Richtung Eisdiele.
„Dahinten ist Blaulicht, könnte die Polizei sein“, stellte Sabrina fest.
„Ich wette, dort ist eine Apotheke“, meinte Kevin und verringerte vorsorglich etwas das Tempo.
Ohne jegliche Vorwarnung machte er aber dann eine heftige Vollbremsung. Das Quietschen der Reifen dröhnte in den Ohren und der Wagen schlenkerte leicht.
„Ist etwas passiert?“, fragte Sabrina entsetzt, nachdem sie sich von ihrem ersten Schock erholt hatte.
„Nichts Wesentliches oder doch?“, versuchte Kevin auszuweichen.
Einen Wutausbruch von ihr konnte er jetzt nun wirklich nicht gebrauchen. Die Situation war schon haarig genug.
„Was starrt ihr denn da so rüber?“, bohrte sie weiter und versuchte, etwas zu erkennen.
„Da am Baum steht Alicia. Ich gehe davon aus, dass der Typ, der sie küsst, Nils ist“, informierte Leo sie knapp.
Diesmal klang seine Stimme leicht angespannt.
„Man könnte aber auch sagen, wir haben sie gefunden und wie es scheint gesund und munter“, fügte Kevin hinzu.
„Das glaube ich nicht“, entfuhr es Sabrina, „ich meine das mit dem Küssen.“
Sie beugte sich zwischen den Sitzen nach vorne, sah aus dem Fenster und war sprachlos. Sorgfältig betrachtete sie Leo. Nichts, aber auch gar nichts, war in seinem Gesicht zu lesen. Er ließ sich nicht einmal anmerken, ob es ihn störte.
Sie öffnete den Mund, um ihn zu fragen, als sie Kevins verneinende Kopfbewegung sah. Er ahnte, was in ihr vorging.
„Und nun?“, fragte sie stattdessen.
Niemand gab ihr eine Antwort, obwohl es Kevin sehr erstaunte, dass Sabrina mal auf ihn hörte. Normalerweise setzte sie ihren Kopf immer durch. Das Schweigen im Auto wurde langsam unerträglich.
Kevin legte seine Hand beruhigend auf Leos Schulter.
„Mensch Leo, sie gibt dir eine unglaublich gute Vorlage. Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach wird. Sehe es doch mal von dieser Seite.“
Angespannt schnellte Sabrina wieder nach vorne: „Was für eine Vorlage? Wovon redet ihr? Was wird hier gespielt? Leo, sag was!“
Verzweifelt sah sie von einem zum anderen. Die brüteten doch irgendetwas Gemeines aus.
„Ich steige aus“, beschloss Leo schließlich.
Nils ließ rasch von Alicia ab, als er eine Autotür zuschlagen hörte. Langsam näherten sich ihnen Schritte.
Er versuchte seine Jacke weiter ins Gesicht zu ziehen.
„Das ist bestimmt die Polizei, wir haben nichts gesehen, hast du das verstanden?“, flüsterte er ihr eindringlich zu.
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, packte er sie dabei an den Oberarmen.
„Was machst du da? Lass mich los!“
Alicia versuchte sich mit aller Kraft zu befreien. So langsam war ihre Geduld am Ende. Was sollte das ganze Theater?
„Du tust mir weh“, fuhr sie ihn an.
Erschrocken lockerte er seinen Griff und schaute etwas beschämt nach unten: „Entschuldigung, das wollte ich nicht. Weißt du, es ist nur wegen ...“
„Kann ich euch helfen?“, wurde er plötzlich unterbrochen.
Alicia horchte auf. Ein angenehmes Gefühl von Sicherheit breitete sich in ihr aus. Diese Stimme würde sie immer und überall erkennen. Ihr Herzklopfen gab ihr recht. Strahlend schaute sie in die Richtung, aus der Leos Stimme gekommen war.
„Leo, Gott sei Dank, aber wieso bist du hier? Ich dachte, ...“
Mitten im Satz brach sie ab. Vor ihr, im Mondlicht, stand zwar ihr Leo, aber heute wirkte er wieder unnahbar. Auf seinen Lippen lag das ihr nur allzu gut bekannte überhebliche Lächeln. Was war nur los mit ihm? Fieberhaft dachte sie nach, erst dann fiel ihr auf, wie die Situation auf Leo gewirkt haben musste.
„Verdammt, warum passiert mir so etwas? Wie soll ich das bloß erklären?“, die wildesten Bilder, wie er gleich reagieren könnte, zogen an ihr vorbei. Ihr wurde heiß, aber es nutzte nichts, sie musste handeln.
Mit klopfendem Herzen ging sie langsam auf Leo zu. Dabei behielt sie ihn fest im Blick. In seinem Gesicht war keine Regung zu erkennen. Kaum hatte sie ihn erreicht, packte er sie am linken Arm und zog sie hinter sich ohne Nils dabei aus den Augen zu verlieren.
„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte er sich knapp.
„Ja, ich glaube schon.“
Alicia war verwirrt. Sie machte sich Gedanken, wie sie ihm den Kuss erklären sollte und er war um sie besorgt? Nur sein Ton verriet ihr, dass ihm die Situation missfiel.
„Was ist denn jetzt da los?“, auch Sabrina verstand die Welt nicht mehr.